Bedingungsloses Grundeinkommen

Finanztransfervorschlag für ein Einkommen über dem soziokulturellen Existenzminimum, das jedem Bürger regelmäßig ausgezahlt wird
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Das sogenannte bedingungslose Grundeinkommen (BGE) bezeichnet ein mögliches gesellschaftspolitisches und wirtschaftspolitisches Modell, nach dem jeder Staatsbürger einen gesetzlichen Anspruch auf eine bedingungslose monetäre Grundversorgung durch den Staat oder das Gemeinwesen haben soll. Verschiedene Modelle werden von Soziologen, Ökonomen und von einigen politischen Parteien diskutiert. Dazu zählen auch bestimmte Formen des Bürgergelds.

Es soll ein steuerfinanziertes Basiseinkommen für alle Menschen sein, was in Existenz und Teilhabe sichernder Höhe ohne eine Bedürftigkeitsprüfung und ohne eine Arbeits-/Tätigkeitsverpflichtung individuell ausgezahlt wird. Man kann also weiterhin frei soviel dazuverdienen, wie man für anstrebenswert hält. Je nach Modell des Grundeinkommens wird eine Zahlung von der Höhe des Sozialhilfesatzes bzw. des Arbeitslosengeldes II bis hin zu 2.000 € vorgeschlagen. Einige Modelle sehen einen schrittweisen Ersatz der Sozialleistungen durch das Grundeinkommen vor.


Historie

Ein Grundeinkommen als unbedingter Rechtsanspruch für alle Menschen/Bürger ist in keiner vormodernen Gesellschaft nachweisbar, nicht einmal als utopische Konzeption. Alle Unterschiede von Utopien wie PlatonsStaat“, Thomas MorusUtopia“, Francis Bacons „Neu-Atlantis“ oder der „Sonnenstaat“ von Tommaso Campanella, wie auch der verschiedensten Kloster-Bewegungen, den frühesten Enklaven des Gemeineigentums, finden ihre strikte Grenze in der allgemeinen Arbeitspflicht. Auch im Volk scheinen solche Ideen nur Gegenstand des Spottes gewesen zu sein, wie in den Lügen- und Narrengeschichten des Mittelalters. Wie das Volksmärchen das Gute mit Fleiß gleichstellt und das Böse mit Faulheit, entsprechend werden solche Versorgungs- oder Freiheits-Utopien verspottet, denn für solche Narren: „ist das Schlaraffenland gerade das richtige Land. Jede Stunde Schlafen bringt dort ein Silberstück ein und jedesmal Gähnen ein Goldstück. Wer gern arbeitet, das Gute tut und das Böse lässt, der wird aus dem Schlaraffenland vertrieben. Aber wer nichts kann, nur schlafen, essen, trinken, tanzen und spielen, der wird zum Grafen ernannt. Und der Faulste wird König im Schlaraffenland.

Hintergrund und Bezug solcher Morallehre muss aber eben eine verbreitete „plebejische Utopie“ gewesen sein, die es zu belehren und moralisch zu bekämpfen galt. Noch den Klassikern des Marxismus schwebte eine Grundsicherung aber nicht eigentlich vor. Ihre Vision einer kommunistischen Gesellschaftsordnung ging viel weiter auf den Umsturz aller bestehenden Verhältnisse, dem ein neuer Mensch entsteigen sollte. Ihr Blick auf die gewünschte nähere Zukunft wirkt im Kontrast dazu umso konservativer. Auch der Sozialist August Bebel schreibt: „Sobald die Gesellschaft im Besitz aller Arbeitsmittel sich befindet, wird die Arbeitspflicht aller Arbeitsfähigen, ohne Unterschied des Geschlechts Grundgesetz ... Die Gesellschaft kann ohne Arbeit nicht existieren. Sie hat also das Recht, zu fordern, dass jeder, der seine Bedürfnisse befriedigen will, auch nach Maßgabe seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten an der Herstellung der Gegenstände zur Befriedigung der Bedürfnisse aller tätig ist ... Der Sozialismus stimmt mit der Bibel darin überein, wenn diese sagt: Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. ... Ohne Arbeit kein Genuss, keine Arbeit ohne Genuss.“ Dem entspricht, auch im Kommunismus, die Verteilung der Güter „nach der Arbeitsleistung“ und „nicht nach den Bedürfnissen“, wie Lenin, unter Berufung auf Marx, ausdrücklich hervorhob. In der weiterentwickelten Utopie des Kommunismus soll mit der Beseitigung der „entfremdeten Arbeit“ zugleich das Problem der „Faulheit“ verschwunden sein.

