Erwachende Germania ist der Titel eines Historienbildes des Düsseldorfer Malers Christian Köhler. Es zeigt die Personifikation Germania als Allegorie Deutschlands in der Zeit der Deutschen Revolution 1848/1849.
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Erwachende Germania |
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Christian Köhler, 1849 |
Öl auf Leinwand |
220 × 280 cm |
New-York Historical Society |
Das großformatige Ölgemälde entstand 1849 in Düsseldorf, einem Hauptort der Revolution in der Rheinprovinz des Königreichs Preußen. Kurz nach seiner Entstehung gelangte das Bild nach New York City, wo es in der Düsseldorf Gallery des deutsch-amerikanischen Wein- und Kunsthändlers Johann Gottfried Böker (auch John Godfrey Boker, 1794–1860) ausgestellt wurde. Seit Ende des 19. Jahrhundert befindet es sich im Bestand der New-York Historical Society.
Beschreibung und Bedeutung
Die Szene an einem felsigen Berghang wird beherrscht einer im Vordergrund liegenden weiblichen Figur, der Germania, deren langes blondes Haupthaar von einem Kranz aus Eichenlaub bekrönt ist. Vor allem ihr massiver Körper, aber auch die edle Bekleidung, ihre Bewaffnung und die weitere Ausstattung geben ihrer Erscheinung eine majestätische Gravität. Das Gemälde zeigt sie in dem Augenblick, wie sie entschlossen zu einer Waffe greift und sich dabei aufrichtet. Ihre Kleidung ist in den deutschen Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold gehalten. Ihr schwarzes Kleid wird auf den Schultern und über den kräftigen Beinen von einem überwiegend goldenen, innen rot gefütterten Mantel bedeckt. Der Mantel, der wie ein kaiserlicher Krönungsmantel erscheint, außen rot und gold gewirkt, möglicherweise aus Brokat, ist gefasst mit einer roten Borte, auf welcher Adlermedaillons zu sehen sind. Mit der linken Hand greift Germania in das Kreuz der neben ihr liegenden Reichskrone, das Symbol des Heiligen Römischen Reichs. Mit der Rechten erfasst Germania den mit Edelsteinen besetzten Goldgriff eines Schwertes, das auf einem Schild aus Eisen abgelegt ist. Durch Kombination der Symbole Reichskrone und Schwert wird Germania als Verteidigerin der römisch-deutschen Reichsidee dargestellt. Der Eisenschild lugt unter einem Bärenfell hervor, auf dem Germania sich nach ihrem Schlafe gerade erhebt. Ihr stechender Blick wendet sich über die Schulter auf zwei finstere Dämonen, die sich in dem Augenblick von Germanias Erwachen und ihres Griffs zum Schwert schnell davonmachen. Versehen mit Geißel, Kette und Morgenstern symbolisieren sie Knechtschaft und Zwietracht der alten Zeit. Aus gleißendem Himmelslicht schweben auf Wolken aus dem Hintergrund zwei weibliche Genien heran. Der erste Genius, versehen mit den Attributen des Schwerts und der Waage als Zeichen der Justitia, bringt ihr das Recht; der zweite, bekrönt mit Eichenlaub, trägt die Nationalflagge Deutschlands herbei, das Zeichen der demokratischen Bewegung Deutschlands, der Frankfurter Nationalversammlung und der Überwindung des Metternichschen Systems durch die deutsche Einheit im Sinne der großdeutschen Lösung. Das dichotomische Bildmotiv zeigt Germanias Welt als einen Kampf zwischen Gut und Böse, in der Germania selbst, die ihr zur Hilfe kommenden Genien und die nationalen Symbole Deutschlands das Gute vertreten.
Entstehung und Rezeption
An den politischen Ereignissen, die sich nach der Märzrevolution 1848 in Düsseldorf abspielten, insbesondere an den demonstrativen und revolutionären Aktionen der Bürgerwehr unter ihrem Führer Lorenz Cantador, nahmen in besonderem Maße die Maler der Düsseldorfer Akademie und ihrer Malerschule teil. In Düsseldorf, dem Sitz des Landtags der Rheinprovinz, richtete der Verein für demokratische Monarchie, der das Konzept einer konstitutionellen Monarchie propagierte und darin von einer Mehrheit der wahlberechtigten Bürger der Stadt unterstützt wurde, am 6. August 1848 das Fest des deutschen Einheit mit der feierlichen Illumination einer Germania-Statue aus. Diese Figur hatte der Maler Karl Ferdinand Sohn entworfen. Die Germania als zentrales Symbol der politischen Revolution war Köhler daher sehr gut geläufig. Ebenso wie Sohn verlieh Köhler seiner Germania eine Symbolik, die ihn als Befürworter einer konstitutionellen großdeutschen Monarchie ausweist. Als Köhler 1849 in seinem Atelier an dem Bild noch arbeitete, berichtete das Correspondenz-Blatt des Kunstverein für die Rheinlande und Westphalen zu Düsseldorf durchaus positiv über das Bild, aber bereits desillusioniert über die politischen Aussichten der Revolution:[1]
„Unter den Arbeiten, welche noch unvollendet in den akademischen Ateliers zu sehen sind, ist wohl keines mehr geeignet, das allgemeine Interesse zu erregen, als Köhler’s großartige allegorisch-symbolische Darstellung des Aufschwunges des deutschen Volkes zu Einheit und Freiheit, welcher im vorigen Jahre unser großes Vaterland von einem Ende bis zum anderen bewegte. Es will uns zwar allgemach erscheinen, als sei die ganze Bewegung nur ein seliger Traum gewesen, aus welchem wir unerquickt zu desto trostloserer Wirklichkeit erwachen; – aber dieser Traum hat für die Gestaltung unserer Zukunft eine hohe prophetische Bedeutung. Und diese ist es, die Köhler zu seiner Conception begeistert hat. Auch sein Bild gleicht einer Vision. […] Wer dieses Werk gesehen, wird mit uns die Ueberzeugung hegen, dass es eines der großartigsten Bilder werden wird, die aus unserer Schule hervorgegangen sind, und wird die Kunst preisen, die wenigstens auf der Leinwand das festzubannen vermag, was in der Wirklichkeit uns nicht beschieden zu sein scheint.“
Kurz nach seiner Fertigstellung, noch im Jahr 1849, gelangte das Bild in die Düsseldorf Gallery des New Yorker Wein- und Kunsthändlers Johann Gottfried Böker, wo es zu den bekanntesten und meist bewundertsten Ausstellungsstücken gehörte. Im Correspondenz-Blatt des Kunstvereins für die Rheinlande und Westphalen zu Düsseldorf hieß es dazu Anfang der 1850er Jahre knapp:[2]
„Das Bild hat eben so wenig, wie der in demselben ausgedrückte Gedanke, ein Stätte im Vaterlande gefunden, es ist ausgewandert nach Amerika.“
1860 schuf der Düsseldorfer Maler Lorenz Clasen eine Germania auf der Wacht am Rhein, deren Physiognomie und Gestalt eine auffällige Ähnlichkeit zu Köhlers Germania aufweist. Es wird daher vermutet, dass sie Clasen als Vorbild diente.[3]
Literatur
- Isabel Skokan: Germania und Italia. Nationale Mythen und Heldengestalten in Gemälden des 19.Jahrhunderts. Dissertation Universität Freiburg 2007, Lukas Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-86732-036-8, S. 49 f. (Google Books)