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Diabetes mellitus

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ICD-10-Codes Diabetes mellitus
E10 Primär insulinabhängiger Diabetes mellitus
(Typ-1-Diabetes)
E11 Nicht primär insulinabhängiger Diabetes mellitus
(Typ-2-Diabetes)

Diabetes mellitus (DM) (von griech. διαβαίνειν „hindurchgehen“ und lat. mellitus „honigsüß“ – Artikel im Deutschen: „der“ Diabetes) ist die Bezeichnung für eine Gruppe von Stoffwechselkrankheiten und beschreibt deren ursprüngliches Hauptsymptom: Ausscheidung von Zucker im Urin. Inzwischen ist es in der Fachsprache der Sammelbegriff für verschiedene (heterogene) Störungen des Stoffwechsels, deren Leitbefund eine Überzuckerung des Blutes (Hyperglykämie) ist. Ursache ist entweder ein Insulinmangel, eine Insulinunempfindlichkeit (Insulinresistenz) oder beides. Je nach Ursache gibt es unterschiedliche Diabetestypen, die jedoch verbindende Gemeinsamkeiten aufweisen.

Physiologische Grundlagen

Der Verdauungsapparat baut die mit der Nahrung aufgenommenen Kohlenhydrate, die beispielsweise in Zucker, Brot und anderen Getreideprodukten enthalten sind, zu Glucose (Traubenzucker) ab. Diese wird anschließend über die Darmwand in das Blut aufgenommen und im gesamten Körper verteilt.

Die Bauchspeicheldrüse (das Pankreas) erzeugt ihrerseits in den Langerhansschen Inseln das anabole (aufbauende) Hormon Insulin. Dieser Wirkstoff dockt an den insulinabhängigen Körperzellen (Leber, Muskulatur, Fett) an und bewirkt die Öffnung von Poren in den Zellmembranen, durch welche die Glucose in die Zellen gelangt.

In den Zellen wird die Glucose zur Energiegewinnung verbraucht. In den Leber- und Muskelzellen wird außerdem Glucose in Form eines Kohlenhydrates, namens Glykogen gespeichert.

Der Blutzuckerspiegel wird ständig in engen Grenzen konstant gehalten, 60–100 mg% oder 3,33–5,55 mmol/l. Selbst in langen Nüchternperioden bleibt der Blutzuckerspiegel auf normalem Niveau. Dies liegt daran, dass in der Leber eine ständige Traubenzuckerneubildung (Gluconeogenese) stattfindet. Diese Zuckerneubildung wird durch zwei Hormone gesteuert, nämlich Insulin, welches die Zuckerneubildung hemmt, und Glucagon, welches die Zuckerneubildung steigert. Unter Normalbedingungen liegt die selbstproduzierte Zuckermenge bei 250 Gramm pro Tag. Wenn Insulin fehlt oder nicht richtig wirkt, fehlt also die Hemmung der Zuckerneubildung in der Leber und der Prozess entgleist. Die Leber kann unter diesen Bedingungen täglich bis zu 500 Gramm Traubenzucker neu produzieren. Das erklärt auch das Ansteigen des Blutzuckerspiegels beim Diabetiker unabhängig von der Nahrungsaufnahme.

Darüberhinaus hat Insulin noch eine dritte Wirkung. Es ist nämlich das einzige Hormon des menschlichen Körpers, welches Körperfett aufbaut und dafür sorgt, dass das Fett in den Depots bleibt. Ein wesentliches Kennzeichen des Insulinmangels ist deswegen eine extreme Gewichtsabnahme.

Beim Diabetes mellitus (Insulinmangel oder verminderte Insulinwirkung) kann also keine Glucose in die Zellen aufgenommen werden, sondern die Glucose verbleibt im Blut und die Traubenzuckerneubildung in der Leber verläuft ungebremst, was beides zu einem Blutzuckeranstieg führt.

WHO-Einteilungen

Hinsichtlich der Unterscheidung verschiedener Erkrankungstypen veröffentlichte 1965 die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihren „Empfehlungen zur Klassifikation und Diagnostik“. 1997 änderte die amerikanische Diabetes-Gesellschaft (ADA) die Kriterien für Klassifizierung und Diagnose, die 1998 von der WHO und 2000 von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) übernommen wurden. In dem neuen Modell wird nicht mehr zwischen insulinabhängigem Diabetes mellitus (IDDM) und nicht-insulinabhängigem Diabetes mellitus (NIDDM) unterschieden, da sich diese Einteilung nur auf die Behandlung und nicht auf die Krankheitsursache bezieht.

WHO-Einteilung bis 1997

Bis zu diesem Datum wurde der Diabetes mellitus von der WHO nach der Art der Behandlung in fünf Gruppen eingeteilt:

  • NIR: (non-insulin-requiring) Behandlung ohne externe Insulinzufuhr, z. B. nur mit Diät und/oder oralen Antidiabetika.
  • IRC: (insulin requiring for control) Neben dem körpereigenen Insulin wird zusätzlich externes Insulin benötigt, um erhöhte Blutzuckerwerte zu senken.
  • IRS: (insulin requiring for survival) Externe Insulinzufuhr wird zum Überleben benötigt. Dabei handelt es sich nach der alten Einteilung um Typ-1-Diabetes und um Typ-2-Diabetes mit stark reduzierter oder eingestellter eigener Insulinproduktion.
  • IGT: (impaired glucose tolerance) Gestörte Glucosetoleranz.
  • ND: (non diabetic) Nicht an Diabetes erkrankt.

