Gesetzliche Rentenversicherung (Deutschland)
- Dieser Artikel behandelt die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland und Österreich.
Die gesetzliche Rentenversicherung ist als Teil des Sozialversicherungsystems vom Gesetzgeber im wesentlichen durch Zwangsteilnahme der abhängig Beschäftigten als Altersicherung im Umlageverfahren konzipiert.
Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) in Deutschland
Der Begriff „Rente“ wird in Deutschland vielfach als Synonym für eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) verwendet. Davon sind die Pensionen der Beamten zu unterscheiden, die aus Steuermitteln und Rücklagen finanziert werden. In Österreich werden dagegen alle Altersrenten als Pensionen bezeichnet.
Allgemeine Bemerkungen
Die GRV ist Bestandteil (Versicherungszweig) der gegliederten Sozialversicherung. Sie hat ihre Grundlage im Sozialgesetzbuch VI (SGB VI). Sie bildet, zusammen mit den anderen gesetzlichen Altersvorsorgeformen (Alterssicherung der Landwirte, berufsständische Pflichtversorgung der verkammerten freien Berufe und der Beamtenversorgung) eine der sog. „drei Säulen“ des deutschen Alterssicherungssystems neben der als zweite Säule bezeichneten betrieblichen/überbetrieblichen/tariflichen Altersversorgung und der auf privater Vorsorge aufbauenden eigenständigen Absicherung (dritte Säule – gefördert im Rahmen der sog. „Riester-Rente“).
Kennzeichen der gesetzlichen Rentenversicherung ist insb. ihr Zwangscharakter: die meisten Arbeitnehmer sind dort pflichtversichert.
Träger der gesetzlichen Rentenversicherung
Träger der GRV ist die Deutsche Rentenversicherung.
Die zuständigen Leistungsträger sind gem. § 23 Absatz 2 SGB I:
- in der allgemeinen Rentenversicherung die Regionalträger, die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See,
- in der knappschaftlichen Rentenversicherung die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See,
- in der Alterssicherung der Landwirte die landwirtschaftlichen Alterskassen.
Versicherte
Die GRV unterscheidet generell zwischen Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit. Die Versicherungspflicht umfasst nach § 1 SGB VI alle abhängig beschäftigten Arbeitnehmer einschließlich Auszubildender mit erstmaliger Aufnahme der Arbeitstätigkeit. Als Pflichtmitglieder einbezogen sind alle Arbeitnehmer, wenn sie nicht wegen eines sehr kleinen Einkommens oder wegen einer Absicherung in einem anderen Alterssicherungssystem versicherungsfrei sind. Darüber hinaus sind weitere Personengruppen Pflichtmitglieder, unter anderen:
- Wehr- und Zivildienstleistende
- Bezieher von Lohnersatzleistungen wie Arbeitslosengeld oder Krankengeld
- selbstständige Handwerker in den ersten 18 Jahren ihrer Berufstätigkeit
- weitere selbstständige Berufe arbeiten wie Hebammen, Seelotsen, Künstler, Publizisten, Küstenschiffer und Küstenfischer, Ich-AGs
- Scheinselbstständige
- Pflegepersonen nach dem Pflegeversicherungsgesetz, Lehrer, Erzieher und Gewerbetreibende, die keine sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer (mindestens Midijob) beschäftigen
Weiterhin können alle übrigen Selbstständigen der gesetzlichen Rentenversicherung auf Antrag als Pflichtmitglieder beitreten und alle weiteren in Deutschland lebenden Personen ab dem 16. Lebensjahr freiwillig Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlen.
Bezieht man Einkommen aus mehreren Tätigkeiten, die Pflichtversicherung unterliegen, so liegt faktisch eine Mehrfachversicherung vor. Diese ist jedoch rechtlich toleriert, da man dann wie beim Selbstständigen in der Summe die Sozialversicherung auf alle Einkünfte zahlt.
Versicherungsfreiheit besteht nach § 5 SGB VI für Beamte, Richter und Berufs- oder Zeitsoldaten. Außerdem können bestimmte Personengruppen von der Versicherungspflicht befreit werden, z.B. Ärzte, Ingenieure, Architekten, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte (§ 6 SGB VI). Diese Mitglieder der freien Berufe müssen jedoch Kammermitglied und über deren Vorsorgeeinrichtungen versichert sein.
