Juri Wladimirowitsch Andropow

sowjetischer Politiker
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Juri Wladimirowitsch Andropow (russisch Юрий Владимирович Андропов, wiss. Transliteration Jurij Vladimirovič Andropov, * 15. Juni (2. Juni alten Stils) 1914 in Nagutskaja (Nagutskoe), Region Stawropol, Russland; † 9. Februar 1984 in Moskau, UdSSR) war ein sowjetischer Politiker.

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Juri Wladimirowitsch Andropow

Karriere bis 1982

Andropow trat 1939 der KPdSU bei, war 1940 bis 1944 Erster Sekretär des Kommunistischen Jugendverbandes Komsomol in der Karelo-Finnischen SSR und im Zweiten Weltkrieg Kommandant einer gegen Deutschland kämpfenden Partisanengruppe. 1944 wurde er zum Zweiten Sekretär des Gebietskomitees der KPdSU von Petrozavodsk, 1947 zum Zweiten Sekretär der KPdSU in der Karelo-Finnischen SSR gewählt. Ab 1951 war er im Sekretariat des Zentralkomitees in Moskau tätig.

1954 wurde er zum sowjetischen Botschafter in Ungarn ernannt. In seine Amtszeit fiel der ungarische Volksaufstand von 1956 und der darauffolgende sowjetische Einmarsch. Aus dieser Zeit stammt auch seine lebenslange enge Freundschaft mit dem langjährigen Ersten Sekretär (später: Generalsekretär) der Ungarischen Sozialitischen Arbeiterpartei János Kádár.

1957 kehrte er in die Sowjetunion zurück und wurde zum Leiter der Abteilung für die Beziehungen zu den sozialistischen Staaten im Zentralkomitee ernannt, auf dem XXII. Parteitag 1961 wurde er zudem zum Mitglied des Zentralkomitees gewählt. 1963 bis 1967 war er (zum ersten Mal) Sekretär des Zentralkomitees.

Von 1967 bis 1982 war Andropow Vorsitzender des Komitees für Staatssicherheit (KGB). Gleichzeitig wurde er zum Kandidaten des Politbüros des ZK der KPdSU gewählt, dessen Vollmitglied er 1973 wurde. Im Mai 1982 wurde er als Nachfolger Suslows zum Ideologie-Sekretär des ZK der KPdSU gewählt.

Sowjetische Führer der Bolschewiki (1917–1952)
und der KPdSU (1952–1991)
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Triumvirat
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Kollektive Führung
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Generalsekretär der KPdSU

Am 12. November 1982 wurde er mit 68 Jahren trotz seines ernsten Gesundheitszustandes zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) gewählt. Am 16. Juni 1983 wurde Andropow zudem Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR und somit Staatsoberhaupt. Zu diesem Zeitpunkt litt Andropow bereits an Diabetes, Bluthochdruck und fortschreitendem Nierenversagen, das auch der Anschluss an eine künstliche Niere nicht mehr bessern konnte. In den letzten sechs Monaten seines Lebens nahm Andropow keine öffentlichen Termine mehr wahr. Nach nur 15 Monaten Regierungszeit, von denen er die letzten 5 Monate aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme kaum regierungsfähig war, verstarb er in Moskau.

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Leonid Breschnew, in dessen letzten Jahren sich deutliche Stagnationserscheinungen gezeigt hatten, und seinem nur 13 Monate im Amt befindlichen Nachfolger Konstantin Tschernenko, war Andropow an einer umfassenden Belebung der sowjetischen Politik im Inneren und Äußeren interessiert. Bedingt durch seinen Gesundheitszustand und die kurze Amtszeit, konnte Andropow das von ihm geplante Programm zur Reform und Erneuerung des Sozialismus nur in ersten Ansätzen praktisch verwirklichen. Andropow war davon überzeugt, dass es vor grundsätzlichen Veränderungen notwendig sei, Ordnung und Disziplin im Wirtschaftsleben zu heben und so die Arbeitsproduktivität zu erhöhen. Gewichtige Probleme sah er in diesem Bereich etwa in der Kriminalität zu Lasten des Staatseigentums, Verschwendung und Korruption. Entsprechend bestanden erste Maßnahmen seines politischen Programms in verschärften Kontrollen und härteren Strafen. Die Aufdeckung und Bekämpfung einiger Missstände und ungerechtfertigter Privilegien brachten ihm eine beachtliche Popularität ein. Als erster Schritt auf dem Weg zur Demokratisierung des wirtschaftlichen Lebens und gesellschaftlicher Selbstverwaltung kann das Gesetz über die Arbeitskollektive vom Juni 1983 angesehen werden. Weitere, umfassendere Reformen hätten auf dieser Basis aufbauen sollen, konnten allerdings nicht mehr realisiert werden. Anstöße zu einer Wiederbelebung der Entspannungspolitik im Verhältnis zum Westen scheiterten vor allem an der unversöhnlichen Haltung der USA unter Präsident Reagan. Während der Amtszeit Andropows wurde auch das sogenannte „Trockene Gesetz“ (russisch: Сухой Закон) verabschiedet, ein Maßnahmenpaket gegen den Alkoholismus, das unter anderem strengere Strafen für Alkohol am Arbeitsplatz und ein Verbot des Verkaufs von Alkohol vor 14:00 Uhr enthielt.