WHO-Einteilung seit 1998

Seit diesem Datum teilt einerseits die Weltgesundheitsorganisation und andererseits ab dem Jahr 2000 die Deutsche Diabetes Gesellschaft die Erkrankung je nach Ursache in folgende Krankheitstypen auf:

  • Typ-1-Diabetes mellitus: (engl.: Insulin-dependend Diabetes mellitus = IDDM) absoluter Insulinmangel aufgrund meist autoimmunologisch bedingter Destruktion (Zerstörung) der Inselzellen des Pankreas (früher Jugenddiabetes oder juveniler Diabetes mellitus genannt)
    • Typ 1a: immunologisch vermittelte Form
    • Typ 1b: idiopathische Form
  • Typ-2-Diabetes mellitus: (engl.: Non-Insulin-dependend Diabetes mellitus = NIDDM) Insulinresistenz (Hyperinsulinismus) dadurch relativer Insulinmangel. In der Folge nachlassende (versagende) Insulinproduktion. Oft im Zusammenhang mit Übergewicht und Metabolischem Syndrom (früher Altersdiabetes oder Erwachsenendiabetes genannt)
  • Typ-3-Diabetes mellitus: Alle anderen spezifischen Formen.
    • Typ 3A: Betazellen genetisch gestört
    • Typ 3B: genetische bedingte Insulinresistenz
    • Typ 3C: Bauchspeicheldrüse (Pankreas) erkrankt oder zerstört
    • Typ 3D: Diabetes durch hormonelle Störungen
    • Typ 3E: Diabetes durch Chemikalien oder Drogen
    • Typ 3F...3H weitere Ursachen

Zum Diabetes mellitus Typ 1a gehört auch der LADA. Es handelt sich hier um einen in höherem Lebensalter auftretenden Typ-1-Diabetes, der häufig durch extreme Insulin-Empfindlichkeit mit stark schwankenden Blutzuckerwerten auffällt.

Der sog. MODY (maturity onset diabetes in the young) tritt bei Kindern und Jugendlichen auf. Es lassen sich mehrere genetische Defekte als Ursache der Blutzuckererhöhung feststellen und so eine Zugehörigkeit zum Diabetes mellitus Typ 3 (meist 3A) erkennen.

Diagnose

In der Antike wurde die Diagnose durch eine Geschmacksprobe des Urins gestellt, denn der Harn von Personen mit Diabetes weist einen süßlichen Geschmack auf.

Zur Diagnosestellung muss heute mindestens zweimal ein erhöhter Blutzuckerwert vorliegen. Zu beachten ist, dass für die verschiedenen Materialien (Kapillarblut oder venöses Blut, Messung im Plasma oder im Vollblut) verschiedene Grenzwerte gelten. Die Messung sollte zeitnah zur Blutentnahme erfolgen und muss mit einem Laborgerät durchgeführt werden; die auch in Praxen oder Krankenhäusern verbreiteten Patientenmessgeräte sind hierfür nicht geeignet. Schließlich sind Krankheitsbilder auszuschließen, die als Nebeneffekt vorübergehend zu erhöhten Blutzuckerspiegeln führen können.

Kriterien:

Diabetes mellitus liegt vor, wenn eines der folgenden Kriterien erfüllt ist (Glukose jeweils gemessen im Blutplasma):

  • Nüchternblutzucker ≥ 7,0 mmol/l (126 mg/dl)
  • Blutzucker ≥ 11,1 mmol/l (200 mg/dl) zwei Stunden nach der Gabe von 75g Glukose, das ist der orale Glukose-Toleranztest (oGTT)
  • Blutzucker ≥ 11,1 mmol/l (200 mg/dl) und sonstige Anzeichen für Diabetes, wie beispielsweise starker Durst (Polydipsie) und häufiges Wasserlassen (Polyurie) oder unerklärlicher Gewichtsverlust.

Weitere Laborbestimmungen:

Der so genannte HbA1c-Wert ist ein Langzeit-Blutzuckerwert, mit dem der durchschnittliche Blutzuckerspiegel der letzten sechs bis zehn Wochen ermittelt werden kann. Es handelt sich hier um den Anteil des roten Blutfarbstoffs (Hämoglobin), der mit Glukose verbunden ist. Der HbA1c-Wert wird in % angegeben. Je mehr Glucose im Blut ist, desto mehr Blutfarbstoff wird verzuckert. Dabei entsteht zunächst ein instabiles Zwischenprodukt, das nach einigen Stunden in ein irreversibles Endprodukt umgewandelt wird. Kurzfristige Blutzuckerspitzen bilden sich daher im HbA1c kaum ab. Bei Gesunden liegt der Wert bei etwa 4-6%. Da sich die Normbereiche für den HbA1c-Wert von Labor zu Labor unterscheiden, muss mit dem Wert auch der jeweilige Normbereich des Labors angegeben werden. In der Diabetestherapie ist das Ziel, einen HbA1c-Wert zu erreichen, der möglichst nahe am Normbereich liegt, da dann ein weitgehender Schutz vor Folgeschäden besteht.


Ein Maß für die Insulineigenproduktion ist das sog. C-Peptid. Das C-Peptid ist ein Teil des Pro-Insulins und wird in gleicher Menge wie Insulin aus der Bauchspeicheldrüse abgegeben. Da das C-Peptid-Molekül wesentlich stabiler als das Insulinmolekül ist (Halbwertszeit wenige Minuten), ist es laborchemisch einfacher zu erfassen. Die Messung des C-Peptids hilft bei der Unterscheidung des Insulinmangeldiabetes (C-Peptid erniedrigt bis nicht mehr vorhanden), vom Insulinresistenzdiabetes (C-Peptid erhöht).

Glucosurie: Ein Symptom des erhöhten Blutzuckers ist das „honigsüße Hindurchfließen“. Damit ist die Glukoseausscheidung im Urin gemeint, die bei Blutzuckerspiegeln über 180 mg/dl auftritt. Bei diesen Werten (Nierenschwelle) kommt die Niere mit ihrer Resorptionsleistung nicht mehr nach und Glucose tritt in den Urin über (Glucosurie). Dies führt zu einer erhöhten Urinausscheidung (Polyurie) mit entsprechend hohem Wasserverlust und vermehrtem Durstgefühl. Eine Glucosurie ohne einen manifesten Diabetes mellitus wird als Diabetes renalis bezeichnet. Diese entweder angeborene oder erworbene Funktionsstörung der Niere ist differentialdiagnostisch vom Diabetes mellitus zu unterscheiden. Insbesondere darf aufgrund eines alleinigen Befundes einer Glucosurie kein Diabetes mellitus diagnostiziert werden.