Leistungen
Die versicherten Risiken der gesetzlichen Rentenversicherung (gRV) sind das Alter, die verminderte Erwerbsfähigkeit und der Tod.
Leistungen der gRV sind
- Rentenzahlungen auf Grund eines dieser Risikofälle
- Alter,
- Erwerbsminderung,
- Tod sowie
- Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Dabei gilt der Grundsatz „Reha vor Rente“, d.h. vor Zahlung einer Rente wird versucht, die Erwerbsfähigkeit des/der Versicherten wieder herzustellen. Erst wenn dies tatsächlich nicht möglich ist, erfolgt eine Rentengewährung.
Für die Rentengewährung ist die Erfüllung von
- persönlichen Voraussetzungen (z.B. Erwerbsminderung, Lebensalter, Tod) und
- spezifischen Wartezeiten, also Zeiten der Beitragszahlung zur Rentenversicherung,
vonnöten.
Daneben sind auch bei verschiedenen Renten noch weitere versicherungsrechtliche Voraussetzungen erforderlich. Eine abschlagfreie Altersrente wird nach geltender Rechtslage regelmäßig bei einem Renteneintritt ab dem 65. Lebensjahr gewährt. Eine vorzeitige Inanspruchnahme ist mit dauerhaften Abschlägen von 0,3 Prozentpunkten für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme behaftet.
Darüber hinaus erbringen die Träger der GRV auch Leistungen im Rahmen der medizinischen und beruflichen Rehabilitation zur Wiederherstellung bzw. Verbesserung der Erwerbsfähigkeit. Diese Leistungen dienen der Abwendung des versicherten Risikos und können insofern nicht als versicherungsfremd eingestuft werden.
Frührente oder Alter beim Eintritt in die Rente
Mit dem Wort Frührente werden (juristisch ungenau) alle Formen des vorgezogenen und in der Regel eher unfreiwilligen oder ungeplanten Übergangs in die Erwerbslosigkeit mit einem Anspruch auf Rentenzahlung durch die staatliche Sozialversicherung, z. B. EM-Rente und Vorruhestand nach Arbeitslosengeldbezug bezeichnet. Eine andere Bezeichnung Vorruhestand wird abgeleitet von dem vorgezogenem Beginn des Ruhestandgeld-Bezugs (und gilt deshalb eigentlich nur für Beamten).
Grob läßt sich sagen, dass pro Monat des vorzeitigen Eintritts in die Rente vor dem gesetzl. Rentenalter die Rente lebenslang um 0,3 % gemindert wird. Also z. B. für 1 Jahr früher sinkt der sonst zustehenden monatliche Rentenbetrag um 3,6 Prozent. Vergleiche Rentenberechnung unten oder bei Rentenformel. Dieser Rentenabschlag versucht die kürzere Beitragszahl-Phase im Erwerbsleben und die möglicherweise längere Bezugsdauer der Rente (bei einem fiktiv betrachtet) gleich langem Leben zu berücksichtigen. Seit Jahrzehnten ist das Renteneintrittsalter immer schon deutlich niedriger als die jeweils geltende gesetzliche Altersgrenze.
Dabei muss folgendes beachtet werden: Der Abschlag erfolgt von demjenigen Rentenwert, der sich zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente ergibt und nicht von dem auf das 65. Lebensjahr hochgerechneten Altersrentenwert.[1]Das heißt: Die vorgezogene Rente ist im Vergleich zur Rente mit 65 durch zwei Einflüsse geringer: Zuerst durch den früheren Rentenbeginn, weil keine Beitragszahlungen mehr erfolgt sind, und dann nochmal durch den Abschlag auf den bereits niedrigen Rentenwert.
Erwerbsminderungsrente
Etwa ein Sechstel aller Rentner beginnt ihr Rentnerdasein mit einer Erwerbsminderungsrente. Die meisten von ihnen (über 90 %) wegen voller Erwerbsminderung. Die frühere vergleichbare Regelung hieß bis 2000: Erwerbsunfähigkeits-, EU-Rente (Verminderte Erwerbsfähigkeit).