Eine eher unscheinbare Strömung innerhalb der sozialistisch-kommunistischen Ideen des 19. Jahrhunderts, allen voran Paul Lafargue, stellt die uralte Frage nach der Gleichheit aller Bürger über die Besitzverhältnisse hinaus an die Arbeit selber. Nur wer „Das Recht auf Faulheit“ habe, kann gleich und frei sein. Damit wird von Lafargue die Forderung nach einer Grundsicherung als Rechtsanspruch im Namen der Freiheit für jeden und der Gleichheit zum erstenmal ausdrücklich gestellt. Als solche geht sie weit über alle Modelle zur Armutsbekämpfung seit der Antike hinaus und braucht, im Unterschied zu den Klassikern des Marxismus-Leninismus, keinen besonderen Umsturz der Besitzverhältnisse. Nach dem Zusammenbruch der Staaten des Ostblocks um 1989 fand in Folge eine Renaissance der Ideen Lafargues statt.

Lafargue, erklärtermaßen weder Wissenschaftler noch Ökonom, spekulierte als Laie über eine Selbstfinanzierung seiner Vorstellungen. Danach wird eine „erlöste Bourgeoisie ... nämlich schleunigst die Menge von Soldaten, Beamten, Dienern, Kupplern usw., die sie der nützlichen Arbeit entzogen hatte, freigeben. Infolgedessen wird der Arbeitsmarkt so überfüllt sein, dass man ein eisernes Gesetz haben muss, das die Arbeit verbietet; ... Wenn keine Lakaien und Generäle mehr geschmückt, keine verheirateten oder unverheirateten Prostituierten mehr in Spitzen gehüllt, keine Kanonen mehr gegossen und keine Paläste mehr eingerichtet werden müssen, dann wird man mittels drakonischer Gesetze die Schnick-Schnack-, Spitzen-, Eisen-, Bau- Arbeiter und -Arbeiterinnen zu gesundem Wassersport und Tanzübungen anhalten, um ihr Wohlbefinden wieder herzustellen und die menschliche Art zu verbessern.“

Der Philosoph Bertrand Russell griff Lafargues Gedanken in seinem Essay Lob des Müßiggangs wieder auf und plädierte für ein Grundeinkommen.

Ausformuliert wurde ein Konzept eines garantierten Grundeinkommens bereits 1848 von Joseph Carlier („Solution of the Social Question“, Brüssel 1848) und Josef Popper-Lynkeus („Die allgemeine Nährpflicht als Lösung der sozialen Frage“, Leipzig 1912). In Österreich wurde der erste Vorschlag von Lieselotte Wohlgenannt und Herwig Büchele vorgelegt.

In den USA existiert seit 1975 die konzeptional ähnlich gelagerte negative Einkommenssteuer (Earned Income Tax Credit), welche dort inzwischen zum größten Transferprogramm ausgeweitet wurde. In Großbritannien generiert die negative Einkommenssteuer ein zusätzliches Einkommen von bis zu 6150 Euro/Jahr.

Prominente Vertreter der aktuellen Diskussion

Man findet im Zuge der Reform-Debatte aktuell Fürsprecher vorwiegend aus Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft. Durch Vorschläge des deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler ist jedoch Ende 2005 die Debatte über das Grundeinkommen wieder in die öffentliche Diskussion gebracht worden.