Acetonurie: Bei niedrigen Insulinspiegeln werden die Energiereserven des Fettgewebes mobilisiert. Dabei kommt es zum Anstieg nicht nur der Glucosekonzentration im Blut, sondern auch von drei noch kleineren Molekülen, den sogenannten Ketonkörpern. Diese sind ebenfalls Energieträger. Zwei davon sind schwache Säuren. Bei einem drastischen Insulinmangel kann deren Konzentration so stark steigen, dass es zu einer gefährlichen Übersäuerung des Blutes kommt, der sogenannten Ketoazidose. Es stehen Teststreifen zur Verfügung, um eines dieser Ketonkörper, das Aceton, im Urin zu messen. Anfängliche Entgleisungen können so von den Betroffenen selbst erkannt und behandelt werden. Dies ist nur bei Typ 1 Diabetes relevant, da ein solch ausgeprägter Insulinmangel bei Typ 2 Diabetikern nicht vorkommt.

GAD-Antikörper: Diese Antikörper wenden sich spezifisch gegen ein Enzym der Betazellen und sind beweisend für einen Diabetes mellitus Typ 1, liegen aber bei Krankheitsausbruch nur in 50-70% der Fäle vor, später immer seltener.

Erniedrigter Blutzucker (Hypoglykämie)

Blutzuckersenkende Medikamente, insbesondere Insulin, führen bei Überdosierung oder bei einer zu geringen Nahrungsaufnahme zu einer Hypoglykämie. Der Begriff Unterzucker oder Hypoglykämie ist nicht genau definiert. Von einem Unterzucker spricht man im Allgemeinen bei einem Blutzucker unter 60 mg% oder 3,33 mmol/l. Beim so genannten schweren Unterzucker ist ein Diabetiker auf fremde Hilfe angewiesen, da er selbst nicht mehr angemessen reagieren kann.

Eine Hypoglykämie ist ein unphysiologischer Zustand, der beim Gesunden nicht vorkommt (und der deshalb als unangenehm empfunden wird). Im Normalfall setzt sofort eine nervale und hormonelle Gegenregulation ein mit dem Ziel, den Blutzuckerspiegel zu erhöhen. Da im Körper (vor allem in Leber und Muskulatur) Traubenzuckerreserven vorhanden sind, und außerdem von der Leber ständig Glukose nachproduziert wird (s. o.), kann der Körper (ursachenabhängig) die Hypoglykämie häufig selbst beseitigen.

Die einzige Möglichkeit für den gesunden Menschen sich eine Hypoglykämie zu verschaffen, ist der Konsum von Alkohol. Durch den Alkoholabbau wird die Leber an der Traubenzuckerneubildung gehindert. Ein Großteil des „Katers“ nach durchzechter Nacht ist eine Folge des Unterzuckers. Deshalb kann auch der Konsum von Alkohol für Diabetiker gefährlich werden. Die Symptome des Unterzuckers werden im Rausch nicht mehr wahrgenommen und der Körper kann die Hypoglykämie nicht mehr selbst beseitigen, so dass jede Hypoglykämie zur Gefahr werden kann.

Die Symptome einer Hypoglykämie entstehen durch die hormonelle und nervale Gegenregulation und können individuell variieren.

Typische Anfangssymptome sind:

Bei schwerer Hypoglykämie

Ein Unterzucker wird durch die Aufnahme von schnell resorbierbarem Zucker beseitigt. Zucker, der in Fett eingehüllt ist (z.B. Schokolade) oder langsam resorbierbare Kohlenhydrate (Vollkornbrot) sind nicht geeignet. Im Notfall kann (durch den Notarzt) Glucose gespritzt werden. Ein Bewusstloser darf wegen der Gefahr des Verschluckens (Aspiration) keine festen oder flüssigen Stoffe erhalten.

Unterzuckerungen sind eine Komplikation, die fast nur beim Typ-1-Diabetiker auftritt. Typ-2-Diabetiker sind selten betroffen, da hier die Regulation des Blutzuckerspiegels erhalten ist.

Hypoglykämien werden in ihrer Gefährlichkeit häufig überschätzt. Zu einer optimalen Insulintherapie gehören beim Typ-1-Diabetiker etwa zwei bis drei milde Unterzucker pro Woche.

Milde Hypoglykämien verursachen häufig eine euphorische Stimmung, weshalb viele Typ-1-Diabetiker dazu neigen, ihren Blutzucker ständig im leicht zu niedrigen Bereich zu halten („Hypo-Surfer“). Aus dieser künstlichen Stoffwechselsituation resultiert allerdings eine ständige hormonelle und nervale Gegenregulation, die einer permanenten Stressreaktion entspricht.

Folgeerkrankungen

Unabhängig von der Art des Diabetes mellitus führt ein schlecht eingestellter Blutzucker zu Folgeerkrankungen. Grundlage sind dauerhafte Veränderungen strukturbildender Eiweiße und negative Effekte von Reparaturvorgängen, z. B. der ungeordneten Bildung neuer Blutgefäße.