Deren Höhe ist von den früheren Beiträgen abhängig. Der bis 2020 auf 100 % wachsende Ertragsanteil dieser Rente ist übrigens zu versteuern. 2005 waren dieser Ertragsanteil bereits 50 %. Aber nur etwa 25.000 der ca. 1,7 Mio. Bezieher dieser Rentenart überschreiten die Freibetragsgrenze (pro Person ca. 7.500 Euro p.a.), so dass sie wegen der Rentenhöhe steuerpflichtig werden. Allerdings müssen weitere Einnahmen bei dieser Frage ebenfalls berücksichtigt werden. Zuverdienst bis etwa 350 Euro mtl. ist unschädlich.
Erwerbsunfähigkeit, EU-Rente (bis 2000)
Erwerbsunfähig ist die/der Versicherte, die infolge Krankheit oder anderer Gebrechen oder von Schwäche ihrer/seiner körperlichen oder geistigen Kräfte irgendeine Erwerbstätigkeit nur unregelmäßig ausüben oder Erwerbstätigkeit zwar in gewisser Regelmäßigkeit ausüben, aber aus ihr nur geringfügiges Einkommen erzielen kann (s. § 44 SGB VI). Eine EU-Rente – die von weiteren bestimmten rechtlichen Voraussetzungen abhängig ist – kann höchstens bis zum 67. Lebensjahr bezogen werden. Danach tritt die Altersrente ein. Seit 2001 abgelöst durch die etwas anders geregelte Erwerbsminderungsrente für alle Personen, die nach dem 1. Januar 1961 geboren sind (siehe oben).
Berufsunfähigkeit, BU-Rente (bis 2000)
Als ein rein rechtlicher Begriff wird definiert: Berufsunfähig ist der Versicherte, der einen ihm zumutbaren Beruf nicht mehr ausüben kann und dessen Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder andere Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Krafte auf weniger als die Hälfte der Erwerbsfähigkeit eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist (Bis 2000 BU + EU-Rente nach §43 SGB Vl alt). Nur noch für Versicherte, die vor dem 2.1.1961 geboren sind, gibt es den Begriff der Berufsunfähigkeit. Sie löst allerdings nur noch eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (50% der vollen EM-Rente) aus.
Gleitender Übergang in die Rente, den Ruhestand
Statt in einem bestimmten Alter von heute auf morgen mit der bezahlten Berufstätigkeit aufzuhören und sein Leben völlig umzustellen, wird von manchen Beschäftigten angestrebt, die Erwerbstätigkeit allmählich zu reduzieren. Umsetzungsmöglichkeiten dafür – wenn auch in vieler Hinsicht unzureichend – bietet das neue Altersteilzeitgesetz (Teilrente). Dies entstand vor allem als ein Mittel zur Schaffung von Arbeitsplätzen bzw. der Umsetzung von Personaleinsparungen durch Betriebe. Es handelt sich dabei also eigentlich nicht um Frührente, weil die Höhe der Altersrente durch Verträge oft konstant gehalten wird. Aber auch Rentenabschläge sind bei diesen Vereinbarungen sehr häufig.
Verfassungsrecht; Rentenbesteuerung
Steuerlich ist die gesetzliche Rente derzeit nur teilweise, nämlich mit dem sog. Ertragsanteil als Einkommen zu berücksichtigen. Dieser Ertragsanteil entspricht einer fiktiven Verzinsung der im früheren Erwerbsleben entrichteten Beiträge, deren Arbeitnehmeranteil (50 %) der normalen Versteuerung unterliegt. Je früher der Versicherte in Rente geht, desto geringer ist einerseits die absolute Rentenhöhe und desto höher wird der zu versteuernde Ertragsanteil an der monatlichen Altersrente.
Die Rentenbesteuerung wird in den kommenden Jahrzehnten sukzessive auf eine neue Basis gestellt werden. Für jeden Rentnerjahrgang wird der zu versteuernde Anteil an der Rente wachsen, im Gegenzug für die Beitragszahler ein höherer Prozentsatz ihrer Beiträge steuerlich absetzbar sein. Am Ende sollen – ähnlich wie bei Pensionen – Renten zu 100 % versteuert werden und Beiträge steuerfrei sein.
