Als Grundtypen werden ursprüngliche Lebensformen bezeichnet, von denen die Anhänger der Schöpfungsbiologie glauben, dass sie durch Gott geschaffen wurden. Der Begriff wird von Junge-Erde-Kreationisten benutzt, um ihre Sichtweise einerseits einer Schöpfung gemäß Genesis zu stützen, andererseits, des Ereignis der biblischen Flut, während der die Nachfahren aller irdischen Landlebewesen auf der Arche Noahs untergebracht wurden.
Im Gegensatz zum wissenschaftlichen Prinzip der gemeinsamen Abstammung von einem einzigen Vorfahren behaupten diese Kreationisten, dass nicht alles Leben auf der Erde miteinander verwandt, sondern dass es in Form einer endlichen Anzahl von getrennten Formen geschaffen worden sei. Dass bei diesen getrennten Formen nachträglich Speziation und Mikroevolution stattfand wird von Kreationisten mit fortgeschrittener Argumentation oft anerkannt. Sie erheben jedoch Anspruch darauf, dass die Grundtypen definitive Grenzen darstellen, jenseits von denen evolutionäre Prozesse nicht stattfinden könnten. Als Grund wird Gott angegeben.
Da Grundtypen auf gemeinsame Abstammung verweisen, wird behauptet, sie bildeten eine Form von Stammbäumen. Baraminologie oder der Versuch, das Leben gemäß den Grundtypen einzuordnen, ist daher die kreationistische Entsprechung zur Kladistik.
Die Wissenschaft verwirft die Idealisierung von Grundtypen und allgemein die Schöpfungstheorie als Pseudowissenschaft. Dies ist hauptsächlich deshalb der Fall, weil die wissenschaftlichen Belege für die gemeinsame Abstammung und die Beziehungen zwischen den Lebensformen der Biosphäre am ehesten durch die synthetische Evolutionstheorie nach wissenschatlichen Kriterien erklärt werden können.
Definition
In der kreationisischen Literatur wird heute meist die Kreuzbarkeit als Definition benutzt.
- Alle Individuen, die direkt oder indirekt durch Kreuzungen verbunden sind, werden zu einem Grundtyp gerechnet. (Scherer, Evolution, ein kritisches Lehrbuch, 2001).
Daneben gibt es in unter heutigen Kreationisten auch Variation der Definition eines Grundtypes, welche neben der Kreuzbarkeit auch die Morphologie als Kriterium benutzen.
- Eine Grundtyp ist eine ausgeprägte Gruppe von kreuzbaren, in einem bestimmten geographischen Gebiet vorkommenden Organismen, die genetisch isoliert ist von anderen erkennbar verschiedenen Organismen. ("A kind is a distinct group of interbreeding organisms found in a particular geographic area which are genetically isolated from other recognizably different organisms.", Moore, How to Teach Origins, 1983)
Ursprung des Begriffs
Das Konzept des Grundtyps hat seinen Ursprung in einer buchstäblichen Auslegung der Wörter "nach ihrer Art" in der Schöpfungsgeschiche (1. Mose 1), z. B. "Und Gott schuf die großen Seeungeheuer und alle sich regenden lebenden Wesen, von denen die Wasser wimmeln, nach ihrer Art, und alle geflügelten Vögel nach ihrer Art.". Dies wird so verstanden, dass Gott die Lebewesen in Form von voneinander getrennten Arten geschaffen habe.
In der Wissenschaft wurde durch den Naturforscher Georges Cuvier (Le règne animal distribué d'après son organisation, 1817) die Tierwelt nach ihrer Morphologie in vier grundlegende Baupläne eingeteilt (Wirbeltiere, Weichtiere, Strahlentiere, Gliedertiere). Eine Evolution zwischen den Bauplänen war seiner Ansicht nach unmöglich. Erst mit der Entwicklung der Evolutionstheorie wurden solche Vorstellung in den Naturwissenschaften verworfen.
Im Jahre 1941 schlug der US-amerikanische Kreationist Frank Lewis Marsh vor, dass sich dieser Artbegriff der Bibel in Form der Reproduzierbarkeit definieren ließe. Er meinte, dass zwei Lebewesen, die sich miteinander kreuzen lassen, zu derselben geschaffenen Art gehören. Er prägte hierfür aus den hebräischen Begriffen bara (erschaffen) und min (Art) das Kunstwort Baramin.
Beispiele
Kreationisten haben eine Reihe von Kandidaten für Grundtypen vorgeschlagen, für die Kreuzbarkeiten aus der Literatur belegt sind.
- der Mensch: Kreationisten weisen die Auffassung zurück, der Mensch und der Affe hätten einen gemeinsamen Vorfahren. Die Kreationistin Sigrid Hartwig-Scherer meint, dass der Homo Sapiens, der Homo erectus und der Neandertaler zu demselben Grundtyp (Mensch) gehören, während die Australopithecinen zu einem anderen Grundtyp gehören und mit dem Menschen nicht verwandt seien.
- die Felidae (Katzen) — Hier sind Großkatzenhybride zwischen dem Löwen und dem Tiger bekannt ("Liger"). Teilweise können sich die Nachkommen fortpflanzen.
