Manfred Genditzki (* 1960) ist der Betroffene eines mutmaßlichen Irrtums der deutschen Justiz, im sogenannten "Badewannen-Mordfall" am Tegernsee. Er wurde im Februar 2009 verhaftet und am 17. Januar 2012 vom Landgericht München II wegen Mord an der 87-jährigen Rentnerin Lieselotte K. aus Rottach-Egern zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Dieses Urteil ist zwar rechtskräftig, jedoch bestehen in der Öffentlichkeit Zweifel an der Täterschaft Genditzkis. Einige Beobachter fordern deshalb ein Wiederaufnahmeverfahren.[1][2][3]
Tod von Lieselotte K.
Manfred Genditzki half Lieselotte K. als Hausmeister bei täglichen Dingen des Lebens wie Einkaufen, Frühstückmachen, Wäschewaschen usw. Nachdem Genditzki die Rentnerin am 28. Oktober 2008 von einem Klinikaufenthalt nach Hause gefahren hatte, verabschiedete er sich dort gegen 15:00 Uhr von ihr, weil er seine kranke Mutter besuchen wollte. Als dann wie jeden Tag eine Pflegekraft um 18:30 Uhr die Wohnung von Lieselotte K. aufsuchte, lag diese tot in der Badewanne. Bei der Obduktion wurde festgestellt, dass sie ertrunken war. Zunächst wurde ein unglücklicher Sturz als Todesursache angenommen. Dann fand ein Gerichtsmediziner am Hinterkopf der Toten jedoch zwei Einblutungen unter unverletzter Kopfhaut.[3] Obwohl dies nicht notwendigerweise eine gewaltsame Ursache haben muss, wurde Genditzki daraufhin wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft genommen.
Verurteilung wegen Mordes
Eine Kammer des Landgerichts München II verurteilte Genditzki am 12. Mai 2010 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil am 12. Januar 2011 auf und verwies die Sache an eine andere Kammer des Landgerichts zurück.[4] Auch diese befand Genditzki am 17. Januar 2012 des Mordes schuldig und verhängte ebenfalls eine lebenslange Freiheitsstrafe. Für Prozessbeobachter blieben aber erhebliche Zweifel.[5] Die Verteidiger und die Beobachter der Hauptverhandlung hatten fest mit einem Freispruch gerechnet. Eine Revision gegen das zweite Urteil scheiterte beim Bundesgerichtshof.[6]
Die Staatsanwaltschaft nahm an, Genditzki habe die alte Dame ermordet, um damit zu vertuschen, dass er während ihres Klinikaufenthaltes in ihrem Haus in Rottach-Egern Geld unterschlagen hatte. Der Theorie der Verteidigung, Frau K. habe offensichtlich ihre verkotete Wäsche in der Badewanne einweichen wollen, habe dabei einen Schwächeanfall erlitten und sei in die Wanne gestürzt, wollte die Staatsanwaltschaft nicht folgen, denn nirgends in der Wohnung habe es verkotete Wäsche gegeben. Aber die Krankenschwester der Klinik sagte aus, sie habe die kotbeschmutzte Wäsche in eine braune Plastiktüte gepackt und Frau K. mit nach Hause gegeben. Auf den Polizeifotos ist eine ebensolche Tüte zu sehen, sie steht im Flur neben einem gefüllten Wäschekorb. Aber niemand hatte bei der Spurensicherung dort hineingeschaut und drei Monate später wurde die Tüte ungeöffnet entsorgt, so dass diese in dem Strafprozess nicht mehr zur Verfügung stand.[2]
Es verwunderte die Prozessbeobachter unter anderem, dass die Staatsanwaltschaft mitten in dem Verfahren willkürlich das Motiv für die Tat in ihren Anschuldigungen gewechselt hatte. Nach deren Meinung soll das Motiv zunächst Habgier gewesen sein. Als sich diese Version als nicht haltbar herausstellte, wechselte die Staatsanwaltschaft dann einfach auf das Motiv "Streit um einen geplatzten Besuch zum Kaffeetrinken".[7] Genditzki habe die Rentnerin auch umgebracht, weil er sich über ein herum kommandiert werden von ihr geärgert hätte. Es gab aber weder im ersten noch im zweiten Prozess irgendeinen Hinweis, der diese Behauptung hätte stützen können.[2]
