Der Luftangriff auf Pforzheim ist nach den Luftangriffen auf Hamburg und Dresden der stärkste Luftangriff im 2. Weltkrieg auf eine deutsche Stadt. Er forderte die prozentual zur Gesamtbevölkerung der Stadt die höchsten Opferzahl die im alliierten Luftkrieg gegen deutschen Städte je erreicht wurde, nämlich 31,4 % der Gesamtbevölkerung.
Am 23. Februar 1945 wird Pforzheim bei einem Angriff 379 britischer Bomber fast völlig zerstört. Innerhalb von 22 Minuten finden bis zu 20277 Menschen den Tod. Die Bomber und der Feuersturm der sich in der engbebauten Altstadt entwickelt, töten damit 31,4 Prozent der Bevölkerung der Stadt. Nach Hamburg und Dresden ist dies der Angriff mit den meisten Opfern. 98 Prozent des Stadtgebiets werden zerstört. Pforzheim gehört damit zu den am stärksten zerstörten Städten. Insgesamt ist dieser Angriff der konzentrierteste und erfolgreichste der Alliierten im Krieg. Möglicherweise ist die verwinkelte, malerische Fachwerkaltstadt, ausgewählt unter der Prämisse der Brennbarkeit im Rahmen der moral bombing Strategie, der eigentliche Grund für den Angriff, da die feinmechanische Industrie, mittlerweile weitgehend auf die Produktion von Zündern umgestellt, ausgelagert ist. Nach dem Krieg wird Pforzheim rasch wieder aufgebaut. Das heutige Stadtbild ist durch den Stil der 1950er Jahre geprägt.
Vorgeschichte
Ähnlich wie Dresden wurde Pforzheim von den alliierten Luftverbänden erst spät ins Visier genommen. Die ersten Angriffe erfolgten von US-amerikanischen Bombern am 1. April 1944. Dabei fanden 95 Menschen den Tod. Die Schäden waren vergleichsweise gering. Weitere Angriffe folgten. Größere Angriffe waren dabei die Angriffe vom Heilig Abend 1944 und vom 21. Januar 1945.
Im November 1944 wurde Pforzheim erstmals auf einer Zielliste der Alliierten geführt. Allerdings wurde Pforzheim dort auf einer fünfstufigen Prioritätenliste die niedrigste Priorität zugeordnet. Jedoch wurde die Stadt als für ein Bombenangriff sehr geeignet bezeichnet, da die Transportanlagen durch eine enge, großflächige und deshalb gut brennbare Altstadt verliefen. Der Bahnhof und die Straßen Pforzheims wurden zur Truppenverlegung und -verschiebung genutzt.
In einem Bericht für das Bomber Command der Royal Air Force (RAF) vom 28. Juni 1944 ist zu lesen, dass Pforzheim "one of the centres of the German jewellery and watch-making trades and is therefore likely to have become of considerable importance in the production of precision instruments" war. Pforzheim war berühmt für seine feinmechanische Schmuckindustrie, die während des Krieges zeitweise auf die Produktion von Zündern und Munition umgestellt worden war. Dabei waren die vielen kleinen Produktionsstätten ziemlich gleichmäßig über die Stadt verteilt. In der 2. Ausgabe des "Bomber’s Baedeker", dem "Guide of Importance of German Towns and Cities", vom August 1944 ist zu lesen: "almost every house in this city is a small workshop". (Beinahe jedes Haus in dieser Stadt ist eine kleine Werkstatt). Weiter ist im "Bomber’s Baedeker" zu lesen, gab es größere Fabriken im Süden bzw. eine im Norden der Stadt. Im Einsatzbefehl des Bomber Command ist als Absicht des Angriffs zu lesen, "to destroy built up area and associated industries and rail facilities". Es gab wohl kriegsrelevante, jedoch keine kriegsentscheidenden Ziele in Pforzheim. Dem Oberkommandierenden Arthur T. Harris war durchaus bewußt, dass neben den militärischen Zielen, viele zivile Ziele getroffen werden und von einer sinnvollen Relation zwischen militärischen Zielen und sogenannten zivilen Kollateralschäden nicht ausgegangen werden konnte.
Der Angriff
Am 23. Februar um 19.45 Uhr gaben die Sirenen den Alarm „Akute Luftgefahr“. Viele Bewohner flüchteten wie üblich in die Keller der Häuser, was fast schon den sicheren Tod bedeutete. Fünf Minuten später überflogen vom Westen her die ersten Flugzeuge der Royal Air Force (RAF) die Stadt. Insgesamt 368 Bomber überflogen innerhalb der nächsten 22 Minuten die Stadt und luden dabei Bomben mit dem Gesamtgewicht von 1.575 Tonnen ab. Die ersten Flugzeuge setzten in der Dunkelheit Leuchtkörper aus, um das Zielgebiet zu markieren. Dabei drängte heftiger Nordwestwind die Leuchtkörper etwas ab, so dass ein Teil der Ladung in unbewohntes Gebiet im Südosten (Hagenschieß) niederging und der nordwestlichste Teil der Stadt verschont blieb. Jedoch in der Innenstadt mit ihren engen Straßen und Gassen wirkt sich das Gemisch aus Spreng- und Brandbomben, Brandkanistern und Luftminen katastrophal aus. Große Flächenbrände vereinigten sich schnell zu einem gewaltigen Feuersturm.
