Nachhaltigkeit

Handlungsprinzip zur Ressourcen-Nutzung
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Das Prinzip Nachhaltigkeit (engl. sustainability) stammt aus der Forstwirtschaft, erstmals postuliert durch den Berghauptmann Hans Carl von Carlowitz (1645-1714) als "continuierliche, beständige und nachhaltende Nutzung" vor dem Hintergrund einer zunehmenden Holznot. ("Sylvicultura Oeconomica, oder Hausswirthliche Nachricht und Naturmässige Anweisung zur Wilden Baum-Zucht", 1713, ISBN 3-86012-115-4)

Nachhaltigkeit (Forstwirtschaft)

Einen Wald (hinsichtlich der Holznutzung) nachhaltig zu bewirtschaften erfordert, in einem Planungszeitraum nicht mehr Holz einzuschlagen, als im gleichen Zeitraum nachwächst. Nachhaltigkeit war ursprünglich ein rein wirtschaftliches Prinzip zur dauerhaften Sicherung kontinuierlicher Holzlieferungen an die damals darauf angewiesenen Montanbetriebe. v. Carlowitz erkannte aber bereits auch die ethischen und ästhetischen Werte des Waldes. Ein weiterer Verfechter des nachhaltigen Waldbaus war Johann Heinrich Cotta.

Im Laufe der Jahrhunderte wurde der Begriff über die reine Massennachhaltigkeit hinaus erweitert (s. u.a. die Forderungen von Karl Gayer und Alfred Möller Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts).

Nachhaltigkeit (Ökologie)

Zu einer über die Forstwirtschaft hinausgehenden Verbreitung des Nachhaltigkeitsbegriffs kam es seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts, ausgehend von der Diskussion um Umwelt- und Entwicklungspolitik. Die Veröffentlichung des "Brundtland-Berichts" gilt allgemein als die Stunde der Wiedergeburt des Begriffs auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Die dort formulierte Definition einer nachhaltigen Entwicklung dürfte wohl die am weitesten verbreitete sein und war auch Grundlage für die Diskussion des Zusammenhangs von Umweltschutz und Entwicklung auf der Weltkonferenz von Rio (1992): "Sustainable Development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs" "Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen".

In Deutschland wurde die Diskussion im wesentlichen durch die Studie "Zukunftsfähiges Deutschland - Ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung", 1996 gemeinsam von Misereor und BUND herausgegeben, beeinflusst. In der Folge wurde die politische Diskussion durch mehrere Enquête-Kommissionen des Deutschen Bundestages geführt. Im wissenschaftlichen Bereich entwickelte sich eine Vielzahl von Arbeitsschwerpunkten. Diese reichen von der einzelwirtschaftlichen Betrachtung des "Betrieblichen Umweltschutzes" über Funktionszusammenhänge wie "Nachhaltige Mobilität", "Nachhaltigen Konsum" oder "Nachhaltige Investition" bis hin zur Betrachtungen globaler Zusammenhänge wie "Globale Nachhaltigkeit und WTO" (Entwicklungspolitik).

Auf die Umweltpolitik übertragen, bedeutet das Nachhaltigkeitprinzip, dass die Entnahme von Rohstoffen aus der Natur und die Einbringung von Schadstoffen in die Natur nur in dem Umfang erfolgt (erfolgen darf), in dem die Natur bzw. das entsprechende Ökosystem diese Änderungen auffangen kann. Das Prinzip wird aus der Verpflichtung hergeleitet, die natürlichen Lebensgrundlagen für die kommenden Generationen zu erhalten. Der Begriff Nachhaltigkeit steht also in engem Zusammenhang mit Fragen des Umweltschutzes und der Generationengerechtigkeit.

Eine nachhaltige Reduzierung von Treibhausgasen kümmert sich also nicht nur um die Beseitigung aktueller Umweltverschmutzung, sondern versucht auch, eine Perspektive auf Jahrzehnte in die Zukunft zu entwickeln. Nachhaltige Methoden bedeuten auch, dass Konzepte in die Wirklichkeit so eingebettet werden, sodass sie nicht auf Dauer scheitern, weil sie nicht mehr umgesetzt oder nicht genutzt werden. So hat sich z.B. herausgestellt, dass die Lieferung von Nahrungsmitteln in ärmere Länder, aber auch die Installation von Wasserpumpen keine Garantie für eine zukünftig gute Versorgung der Bevölkerung darstellen. Nachhaltige Konzepte tragen sich z.B. selbst, oder ihre Wirkung (z.B. durch radikale Gesetzesänderungen) ist so stark, dass eine langfristige, dauerhafte Umkehr einer bisherigen Fehlentwicklung vollzogen wird.