Götz Werner hat im Frühjahr 2005 eine Medienkampagne für ein bedingungsloses Grundeinkommen gestartet. Neben der Zusammenlegung aller Sozialleistungen sieht sein Konzept eine schrittweise Erhöhung der Mehrwertsteuer vor. Langfristig sollen Einkommens- und Unternehmenssteuern vollständig durch Konsumsteuern ersetzt werden.

Der Präsident des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts Prof. Dr. Thomas Straubhaar befürwortet von Seiten der Wirtschaft das bedingungslose Grundeinkommen, um den aktuellen Anforderungen an eine flexible Arbeitswelt Rechnung zu tragen.

Der Philosoph Philippe Van Parijs arbeitet u.a. zum Thema Grundeinkommen und hat dazu einige einschlägige Publikationen veröffentlicht, insbesondere Arguing for Basic Income. Ethical foundations for a radical reform Vorlage:Lit. Er war Sekretär des Basic Income Earth Network (deutsch: weltweites Netzwerk Grundeinkommen, ehemals Basic Income European Network)

Eine weitere Vertreterin ist Katja Kipping aus der Linkspartei als Sprecherin des Netzwerk Grundeinkommen. Sie fordert u. a. ein Grundeinkommen für Arbeitslose in strukturschwachen Gebieten Ostdeutschlands.

Auch im Netzwerk attac gibt es eine starke Unterstützung der Idee, die hier insbesondere auch von Werner Rätz vertreten wird.

In den Sozialwissenschaften gehört der Frankfurter Soziologe Ulrich Oevermann zu den profiliertesten Befürwortern eines bedingungslosen Grundeinkommens. Er hat bereits 1983 eine der analytisch tiefgehendsten Analysen derjenigen Krisenkonstellation geliefert, die für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens spricht. Seine Analyse hat er seitdem immer weiter ausgebaut. Heute formuliert er die Krisendiagnose unter Rückgriff auf ein in der Zwischenzeit in vielen Materialanalysen entwickeltes "Strukturmodell von Religiosität", das die Krisendiagnose in den kultur- und religionssoziologischen Zusammenhang einer Krise der traditionellen, an Erwerbsarbeit gebundenen Leistungsethik rückt.

Bei diesen Beispielen ist jedoch zu beachten, dass sich die Rahmenbedingungen, unter denen Grundeinkommen vorgeschlagen werden, deutlich voneinander unterscheiden können.

Zur Rechtslage in der Bundesrepublik

Nach heutiger Rechtslage besteht in der Bundesrepublik kein unbedingter gesetzlicher Anspruch auf ein Existenzminimum, bzw. ein Grundeinkommen. Besondere verfassungsrechtliche Bedeutung bekommt hier die Selbsthilfekonzeption der Sozialhilfe (§§ 1, 2 BSHG). In ihrer Ausrichtung als „Hilfe zur Selbsthilfe“ und dem Prinzip des „Vorrang(s) der Selbsthilfe“ schließt die heutige Sozialgesetzgebung ein „Nicht-Arbeiten-Wollen“ von allen existenzsichernden Ansprüchen an den Staat aus. Umgekehrt hat der Anspruchsteller seine „Arbeitswilligkeit“ vielfältig zu erklären und glaubwürdig darzustellen. Dabei ist von entscheidender Bedeutung, dass der sogenannte „Nachrang der Sozialhilfe“ oder der „Nachranggrundsatz“ zwischen materiellen Mitteln, welche der Bürger zuerst einzusetzen hat, und seiner Arbeitskraft nicht unterscheidet.

Diese psychologische Ausweitung des Nachranggrundsatzes bis in den Bereich menschlichen Willens, ist nach Meinung verschiedener Autoren ein äußerst problematischer Eingriff in eine Reihe verfassungsgemäß garantierter Grundrechte: Der Menschenwürde, der Gewissensfreiheit, der Gleichberechtigung, der Verhältnismäßigkeit, der Berufsfreiheit, des Sozialstaatsprinzips.