Das Landgericht München II sah es in seinem Urteil vom 17. Januar 2012 als erwiesen an, dass Genditzki und Frau K. in einen Streit geraten seien, bei dem Genditzki der Frau entweder einen Schlag auf den Kopf versetzt oder sie so gestoßen habe, dass sie gegen einen harten Gegenstand gefallen sei und sich zwei Blutergüsse am Kopf zugezogen habe. In Panik und mit dem Gedanken „Ich hole Hilfe“ habe er zweimal kurz hintereinander die Nummer des Hausarztes gewählt, aber sofort wieder aufgelegt. Aus Furcht angezeigt zu werden, habe er Wasser in die Badewanne laufen lassen und Frau K. ertränkt, indem er sie mehrere Minuten unter Wasser gedrückt habe.[8] Mit welchem Gegenstand Manfred Genditzki zugeschlagen haben soll, ist unbekannt. Ein Tatwerkzeug wurde nie gefunden. Die Angabe des Angeklagten, dass er den Hausarzt angerufen habe, um ihm mitzuteilen, dass Frau K. aus der Klinik nun wieder zu Hause sei, er aber aufgelegt habe, als nur der Anrufbeantworter der Praxis in der Leitung gewesen sei, ließ das Gericht nicht gelten.[8]
Antrag auf Wiederaufnahme
2015 wurde der Kriminalist und Profiler Axel Petermann von Angehörigen Genditzkis damit beauftragt, den Fall erneut zu untersuchen. Petermann schätzt die Verurteilung Genditzkis auch als zweifelhaft ein und arbeitete in diesem Fall ohne Honorar (pro bono).[9]
Genditzkis Strafverteidigerin, Regina Rick, begann 2015 einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vorzubereiten.[7] Rick hatte bereits die Angeklagten im Todesfall Rudolf Rupp vertreten und für diese erfolgreich ein Wiederaufnahmeverfahren erreicht.[10]
Literatur
- Thomas Darnstädt: Der Richter und sein Opfer – Wenn die Justiz sich irrt, Piper Verlag 2013, ISBN 978-3-492-05558-1; der Fall Genditzki wird geschildert auf den Seiten 50-53, 126-128, 213-216 und 301-302
- Hans Holzhaider: Fall Genditzki: Im Zweifel gegen den Angeklagten, Süddeutsche Zeitung vom 10. März 2017
Fernsehbeiträge
- In den Fängen der Justiz - Unschuldig in Haft, VOX-Reportage vom 14. November 2015
- Deutsche Justiz - Wie gefährdet ist unser Recht?, Bayerischer Rundfunk - TV-Reportage vom 22. Februar 2017
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Tochter des Badewannen-Mörders: "Er ist unschuldig"; in: tz Online vom 17. November 2014
- ↑ a b c Der Mord, der keiner war; in: Süddeutsche Zeitung Online vom 12. Januar 2012
- ↑ a b Strafjustiz - Auf der falschen Fährte; in: Der Spiegel 50/2011 vom 12. Dezember 2011
- ↑ Justizpanne im Badewannen-Mord; in: tz Online vom 1. November 2011
- ↑ Mord an Seniorin: Das zweite Lebenslang für den Hausmeister; in: Spiegel Online vom 17. Januar 2012
- ↑ Bundesgerichtshof weist Revision zurück ; in: Süddeutsche Zeitung Online vom 2. Oktober 2012
- ↑ a b Im Zweifel gegen den Angeklagten; in: Süddeutsche Zeitung Online vom 10. März 2017
- ↑ a b Nach dem Urteil im Badewannen-Mord: Ein Sturz - aber warum?; in: Süddeutsche Zeitung Online vom 20. Januar 2012
- ↑ Justizirrtum? - Profiler rollt den "Badewannen-Mord" von Rottach wieder auf; in: Abendzeitung München vom 24. Juni 2015
- ↑ Sitzt ein Unschuldiger im Gefängnis? - Anwältin will Rottacher Badewannen-Mord wieder aufrollen; in: Tegernseer Stimme vom 20. August 2015
Personendaten | |
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NAME | Genditzki, Manfred |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Hausmeister, vermeintliches Justizopfer |
GEBURTSDATUM | 1960 |