Die Wasserversorung fiel aus, so dass die Feuerwehr machtlos war. Auf einer Länge von drei Kilometern und einer Breite von eineinhalb Kilometern brannten sämtliche Gebäude komplett aus. Menschen, die sich in diesem Bereich befanden, hatten praktisch keine Überlebenschance. Auch die Keller boten kaum Schutz, da die Häuser darüber entweder zusammenfielen oder die Luftzufuhr durch das starke Feuer abgeschnitten wurde oder die Temperaturen übermenschlich anstiegen. Viele Menschen versuchten sich zum Teil brennend durch einen Sprung in die Flüsse Nagold und Enz zu retten und ertranken dabei.
"Plötzlich hieß es, das ganze Haus brennt, wir müssen ins Wasser springen. … Weder ich noch meine Kinder konnten schwimmen. So dachte ich in meinem Entsetzen: Ich muss zuerst aus dem Kellerfenster in die Enz springen und versuchen, ob man stehen kann. Ich sprang hinab und konnte tatsächlich im Wasser Grund spüren. [...] Meine Tochter schrie von oben, sie halte es vor Hitze nicht mehr aus. Ich hieß sie herabspringen. Ich fing sie auf: 'Wo hast du den Karl-Heinz? Es ist niemand mehr im Keller!'"
Wer nicht unmittelbar stirbt, stirbt meist innerhalb der nächsten Tage an den Brandwunden.
Die Tage danach
Noch tagelang brannte es in der Innenstadt. Dadurch war die Innenstadt kaum begehbar.
"Kein Haus mehr! … Keine Reichsbank mehr, keine Oberrealschule, kein Gymnasium. [...] Im Wasser schwammen Tote. [...] Das Bohnenberger Schlößchen, unter dem sich ein großer Luftschutzkeller befand, hatte mehrere Volltreffer erhalten. Ein Dutzend Tote lag vor dem Eingang. [...] Die Toten hatten alle Schaum vor dem Mund. Der Luftdruck tötete sie."
Der Auswertungsbericht K.3838 der RAF vom 12. März 1945 fasst zusammen: "The attack on the night of 23/24 FEB 1944 [Datumsfehler im Original] has reduced the buildings in the greater part of the town to hollow shells or heaps of rubble. Most of the identifiable factories, including seven of priority 3 rating, have been destroyed or severely damaged."
Zwei Drittel der Gesamtfläche der Stadt sind zerstört. In der Innenstadt sind 80 bis 100 Prozent der Fläche zerstört. Waren im Innenstadtbereich „Marktplatz“ 1939 noch 4112 Anwohner registriert, lebt hier nach dem Februar 1945 auf Jahre hin niemand mehr. Der Zerstörungsgrad Pforzheims ist vergleichbar mit dem Dresdens und Krefelds.
Zerstört sind Wohn- und Fabrikgebäude, Kirchen, Schulen, Krankenhäuser, Bäder, andere Einrichtungen und auch viele Zeugnisse der Vergangenheit.
Bei dem Angriff sterben nach der zuverlässigsten Schätzung 17.600 Menschen. Eine Volkszählung von 1939 hatte eine Einwohnerzahl von 79.000 ergeben. Damit sterben etwa 20 Prozent der Einwohner bei diesem Angriff. Jedoch hielten sich zur Zeit des Angriffs auch Flüchtlinge, Soldaten und Zwangsarbeiter in Pforzheim auf, was eine genaue Zählung der Opfer erschwerte. In einer Aufstellung des Arbeitsamts von 1942 liest man von 2980 Ausländern in Pforzheim. Die genaue Zahl der getöteten Zwangsarbeiter aus dem Ausland läßt sich nicht mehr feststellen. Auch Jahre später werden noch Leichen aus den Trümmern geborgen.
Am 18. April marschierten französische Truppen in die Stadt ein. Am 8. Juli übernahmen die US-amerikanischen Truppen die Stadt. In einem ersten Bericht des US-Militärs wird die Stadt wie folgt beschrieben: "The city of Pforzheim was severely damaged by aerial bombing, about 85% of the buildings in the Stadtkreis of Pforzheim were destroyed. Nothing had been done toward clearing the city except the removal of the rubble and debris from the main roads through the town. Housing facilities were very much overcrowded and in some instances unsanitary. The work of removing the cadavers from the destroyed sections of the city was in progress."
Alfred Döblin berichtet nach einem Besuch der Stadt in einem Brief: "Das Tollste ist Pforzheim; vom Erdboden verschwunden, rasiert, komplett kurz und klein geschlagen. Keine Menschenseele mehr vorhanden. Pforzheim kannst Du vom Atlas streichen."
Edith hat den Luftangriff von einem Dorf in unmittelbarer Nähe miterlebt und beschreibt noch heute den glutrot-gefärbten Nachthimmel.
Wiederaufbau
Die Stadt verschwand nicht vom Atlas. Jedoch wurde der Aufbau schnell, kostengünstig und autogerecht im Stil der 50er Jahre vorangetrieben. Statt Restaurierung stand der Abriss und komplette Neuaufbau. Die Straßen wurden deutlich breiter angelegt. Der Stadt ist ihre 2000 Jahre alte Geschichte kaum mehr anzusehen. Sie verlor stark an Bedeutung. Der Schutt der Stadt wurde auf einen Berg zusammengetragen. Der Berg überragt heute Pforzheim weithin als sichtbares Mahnmal. Der Berg wird heute von den Pforzheimern als "Monte Scherbelino" bezeichnet.
Weblinks
- Christian Groh: Pforzheim - 23. Februar 1945
- Feuersturm über Pforzheim
- Bericht aus Stern-Magazin
- CD-ROM Pforzheim: Gestern - Zerstört - Heute. Etwa 1000 Fotos und Filme. Medienzentrum Pforzheim.