Der Ansicht, dass mit dieser Identifikation von materiellem Besitz und menschlichem Willen die Herabstufung des Menschen zum Objekt in präziser Weise erfüllt ist, hält die Tendenz richterlicher Entscheidungsbegründung eine eigentümliche Auffassung menschlicher Würde entgegen. So etwa das BVerwG, welches urteilt: dass in der Arbeit und Selbsthilfe „Freiheit und Würde ihren deutlichen Ausdruck“ finden. (BVerwGE 27, 58 (63); vgl. auch BVerwGE 67, 1 (5); 23, 149 (153): Die Selbsthilfe sei kein „Abstrich vom Sozialstaatsgedanken, sondern dessen Verdeutlichung und entspricht damit zugleich der Menschenwürde“.) Nach Meinung des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Paul Kirchhof wird der Staat zum Gegner der Freiheit, indem er durch Bereitstellung von „ausufernden“ sozialen Leistungen den Freiheitswillen der Menschen zu ersticken drohe. (Kirchhoff, „Der Staat als Garant und Gegner der Freiheit“)

Die Würde aber ist kein so ungewisses Ding wie die Freiheit, sondern unbedingtes, unteilbares, allen gemeines und nicht suspendierbares Rechtsgut, der „alle staatliche Gewalt“ (Art. 1 GG) zu dienen hat. Die deutsche Verfassung ist darum unbestreitbar im Kern eine Konstitution der Würde, nicht der Freiheit und setzt jeden Bürger, gleichberechtigt, in eine Position unbedingten Anspruchs an den Staat, von welchem das Existenzminimum schwer auszuschließen ist, ohne in Widerspruch mit der gesamten Grundrechts-Konstitution zu geraten. Neumann dazu: „Die Pflicht des Staates zur Sicherung des Existenzminimums folgt aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip. So wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht seinen “Sitz” nicht in Art. 1 GG, sondern im Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit hat, so ist die Grundlage dieser Pflicht das Sozialstaatsprinzip. Dieses verpflichtet zur Herstellung sozialer Gerechtigkeit und das heißt in erster Linie zur Gleichheit.“ (Zum Zusammenhang von Sozialstaatsprinzip, sozialer Gerechtigkeit und Gleichheit BVerfGE 5, 85 (197 f.); 22, 180 (204); 40, 121 (133 f.); 59, 231 (163); 69, 272 (314); BSGE 55, 224 (231). K.-J. Bieback, Sozialstaatsprinzip und Grundrechte, EuGRZ 1985, 657 (665); H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel; U. Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichbehandlung, 1991, 194 f.)

Die maßgebliche Linie der Rechtsprechung in diesem Punkt sieht umgekehrt in der Sozialhilfe keine „rentengleiche Dauerleistung mit Versorgungscharakter“ (BVerwGE 57, 237 (239); 25, 307 (308 f.); 28, 216 (222)). Sie dient danach nur der Überwindung einer konkreten Notlage (BVerwGE 28, 216 (222)). Deshalb wird sie „gleichsam täglich erneut regelungsbedürftig“. (BVerwGE 25, 307 (308 f.); 57, 237 (239)). Alle Hilfe des Staates ist also in letzter Zurechnung eine „Grundsicherung für Arbeitsuchende“. Dieses Menschenbild im Sinne des Arbeitsmarktes unterstreicht insbesondere die eine Ausnahme: In einem rein psychischen Sinne geschützt wird nach Rechtslage nur eine „seelische Fehlhaltung“. (siehe BVerwGE 29, 99; ergänzend VGH Mannheim Urteil vom 2.10.1974, FEVS 23, 117, 122: seelische Fehlhaltung von einiger Erheblichkeit, liegt vor, „wenn sie für die Arbeitsverweigerung ursächlich und wenn sie nach Art und Ausmaß so beschafften ist, dass der Hilfesuchende sie ohne fremde Hilfe, insbesondere ohne psychiatrische oder psychologische Behandlung, nicht überwinden kann. Andernfalls würden auch bloße Faulheit, überwindbare Willensschwäche, Trotz und gemeinschaftsfeindliche Weltanschauungen auf Kosten der Allgemeinheit belohnt.“)

Motivation

Die Motivation für die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens ist mehrschichtig, ja sogar scheinbar widersprüchlich. Auf der einen Seite stehen ökonomische Aspekte und auf der anderen Seite politisch-soziale.