Berechnung der Rentenhöhe
Die Rentenhöhe ist vor allem an die im Laufe des Lebens einbezahlten Beiträge gebunden. Dafür erhält der Beitragszahler Entgeltpunkte gutgeschrieben. Für beitragsfreie Zeiten sowie für beitragsgeminderte Zeiten (z. B. nachgewiesene Zeiten einer beruflichen Ausbildung) werden noch Zuschläge gezahlt. Die Höhe dieser Zuschläge werden über die sog. Gesamtleistungsbewertung errechnet.
Die Rente wird berechnet, indem der aktuelle Rentenwert (errechnet sich nach der [Rentenformel] mit den Entgeltpunkten, dem Zugangsfakor und dem Rentenartfaktor multipliziert wird. Dies ist so in § 64 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) normiert.
Besonderheiten bestehen in der Knappschaftsversicherung (Rentenversicherung der Bergleute).
Bei der Deutschen Rentenversicherung Bund kann man eine CD-ROM mit dem Titel "Rentenberechnung leicht gemacht" bestellen.
Ein ständiger Aufenthalt im Ausland (Wohnsitz) kann massive Änderungen im Rentenanspruch mit sich bringen; hierzu wurden auch Versicherungslastregelungen zwischen Staaten getroffen.
Finanzierung der Rentenversicherung
Beiträge
Grundsätzlich wird die Rentenversicherung durch Beiträge finanziert, die je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen werden (Ausnahmen: in der Knappschaftsversicherung trägt der Arbeitgeber zwei Drittel des Beitrags). Freiwillig versicherte Selbständige tragen den Beitrag allein; Besonderheiten gibt es in der Künstlersozialversicherung und für geringfügig Beschäftigte.
Der Beitragssatz wird als Prozentsatz vom Bruttolohneinkommen (Arbeitsentgelt) erhoben, letzteres gedeckelt auf die Höhe der Beitragsbemessungsgrenze. Er beträgt seit dem 1. Januar 2003 19,5 %, für die Knappschaftsversicherung mehr (seit 1. Januar 2003 25,9 %). Laut Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vom 18. November 2005 soll er bis zum 1. Januar 2007 auf 19,9 % steigen (Abschnitt 2.1 des Koalitionsvertrages).
Bundeszuschuss
Neben den Einzahlungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber wird das System in erheblichem Umfang durch Bundeszuschüsse, also aus Steuermitteln, getragen. Im Jahr 2005 summierten sich die Bundeszuschüsse auf über 80 Milliarden €. Sie waren damit höher als die Kreditaufnahme des Bundes und deckten mehr als 1/3 der Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie dienen zum einen der Finanzierung sog. "versicherungsfremder Leistungen", also von Leistungen, die die Rentenversicherung unabhängig von Beitragszahlungen des Versicherten gewährt, etwa Renten für Ostdeutsche, die in die westdeutsche GRV niemals eingezahlt haben. Zudem anderen haben alle diese Zuschüsse die Funktion, Rentenkürzungen bzw. Beitragserhöhungen zu vermeiden.
Reserven
Die Finanzierung der Rentenversicherung erfolgt nicht im Kapitaldeckungs-, sondern im Umlageverfahren. Laufende Beiträge, verwaltet von den Trägern der der Deutschen Rentenversicherung (früher: BfA und Landesversicherungsanstalten), werden sofort als Renten ausbezahlt. Nur um die Liquidität sicherzustellen, gibt es eine kleine sog. Schwankungsreserve.
Rechengrößen der Sozialversicherung in Deutschland
Jährlich einmal beschließt das Bundeskabinett die Rechengrößen der Sozialversicherung für das Folgejahr. Darunter fallen die Beitragsbemessungsgrenzen der verschiedenen gesetzl. Versicherungsarten, die Bezugsgröße und die Jahresarbeitsentgeltgrenze. Die Festsetzung erfolgt aufgrund der Einkommensentwicklung im Vorjahr.
