IP-Telefonie
IP-Telefonie, auch als Voice over IP (kurz VoIP) bekannt, ist das Telefonieren über ein Netzwerk auf der Grundlage des Internet Protocol.
Um die IP-Telefonie zu nutzen, gibt es zwei Varianten:
- Die Verwendung eines Headsets oder eines speziellen Telefonhörers, die an einen Computer angeschlossen werden. Außerdem wird ein Programm benötigt, das die Anwahl des gewünschten Kommunikationspartners übernimmt.
- Die Verwendung eines speziellen IP-Telefons oder Adapters, das sich als unabhängiger Client in ein Netzwerk einfügt. Hierzu können kabelgebundene oder kabellose (WLAN) Verbindungen genutzt werden.
Die IP-Telefonie kann folgende Wege einschlagen:
- vom Internet zum Festnetz: dazu wird ein Vermittlungsrechner von Internetanbietern benutzt; meist kostenpflichtig.
- vom Festnetz zum Internet: man ruft einen Vermittlungsrechner an, der den Anruf weiterleitet, sofern der empfangende PC empfangsbereit ist.
- vom Internet zum Internet: derzeit über viele proprietäre Protokolle oder Standards wie H.323 realisiert.
Viele Instant Messenger wie zum Beispiel iChat verschmelzen immer mehr zu IP-Telefonie- und Bildtelefonie-Angeboten (dazu benötigt zusätzlich eine Webcam). Leider benutzen die Anbieter dazu noch oft eigene Formate. Auch einige E-Mail-Anbieter ermöglichen IP-Telefonie.
Funktionsprinzip
- Die Sprache wird durch ein Mikrofon in elektrische Signale umgewandelt. Diese werden mit einem Analog-Digital-Wandler und einem Codec in einen digitalen Datenstrom verwandelt.
- Der digitale Datenstrom wird aufgeteilt und in IP-Pakete verpackt.
- Die IP-Pakete werden über ein Netzwerk übertragen.
- Die ankommenden Pakete werden wieder zu einem digitalen Datenstrom zusammengefasst.
- Ein Codec und ein Digital-Analog-Wandler wandeln den Datenstrom wieder in ein analoges Signal um. Ein Lautsprecher wandelt dieses Signal in Sprache zurück.
Um Telefonieren zu können, muss den Teilnehmern das gleichzeitige Sprechen und Hören ermöglicht werden. Der wesentliche Unterschied zu herkömmlicher digitaler Telefonie (ISDN) besteht darin, das die Daten über ein Netzwerk und nicht eine geschaltete Verbindung in einem Telefonnetz übertragen werden. Bei dem Netzwerk kann es sich um ein LAN, WAN oder das Internet handeln. Die IP-Pakete enthalten zwar Audiodaten, unterliegen aber den üblichen Regeln in Netzwerk: Sie können über verschiedene Wege laufen und werden von Routern zum Ziel geleitet.
Technik
Für eine Verbindung zwischen den Teilnehmern müssen die IP-Adressen bekannt sein. Da die meisten Rechner keine statischen IP-Adressen verwenden, werden die aktuellen IP-Adressen über einen Server ausgetauscht, an dem sich die Teilnehmer anmelden. Ist das nicht möglich, müssen die IP-Adressen über eine bekannte Verbindung (E-Mail, Telefon ...) ausgetauscht und manuell eingetragen werden.
Die Sprachinformationen werden von den Endgeräten über Codecs in IP-Pakete umgewandelt. Dabei werden die Daten unterschiedlich stark komprimiert, was zu unterschiedlichen Bandbreiten bei der Übertragung führt. Je nach Codec variiert auch die Sprachqualität. Auch durch die Verzögerungen, die beim Transfer von IP-Paketen bei entsprechendem Verkehr im Netz auftreten, wird die Sprachqualität beeinträchtigt, was im Extremfall zur völligen Unverständlichkeit führt.
Eine Weiterentwicklung des Internet soll die notwendige Übertragungsqualität zur Verfügung stellen, damit die IP-Telefonie in dieser Hinsicht konkurrenzfähig wird zur herkömmlichen Telefonie. Dazu muß aber die Mehrzahl der Router, Server, Multiplexer, etc. die heute das Internet bilden, gegen neue Geräte ausgetauscht werden, was nicht unbeträchtliche Kosten verursachen wird. Die einschlägigen Standardisierungsgremien (IETF, ITU, ETSI,...) arbeiten an Festlegungen, die von allen Herstellern eingehalten werden sollen, damit die Geräte auch kompatibel werden. Bis dahin sind nur Insellösungen möglich, wobei Inseln unterschiedlicher Technik über Gateways miteinander verbunden werden können.