Ökonomisch

Erhoffte Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen

  • Bürokratieabbau mit volkswirtschaftlichem Nutzen, da Sozialhilfe, Arbeitslosenversicherung, Rentenversicherung, Beamten-Pensionen, BAföG und Kindergeld auf freiwillige private Vorsorge reduziert werden könnten.
  • Die Lohnnebenkosten könnten durch Entfallen der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile für die Arbeitslosenversicherung und Rentenversicherung sinken. Das ermöglicht den Arbeitgebern, mehr Mitarbeiter zu beschäftigen. Würden zusätzlich die Krankenversicherungsbeiträge steuerfinanziert, entfielen die Lohnnebenkosten sogar vollständig.
  • Unternehmer wären von ihrer sozialen Verantwortung weitgehend befreit und können ohne schlechtes Gewissen und öffentliche Denunziation Rationalisierungschancen radikal und offensiv ausnutzen, selbst wenn dies Entlassungen bedeutet.
  • Verringerung der Markteintrittshürde für Existenzgründungen, da das Existenzminimum Selbstständiger gesichert wäre.
  • Für die Bürger lohnt es sich verstärkt, auch niedrig entlohnte Tätigkeiten aufzunehmen, da der Lohn zusätzlich zum Grundeinkommen gezahlt wird. Damit sinkt der Druck auf die Wirtschaft, Arbeitsplätze in Niedriglohnländer zu verlagern.
  • Durch eine stärkere Umverteilung könnte sich der private Konsum erhöhen. Durch Erhaltung und Verstärkung einer breiten Binnenkaufkraft soll eine Einengung des Wirtschaftskreislaufs auf eine kleine Schicht Wohlhabender verhindert werden und damit die Volkswirtschaft insgesamt stabilisiert und gefördert werden.

Gesellschaftliche Auswirkungen

  • Auch ohne Kontrollmaßnahmen wird ein möglicher Missbrauch des Sozialsystems vermieden und trotzdem die Privatsphäre des Einzelnen gewährleistet.
  • Die Möglichkeiten für Teilzeitarbeit würden sich durch geringere Arbeitsmarkteintrittshürden erhöhen, was vor allem junge Familien begünstigen würde.
  • Befürworter erhoffen sich eine höhere Effizienz in der Mittelzuweisung.

Arbeitsmarktpolitische Auswirkungen

  • Anreiz für Arbeitgeber, Arbeitsplätze für Arbeitnehmer attraktiv zu gestalten
  • Arbeitnehmer sind eher bereit, einen Arbeitsplatz aufzugeben und sich einen besser zu ihnen passenden zu suchen. Die Folge ist eine höhere Arbeitsmotivation und höhere Arbeitsproduktivität.
  • Die Position der Arbeitnehmer gegenüber den Arbeitgebern wäre bei arbeitspolitischen Auseinandersetzungen (z.B. Streik) gestärkt, da die ökonomische Abhängigkeit der Arbeitnehmer verringert wäre.
  • Durch eine mögliche Reduzierung des Angebots an Arbeitskräften, könnte die Stellung des Arbeitnehmers gestärkt werden.
  • Ein Arbeitssuchender ist eher bereit, eine Tätigkeit mit niedrigerem Arbeitsentgelt anzutreten, weil...
    1. die finanzielle Arbeitsmarkteintrittshürde sinkt und
    2. sich sein Gesamteinkommen gegenüber der Arbeitslosigkeit in jedem Falle erheblich bessert und
    3. er keine Nachteile bei etwaiger erneuter Arbeitslosigkeit (Verringerung seiner Arbeitslosenbezüge) fürchten muss.