- die Canidae (Hunde) — Ähnlich wie bei den Katzen wird von Kreationisten vermutet, dass sich all diese Arten auf einen gemeinsamen Urahnen zurückverfolgen lassen. Die Kreuzbarkeit ist z.B. nachgewiesen für Haushund (Canis) x Rotfuchs (vulpes), Rotfuchs x Eisfuchs (Alopex), Rotfuchs x Graufuchs (Urocyon) sowie zwischen Haushund und Wolf.
- die Camelidae (Kamelartige)— Hier ist von den Kamelen und den Lamas bekannt, dass sie sich miteinander kreuzen lassen. Sie gelten in der Biologie als verschiedene Gattungen.
- Crocodilia (Krokodile) — einschließlich aller Arten der Alligatoren, Krokodile und Ghariale.
- Elefant: der afrikanische und der indische Elefant sind miteinander kreuzbar, sie gelten in der Biologie als zwei Arten derselben Familie.
Ein Grundtyp umfasst also mehr als das populationsgenetische Artkonzept der Biologie. Die Biologie kennt verschiedene Artkonzepte. Das Kriterium beim Grundtyp ist, ob Nachkommen erzeugt werden können. Der Grundtyp befindet sich daher oft auf der Ebene der biologischen Familie. (Vgl. auch den gut verständlichen Artbegriff von Ernst Mayr).
Artbildung im Grundtypkonzept
"Kreationistischer Stammbaum von Oben"
Im Grundtypkonzept ist eine Aufspaltung eines Grundtyps in mehrere Arten/Rassen vorstellbar. (siehe Grafik) Separierte Teilpopulationen (Rn, R2, etc.) einer Art sind u.U. nur Träger einer Teilmenge (r1, r2, etc.) des Genpools und verlieren dabei einen Teil der ursprünglichen Variationsbreite des Grundtyps. u.U sind bestimmte Teilpopulationen nicht mehr direkt miteinander kreuzbar, ggf. bleiben dabei über andere Teilpopulationen Kreuzungsbrücken erhalten.
Im Rahmen von mikroevolutiven Prozessen kommt es dabei zur Selektion von Individuen, die ihren Umweltbedingungen spezifisch angepasst sind. Häufige Beispiele der Evolutionstheorie wie die Darwinfinken oder Anpassungen z.B. an spezielle Umweltsituationen (Gifte) auf Berkwerkshalden werden von Kreationisten nicht mit Höherentwicklung sondern mit Verarmung des Genpools erklärt. Hierbei wird davon ausgegangen, dass die spezifischen Merkmale schon vorher innerhalb der Variationsbreite des Grundtyps lagen, aber erst unter den spezifischen Umständen zutage treten. (z.B. werden alle Individuen, die bestimmte Umweltgifte nicht vertragen, in einer Population auf einer giftigen Abraumhalde aus dem Genpool entfernt).
Bedeutung
Das Grundtypenkonzept wird von Kreationisten zunehmend propagiert. Es hat auch für die kreationistische Sicht der Sintflut eine wichtige theologischen Komponente: es dient dazu, den häufigen Einwand zu entkräften, Noah hätte gar nicht Tiere von jeder Art mit in die Arche nehmen können. Kreationisten meinen, dass das Grundtypenkonzept den in der Arche benötigten Platz soweit reduziere, dass der zur Verfügung stehende Platz ausgereicht hätte. Da in die Arche von jeder "Art" (Grundtyp) nur eine begrenzte Zahl von Individuen mitgenommen wurden, bedeutete die Sintflut eine merkliche Beschränkung des Genpools. Vertreter dieses Konzepts sind der Auffassung, dies korrespondiere mit dem Fossilbefund, der ihrer Meinung nach für die Zeit vor der Sintflut eine großere Variabilität zeige als sie heute beobachtet wird. Daneben dienten die historisch verschiedenen Definitionen der Grundtypen als Argumentationshilfe gegen die Evolutionstheorie, da nach Meinung der Kreationsten die Grundtypen unüberwindlich Schranken für die Evolution darstellen würden.
Kritik am Grundtypmodell
Einige Kreationisten definieren den Grundtyp nach der Unterteilung in Individuen, die miteinander Nachkommen erzeugen können und behaupten, dass jenseits dieser Unterteilung evolutionäre Prozesse nicht stattgefunden haben, obwohl dies durch die Beobachtung der Bildung von Kreuzungsbarrieren durch viele Laborexperimente schon lange widerlegt ist. Kreationisten mit fortgeschrittener Argumentation versuchen daher, die Grundtypen über Merkmale zu erfassen, welche sich nach ihrer Auffassung nur durch Makroevolution herausgebildet haben können. Sie versuchen dann, den Begriff Makroevolution möglichst so zu definieren, dass er alle beobachtbaren Phänomene ausschließt, was eine Widerlegung ihrer Behauptung prinzipiell unmöglich macht.
Vertreter
Deutschsprachige Vertreter des Grundtypkonzepts sind Reinhard Junker und Siegfried Scherer von der Studiengemeinschaft Wort und Wissen.
Literatur
- Scherer S. (Hrsg.): Typen des Lebens, Pascal Verlag: Berlin, 1993, 257 Seiten
- Junker, Reinhard u. Scherer, Siegfried: Evolution – Ein kritisches Lehrbuch (52001), Gießen, ISBN 3-921046-10-6