Populäre Codecs
(benötigte netto-Bandbreite in Klammern)
- G.711a bzw. G.711u - ITU-T-Standard (64kbit/s)
- GSM - (13,2kbit/s)
- G.723 - (5,4kbit/s oder 6,3kbit/s)
- G.729 - (8kbit/s)
- iLBC - Internet Low Bandwith Codec - IETF draft (13,9kbit/s)
- SpeeX - Teil des Xiph.org-Projekts (variable Bitraten)
Populäre Signalisierungsprotokolle
Der Rufauf- und abbau erfolgt über ein von der Sprachkommunikation getrenntes Protokoll. Auch die Aushandlung der Parameter für die Sprachübertragung erfolgt über diese Protokolle. Populäre Signalisierungsprotokolle sind:
- SIP - Session Initiation Protocol, IETF RFC 3261
- H.323 - eine ITU-T Empfehlung, ein älteres Protokoll
- SCCP - von Cisco
- MGCP und MeGaCo (H.248) - von Media Gateway
- MiNET - von Mitel
- IAX - Inter-Asterisk eXchange protocol
Populäre Computer Software
In jüngster Zeit sind Programme auf den Markt gekommen, die durch die Nutzung des SIP-Standards in Verbindung mit Dienstleistungsunternehmen eine Verbindung zum normalen Telefonnetz bilden.
Vorteile der IP-Telefonie
Niedrigere Verbindungpreise möglich
Da die herkömmlichen Telefonverbindungen dieselben Netze benutzen wie der IP-Verkehr, hat aus technischer Sicht der IP-Verkehr im Vergleich den Nachteil, daß er bei gleicher Qualität mehr Bandbreite benötigt (Paket-Overhead). Wenn sich niedrigere Verbindungspreise ergeben, so ist das also nicht technisch bedingt, sondern Ergebnis einer momentanen Preispolitik, die sich sehr schnell ändern kann. Dies ist besonders dann zu erwarten, wenn IP-Verkehr und Telefonverbindungen von derselben Gesellschaft betrieben werden.
Da die Benutzung von IP-Verkehr momentan aber preiswerter ist als die Verwendung von Telefonverbindungen, kann die Verwendung der IP-Telefonie Kosten sparen. Dabei muss ein möglichst großer Teil der Strecke über eine IP-Verbindung abgewickelt werden. Enorme Kostenvorteile entstehen beispielsweise bei Auslandsgesprächen oder wenn beide Teilnehmer IP-Netze nutzen. Da aber oft ein Übergang ins herkömmliche Telefonnetz nötig ist, ergeben sich nicht immer Kostenvorteile, sondern oft auch höhere Kosten. Die Benutzung des öffentlichen Telefonnetzes muß beim Betreiber des Gateways bezahlt werden. Die Gesamtkosten berechnen sich dann aus der Summe der Entgelte, die für die Benutzung der IP-Verbindung und der Telefonverbindung zu zahlen sind.
Einfachere Verkabelung in Firmen
Viele Firmen haben bisher zwei verschiedene Kommunikationseinrichtungen: das Telefonnetz zur Sprachübertragung und das Computernetzwerk zur Datenübertragung. Dadurch ist eine doppelte Verkabelung notwendig und beide Systeme müssen separat gewartet werden. Bei einer Lösung mit IP-Telefonie kann die Telefonverkabelung entfallen. Dafür muss ein Übergang vom Netzwerk ins öffentliche Telefonnetz geschaffen werden. Auch ein schrittweiser Übergang ist möglich, indem nur neue Arbeitsplätze mit IP-Telefonen ausstattet werden.
Ältere Bürogebäude sind allerdings generell schon für den Telefonverkehr und für Computernetzwerke verkabelt. Bei Neubauten werden immer noch beide Typen von Verkabelungen vorgesehen, da die VoIP-Technologie noch in den Kinderschuhen steckt, und ein Verzicht auf Kabelschächte, Verteiler, etc., die für die herkömmliche Telefonverkabelung notwendig sind, zu riskant wäre. Die Idee einer gemeinsamen Wartung von Computernetz und Telefonnetz wird zwar in Prospekten immer gerne angeführt, ist aber durchweg noch im Stadium der Powerpoint-Folien, weil die Hersteller von VoIP-Equipment für Geschäftskunden bisher nur solche integrierten Netzwerkmanagementsysteme liefern können, die bestenfalls als Debug-Hilfe für Softwareentwickler zu betrachten sind. Meistens werden wiederum zwei Element Management Systems angeboten, eines für das VoIP-Netz und eines für das Computernetz, sodaß von Vereinheitlichung eigentlich nicht geredet werden kann.