Politisch-soziale

Besonders die linksorientierten Kräfte stellen gerne folgende moralische Ziele und Menschenrechte in den Vordergrund, die bei besonders hohem Grundeinkommen zum Tragen kämen:

  • Lösung der Krise (hohe Arbeitslosigkeit), in der sich die Arbeitsgesellschaft - als Folge der technologischen Rationalisierungsdynamik und der Globalisierung - befinde. Der Vermögens- und Einkommenspolarisierung zwischen Arm und Reich könnte entgegengewirkt werden.
  • Die Menschen würden aus der ökonomischen Abhängigkeit von der Erwerbsarbeit bzw. von seinen Mitmenschen befreit und könnten so ein selbstbestimmtes Leben führen.
  • Jeder Mensch habe als Mitglied der Gesellschaft Recht auf soziale Sicherheit; er habe Anspruch darauf, durch innerstaatliche Maßnahmen und internationale Zusammenarbeit unter Berücksichtigung der Organisation und der Hilfsmittel jedes Staates in den Genuss der für seine Würde und die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlichen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu gelangen.
  • Jeder Mensch habe Anspruch auf eine Lebenshaltung, die seine und seiner Familie Gesundheit und Wohlbefinden einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztlicher Betreuung und der notwendigen Leistungen der sozialen Fürsorge gewährleistet; er habe das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität, Verwitwung, Alter und von anderweitigem Verlust seiner Unterhaltsmittel durch unverschuldete Umstände.
  • Jeder Mensch habe das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich der Künste zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Wohltaten teilzuhaben.
  • Der Status der Arbeitslosigkeit oder Sozialhilfe als Stigma für die Betroffenen, das teilweise mangels finanzieller Möglichkeiten mit Ausgrenzung von der Teilhabe an der Gesellschaft und dem kulturellen Leben, aber oft auch mit persönlicher Mut- und Perspektivlosigkeit und geringem Ansehen in der öffentlichen Meinung verbunden ist, verändert sich. Man definiert sich weniger über den Arbeitsplatz als über die Tätigkeiten, die man ausübt.
  • Gemeinnützige soziale, sportliche, wissenschaftliche und künstlerische Aktivitäten werden gefördert. Statt häufigen Behördengängen und der entsprechenden Bürokratie haben Betroffene genug Zeit und Muße für unbürokratisches, selbstorganisiertes Engagement in Bereichen wie Hobby (Freizeit, Amateur, DIY), Vereinen, Selbsthilfegruppen, wovon wiederum auch die Gesamtgesellschaft profitiert.

Finanzierbarkeit aus der Sicht der Befürworter

Hinsichtlich der Finanzierung des Grundeinkommens gibt es verschiedene Ansätze: Im einfachsten Fall könnte eine Erhöhung der Einkommensteuer vorgenommen werden. Dies bedeutet eine Mehrbelastung höherer Einkommen und eine Entlastung geringerer Einkommen. Ein weiterer Vorschlag besteht darin, über den Umbau des Steuersystems [1], insbesondere eine kontinuierliche Anhebung des Mehrwertsteuersatzes eine Finanzierung zu erreichen.

Bei der langfristigen Finanzierung unter den Bedingungen einer „Grundeinkommensgesellschaft“ spielen außerdem folgende Faktoren eine Rolle:

  • Einsparungen bei der Sozialbürokratie
  • Entwicklung der Wertschöpfung
  • Entwicklung des Anteils der Netto-Grundeinkommensempfänger
  • Kaufkraft der Bezieher

Die Vorstellungen über die Höhe des Grundeinkommens reichen von einem Existenzminimum bis hin zu einem gewissen Lebensstandard, der auch die kulturelle Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht.