Die Bezugsgröße ist z. B. für die Festsetzung der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für freiwillige Mitglieder und für die Beitragsberechnung von versicherungspflichtigen Selbständigen in der gesetzlichen Rentenversicherung von Bedeutung. Die Verordnung des Bundeskabinetts bedarf jeweils der Zustimmung des Bundesrates.
- Sie enthält z. B. für 2006 eine Steigerung von 0,42 v. H. in den alten bzw. 0,51 v. H. in den neuen Bundesländern aufgrund der Jahreszahlen von 2004. Für die Fortschreibung der bundeseinheitlich geltenden Jahresarbeitsentgeltgrenzen in der gesetzlichen Krankenversicherung ist die bundeseinheitliche Einkommensentwicklung in Höhe von 0,45 v. H. maßgebend.
- Rentenversicherung Beitragsbemessungsgrenze (West) 5.250 Euro/Monat betragen (2005: 5.200 Euro). Die Beitragsbemessungsgrenze (Ost) beträgt 4.400 Euro/Monat.
- In der gesetzlichen Krankenversicherung gilt eine einheitliche Bezugsgröße für Ost und West in Höhe von 2.450 Euro/Monat.
- Die Versicherungspflichtgrenze (Jahresarbeitsentgeltgrenze) der GKV wird auf 47.250 Euro festgesetzt. Diese Grenze entspricht – wie bisher – dem Wert von 75 % der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung.
Historische Entwicklung
Zünfte und Gilden im Mittelalter kannten bereits Selbsthilfeeinrichtungen auf gemeinschaftlicher Grundlage. Handwerk und Bergbau gelten als früheste Vorläufer der heutigen Sozialversicherung. Das Gesetz über die Vereinigung der Berg-, Hütten- und Salinenarbeiter in Knappschaften vom 10.April 1854 war die erste landesgesetzliche, öffentlich-rechtliche Arbeiterversicherung. Die Verabschiedung des Gesetzes zur Alters- und Invaliditätsversicherung am 22. Mai 1889 durch den Reichstag des Deutschen Reiches war nach den Gesetzen zur Regelung der Krankenversicherung (1883) und der Unfallversicherung (1884) die letzte Sozialversicherung der Bismarck'schen Sozialgesetzgebung. Im Rahmen dieser Sozialgesetzgebung wurde die Rentenversicherung (RV) zum 1. Januar 1891 erstmals eingeführt. Sie sah eine Altersrente im 70. Lebensjahr (das wenige Arbeiter erreichten) vor, sowie eine Invalidenrente bei Erwerbsunfähigkeit. Wesentliche Reformschritte kamen 1911 hinzu: die Einführung der Hinterbliebenenrenten sowie die Einbeziehung der Angestellten in die Rentenversicherung im Jahre 1911 durch das Versicherungsgesetz für Angestellte, vom 20. Dezember 1911
Finanzielle Probleme
Das rein auf Ansparungen gegründete System konnte nicht lange durchgehalten werden. Nach dem ersten Weltkrieg wurden die Reserven durch die darauffolgende Hyperinflation weitgehend entwertet. So waren das Reinvermögen der Deutschen Rentenbank von 2,12 Mrd. RM (im Jahre 1914) binnen eines Jahrzehnts auf einen Rest von nur noch 14,6 % der Summe zusammengeschmolzen. Bereits damals begann man, in gewissem Umfang Rentenzahlungen aus eingehenden Beiträgen zu finanzieren, und der Staat half mit Steuermitteln aus. Dennoch waren massive Leistungskürzungen, insbesondere nach Hinzutreten der Weltwirtschaftskrise (1930-1932), unvermeidlich. Die gesetzliche Rentenversicherung war weit davon entfernt, einen Lebensstandard im Alter zu garantieren, und kaum mehr als ein kleines Zubrot. Hauptsächliche Quelle von Alterseinkünften waren mehr denn je Leistungen der eigenen Kinder oder aber, im äußersten Notfall, der staatlichen Fürsorge. Während der NS-Zeit wurden sogar Mittel aus den Sozialsystemen für andere Projekte (insbesondere der Rüstung) zweckentfremdet.
Auch nach dem zweiten Weltkrieg wurde das System zunächst beibehalten. Die Rente hatte damals weitgehend Unterstützungsfunktion und wurde – mangels Rücklagen – bis zu 50 % aus Steuermitteln finanziert.