Zusätzliche Dienste im Telefon
Beim Einsatz von Telefonen mit LC-Display können diese weitere Informationen auf Abruf anzeigen, z.B. kann der aktuelle Kantinenplan online zur Verfügung gestellt werden oder ein konzernweites Telefonbuch abgefragt werden.
Integration von Computer und Telefon
Bei der Integration von IP-Telefonie und Computer werden die Bedienelemente eines Telefons durch ein Programm nachgebildet. Die Benutzeroberfläche kann oft den individuellen Bedürfnissen angepasst werden. Telefonnummern können direkt aus den Anwendungen (E-Mail-Programm, Adressbuch ...) heraus gewählt werden. Das E-Mail-Programm kann durch Verwendung von VoiceMail als Anrufbeantworter genutzt werden.
Nachteile der IP-Telefonie
Keine gesicherte Übertragungsqualität
Da das Internet paketorientiert ist und Daten auf verschiedensten Wegen überträgt, aber nicht immer schnell genug ist, kommt es im Regelfall zu Übertragungsverlusten und Verzerrungen, sodaß die Sprachqualität nicht den Anforderungen genügt, die in herkömmlichen Telefonnetzen garantiert wird. Im Extremfall kann die Sprache bis zur völligen Unverständlichkeit verzerrt werden. Um den Übertragungsverlusten bzw. Verzerrungen entgegenzuwirken, gibt es inzwischen Router mit VoIP-Priorisierung und auch entsprechende Software zur Konfiguration der Router. Weil VoIP-Priorisierung aber spezielle Hardware erfordert, müssen in einem Firmennetzwerk sämtliche Router aufgerüstet oder ausgetauscht werden, über die Gespräche laufen sollen. Im öffentlichen Internet sind VoIP-Router generell noch nicht installiert, sodaß diese Möglichkeit zur Verbesserung der Sprachqualität bisher auf Firmennetze beschränkt bleibt.
Kein Rufnummernplan
Es gibt keinen internationalen oder auch nur nationalen Rufnummernplan, ebensowenig übergreifende Auskunftsdienste. Ein System mit dem Namen ENUM zum Übernehmen der Telefonnummern ins DNSystem wird zwar von Enthusiasten und Herstellerfirmen von VoIP-Routern konzipiert, ist aber voraussehbar zum Scheitern verurteilt. Deswegen existieren mehrere rivalisierende Entwürfe, die nicht miteinander kompatibel sind.
Entwicklung
Nach mehreren Anläufen Ende der 90er Jahre, in denen sich die IP-Telefonie nicht durchsetzen konnte, wird nunmehr von interessierter Seite propagiert, dass mit der Verbreitung von Internet-Verbindungen mit hoher Bandbreite, z.B. DSL, und dem Vorliegen einiger internationaler Standards die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Einsatz gegeben seien. Allerdings sind bisher alle Versuche, VoIP over DSL zu standardisieren, bei allen internationalen Standardisierungsorganisationen wie ITU, ETSI oder ANSI mangels Interesse wieder eingestellt worden. Die Geschäftspläne namhafter Herstellerfirmen von VoIP-Equipment zeigen außerdem, daß in den nächsten Jahren hauptsächlich der Bereich der Firmennetze als Anwendungsgebiet für VoIP als relevanter Umsatzträger eingeschätzt wird, und das im Zusammenhang mit dem Verkauf von neuen Routern.
Einige Anbieter von Internetzugängen stellen für VoIP kostenlose Software zur Verfügung, Netzbetreiber bieten Services ohne oder mit niedriger Grundgebühr an. Dabei handelt es sich aber im wesentlichen noch um Versuche, durch billige Geschenke ohne großen Wert Vorteile im Wettbewerb zu erhalten. Die für VoIP notwendige Aufrüstung seiner Netze hat in Europa bisher noch kein Netzbetreiber im nennenswerten Umfang vorangetrieben, und das klar wegen der damit verbundenen hohen Investitionskosten.
Zukunft
T-Com, die Festnetzsparte der Deutschen Telekom, plant angeblich, ihr Telefonnetz bereits "bis zum Jahr 2012" aus Kostengründen auf Internet-Übertragungstechnik umstellen. Derartige Pläne werden gewöhnlich im Quartalsrhythmus überprüft. Bisher ist jedenfalls nicht bekannt geworden, daß die T-Com begonnen hätte, entsprechendes Equipment in das Telefonnetz einzubringen.
Weblinks
Mammut-Projekt.de ist die offizielle deutsche VoIP / IP-Telefonie Website (Hilfe, Infos und Forum). http://www.mammut-projekt.de