Eine fundierte Finanzierungsrechnung haben Pelzer (Prof. am Institut für Naturheilkunde) und Fischer mit dem Ulmer Modell und deren Nachfolgestudien geschaffen. Damit wurde auf wissenschaftlicher Grundlage die Finanzierbarkeit nachgewiesen.

Kritik

Umstritten ist neben der ökonomischen oder politischen Machbarkeit, ob dem Grundeinkommen schon heute, etwa in Deutschland, die Kraft eines Rechtsanspruches auf der Basis der Menschenwürde zukommt. Gegner des Grundeinkommens verweisen in ihrer Kritik unter anderem auf folgende Punkte:

Problem der Finanzierbarkeit

Kritiker bezweifeln die Finanzierbarkeit des Konzepts. Sie hinterfragen, ob die Einsparungen bei Rentenzuschüssen, Kindergeld, Erziehungsgeld, Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II und weiteren Sozialausgaben sowie beim Personal in den entsprechenden Ämtern ausreichen würden und ob tatsächlich Steuermehreinnahmen durch eine Kaufkraftsteigerung und ein höheres Wirtschaftswachstum erzielt werden könnten.

Zusammenhang von Arbeit und Lohn

Kritiker befürchten, dass bei einem hohen Grundeinkommen der Leistungsgedanke, den sie ausschließlich bei der herkömmlichen Lohnarbeit gegeben sehen, abgewürgt würde. Sie befürchten deshalb einen Rückgang der Gesamtproduktion.

das Fehlen von empirischen Daten

Forscher, die sich mit dem Thema wissenschaftlich auseinandersetzen, beklagen das Fehlen von empirischen Daten, welche die Zusammenhänge von Wachstum, Produktivitätssteigerung und Grundeinkommen beschreiben. (siehe [2] Kapitel 6.4)

Zitate

„Wir leben heute in einem Einkaufsparadies, das heißt, unsere Fähigkeit, Güter und Dienstleistungen hervorzubringen, ist größer als die Bedürfnisse der Menschen. (...) Die Produktivität hat die Bedürfnisentwicklung längst überholt, wir haben gesättigte Märkte, und wir brauchen immer weniger Menschen, um dieses Übermaß an Gütern zu produzieren. Jetzt ist der Moment gekommen, in dem wir uns vom Zwang der Arbeit befreien können. (...) Wenn aber die Menschen nicht mehr arbeiten müssen, weil Maschinen das zu einem immer größeren Teil erledigen - dann müssen wir sie eben mit Einkommen versorgen.“
(Götz Werner, Gründer der Kette dm-drogerie markt, in der Zeitschrift brand eins im März 2005, [3])

„Seit 15 Jahren diskutiert man verschiedene Modelle. Das radikalste stammt von dem französischen Denker André Gorz: Er spricht von einem »bedingungslosen Grundeinkommen« für alle Bürgerinnen und Bürger. Doch sein Ansatz erfordert harte Umverteilungsmaßnahmen, die in einer parlamentarischen Demokratie sehr schwer durchsetzbar wären.“
(Peter Glotz, SPD-Politiker und ehemaliger Professor an der Universität St. Gallen, in Brückenbauer Nr. 28, 11. Juli 2000)

„Die Folge wäre, dass am Arbeitsmarkt der Kern aller Freiheit, nämlich die Freiheit Nein zu sagen, zur Geltung gebracht würde.“
(Claus Offe, Sozialwissenschaftler)

