Das Englandspiel war eine deutsche Operation im Zweiten Weltkrieg, um das alliierte Sendernetzwerk zu benutzen, um falsche Informationen ins Vereinigte Königreich zu übermitteln. Die deutsche Abwehr nannte diese Operation "Operation Nordpol".
Dieses "Spiel" wurde ausgetragen zwischen dem SOE (Special Operations Executive) des Vereinigten Königreiches und der deutschen Abwehr. Da dies eine sehr ernste Angelegenheit war und hierbei viele Menschen ihr Leben verloren, ist es hier mindestens ironisch, von einem Spiel zu sprechen.
Beginn des Englandspiels
Das "Spiel" fing an, als Huub Lauwers, ein niederländischer Journalist, ausgebildet als Geheimagent, am 7. November 1941 zusammen mit Thijs Taconis vom Vereinigten Königreich aus über den Niederlanden mit dem Fallschirm absprang. Er hatte den Auftrag, eine Radioverbindung mit dem Hauptquartier in London zu unterhalten. Am 3. Januar 1942 schickte er seinen ersten, verschlüsselten Bericht ins Vereinigte Königreich.
Am 6. März wurde er abends ungefähr um halb 8 in der Nähe seiner Sendeadresse in Den Haag durch Major Hermann Giskes von der deutschen Abwehr festgenommen. Lauwers wurde im Gefängnis von Scheveningen festgehalten. Anfangs weigerte er sich, mit den Deutschen zusammen zu arbeiten, aber er ließ sich durch Giskes umstimmen, um das Leben von Thijs Taconis zu retten. Ein anderer Grund für Lauwers, dieses "Spiel" mit zu machen, war, dass er hoffte, den SOE über seine Festnahme informieren zu können.
Für die Deutschen war dies eine einmalige Chance, weitere Geheimagenten in die Hände zu bekommen und den Engländern irreführende Informationen zu geben.
Während seiner Ausbildung hatte Lauwers beim SOE gelernt, in seinen Morse-Telegrammen einen absichtlichen Fehler einzubauen - der so genannte security check - und diesen Fehler wegzulassen, sobald er festgenommen war. Bei der Abwehr wusste man vom vorher festgenommenen Marconisten Willem van der Reyden schon von der Existenz von security checks, aber man kannte nicht den individuellen security check jedes einzelnen Agenten.
Lauwers machte den Deutschen weis, sein security check bestünde aus dem Senden von "stip" statt von "stop". In Wirklichkeit hatte ihm der SOE beigebracht, jeden 16. Buchstaben falsch zu senden. Im Auftrag von Giskes sendete er am 8. März einen Bericht nach London. Obwohl er in diesem Bericht seinen Pseudo-security-check benutzte ("stip" statt "stop") und seinen echten security check wegließ, schien London anzunehmen, dass er noch frei war.
Dies war der Anfang des Englandspiels. Lauwers tat alles, was er konnte, um die Briten wissen zu lassen, dass er gefangen genommen war. So fing er am 28. März sein Telegramm mit den Buchstaben "CHT" an und beendete es mit "CAU", was zusammengesetzt "CAUGHT" (gefangen) bildete. Mitte Mai schickte er sogar drei Mal in einem Bericht das Wort "CAUGHT". Den Briten fiel dies anscheinend nicht auf. Sie schickten auch weiterhin Geheimagenten, die prompt von den Deutschen festgenommen wurden.
Ende des Englandspiels
Am 31. August 1943 gelang es zwei Agenten (Johan Ubbink en Peter Dourlein), aus dem Gefängnis in Haaren (dem ehemaligen Priesterseminar) auszubrechen. Im Dezember 1943 wurden die Nachrichten laut Giskes nichtssagender und matter. Es war den beiden Agenten gelungen, die Briten zu warnen, dass das gesamte niederländische Marconisten-Netz in den Händen der Deutschen war. Die Deutschen ließen sich allerdings nicht anmerken, dass ihre Kontrolle über das Marconisten-Netz enttarnt war. Am 1. April 1944 wurde das Englandspiel mit einer Schlussmeldung an den SOE beendet.
Das Schicksal der gefangenen Agenten
Insgesamt nahmen die Deutschen 59 Agenten gefangen, die größtenteils in Haaren festgehalten wurden. Von diesen 59 kamen zwischen dem 6. und dem 8. September 1944 54 ums Leben, fast alle durch Hinrichtungen in Mauthausen.
Lauwers blieb dieses Schicksal erspart. Auf Veranlassung von Giskes blieb er in Haaren, als fast die gesamte Gruppe ins Konzentrationslager Vught geschickt wurde und von da aus nach Mauthausen. Am 26. April 1945 wurde er in Rathenow durch die Russen befreit.
Nach dem Krieg
Nach dem Krieg wurde Lauwers durch die niederländische Königen Wilhelmina geehrt. Er hat sich lange gefragt, was eigentlich geschehen war. Hatten die Deutschen die Briten in die Irre geführt oder umgekehrt? Hatten die Briten mit Absicht fast 60 Agenten geopfert, um die Deutschen glauben zu machen, dass die Invasion in den Niederlanden stattfinden sollte. Wenn das so sein sollte, dann waren seine Kollegen jedenfalls nicht umsonst gestorben, sagte Lauwers. Jetzt, wo immer mehr Informationen vom britischen Geheimdienst über den Zweiten Weltkrieg freigegeben werden, wird die zweite Möglichkeit immer wahrscheinlicher.