Kollektive Demokratie

von Ernst Fraenkel in den 1920er Jahren entwickeltes Demokratiekonzept
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Kollektive Demokratie ist ein von dem Rechtswissenschaftler Ernst Fraenkel in den 1920er Jahren entwickeltes Demokratiekonzept.

Entgegen der in der deutschen Rechtsphilosophie entwickelten Tadition seit Hegel, die Recht und Gesetz mit einander gleichsetzt, ging es Fraenkel um eine entgegengesetzte Trennung von der Spähre des Politischen und des Gesetzes. Kollektive Demokratie beansprucht nach Fraenkel, "daß bei der Bildung des Staatswillens nicht mehr die einzelnen, nicht mehr nur das Individuum, sondern auch die Verbände als solche beteiligt sind." Sie bildet damit keinen rechtlosen Raum und steht nicht außerhalb des Staates, sondern der Rechtssaat und die Verfassung bilden lediglich das "Dach" (Wildt) unter dem sich die Kollektive Demokratie bildet. Ziel der Überlegungen Fraenkels zu der kollektiven Demokratie waren - wie seine späteren Theorien über den Pluralismus - "die Ergänzung der vornehmlich staatlich vermittelten Demokratie durch eine gesellschaftliche Demokratie."

Rechtsphilosophische Standpunkte

Der Sozialwissenachsftler Michael Wildt sieht die rechtsphilosophischen Vorstellungen Fraenkels im Gegensatz zu den bekannteren Standpunkten Carl Schmitts und Franz Neumanns: "Mit diesen Überlegungen war Fraenkel gefeit gegen die Thesen Carl Schmitts von der Identität der Regierten mit den Regierenden oder der notwendigen Homogenität des Volkes. Fraenkel hielt nicht nur an der Tatsache sozialer Ungleichheit fest, sondern auch an der Realität gesellschaftlicher Spaltung sowie am Streit als wesentliches Element der Bildung von Kompromissen. Anders als Franz Neumann, der in der Schlußphase der Weimarer Republik Carl Schmitt gewissermaßen von links las, die Freund-Feind-Kennung auf den Gegensatz von Kapital und Arbeit übertrug und die parlamentarische Demokratie für unfähig erklärte, diesen Gegensatz zu lösen, bewahrte das Pluralismuskonzept Fraenkel vor ähnlichen Näherungen an die autoritäre erfassungstheorie Schmitts, den Fraenkel nach dem Krieg als den 'einfallreichsten und gefährlichsten, weil labilsten deutschen Sozialwissenschaftler unserer Zeit' bezeichnet hat, der keine Rechtswissenschaft, sondern immer nur 'Situationswissenschaft' betrieben habe."


Literatur

  • Buchstein, Hubertus (1998): Ernst Fraenkel als Klassiker? In: Leviathan, 26, 4, 458-481.
  • Fraenkel, Ernst (1999): Gesammelte Schriften. Band 1: Recht und Politik in der Weimarer Republik. Hg. v. Hubertus Buchstein unter Mitarbeit von Rainer Kühn. Baden-Baden: Nomos. [GS I]
  • Fraenkel, Ernst [1973]: Anstatt einer Vorrede.
  • Fraenkel, Ernst [1929]: Kollektive Demokratie.
  • Fraenkel, Ernst [1929]: 1919-1929. Zum Verfassungstag.
  • Fraenkel, Ernst [1932]: Die politische Bedeutung des Arbeitsrechts.
  • Luthardt, W. (1992). Kollektive Demokratie, Interessenverbände, Plurale Interessenvermittlung. K. Schubert (eds.). Leistungen und Grenzen politisch-ökonomischer Theorie. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 113-126