Siehe auch

Literatur

  • BAG der Sozialhilfeinitaitiven (Hrsg.): Existenzgeld für alle. Antworten auf die Krise des Sozialen. Neu-Um 2000, ISBN 3930830140.
  • Zygmunt Bauman: Die Krise der Politik. Fluch und Chance einer neuen Öffentlichkeit. Hamburg 2000, ISBN 3930908603.
  • Herwig Büchele, Lieselotte Wohlgenannt: Grundeinkommen ohne Arbeit. Auf dem Weg zu einer kommunikativen Gesellschaft. Wien, München, Zürich 1985, ISBN 320350898.
  • Ronald Blaschke: Garantiertes Grundeinkommen. Entwürfe und Begründungen aus den letzten 20 Jahren. Frage- und Problemstellungen. Dresden 2004 Blaschke Garantiertes Grundeinkommen
  • Ronald Blaschke: Garantierte Mindesteinkommen. Modelle von Grundsicherungen und Grundeinkommen im Vergleich. Meißen/Dresden 2005 Blaschke Synopse
  • Wolfgang Engler: Bürger, ohne Arbeit. Für ein radikale Neugestaltung der Gesellschaft. Berlin 2005, ISBN 3351025904.
  • Manfred Füllsack: Leben ohne zu arbeiten? Zur Sozialtheorie des Grundeinkommens. Berlin 2002, ISBN 3930064073.
  • Axel Gerntke, Werner Rätz, Claus Schäfer u. a. (Hrsg.): Einkommen zum Auskommen. Von bedingungslosen Grundeinkommen, gesetzlichen Mindestlöhnen und anderen Verteilungsfragen. Hamburg 2004, ISBN 3899651103.
  • André Gorz: Wege ins Paradies. Berlin 1983. ISBN 3880222797.
  • André Gorz: Arbeit zwischen Misere und Utopie. Frankfurt/Main 2000, ISBN 3518410172.
  • André Gorz: Wissen, Wert und Kapital. Zur Kritik der Wissensökonomie. Zürich 2004, ISBN 3858692824.
  • Michael Hardt, Antono Negri: Empire. Die neue Weltordnung. Frankfurt am Main 2003, ISBN 3593372304.
  • Hans Peter Krebs, Harald Rein (Hrsg.): Existenzgeld. Kontroversen und Positionen. Münster 2000. ISBN 3896914758.
  • Ulrich Oevermann: Kann Arbeitsleistung weiterhin als basales Kriterium der Verteilungsgerechtigkeit dienen?. Internetpublikation der Universitätsbibliothek Frankfurt, Frankfurt/M. 1983, http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2005/527/
  • Ulrich Oevermann: Die Krise der Arbeitsgesellschaft und das Bewährungsproblem des modernen Subjekts. In: Becker, Roland; Andreas Franzmann; Axel Jansen & Sascha Liebermann (Hg.). Eigeninteresse und Gemeinwohlbindung. Kulturspezifische Ausformungen in den USA und Deutschland. UVK, Frankfurt 2001, S. 19-38.
  • Michael Opielka, Georg Vobruba (Hrsg.): Das garantierte Grundeinkommen. Entwicklung ud Perspektiven einer Forderung. Frankfurt am Main 1986, ISBN 359624109X.
  • Werner Rätz, Dagmar Paternoga, Werner Steinbach: Grundeinkommen bedingungslos. Hamburg 2005, ISBN 3899651413.
  • Thomas Schmid (Hrsg.): Befreiung von falscher Arbeit. Thesen zum garantierten Mindesteinkommen. Berlin 1984, ISBN 3803121094.
  • Philippe Van Parijs (Hrsg): Arguing for Basic Income. Ethical foundations for a radical reform. Verso, London, New York 1992, ISBN 0860913716.
  • Yannick Vanderborght, Philippe Van Parijs: Ein Grundeinkommen für alle? Geschichte und Zukunft eines radikalen Vorschlags. Campus Verlag, Frankfurt 2005, ISBN 3593378892.
  • Ralf Welter (KAB Aachen): Solidarische Marktwirtschaft durch Grundeinkommen. Konzeption für ein nachhaltige Sozialpolitik. Aachen 2003, ISBN 3832216707.
Portal zum Thema »Bedingungsloses Grundeinkommen«, Interfakultatives Institut für Entrepreneurship,
Universität Karlsruhe (TH), Leiter: Götz Werner