So many a secret ...
Ein Gespenst geht um in der Wikipedia: der Nepheteser!
Originaltext
Die Ballade vom Nepheteser1
(1) Es schalten und walten die Drohnen2 draußen im Netz,
Sie prassen und lachen: Wir rufen zur Hetz'!
Laßt knechten uns im Keller das Kind,3
Die Nutzer? Ha! Nur Tölpel das sind!
(2) Es möchte wohl mucken das nichtige Pack?
Es soll schweigen und rackern, sonst droh'n wir, zack, zack,
Mit Troll und Neph'teser, dann halten sie still,
dann niemand die Ruhe stören mehr will!
(3) Doch plötzlich, da! Der Server, er wankt,
Die Kabel glüh'n heiß, der Admin, er bangt,
Auf steht Neph'teser, der gräßliche Geist,
Da weiß der Admin, wie sein Schicksal nun heißt.
(4) Ach, das Gespenst das sie4 riefen,
Als fett auf ihren Privilegien sie schliefen,
Nun werden sie's wohl nicht mehr los,
Ach, was machen wir bloß, was machen wir bloß?
(5) Seine Identität ans Licht hervor zerren?
Seinen Nick aus der Plattform aussperren?
Es fruchtet nur nichts, was machen wir bloß?
Wir, die wir es riefen, werden's nun nicht mehr los!
(6) Da spricht Nepheteser, der Herr aller Trolle:
Ihr rief't mich herbei? So spiel ich die Rolle:
Ihr wollt mich vertreiben, die Rache ist mein,
Euer Spielzeug5 wird leichte Beute mir sein!
(7) Es rufen flimmernd am Bildschirm die Zeichen zum Krieg,
Nepheteser, der verschmäht einen kampflosen Sieg!
Der Sieger von Sebnitz6, Fireballs schwärzester Traum7,
DER greift sich die Heuchler8 im virtuellen Raum.
(8) Oh Nepheteser, wie scharf ist Dein Degen!9
Pfeif' herbei deine Bots, sie müssen sich regen,
Über tausende Seiten sollen sie fegen,
Deinen Feind vernichtet zu Füßen dir legen!
(9) Es wüten die Bots10 wie weiland die wilden Vandalen
Euern Haß, den werdet Ihr teuer bezahlen.
Im Chaos versinket die Enzyklopädie11 -
Doch Neph'teser, DEN bezwinget Ihr nie!
(10) Hinter des Heiligen Necrophor's Schild12 mögt Ihr fliehn,
Doch im Zeichen des Fuchses13, da sinket Ihr hin:
Der Schnitter der Admins, er metzelt Euch nieder:
Nepheteser, DER kommt immer wieder!
(11) Ihr habt IHN gerufen, der Jammer ist groß,
Tretet ab, oder Ihr werdet IHN nie wieder los.
Dann ruft Ihr: Was machten, was machten wir bloß?
Nepheteser, Neph'teser, DER war uns zu groß!
(12) Am Ende liegt alles in Scherben, Asche und Schutt,
Zerstört die edle Datenbank, völlig kaputt,
Darüber thront feixend Nepheteser, der Troll
Der Admins Maß, jetzt ist es voll!
(13) Die Drohnen, mit eisernem Besen gefegt,
Die Macht der Admins, gänzlich zerlegt,
Da wacht auf im Keller das gefangene Kind14
Ruft 'Heil Nepheteser!' Frei wir jetzt sind!
Einführung
Die Ballade vom Nepheteser ist das Werk eines unbekannten Poeten und behandelt eine bis dahin nur mündlich überlieferte Legende aus der Zeit des Freiheitskampfes in der Wikipedia, einem der genialsten Projekte im Internet des frühen 21. Jahrhunderts. Der Dichter, ein typischer Vertreter der frühesten Netzkultur, beschreibt darin, wie die damalige Kaste der Administratoren ein gefährliches Gespenst, den Nepheteser erfindet, um die rechtlosen Massen in Angst und Schrecken zu versetzen und damit ihre Macht zu festigen. Zu ihrem Entsetzen erwacht das Gespenst jedoch zum Leben und rächt sich an der Oligarchie um letztlich den geknechteten Klassen die Freiheit zu bringen.
Der Sinn vieler Stellen in der Ballade des Nepheteser ist lange im Dunklen geblieben. Die kryptische und heutzutage archaisch anmutende Ausdrucksweise des Autors hat lange eine umfassende Interpretation verhindert, doch die vorliegende Arbeit mit ihrem umfangreichen Apparat an Fußnoten kann zum ersten Mal schlüssig aufdecken, was der Autor sagen wollte und worin letztlich der Sinn der Legende liegt.
Ob in Legende und Ballade allerdings eine wahre Begebenheit beschrieben wird oder ob in der Art der Apokalypse des Johannes ein zukünftiges Ereignis vorausgeahnt werden sollte, bleibt weiterhin weitgehend offen.
Kritik
Dem Autor ist häufig schlechter Stil vorgeworfen worden, er erinnere womöglich gar an den der berüchtigten Lurchi-Heftchen oder sei sonst in etwa Schund. Tatsächlich ist die unmittelbare Aneinanderreihung hochtrabender Satzteile und banaler Sprachfetzen gewöhnungsbedürftig, als Beispiele seien aus Vers 2, Zeile 2 (Es soll schweigen und rackern, sonst droh'n wir, zack, zack,) und Vers 12, Zeile 2 (Zerstört die edle Datenbank, völlig kaputt) zitiert. Andererseits gelingen ihm an anderer Stelle durchaus beachtenswerte Verse, die sprachlich höher stehen, so zum Beispiel aus Vers 8 die poetische erste Zeile (Es rufen flimmernd am Bildschirm die Zeichen zum Krieg) oder das einleitende Wortstakkato des Verses 9 (Es wüten die Bots wie weiland die wilden Vandalen), das wohl schon geeignet ist, dem Leser auch sprachlich den beschrieben technischen Rhytmus der schnellen Verheerung näherzubringen. Insgesamt ist die Ballade vom Nepheteser sichtbarlich mit "der heissen Nadel gestrickt", was wohl daran liegen mag, daß der Verfasser den Ereignissen, so sie denn stattgefunden haben, zeitlich und räumlich sehr nahe stand und seinen Heldengesang womöglich sogar während oder unmittelbar nach den Ereignissen niederschrieb. Die seltsame Vermengung stilistisch und inhaltlich trivialer und literarisch und thematisch höherstehender Bestandteile macht jedoch auch die eigentümliche Spannung aus, die dem Werk innewohnt.
Zum Wert oder Unwert des Inhaltes sei auf die folgende Interpretation mittels Fußnoten verwiesen.
Interpretation
(folgen)