  • Schädigung der kleinen Blutgefäße (Mikroangiopathie): Hierbei kommt es zu Durchblutungsstörungen der kleinen Blutgefäße, wodurch verschiedene Organe geschädigt werden können. Im einzelnen sind dies die Augen, speziell die Netzhaut (diabetische Netzhauterkrankung), die Nieren (diabetische Nephropathie) und die peripheren Nerven (Neuropathie) hervorrufen können.
  • Periphere Nervenschädigung (Polyneuropathie): Insbesondere lange und feine Nervenfasern werden zerstört. Dies führt zur Verminderung der Empfindung in körperfernen Partien, insbesondere den Füßen (Schmerz, Wärme, Berührung) und ist damit Hauptursache des Diabetischen Fußsyndroms. Etwa 1/3 der Betroffenen spürt Dinge, die nicht vorhanden sind: Kribbeln, Kälte, Stiche und andere Formen von Schmerzen.
  • Diabetisches Fußsyndrom: Hierunter versteht man einerseits schlecht heilende Wunden, andererseits Ermüdungsschäden von Knochen und Gelenken am Fuß (Charcotfuß). Schlecht heilende Wunden entstehen insbesondere durch fehlende Reaktion der Betroffenen auf eine anfängliche Verletzung, da die Polyneuropathie einen angemessenen Schmerz verhindert. Das Risiko ist bei gleichzeitiger Durchblutungsstörung besonders hoch. Es besteht das Risiko der Bildung von tiefen lochförmigen Hautgeschwüren. In Deutschland werden 30000 Amputationen / Jahr in der Folge solcher Geschwüre durchgeführt. Ermüdungsschäden (= Charcotfuß, DNOAP) entstehen durch monotone Belastung der Füße im Rahmen der Polyneuropathie. Bänder und Gelenke werden überdehnt, Knochen können brechen. Der Fuß wird warm, geschwollen und rot im Vergleich zur Gegenseite, oft nach einem Trauma. Der Schmerz fällt dabei geringer aus als erwartet und kann sogar trotz Knochenbrüchen ganz ausbleiben. Die Vorbeugung des Diabetischen Fußsyndroms betrifft nur Menschen mit Diabetes und mit eingeschränkter Empfindung oder Durchblutungsstörungen. Zur Nagel- und Schwielenpflege dürfen scharfe Gegenstände nicht verwendet werden, stattdessen Nagelfeilen und Bimssteine. Hautpflegende Salben sollen nicht in die Zehenzwischenräume aufgetragen werden sondern auf Fußsohle und Fußrücken, Fußpilz soll konsequent behandelt werden und Zehenzwischenraüme nach dem Baden sorgfältig getrocknet werden. Die Schuhe müssen auseichend weit und weich sein und die Füße täglich auf Verletzungen geprüft werden, z.B. mit einem Rasierspiegel.
  • Schädigung der Netzhaut (Retinopathie): Hierbei kommt es zu Durchblutungsstörungen der kleinen Gefäße, die vom hinteren Augenpol ausgehen. Gefäßneubildungen befolgen hier nicht die ursprüngliche Architektur und sind ungünstig.
  • Nierenschädigung (Nephropathie): Das Spektrum reicht von leichter Eiweißausscheidung bis zum Nierenversagen mit Dialyseabhängigkeit. Das Risiko einer Nephropathie steigt deutlich mit Zunahme des Blutdrucks. Die Nephropathie kann ihrerseits hohen Blutdruck (Hypertonie) verstärken.
  • Fettleber und Fettleberhepatitis: Durch die Beeinträchtigung des Fettstoffwechsels kommt es zu einem verstärkten Abbau der köpereigenen Fettbestände (einer verstärkten Lipolyse) und Neubildung der Triglyceriden (Verbindung eines Alkohols mit Fettsäuren, 95 % des menschlichen Körperfetts besteht daraus) in den Leberzellen. Dies führt zu einer Verfettung der Leber. Die Fettleber gilt als überwiegend unschädlicher Ultraschall-nebenbefund.
  • Schädigung der großen Blutgefäße (Makroangiopathie): Hierbei kommt es zu Durchblutungsstörungen der großen Blutgefäße. Diese Krankheit führt gehäuft zu Herzinfarkt, Schlaganfall und Durchblutungsstörungen der Beine (schmerzhafte Einschränkung der Gehstrecke, Schaufensterkrankheit). Bei gleichzeitiger Polyneuropathie können Schmerzen trotz kritischer Durchblutung ausbleiben.

Akutkomplikationen

  • Diabetisches Koma: Das diabetische Koma ist die schwerste Entgleisung des Diabetes, es ist lebensgefährlich. Bei einem diabetischen Koma können die Blutzuckerwerte über 1000 mg/dl (normaler Blutzuckerwert: 60-120 mg/dl) erreichen. Außerdem kommt es zu einer schweren Übersäuerung des Blutes (metabolische Azidose). Ein solches Koma wird meist durch Infekte, Diätfehler (zu viel Kohlehydrate) oder bei insulinspritzenden Diabetikern durch falsche Dosierung des Insulins verursacht.

Prognoseverbesserung allgemein

Eine Verbesserung der Prognose über die Wahrscheinlichkeit von Spätschäden (siehe unten) ist sicher (durch die DCCT-Studie und andere Studien belegt) durch eine Normalisierung der Blutzucker- und HbA1c-Werte erreichbar. Beim alimentär bedingten Altersdiabetes muss die Prognoseverbesserung durch Tabletten allerdings erst nachgewiesen werden.

Personen, die ihren Lebensstil nicht entsprechend den Empfehlungen (siehe UKPDS-Studie, Steno-2-Studie) ändern, haben ein erhöhtes Risiko, Spätschäden zu erleiden. Nur eine Minderzahl von Diabetikern bleibt trotz schlechter Lebensgewohnheiten (fettes Essen, Bewegungsmangel, mangelhafte Kontrolle des Blutzuckers) von Spätschäden verschont (siehe auch metabolisches Syndrom).

Die Verzuckerung der Zellen (messbar anhand der nichtenzymatischen Glykierung der roten Blutkörperchen durch den HbA1c-Wert) geht bereits nach 2 Stunden erhöhtem Blutzuckerwert eine irreversible chemische Verbindung mit den Zellmembranen ein (Amadori-Umlagerung), die nicht durch einen niedrigen Stoffwechsel kompensiert oder rückgängig gemacht, sondern höchstens aufgehalten werden kann, um Spätschäden zu vermeiden. Oberstes Ziel der Diabetestherapie ist es daher, diese irreversible chemische Reaktion der Glucoseablagerungen zu minimieren. (AGE-"RAGE"-Bildungsprozess (siehe Typ-2-Diabetes mellitus - Neue Erkenntnisse zu einer Volkskrankheit - Hellmut Mehnert, Thomas Haak, - Diabetes Akademie Bad-Mergentheim - 1. Auflage 2003 - Seite 40, 1. Absatz)

Die Chance auf ein langes Leben frei von Spätschäden ist umso größer, je niedriger die Glykierung ist. Starke Schwankungen des Blutzuckerspiegels verringern diese Chance. Ein zu niedriger Blutzuckerspiegel und zu hoher Insulinspiegel schädigt die Intima media (Innenwand der Blutgefäße) genauso wie ein zu hoher Blutzuckerspiegel. Bei jedem Betroffenen muss individuell festgestellt werden, wie die niedrigsten Blutzuckerwerte mit der niedrigsten Zahl von Hypoglykämien erreicht werden können.