Erst im Jahre 1957 kam der Übergang zum System der noch heute bestehenden Umlagefinanzierung: statt Rücklagen zu bilden, wurden von den Pflichtmitgliedern der gesetzlichen Rentenversicherung anfangs 15 % des Bruttolohnes abgeführt und sofort für Rentenzahlungen verwendet. Das ermöglichte eine sofortige, deutliche Rentenerhöhung und die Rentenhöhe fortan dynamische Anpassung an die Bruttolohnentwicklung. Dieses System hatte aber auch zur Folge, dass es kein angesammeltes Vermögen gibt. Aus diesem Grund setzt es die Existenz einer nachfolgenden Generation voraussetzt, deren Angehörige als abhängig Beschäftigte tätig sind und vor allem ausreichend Beiträge zahlen. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, langsam wachsender Bruttolöhne und schrumpfender Erwerbstätigenzahlen kommen solche Systeme unter Finanzierungsdruck.
Die Reform beruhte maßgeblich auf einer Studie von Professor Wilfrid Schreiber, dessen Konzept allerdings nur unvollständig umgesetzt wurde. Schreiber hatte vorgesehen, die für den Fortbestand des Systems unabdingbare Aufzucht von Kindern in das System einzubeziehen, unter anderem durch eine Kinderrente sowie eine Beitragsverdoppelung für Kinderlose. Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer, gegen Bedenken etwa von Ludwig Erhard, entschied sich, gegen solche Komponenten. In den folgenden Jahren stieg, insbes. bedingt durch flexible Altersgrenzen, der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung über 17 % (1972) auf 19 % (1986).
Von Beginn an wurde ein erheblicher Teil der Rentenzahlungen aus Steuermitteln finanziert. Der sog. Bundeszuschuss betrug im Jahr 1964 knapp 25 % der ausbezahlten Renten, sank in den 1970er Jahren auf um die 15 % und hielt sich bis Ende der 1980er Jahre bei ca. 16 %. In den 1990er Jahren geriet jedoch die gesetzliche Rentenversicherung zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. Eine Ursache war die Übertragung des Systems auf die neuen Bundesländer: Da es in der DDR offiziell keine Arbeitslosigkeit gegeben hatte, erwarben die dortigen Rentner durch Anrechnung vieler „Beitragsjahre“ vergleichsweise hohe Rentenansprüche, während aufgrund der Wirtschaftslage aus den neuen Bundesländer nur relativ geringe Rentenbeiträge erwirtschaftet wurden. Verschärft wurden die Probleme durch eine sprunghafte Erhöhung der Erwerbslosenzahlen. Zuguterletzt begann sich durch den beginnenden Eintritt geburtenschwacher Jahrgänge in das Erwerbsleben (seit 1970 kamen in Deutschland auf 1000 Einwohner konstant weniger als 700 Geburten) sowie durch die steigende Lebenserwartung das Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentenempfängern zu verschieben. Die Politik reagierte 1992 mit ersten Einschnitten (insbes. Koppelung an die Netto- statt die Bruttolohnentwicklung). Es folgte, nachdem die Einführung eines „demographischen Faktors“ 1997 nach dem Regierungswechsel 1998 von der rot-grünen Bundesregierung zunächst zurückgenommen worden war, im neuen Jahrtausend mit dem „Nachhaltigkeitsfaktor“ – der erstmals das zahlenmäßige Verhältnis von Beitragszahlern und Rentenbeziehern berücksichtigt und den Rentenanstieg begrenzt – der Einstieg in eine Phase nominal schwach wachsender oder stagnierender, d. h. (inflationsbereinigt) stagnierender oder sinkender Rentenbezüge. Zudem wurde der Bundeszuschuss seit 1991 regelmäßig erhöht, vor allem um die Rentenversicherung durch die -systematisch korrekte- Erstattung versicherungsfremder Leistungen aus Steuermitteln zu entlasten. Er beträgt heute mehr als ein Drittel der Gesamtausgaben (ca. 80 Milliarden EUR)und entspricht im Umfang in etwa den versicherungsfremden Leistungen. Der Rentenbeitrag, der im Zuge des Wiedervereinigungsbooms noch 1992 auf 17 % gesenkt worden war, kletterte auf 19,5 % im Jahr 2005. Weitere Steigerungen konnten durch diverse Einmalmaßnahmen vermieden werden, etwa durch kontinuierliches Reduzieren der Liquiditätsreserven („Schwankungsreserve“), Verkauf von Sachanlagen sowie – vorgesehen für 2006 – das Vorziehen der Zahlungstermine um 14 Tage (entspricht einer einmaligen Mehreinnahme von ca. 5 % im Jahr 2006).
