Kulturkampf in Preußen und im Deutschen Reich
Der Kulturkampf war eine Auseinandersetzung zwischen der katholischen Kirche unter Papst Pius IX. und dem Königreich Preußen bzw. dem Deutschen Reich unter Reichskanzler Otto von Bismarck zwischen 1871 und 1878.
Anlass
Ich bin eh die beste!!!!! Ich fick euren Style!!!!! Der Anlass des Kulturkampfes war erstens die Veröffentlichung eines Verzeichnisses moderner theologischer Anschauungen und Lehren durch den Papst Pius IX. im Jahre 1864, die von der Kirche abzulehnen seien (Syllabus Errorum). Dies bedeutete u.a. sowohl die Ächtung philosophischer Vorstellungen, wie die des Naturalismus, Pantheismus und Rationalismus, als auch die Ablehnung von Sozialismus, Kommunismus, Nationalismus und Liberalismus. Zweitens wurde der Papst im 1. Vatikanischen Konzil 1870, wenn er in Fragen des Glaubens und der Sitte eine Lehre "ex cathedra" verkünde, für unfehlbar erklärt. Viele Religionslehrer protestierten gegen dieses Dogma und spalteten sich ab. Den sogenannten "Altkatholiken" wurde deswegen von der Kirche die Lehrbefugnis entzogen. Da die Professoren aber auch Staatsdiener waren, sah der Staat dies als Eingriff in seine Belange an.
Außerdem erlaubte die katholische Abteilung des Kultusministeriums in den polnischsprachigen Gebieten, dass auf Polnisch unterrichtet werde, was gegen das deutsche Nationalbewusstsein sprach. Dazu sagte Bismarck:
- "Seit der Einrichtung der "Katholischen Abteilung" im geistlichen Ministerium stellten die statistischen Data einen schnellen Fortschritt der polnischen Nationalität auf Kosten der deutschen in Posen und Westpreußen außer Zweifel, und in Oberschlesien wurde das bis dahin stramm preußische Element der "Wasserpolacken" polonisiert."
- "In Posen und Westpreußen waren nach Ausweis amtlicher Berichte Tausende von Deutschen und ganze Ortschaften, die in der vorigen Generation amtlich deutsch waren, durch die Einwirkung der katholischen Abteilung polnisch erzogen und amtlich "Polen" genannt worden. Nach der Kompetenz, welche der Abteilung verliehn worden war, ließ sich ohne Aufhebung derselben hierin nicht abhelfen. Diese Aufhebung war also nach meiner Überzeugung als nächstes Ziel zu erstreben."
Dass die Bevölkerung des Reichslands Elsaß-Lothringen vorwiegend katholisch war, und die Kirche auch zum Protest gegen die Besetzung benutzte, unterstrich in Bismarcks Augen noch den staatsfeindlichen Charakter der Kirche.
Politische Repressionen
Als dann am 8. Juni 1871 die katholische Abteilung im Kultusministerium aufgelöst wurde, regte sich Widerspruch von Seiten der Zentrumspartei. Die oppositionelle Zentrumspartei war der politische Arm des Katholizismus. Bismarck, der darauf bedacht war, Staat und Kirche zu trennen, versuchte mit repressiven Mitteln die "Reichsfeinde" zu zerschlagen. Am 10. Dezember 1871 wurde der "Kanzelparagraph" als § 130a in das Strafgesetzbuch aufgenommen, wo es hieß:
- "Ein Geistlicher …, welcher … die Angelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstande einer Verkündigung oder Erörterung macht, wird mit Gefängnis oder Festungshaft bis zu zwei Jahren bestraft.".
Es kam in der Folge auch zu politisch motivierten Haftstrafen gegen katholische Geistliche wie gegen Mieczyslaw Graf Halka-Ledochowski, den Erzbischof von Posen [1]. Er wurde zur Höchststrafe von 2 Jahren verurteilt. 1876 wurden in Preußen alle Bischöfe festgenommen oder ausgewiesen.