Für den betroffenen Diabetiker gilt deshalb, dass er selbst zum Spezialisten für seine Krankheit werden und Verantwortung übernehmen sollte. Er muss die Feinsteuerung und nach Möglichkeit auch die Basalratenfindung im Alltag selbst lösen, da nur er die genaue Reaktion seines Körpers durch die Rahmenbedingungen (Essen, Bewegung, Insulin, Krankheit, Sport ...) kennt und einschätzen kann. Insofern verbessert sich die Prognose, wenn sich die Betroffenen durch Wechsel der Lebensführung, Wissensaneignung und Umsetzung des Wissens um ihre Krankheit bemühen.

Diabetes Typ 1

Bei diesem Krankheitstyp zerstört das körpereigene Immunsystem selbst, im Rahmen einer Entzündungsreaktion, die insulinproduzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse. Diese Entzündungsreaktion setzt wahrscheinlich bereits in frühester Kindheit ein. Die konsekutive Zerstörung der insulinproduzierenden Betazellen führt nach und nach zu einem zunehmenden Insulinmangel. Erst wenn ca. 90 Prozent der Beta-Zellen zerstört sind manifestiert sich ein Typ-1-Diabetes. In der Anfangsphase der Erkrankung ist also durchaus noch eine kleine Insulinrestproduktion vorhanden.

Ursachen

Folgende Argumente sprechen für eine durch vielfältige Einflüsse bedingte Entstehung (multifaktorielle Genese), bei der jedoch ein Selbstangriff des Körpers auf die Inselzellen der Bauchspeicheldrüse am Ende steht:

  • Genetische Prädisposition beim Typ-1-Diabetes: Wenn ein Elternteil erkrankt ist, beträgt das Erkrankungsrisiko der Kinder, bei Erkrankung des Vaters 5%, bei Erkrankung der Mutter 2,5%, bei Erkrankung beider Eltern 20%.
  • Kuhmilch-Hypothese zur Erklärung des erhöhten Risikos von Kindern mit nur kurzer Stillzeit für die Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ 1.
  • Ein weiterer möglicherweise auslösender Faktor ist die sehr frühe Exposition gegenüber dem Protein Gluten, das in verschiedenen Getreidesorten vorkommt.
  • Diabetogene (Diabetes verursachende) Viren: Coxsackie B-Viren (besonders B4), intrauterine (in der Gebärmutter während der Schwangerschaft stattfindende) Rötelninfektion mit dem Rubivirus (führt in 50 % zum Diabetes), Echoviren, Cytomegalievirus (CMV), Herpesviren. Alle diese Viren können möglicherweise eine autoimmune (durch das eigene Immunsystem verursachte) Zerstörung der Inselzellen des Pankreas auslösen.

Neuesten Forschungsergebnissen zufolge löst offenbar das Hormon Insulin selbst den Angriff des Immunsystems auf die Bauchspeicheldrüse aus. Lymphozyten von Typ-1-Diabetikern reagieren nachweislich auf einen bestimmten Teil des Insulineiweißes. Damit ist das normale Insulin selbst bei dieser Diabetesvariante ein wichtiges Antigen und kann daher auch ein Zielpunkt für eine neuartige Therapie werden.

Spezielle Symptome

Ganz typisch für den Typ-1-Diabetes ist die ausgeprägte Gewichtsabnahme innerhalb kürzester Zeit, verbunden mit Austrocknung (Exsikkose), ständigem Durstgefühl und häufig auch Bauchschmerzen und Durchfall (Diarhhoe) (Fehldiagnose Blinddarmentzündung !). Allgemeine Symptome wie Müdigkeit und Kraftlosigkeit, Sehstörungen und Konzentrationsstörungen kommen hinzu.

Therapie

Beim Typ-1-Diabetes muss das fehlende körpereigene Insulin künstlich zugeführt werden. Da Insulin ein Eiweißstoff ist, der im Magen sofort zersetzt würde, wird Insulin unter die Haut (subcutan) gespritzt.

Ziel der Therapie ist eine möglichst ausgeglichene Stoffwechsellage, die auf verschiedene Weise hergestellt werden kann. (siehe Insulintherapie)

Diabetes-Diät

Eine ausgewogene Ernährung besteht aus etwa 50-60 % Kohlenhydraten, 10-15 % Eiweiß und 20-30 % Fett. Der normalgewichtige Typ-1-Diabetiker kann sich ganz normal ernähren -inklusive Süßigkeiten- wenn er seinen Blutzuckerspiegel im Griff hat. Von der GMA empfohlene Mengen sind etwa 4 Gramm Kohlenhydrate pro Tag und Kilo Körpergewicht.

Nach den neueren Berechnungsmethoden werden statt der (BE) Broteinheiten (KE) Kohlenhydrateinheiten verwendet, wobei eine KE aus 10 bis 12 Gramm Kohlenhydraten besteht. Dies dient der einfacheren Berechnung.

Die durch intensivierte Insulintherapie (Basis-Bolus-Therapie, ICT) behandelten Typ-1-Diabetiker bekommen so die Möglichkeit, selbst über die Zusammensetzung ihrer Ernährung zu entscheiden. Die Broteinheit oder KE wird deshalb von den heute geschulten Typ-1-Diabetikern lediglich zur Berechnung der verzehrten Kohlenhydrate und damit der richtigen Insulindosis verwendet, statt - wie früher - zur Mahlzeitenplanung und Kohlenhydratereduktion.