Einzelheiten zur allgemein diskutierten Finanzkrise des Rentensystems siehe unter Rentenproblematik.
Generelle Rechtfertigung der Pflichtversicherung
Zur Begründung der Versicherungspflicht gibt es diverse Erklärungsansätze. Zum Teil wird argumentiert, weite Bevölkerungskreise würden ohne Zwangscharakter die notwendige Vorsorge vernachlässigen und im Alter der allgemeinen Fürsorge anheimfallen.
Andere Argumente bezweifeln, dass rein private Vorsorgesysteme auch nur theoretisch ausreichend sein können. Der private Markt sei wegen verschieder Formen von Marktversagen wie etwa relativer Armut, moral hazard, adverse selection, Inflationsrisiken nicht in der Lage, reale Annuitäten anzubieten. Gerade die Bevölkerungskreise, die eine Absicherung im Alter besonders nötig hätten, müssten daher ohne Versicherungsschutz auskommen.
Zudem müssten kollektiv, d. h. mit Blick auf eine ganze Gesellschaft, die Leistungen für die Nichtarbeitenden ohnehin von der jeweils arbeitenden Generation erbracht werden, unabhängig vom Finanzierungssystem. (vgl. Mackenroth-These, hier verkürzt wiedergegeben). Das sei mit einem Umlageverfahren gut möglich, auch weil der Staat die Steuerhoheit besitzt und daher zu jeder Zeit die Einnahmeseite anpassen kann, um eine eventuelle Unterdeckung der Ausgaben auszugleichen.
Kritik am deutschen System, Verfassungsfragen
Egalität
Das nach der Rentenreform von 1957 in der Adenauer-Ära entstandene System orientiert sich stark an der konservativen deutschen Sozialstaatstradition: Die Renten werden gemäß eines Versicherungsprinzips weitgehend durch Beiträge, nicht aus Steuern finanziert. Sie werden nicht durch eine staatliche Instanz, sondern durch eigenständige Institutionen erbracht, ihre Höhe bleibt eng an das Arbeitseinkommen geknüpft. Dem standen ursprünglich egalitäre Vorstellungen der Sozialdemokratie gegenüber, die 1957 allerdings wegen der Mehrheitsverhältnisse nicht zum Zuge kamen. Erst mit der zunehmenden Finanznot der Rentenversicherung wurden Rentenreformen vorgenommen, die sich als Senkung der Neurenten auswirkten und die Rentenhöhe von der Höhe der eingezahlten Beiträge abkoppelten. Dadurch wurde eine egalisierende Wirkung erzielt, allerdings in Form einer Angleichung der Rentenhöhen nach unten. Bereits für Bezieher mittlerer Einkommen ist der Rentenanspruch weit unter dem ursprünglich einmal festgelegten Ziel von 75% des letzten Nettolohnes.
Dynamik
Neu an der Rentenreform von 1957 war das Element der "Dynamik", was zunächst auf starken Widerstand in der Wirtschaft stieß. Die dynamische Rente sollte sich im Laufe der Zeit mit dem Bruttoeinkommen aller Arbeitnehmer nach oben bewegen und dadurch vom früheren Arbeitseinkommen des jeweiligen Rentenempfängers abgekoppelt werden. Hintergrund dieser Regelung war die tief verwurzelte Erfahrung mit Altersarmut in einer Bevölkerung, die in mehreren Hyperinflationen und der Währungsreform um ihrer persönlichen Ersparnisse und ihrer Rentenansprüche verlustig gegangen war. Mit zunehmender Massenarbeitslosigkeit wurden die finanziellen Belastungen der Rentenversicherung so erheblich, daß die dynamische Rente in mehreren Rentenreformen deuztlich eingeschränkt wurde und die Rentenhöhe inzwischen faktisch von der Entwicklung der Bruttoeinkommen abgekoppelt ist.
