Codex Regius

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Der Codex Regius (Handschrift Gl. kgl. sml. 2365, 4°) ist eine altnordische Handschrift, die die zentrale Version der Lieder-Edda enthält.

1643 gelangte dieses Manuskript, in dem Texte vorkommen, die später auch bei Snorri zitiert werden, in den Besitz des isländischen Bischofs und Handschriftensammlers Brynjólfur Sveinsson. Man nennt die Texte der Handschrift Ältere Edda, weil man annimmt, es handele sich dabei um die Textsammlung, welche die Arbeitsgrundlage für Snorris Edda darstellt. Diese Ältere Edda oder Lieder-Edda schrieb Brynjólfur dem isländischen Gelehrten Sæmundr Sigfússon zu, der die Lieder um 1987 aufgezeichnet hatte. Deswegen nennt man die ältere Edda auch "Sæmundar Edda" im Gegensatz zur Snorra-Edda.

Zusammen mit der Flateyarbók übereignete Brynjólfur 1662 dem dänischen König Frederik III. dieses Manuskript, wodurch es seinen Weg in die Königliche Bibliothek (daher auch der Name des Codex als "Königliche Handschrift") zu Kopenhagen fand. Diese unbezahlbaren Texte überstanden den großen Brand von 1728 und wurden 1971 unter großem Zeremoniell an Island zurückgegeben wo sie heute im Arnamagnäanischen Handschrifteninstitut Islands in Reykjavík aufbewahrt werden.

Der Text des Codex Regius wurde nach Meinung einiger Forscher 1271 von einem einzelnen, unbekannten Schreiber verfasst, wobei es sich allerdings um die Abschrift eines älteren Textes handelt, der wiederum das Ergebnis einer Sammelarbeit gewesen sein muss. Die Lieder selbst aber sind wesentlich älter und dürften in ihrer vorliegenden Form zwischen 800 und 1000 auf Island, in Norwegen oder den norwegischen Kolonien auf den britischen Inseln und Grönland entstanden sein. Die einzelnen Verfasser sind ebenfalls unbekannt; einige Lieder geben Gottheiten als Verfasser an. Der Text ist durchgehend, weder Verse noch Strophen sind abgesetzt.

Der Codex Regius besteht aus 45 Pergamentblättern in 6 Lagen. Nach Blatt 32 fehlen leider acht Blätter; die Stelle wurde im 18. Jahrhundert mit 8 leeren Pergamentblättern "gefüllt". Die von dieser Lakune beeinträchtigten Textteile, die sogenannten "Lieder der Lücke" hat vor allem die ältere Forschung versucht, anhand der oft (allerdings nicht unumstritten) als "Prosaparaphrase" der eddischen Sigurdlieder bezeichneten Völsunga-Saga zu rekonstruieren, so dass der grobe Inhalt der fehlenden Stellen nachvollzogen werden kann.

Bis auf diese große Lücke sind die erhaltenen Lieder weitgehend vollständig überliefert. Das bekannteste Lied, die Völuspá, steht gleich am Anfang und ist eine Prophezeihung einer Seherin von der Weltentstehung, dem Weltuntergang und der Neuentstehung.

Der Begriff "Codex Regius" kann außerdem auch im Zusammenhang mit der Snorra-Edda auftreten, da eines der vier in Gänze erhaltenen Manuskripte jenes Werkes ebenfalls diesen Namen trägt (Handschrift Gl. kgl. sml. 2367, 4°). Dieses Manuskript entstand um 1325, ist damit als das zweitälteste der überlieferten vier anzusehen, und stellt die Grundlage für die meisten modernen Übersetzungen und Editionen der Snorra-Edda dar.