Von vielen Patienten und Ärzten wird aber nicht erkannt, dass eine völlige Freigabe der Ernährung wie sie jetzt praktisch überall propagiert wird, auch beim Typ-1-Diabetiker zu Problemen führt. Auch beim Insulinmangeldiabetiker mit gut eingestellter Insulintherapie führt ständige Zufuhr von Kalorien (auch aufgrund notwendiger Zwischenmahlzeiten) zum Übergewicht. Man züchtet also ein Problem an Patienten hin, welches sie eigentlich nicht haben müssten.

Deswegen ist nicht nur die Berechnung der Kohlenhydrate wichtig, sondern durch die Berücksichtigung der richtigen Ernährungszusammensetzung, auch die zugeführte Energie (Kalorienzahl). Beispiel: Eine Laugenbrezel hat 2 BE und 130 kcal. Eine Butter-Laugenbrezel hat auch nur 2 BE, aber 300 Kcal. ("Herr Doktor, seit ich Insulin spritze, nehme ich ständig zu.")

Auch wird die Insulintherapie mit zunehmender Diabetesdauer und zunehmenden Spätfolgen immer schwieriger. Ein Patient, der von Anfang an "Ernährungsdisziplin" lernt, tut sich wesentlich leichter mit seiner Krankheit und deren Behandlung.

Diabetes Typ 2

Hierbei handelt es sich um eine Störung, bei der Insulin zwar vorhanden ist, an seinem Zielort, den Zellmembranen, aber nicht richtig wirken kann (Insulinresistenz). In den ersten Lebensjahrzehnten kann die Bauchspeicheldrüse dies durch die Produktion hoher Insulinmengen kompensieren. Irgendwann kann das Pankreas die überhöhte Insulinproduktion aber nicht mehr aufrecht erhalten. Die produzierte Insulinmenge reicht dann nicht mehr aus, um den Blutzuckerspiegel zu kontrollieren und der Diabetes mellitus Typ 2 wird manifest. Ein Typ-2-Diabetiker hat trotzdem noch viel mehr körpereigenes Insulin, als der Stoffwechselgesunde, für den eigenen Bedarf ist es aber nicht mehr ausreichend (relativer Insulinmangel).

Früher hatte der Diabetes Typ 2 den Beinamen Altersdiabetes, weil er in der Regel erst nach dem 30. Lebensjahr auftritt. Allerdings wird der Diabetes Typ 2 auch bei immer mehr jüngeren Menschen diagnostiziert, in letzter Zeit sogar bei Jugendlichen. Deswegen ist der Begriff „Altersdiabetes“ nicht mehr angebracht.

Die angeborene Insulinresistenz hat durchaus einen biologischen Sinn. Die hohe Insulinausschüttung führt zu einer zuverlässigen Verstoffwechselung aller aufgenommenen Kalorien, was in Hungerzeiten das Überleben sichert. Menschen mit angeborener Insulinresistenz sind "gute Futterverwerter" und neigen häufig bei vorhandenem Angebot bereits in der Kindheit zu Übergewicht. In Ländern der dritten Welt findet man deswegen überdurchschnittlich viele Menschen mit Insulinresistenz, was dort mit steigendem Wohlstand zu einer explosionsartigen Zunahme des Typ-2-Diabetes führt (siehe Indien).

Der Typ-2-Diabetes wird oft nicht erkannt, nicht ernst genommen oder unzureichend behandelt und Ärzte sind bei der Behandlung bisweilen unsicher. Um eine gleich bleibende Qualität zu erreichen, fördern die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland seit 2003 einheitliche Diagnose- und Therapierichtlinien für interessierte Mediziner im Rahmen des so genannten Disease-Management-Programmes (DMP) für Diabetes Typ 2.

Verbreitung

Der Diabetes-Typ 2 ist zur Massenerkrankung geworden, und zwar vorwiegend in den industrialisierten Ländern. Hauptursachen sind Überernährung, Bewegungsmangel und das daraus resultierende Übergewicht. Viele Diabetes-Typ-2-Patienten könnten auf Medikamente verzichten, wenn sie sich mehr bewegen und ihr Gewicht reduzieren würden. Durch Bewegung gewinnen die Körperzellen ihre Insulin-Aufnahmefähigkeit zurück (Zahl der Rezeptoren je Zelle kann durch Bewegungs-Training verdoppelt werden), sodass das körpereigene Insulin wieder besser wirkt. Besorgniserregend ist der dramatische Anstieg zuckerkranker übergewichtiger Kinder.

Ursachen

Als eine der Hauptursachen für diesen Erkrankungstyp wird die Fettleibigkeit angesehen. Neben der angeborenen Insulinunempfindlichkeit resultiert aus dem Übergewicht eine zusätzliche Insulinresistenz der insulinabhängigen Körperzellen (Fett stört die Insulinwirkung). Ein Forscherteam um Qin Yang von der Harvard Medical School in Boston (USA) hat 2005 herausgefunden, dass im Fettgewebe übergewichtiger Menschen das Eiweiß RBP4 in großen Mengen produziert wird. Dieses spezielle Eiweiß führt dazu, dass Muskel- und Leberzellen kaum noch auf das blutzuckerregulierende Hormon Insulin reagieren. (zu den therapeutischen Konsequenzen siehe unten unter Therapie/neue Forschungsansätze)

Ein weiterer entscheidender Faktor ist die genetische Veranlagung, wobei wahrscheinlich viele Gene beteiligt sind (polygene Erkrankung). Die unterschiedliche Genetik ist wahrscheinlich der Grund für die unterschiedlichen Verlaufsformen. Im Jahr 2004 ist es Forschern am Wake Baptist Medical Center der Forest University (USA) gelungen, eines der beteiligten Gene zu ermitteln: PTPN1. Das auf dem humanen Chromosom 20 lokalisierte Gen kodiert für eine Protein Tyrosine Phosphatase (N1). Es gibt mehrere Varianten des PTPN1-Gens: Die riskante Variante findet sich in etwa 35 % aller Individuen der weißen (amerikanischen) Population, während die protektive (schützende) Form bei rund 45 % vorkommt. Bei etwa 20 % der Individuen findet man die neutrale Variante von PTPN1. Ist das Protein der riskanten Variante im Organismus im Überfluss vorhanden, unterdrückt es die Insulin-Reaktion des Körpers, so dass mehr Glucose (Zucker) im Blutkreislauf verbleibt und sich der Typ-2-Diabetes manifestiert.