Beurteilung

Seine Rolle steht heute wieder im Fokus der Forschung. Sowohl durch seine Tätigkeit als Vorsitzender des KGB, und insbesondere als Ideologie-Sekretär des ZK und als Generalsekretär, sowie durch seine Reden und Schriften und überlieferten persönliche Äußerungenen und Pläne kann als gesichert gelten, dass auch er eine umfassende Reformpolitik in Staat, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Außenpolitik anvisierte, ohne jedoch den Boden des sowjetischen Sozialismus zu verlassen. Andropows Ziel war es, die Grundpostulate des Marxismus-Leninismus nicht aufzugeben (wie dies für Gorbatschows "Perestroika" charakteristisch sein sollte), sondern organisch weiterzuentwickeln und den neuen Gegebenheiten anzupassen (z.B.: schrittweise Demokratisierung des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens, Reform der Wirtschaft durch Kombination von Marktelementen mit zentraler Planung, Entwicklung von Formen gesellschaftlicher Selbstverwaltung, Förderung der Eigeninitiative, klarere Abgrenzung der Zuständigkeiten von Staat, Partei und gesellschaftlichen Organisationen, Einhaltung rechtsstaatlicher Normen, vermehrte Öffentlichkeit und öffentliche Kontrolle, modernere Nationalitätenpolitik). Für viele neuere Historiker gilt er demnach als Vertreter einer maßvollen, geordneten Politik der Reform, Erneuerung und Weiterentwicklung des Sozialismus auf seiner eigenen Grundlage, ohne diesen grundsätzlich in Frage zu stellen, wie Gorbatschow es später getan hat. Es ist daher verfehlt, ihn als "Vorgänger" oder "Mentor" Gorbatschows zu bezeichnen, dessen Politik spätestens ab 1987 von einer prinzipiell anderen Geisteshaltung und Zielsetzung getragen war und nicht mehr auf eine Reform des Sozialismus, sondern auf dessen Beseitigung hinauslief. Nach Aussagen enger Mitarbeiter Andropows war dieser im übrigen in seinen letzten Monaten auf deutliche Distanz zu Gorbatschow gegangen und - entgegen hartnäckiger Gerüchte - keineswegs daran interessiert, dass Gorbatschow zu seinem Nachfolger als Generalsekretär gewählt werden sollte.

Werke und Literatur

1. Wichtige Reden und Aufsätze

2. Ausgaben von Andropows Reden und Schriften

2.1. In russischer Sprache

Zu Lebzeiten Andropows erschienen in der Sowjetunion zwei Ausgaben mit gesammelten Reden und Schriften in russischer Sprache (neben zahlreichen Sammlungen und Einzelausgaben in anderen Sprachen der Sowjetunion):

Andropov, Ju. V.: Izbrannye reči i stat'i, Politizdat, Moskva 1979 (22 cm, 317 Seiten)

Andropov, Ju. V.: Izbrannye reči i stat'i, 2-e izd., Politizdat, Moskva 1983 (22 cm, 319 Seiten)

Nach Andropows Ableben erschien 1984 eine dritte, deutlich umfangreichere und insgesamt vollständigste Ausgabe seiner Reden und Schriften in russischer Sprache, die neben einigen ältereren, in den ersten beiden Ausgaben nicht inkludierten Texten aus der Zeit vor 1982 auch sämtliche Reden und Aufsätze aus Andropows Zeit als Generalsekretär der KPdSU enthält:

Andropov, Ju. V.: Leninizm - neisčerpaemyj istočnik revoljucionnoj ėnergii i tvorčestva mass. Izbrannye reči i stat’i, Izdatel'stvo političeskoj literatury, Moskva 1984 (23 cm, 558 Seiten)

2.2. In deutscher und englischer Sprache

In deutscher Sprache ist im Jahr 1983 eine Übersetzung der Reden und Schriften Andropows nach der russischen Ausgabe von 1983 erschienen (und zwar in je einer Ausgabe in der DDR und der BRD), die chronologisch bis Frühling 1983 reicht:

Andropow, Juri: Ausgewählte Reden und Schriften, Dietz-Verlag, Berlin (DDR) 1983 (21 cm, 366 Seiten)

Andropow, Juri: Reden und Schriften, Pahl-Rugenstein, Köln 1983 (424 Seiten)

Anfang 1984 ist in Moskau noch eine umfangreichere, den Zeitraum bis Herbst 1983 abdeckende, deutsche Ausgabe erschienen:

Andropow, J. W.: Ausgewählte Reden und Aufsätze, Verlag Progress, Moskau 1984 (21 cm, 404 Seiten)

Auf Englisch sind insbesondere 1983 zwei Auflagen einer Ausgabe der Reden und Schriften (nach der russischen Ausgabe von 1983) im Pergamon Verlag erschienen - die erweiterte zweite Auflage reicht bis Sommer 1983:

Andropov, Y. V.: Speeches and writings, 2nd. enl. ed., Pergamon Press, Oxford / New York 1983 (26 cm, xvi + 370 Seiten)

3. Sekundärliteratur

A. A. Zdanovič / V. K. Bylinin: Komanda Andropova, Izdatel'stvo Rus', Moskva 2005

In der bibliographischen Internet-Datenbank RussGUS (frei zugänglich) werden zu "Andropow" über 160 Literaturnachweise angeboten (dort suchen unter Formalsuche Sachnotationen: 16.2.2/Andropov*).