Modelle

Es gibt verschiedene Auffassungen von Nachhaltigkeit:

Das "Drei-Säulen-Modell" geht von der Vorstellung aus, dass Nachhaltigkeit durch das gleichzeitige und gleichberechtigte Umsetzen von umweltbezogenen, sozialen und wirtschaftlichen Zielen, die den o.g. Nachhaltigkeitsprinzipien entsprechen, erreicht werden könne. Dabei können diese drei Dimensionen unterschiedlich gewichtet werden. Man unterscheidet zwischen "schwacher" und "starker" Nachhaltigkeit:

  • Von schwacher Nachhaltigkeit redet man, wenn man davon ausgeht, dass es egal ist, in welcher Dimension Kapital erhalten bleibt bzw. geschaffen wird. So wäre es im Rahmen schwacher N. z.B. akzeptabel, wenn Naturressourcen und damit Naturkapital erschöpft würden, wenn dem dafür angemessene Mengen geschaffenes Humankapital oder Sachkapital gegenübersteht. Vereinfacht ausgedrückt: Es ist okay, wenn ein Wald abgeholzt wird, wenn daraus genügend Papier hergestellt wird.
  • Dieses Beispiel ist angesichts der Ursprünge des Begriffs der Nachhaltigkeit, der Intention des Urhebers und der daraus resultierenden Praxis der letzten Jahrhunderte in Mitteleuropa - mit Wirkungen auf die im Vergleich zu anderen Mächten vorbildliche britische Kolonialverwaltung und dadurch auf bis heute gültigen, von Gandhi erlassene - angesichts des Bveölkerungsdrucks nicht durchsetzbare - Forstgesetzgebung Indiens eher als ein dummes zu bezeichnen. Die Aussage impliziert, dass im Rahmen einer ordungsgemäßen Forstwirtschaft Wälder zur Papierherstellung abgeräumt würden. Dies wäre allein aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten als Schwachsinn zu bezeichnen (nach deren unvollständiger Rechnung sich die Forstwirtschaft eh nicht lohnt), zudem stünde es im Widerspruch zu den offiziekken waldbaulichen Planungen der letztem Jahrhunderte.
  • Die mitteleuropäische Forstwirtschaft ist die stärkste Form der real existierenden nachhaltigigen Wirtschaftsformen - obwohl sie anders als andere Wirtschaftsbereiche keinerlei Schutz vor dem Weltmarkt besitzt.
  • Starke Nachhaltigkeit bedeutet, dass Naturkapital nur sehr beschränkt bzw. gar nicht ersetzbar durch Human- oder Sachkapital ist. Ein Beispiel dafür ist das "Leitplankenmodell". Ihm zufolge bilden die ökologischen Parameter, die langfristig stabile Lebensbedingungen auf der Welt sichern, einen Entwicklungskorridor, der unbedingt zu beachten sei. Nur innerhalb dieses Korridors bestehe ein Spielraum zur Umsetzung wirtschaftlicher und sozialer Ziele.

Nachhaltigkeit (Ökonomie)

Aus ökonomischer Sicht hat Nachhaltigkeit auch mit Eigentum zu tun. Der Eigentümer ist naturgemäß bedacht auf die Werterhaltung seines Eigentums. Anders bei Gemeineigentum: Bekannt ist das Allmende-Problem - Die Allmende (Dorfwiese) war immer völlig abgegrast, weil jeder seine Ziegen darauf trieb. Ähnlich beim Meer - Jeder fischt es leer und kippt seinen Abfall rein. Mit Eigentum würde man das nicht machen. Eigentum ist aus ökonomischer Sicht der Schlüssel zur Nachhaltigkeit.

Heutiger Gebrauch

Bedingt durch seine Popularität hat die Aussagekraft des Begriffes in den letzten Jahren allerdings abgenommen. Der Begriff wird inflationär benutzt, häufig ohne ein tatsächliches Verständnis seiner Hintergründe ("Nachhaltigkeit der Kursentwicklung [von Aktien]").

Beispiele

  • Ein Beispiel für ein nachhaltiges Konzept ist die Permakultur.
  • Ein Ansatz, um Nachhaltigkeit auf betriebswirtschaftlicher Ebene umzusetzen, stellt das Konzept des Natural step dar.
  • In der Elektronischen Datenverarbeitung werden Konzepte der nachhaltigen Nutzung von Hardware diskutiert (vgl. Nachhaltigkeit (EDV)).
  • Auch die Forstwirtschaft ist angesichts von Umfang und Zustand der Wälder in der Zeit um das Jahr 1800 ein erfolgreiches Beispiel.
  • Andauernde Folgen der Missachtung des Prinzips zeigen sich im Mittelmeerraum, auf den ehemals waldreichen britischen Inseln und - als frühes Beispiel - im an die Libanonzeder gebundenen Aufstieg und Fall des Phönizischen Reichs.
  • Weitere Negativbeispiele finden sich in der Landwirtschaft: Wo große Landstriche als Monokultur intensiv genutzt werden - möglicherweise verbunden mit der Rodung von Regenwald - kann von Nachhaltigkeit nicht gesprochen werden.

Literatur

  • Birnbacher, Dieter: Verantwortung für zukünftige Generationen. Stuttgart 1988
  • Daly, Herman E.: Sustainable Development, Grundzüge einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung. In: Oikos 1992, 1-4
  • Hampicke, Ulrich: Ökologische Ökonomie. Opladen 1992
  • Harborth, Hans-Jürgen: Dauerhafte Entwicklung statt globaler Selbstzerstörung - eine Einführung in das Konzept des "sustainable development". Berlin
  • Patzig, Günther: Ökologische Ethik - innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft. Göttingen 1983


Verweise

Siehe auch: Agenda 21, Besiedelungsstrategien, Haltbarkeit, Subsistenz, Kybernetik, Resilienz, Stabilität, Verschleiß, Abnutzung, Synergien, Zerstörung, nachhaltige Entwicklung, Aldo Leopold