Die Existenz weiterer für Typ-2-Diabetes verantwortlicher Gene gilt als gesichert. Die Forscher schätzen, dass bei etwa 20 % der hellhäutigen Bevölkerung das PTPN1-Gen verantwortlich ist. Bei den Afro-Amerikanern dagegen scheint das Gen keine Rolle zu spielen, ein weiterer Hinweis, dass mehrere Gene an der Entstehung des Typ-2-Diabetes beteiligt sind.

Ein weiterer Faktor im Krankheitsgeschehen ist eine erhöhte körpereigene Traubenzuckerbildung in der Leber (s.o.). Das Hormon Insulin hemmt, das Hormon Glukagon steigert die Zuckerneubildung (Gluconeogenese) in der Leber. Glukagon, das durch die Steigerung der Zuckerneubildung, den Zuckerspiegel anhebt, wird vermehrt als Antwort auf den Zuckerbedarf in den Körperzellen gebildet. Außerdem betrifft die angeborene Insulinresistenz auch die Leberzellen, die auf die hemmende Insulinwirkung kaum reagieren und zu viel Zucker ins Blut entlassen.


Hinsichtlich des Risikos an Typ-2-Diabetes zu erkranken, haben Mediziner im Team von Alison Stuebe von der Medical School in Boston durch die Datenanalyse einer Studie in den Jahren von 1986 bis 2002 mit 157 000 Müttern herausgefunden, dass sich mit jedem Jahr einer Stillzeit das Risiko dieser Frauen, an dieser Diabetesform zu erkranken, um etwa 15 Prozent verringert. Nach dem Abstillen hält der schützende Effekt noch einige Jahre an.

Symptome

Viele Typ-2-Diabetiker haben jahrelang keine fassbaren Symptome. Im Gegensatz zum Insulinmangeldiabetes geht der Typ-2-Diabetes praktisch nie mit einer Gewichtsabnahme und nur selten mit vermehrtem Wasserlassen und Durstgefühl einher. Häufig sind allerdings unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Schwäche, ständiges Hungergefühl, Gewichtszunahme und depressive Verstimmung. Da diese Symptomatik zu fast jeder anderen Krankheit passt, wird die Diagnose häufig erst nach Jahren durch Zufall gestellt.

Therapie

Beim Typ-2-Diabetes muss die erhöhte Insulinresistenz durch Gewichtsabnahme und vermehrte Bewegung verringert werden. Eine medikamentöse Therapie ist dabei nicht erst nach Ausschöpfung der Diätmaßnahmen angezeigt.

Zur medikamentösen Therapie gibt es verschiedene Therapieansätze (s. u.).

Je besser es gelingt, die Blutzuckerwerte zu normalisieren (vor einer Mahlzeit unter 120 mg/dl, danach unter 180 mg/dl), umso geringer ist die Gefahr von Komplikationen.

Da fast alle Typ-2-Diabetiker auch einen Bluthochdruck haben und der Bluthochdruck die Spätfolgen, vor allem an den Augen, den Nieren und den großen Blutgefäßen, weiter forciert, muss auch ein Bluthochdruck rechtzeitig erkannt und behandelt werden.

Auch bei Typ-2-Diabetikern hilft eine regelmäßige Selbstkontrolle der Blutzuckerwerte, eine gesundheitsbewusste Diät einzuhalten und führt so nach einer wissenschaftlichen Untersuchung (ROSSO-Studie, siehe Weblinks) zu einem deutlichen Rückgang von Folgeerkrankungen und zu einer erheblichen Senkung der Todesrate.

Orale Antidiabetika

Neue Forschungsansätze

Unter den bereits zugelassenen und im Handel befindlichen Medikamenten haben die oben genannten Forscher aus Boston (USA) zwei Substanzen gefunden, die die Überproduktion von RBP4 in den Fettzellen von Diabetes-Typ-2-Patienten verringern können:

  • Rosiglitazon (Handelsname Avandia) ist ein Wirkstoff, der die Rezeptoren der Körperzellen für Insulin empfindlicher macht.
  • Fenretinid, ein Wirkstoff ursprünglich für die Krebstherapie geschaffen, führte in Tierversuchen mit Mäusen dazu, dass das überschüssige Enzym RBP4 über den Urin ausgeschieden wurde. Die behandelten Tiere verloren anschließend ihre Insulinresistenz.
  • Exenatide wird aus dem Speichel einer Echsen-Art (Gila-Krustenechse) gewonnen und wirkt beim Menschen wie das Darmhormon GLP1, welches den Blutzuckerspiegel dauerhaft im Normalbereich halten kann. In den USA ist das Mittel der Firma Amylin unter dem Handelsnamen Byetta bereits auf dem Markt, für die EU hat der Pharmakonzern Lilly 2006 die Zulassung beantragt.

Diabetes-Diät

Eine ausgewogene Ernährung besteht aus etwa 50-60 % Kohlenhydraten, 10-15 % Eiweiß und 20-30 % Fett. Dies ist die für alle Menschen, und damit auch für Typ-2-Diabetiker empfohlene Ernährungszusammensetzung.

Eine übliche Reduktionsdiät besteht aus einer unterkalorischen Ernährung in o.g. Zusammensetzung, wobei die Kalorienzahl individuell festgelegt wird. Es hat sich bewährt keine sklavische Kalorienbegrenzung pro Tag zu empfehlen, sondern mit dem Patienten eine Gesamtkalorienzahl pro Woche festzulegen, um der unterschiedlichen Tagesform Rechnung zu tragen. Bewährt haben sich in diesem Zusammenhang auch Ernährungstagebücher, um den Überblick zu behalten.

