Ed Parish Sanders

US-amerikanischer Theologe (1937–2022)
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Ed Parish Sanders (* 18. April 1937 in Grand Prairie, Texas) ist ein US-amerikanischer Theologe. Er ist ein wichtiger Vertreter der „Third Quest“ der Leben-Jesu-Forschung[1] und ein Spezialist für nichtbiblische jüdische Literatur.

Leben

Sanders wuchs in kleinen Verhältnissen im ländlichen Texas auf, studierte christliche Theologie in New York, Göttingen und Oxford und jüdische Theologie in New York und Jerusalem. Er promovierte 1966 über Tendenzen in der synoptischen Tradition.

Ebenfalls 1966 wurde er Professor an der McMaster University in Ontario, Kanada, 1984 Professor für Exegese in Oxford, England, und 1990 kam er an die Duke University in North Carolina, Vereinigte Staaten.

Sein erstes Buch Paul and Palestinian Judaism bekam nationale Preise in den USA, erregte aber auch starke Kontroversen, da er die traditionelle christliche Sichtweise der „pharisäischen Werkgerechtigkeit“, welche im Judentum vorgeblich gepflegt werde, und des Gegensatzes von „Werken“ und „Gnade“ anhand von jüdischen Quellen widerlegte. Er ist damit einer der frühesten und wichtigsten Autoren einer Forschungsrichtung, die später von James Dunn die Neue Perspektive auf Paulus (New Perspective on Paul) genannt wurde.

Für sein 1985 erschienenes Buch Jesus and Judaism, das als wesentlicher Beitrag zur neueren Leben-Jesu-Forschung gesehen wird, erhielt er 1990 den ersten Grawemeyer Award für Religion.[2]

Sanders gilt als Experte der nichtbiblischen jüdischen Literatur der ersten Jahrhunderte.

1990 erhielt E. P. Sanders einen Ehrendoktor für Literatur der Universität Oxford und einen Ehrendoktor für Theologie der Universität Helsinki. Er arbeitet in der Duke University.

Historische Jesusforschung

Seine wichtigsten Beiträge zur historischen Jesusforschung sind Jesus and Judaism (1986) und The Historical Figure of Jesus (1996). In seinem ersten Buch stellt Sanders verschiedene Richtungen des antiken Judentums vor, die in ihrem Glauben an einen besonderen einmaligen Bund (covenant) Gottes mit den Israeliten konvergiert und darin das entscheidende Heil gefunden hätten. Diesen Glauben hätten auch Jesus und seine Anhänger vorausgesetzt und mit ihren jüdischen Zeitgenossen geteilt. Diese Position wird als „Bundesnomismus“ gekennzeichnet und bestimmt auch Sanders' Deutung des Verhältnisses Jesu zur Tora und Reinheitshalacha.[3]

In seinem zweiten Buch stellt Sanders jene Elemente der NT-Überlieferung heraus, die er für kaum bestritten historisch hält:

  • Jesus wurde durch Johannes den Täufer getauft.
  • Er war ein Galiläer, der predigte und heilte.
  • Er berief Jünger und sprach über zwölf von ihnen.
  • Er beschränkte seine Aktivitäten auf Israel.
  • Er war in eine Kontroverse bezüglich des Tempels verwickelt.
  • Er wurde außerhalb des Jerusalemer Stadtgebiets durch die römische Besatzungsmacht gekreuzigt.
  • Nach seinem Tod waren seine Jünger weiterhin eine identifizierbare Bewegung.
  • Mindestens Teile des Judentums verfolgten mindestens Teile der neuen Bewegung und diese Verfolgung dauerte bis zum Ende der Wirksamkeit von Paulus an (60er Jahre).

Sanders geht sehr kritisch mit den historischen Belegen um und verzichtet auf Spekulation. Was ihn auszeichnet ist eine profunde Kenntnis der ausserbiblischen jüdischen Literatur. Von daher widerlegt er sachkundig einige der stereotypen Karikaturen, die in der Theologie über die jüdischen Gegner von Jesus existieren.

Für Theißen und Merz ist Sanders ein beispielhafter Vertreter der zweiten Hauptstromung innerhalb der Dritten Phase der historischen Jesusforschung.[1] Er prägte den Begriff „common Judaism“ (dt.: allgemeines Judentum) für die Grundüberzeugungen und Ausdrucksformen des Judentums zur damaligen Zeit.[4]

Werke

Englisch
Deutsch
  • Paulus und das palästinische Judentum. Ein Vergleich zweier Religionsstrukturen. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1985, ISBN 3-525-53371-3 (amerikanisches Englisch: Paul and Palestinian Judaism. London 1977. Übersetzt von Jürgen Wehnert).
  • Paulus. Eine Einführung. Reclam, Stuttgart 1995, ISBN 3-15-009365-1 (amerikanisches Englisch: Paul. New York 1991. Übersetzt von Ekkehard Schöller).
  • Sohn Gottes. Eine historische Biographie Jesu. Klett-Cotta, Stuttgart 1996, ISBN 3-608-91721-7 (amerikanisches Englisch: The Historical Figure of Jesus. London 1993. Übersetzt von Ulrich Enderwitz).

Literatur

  • Martin Hengel, Roland Deines: E. P. Sanders' „Common Judaism“, Jesus und die Pharisäer. In: Martin Hengel (Hrsg.): Kleine Schriften. Teil 1: Judaica et Hellenistica (= Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament). Band 90. Mohr Siebeck, Tübingen 1996, ISBN 3-16-146588-1, Kapitel 14, S. 392–479 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 31. Dezember 2015]).

Einzelnachweise

  1. a b Gerd Theißen, Annette Merz: Der historische Jesus: Ein Lehrbuch. 4. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, ISBN 978-3-525-52198-4, hier S. 29 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 13. Mai 2017]).
  2. 1990 – E. P. Sanders. Grawemeyer Awards, abgerufen am 29. Januar 2016.
  3. Karlheinz Müller: Neutestamentliche Wissenschaft und Judaistik. In: Lutz Doering, Hans-Günther Waubke, Florian Wilk (Hg.): Judaistik und neutestamentliche Wissenschaft: Standorte – Grenzen – Beziehungen. Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments, Band 226. 1. Auflage 2008, ISBN 978-3-525-53090-0, S. 36f.
  4. Gerd Theißen, Annette Merz: Der historische Jesus: Ein Lehrbuch. 4. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, ISBN 978-3-525-52198-4, hier S. 126 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 13. Mai 2017]).