Umlageverfahren
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Rentenanwartschaften durch die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes geschützt, soweit sie auf eigenen Rentenbeiträgen beruhen. Die Rentenversicherung hat aber keinen Kapitalstock gebildet, aus dem sie ausgezahlt werden könnten, sodaß die folgende Generation dazu verpflichtet ist, die Altersversorgung ihrer Eltern zu sichern. Dieses als Generationenvertrag bekannte Umlageverfahren kann aber nur dann funktionieren, wenn die erwerbstätige Generation auch Kinder in hinreichender Zahl großziehen kann und vor allem -wenn diese Kinder als abhängig Beschäftigte arbeiten. Daraus ergeben sich Pflichten des Gemeinwesens denen gegenüber, die Kinder haben. Das sei aber in der Sozialgesetzgebung nicht ausreichend umgesetzt worden.
Kritiker aus der Öknonomie wenden ein, dass diese -maßgeblich von Paul Kirchhof geprägte- Sicht der Rechtsprechung die Bedeutung von Kindern in einem Umlageverfahren überzeichne: Das deutsche System komme vor allem deshalb unter Druck, weil die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stark abgenommen habe und weil deren Einkommenszuwächse in den letzten 20 Jahren deutlich zurückgingen. Die schrumpfende Bevölkerungszahl alleine sei bei steigender Integration von vormals Arbeitslosen und Frauen ins Erwerbsleben durchaus zu bewältigen.
Gesetzliche Versicherung in Österreich
In Österreich wird die Rentenversicherung generell als Pensionsversicherung bezeichnet. Demzufolge werden in Österreich auch keine Renten sondern Pensionen ausbezahlt. Träger der österreichischen Pensionsversicherung sind die Pensionsversicherungsanstalt, die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau, die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft sowie die Sozialversicherungsanstalt der Bauern.
Siehe auch
- Altersvorsorge, Riester-Rente, Rürup-Rente, betriebliche Altersvorsorge
- Rentenproblematik, Sozialversicherung, Sozialstaat, Wilfrid Schreiber, Mackenroth-These, Regelaltersrente, Mindestrente, Alters- und Hinterlassenenversicherung
- Schweizer Rentenversicherung, Social Security (US-amerikanische Rentenversicherung), Britische Rentenversicherung
Literatur
- H. Grüner, G. Dalichau: Gesetzliche Rentenversicherung. Heidelberg (Kommentar, Loseblatt)
- K. Hauck et al.: Sozialgesetzbuch. SGB VI. Berlin (Kommentar, Loseblatt)
- R. Kreikebohm (Hrsg.): SGB VI. 3. Auflage. München 2003, (Kommentar)
- H.-W. Lueg, B. v. Maydell, F. Ruland (Hrsg.): Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch. Gesetzliche Rentenversicherung. Berlin (5 Bände, Loseblatt)
- B. Schulin (Hrsg.): Rentenversicherungsrecht. München 1999 (Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 3)
- Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (Hrsg.): Handbuch der Rentenversicherung. Neuwied 1990
Quellen
Weblinks
- www.deutsche-rentenversicherung-bund.de - neue URL / www-Site ab 1.10. 2005
- Deutsche Rentenversicherung Bund - CD-ROM Rentenberechnung leicht gemacht
- Vorlage:Zitat de §§
- Zahlen der Bundeszentrale für politischen Bildung zur Rentenversicherung in Deutschland
- Datensammlung (Info-Grafiken) zur Alterssicherung und Rentenversicherung
- z. B. Erwerbsverhalten älterer Menschen (zwischen 50 und 65 Jahren) 1991 und 2003 im Vergleich
- z. B. Durchschnittliches Alter bei Rentenbeginn nach Kohorten (1904 bis 1939), Erwerbsminderungs- und Altersrenten
- Ausführliche deutschsprachige Erläuterung von Geschichte, Träger, Leistungen, Problem und mehr.