Sozialmedizinische Bedeutung und Kosten

Die Kostensituation bei den Typ-2-Diabetikern stellt sich wie folgt dar: Gemäß der CODE-2® -Studie beliefen sich 1998 in Deutschland die durch Typ-2-Diabetes entstandenen volkswirtschaftlichen Gesamtkosten auf 16,05 Milliarden € (31,4 Mrd. DM). Hiervon trugen die gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen mit 61 % den Löwenanteil. Ein Patient mit Typ-2-Diabetes verursachte abhängig von seinem Komplikationsstatus (sekundäre durch die Diabetes verursachte Erkrankungen) 1,3- (keine Komplikationen) bis 4,1-fach (makro- und mikrovaskuläre Komplikationen) höhere Kosten als durchschnittlich für GKV-Versicherte ausgegeben wird. Die Hälfte der Gesamtkosten wurde durch die stationäre Behandlung verursacht, weitere 27 % der Ausgaben entfielen auf die medikamentöse Behandlung (davon Insulin und orale Antidiabetika: 7 %) und schließlich 13 % auf die ambulante Behandlung. Zusätzliche Kosten entstehen durch Patente: Insulinpatronen sind nur mit Pens bestimmter Hersteller nutzbar. Außerdem verhindern Patente das Eintreten neuer Unternehmen und damit Kostensenkungen.

Vergleich von Typ 1 und Typ 2

Typ 1 Typ 2
Häufigkeit in Deutschland etwa 550000 etwa 5 Mio bekannt, hohe Dunkelziffer
Manifestationsalter (Lebensalter) Kinder und Jugendliche, seltener Erwachsene, aber keine Altersbegrenzung Erwachsene (ab etwa 40 Jahre), in den letzten Jahren zunehmend auch junge Erwachsene, sogar Jugendliche
Hauptursachen Genetische Prädisposition, Autoimmunprozess
Organisch: Zerstörung der Beta-Zellen
Genetische Prädisposition und Adipositas
Behandlung Insulintherapie Gewichtsreduktion, orale Antidiabetika, u. U. Insulintherapie

Typ-3-Diabetes mellitus

Typ 3D

Ein vermehrtes Vorkommen von Glukokortikoiden im Organismus durch medikamentöse Therapie oder eine Cushingsche Erkrankung bedingt oder begünstigt die Entstehung dieses Diabetestyps (kortikoidinduzierter Diabetes).

Typ-4-Diabetes mellitus

Therapie

Beim so genannten Gestationsdiabetes, der nur während der Schwangerschaft auftritt, sollte die Blutzuckerregulierung im Interesse des Kindes besonders streng erfolgen. Die Blutzuckerwerte sollten denen eines Nichtdiabetikers entsprechen. Dies ist oft durch Diät, manchmal erst durch Insulingabe möglich.

Allerdings ist in der Schwangerschaft während der Phase der Organogenese des Embryos unbedingt zu beachten, dass in dieser Phase auch bei einer Nicht-Diabetikerin ein grundsätzlich niedrigerer Blutzuckerwert als während der sonstigen Lebens- und Schwangerschaftsphasen zu messen sein wird. Ein möglicher Grund ist die Gefäßgröße der sich entwickelnden Organe des Embryos. Bei Blutzuckerwerten von mehr als 110 mg/dl ist mit einer gestörten Organbildung oder unreifen Organen des Kindes zu rechnen.

Charakteristisch für eine unzureichenden Diabeteseinstellung in der Spätschwangerschaft (letztes, 3. Trimenon, d. h. 27.-40. Schwangerschaftswoche) ist eine Makrosomie (übergroßes Neugeborenes).

Geschichte des Diabetes mellitus und des Wirkstoffs Insulin

Siehe: Insulin

Literatur, Abstracts

  • Liebl A, Neiss A, Spannheimer A, Reitberger U, Wagner T, Gortz A, "Costs of type 2 diabetes in Germany. Results of the CODE-2 study", Dtsch Med Wochenschr. 2001 May 18;126(20):585-9
  • Liebl A, Goertz A, Spannheimer A, Reitberger U, Renner R. Assessing cost of complications in patients with type 2 diabetes in Germany: Poster presentation at EASD, Jerusalem September 2000; Diabetologia, Vol. 43:1.
  • The Diabetes Prevention Program Research Group: Impact of Intensive Lifestyle and Metformin Therapy on Cardiovascular Disease Risk Factors in the Diabetes Prevention Program. Diabetes Care 2005; 28: 888-894
  • Knowler WC, Barrett-Connor E, Fowler SE et al.: Reduction in the incidence of type 2 diabetes with lifestyle intervention or metformin. N Engl J Med 2002; 346: 393-403

Literatur

  • Nicola Haller: Die erfolgreiche Diabetesschulung, Elsevier, München, 2005, ISBN 3-4374-8080-4
  • Helmut Schatz: Diabetologie kompakt, Thieme, Stuttgart, 2004, ISBN 3-1313-7723-2
  • Gerhard-Walter Schmeisl Schulungsbuch für Diabetiker, Elsevier, München, 2005, ISBN 3-4374-7271-2
  • Renate Jäckle: Gut leben mit Typ-1-Diabetes, Elsevier, München, 2003, ISBN 3-4374-5297-5
  • Rosemary Walker & Jill Rodgers: Diabetes - Die Krankheit verstehen - die Lebensqualität erhalten, DK, 2005, ISBN 3-8310-0661-X
  • Elisabeth Lange: Diabetes Typ 2 (2002)
  • Arthur Teuscher: Gut leben mit Diabetes Typ 2 (2002)
  • Birgit Kuhn: Schwangerschaft, Diabetes und Kinderglück (2004)
  • Peter Hürter, Karin Lange: Kinder und Jugendliche mit Diabetes (2004)
  • Hans Lauber: Fit wie ein Diabetiker
  • Hans Lauber: Schlemmen wie ein Diabetiker
  • Gerhard Fleischner: Der Zuckerfuß
  • Prof. Dr. Michael Berger: Diabetes mellitus

Auch der Dichter Gottfried Benn hat 1910 über die Zuckerkrankheit promoviert (Der Diabetus mellitus beim Heer).

Siehe auch

Deutsche Diabetes-Stiftung - Deutscher Diabetiker Bund - Verbliebene Eigensekretionsrate