Es folgten im Jahr 1872 ein Gesetz, das den Jesuitenorden verbot, und ein Gesetz, das die staatliche Aufsicht über alle Schulen in Preußen vorsah. Außerdem wurden die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan 1872 mit der Reichstagsrede Bismarcks, in der er seiner Absicht, im Konflikt mit der katholischen Kirche "keinen Fußbreit nachzugeben", mit dem Ausspruch "Nach Canossa gehen wir nicht!" Ausdruck verlieh, abgebrochen. Den Höhepunkt des Kulturkampfes markierten die Maigesetze von 1873, die die staatliche Reglementierung der katholischen Kirche gewährleisten sollten. Diese sahen vor:
- Geistliche dürfen nur nach Ablegen eines staatlichen Kulturexamens ein Amt übernehmen
- Meldung aller Geistlichen beim Staat
- Recht, bei staatlichem Gericht Berufung einzulegen, wenn von der Kirche mit Strafen belegt
- Erleichterung des Kirchenaustritts
1874 wurde außerdem die Zivilehe eingeführt. Durch das Brotkorbgesetz von 1875 wurden der Kirche jegliche staatliche Zuwendungen entzogen. Im Mai 1875 folgte das Klostergesetz (Auflösung aller Klostergenossenschaften außer den krankenpflegerischen in Preußen). Die Gesetze verfehlten aber ihre Wirkung. Denn das Zentrum ging aus den Reichstagswahlen 1874 gestärkt hervor und konnte die Zahl seiner Wähler verdoppeln.
Folgen
Am 13. Juli 1874 verübte der katholische Handwerker Eduard Franz Ludwig Kullmann wegen des Kulturkampfs ein Attentat auf Bismarck, der aber nur leicht verletzt wurde.
Als Pius IX. 1878 starb, folgte ihm Leo XIII. im Amt. In direkten Verhandlungen mit der Kurie wurden die harten Gesetze gemildert. Im Sommer 1882 nahm Preußen wieder diplomatische Beziehungen zum Vatikan auf. Die 1886 und 1887 erlassenen Friedensgesetze führten schließlich zur Beilegung der Krise. Leo XIII. erklärte am 23. Mai 1887 öffentlich den "Kampf, welcher die Kirche schädigte und dem Staat nichts nützte" für beendet.
Die Folgen des Kulturkampfes waren, dass das Zentrum gestärkt aus der Krise hervorging und dass Bismarck, wie beim Kampf gegen die Sozialdemokraten, seinen politischen Gegner nicht zerschlagen konnte.
Das Jesuitengesetz wurde erst 1917, der Kanzelparagraph erst 1953 in der Bundesrepublik aufgehoben. Das Schulaufsichtsgesetz und das Zivilehegesetz blieben jedoch erhalten.
Der Kulturkampf war ein Schritt in Richtung der Trennung von Kirche und Staat in Deutschland. Mit der Weimarer Reichsverfassung bekam dann das Verhältnis von Kirche und Staat seine bis heute geltende Fassung.
Andere Begriffsbedeutungen
Der Begriff „Kulturkampf“ wird seit geraumer Zeit auch in anderen Zusammenhängen verwendet, so zum Beispiel für den globalen „Kampf“ zwischen Kulturen verschiedener Länder oder Kulturkreise (etwa Samuel P. Huntington in seinem berühmten Buch Kampf der Kulturen), für einen Kampf um die „kulturelle Vorherrschaft“ innerhalb einer Gesellschaft und insbesondere um die Definitionsmacht über das Selbstverständnis und die Wertvorstellungen einer Nation (siehe Neue Rechte, Wertewandel), sowie in zahlreichen verwandten Bereichen.
Weitere Artikel
Weblinks
- http://www.preussen-chronik.de/ereignis.jsp?key=Chronologie_007360
- http://www.erziehung.uni-giessen.de/studis/Robert/kulturk1.html
- http://www.arenberg-info.de/htm/Kulturkf.htm
- Marcus Hammerschmitt, Den Schuss von Bad Kissingen nicht gehört: Alle sind gegen den Kulturkampf. Warum eigentlich? (Telepolis, 26. März 2006 - Der Autor schlägt einen Bogen von Bismarck zum heutigen "Kampf der Kulturen")