Meinungsfreiheit
Die Meinungsfreiheit umfasst das subjektive Recht eines jeden Menschen, seine Meinung zu äußern und zu verbreiten. Eine Meinung ist eine wertende Aussage, im Gegensatz zum Behaupten einer Tatsache.
Die Meinungsfreiheit wird auf vielfältige Weise bedroht. Verbote, drohende Repressionen, Sanktionen oder eine vorher einzuholende Erlaubnis (Vorzensur) beschränken die Ausübung der Meinungsfreiheit so erheblich, dass bisweilen nur die von den Staatsorganen ausdrücklich erwünschten Bewertungen zugelassen werden.
Die Meinungsfreiheit wurde bereits in Art.11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in Frankreich 1789 als "un des droits le plus précieux de l'homme" (eines der vornehmsten Menschenrechte) bezeichnet.
Situation in Deutschland
In Deutschland wird die Meinungsfreiheit durch Art. 5 Abs. 1, S. 1, 1. Hs. des Grundgesetzes gewährleistet.
Artikel 5 (verkürzt)
- (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten .... Eine Zensur findet nicht statt.
Die Bedeutung dieses Grundrechtes wurde vom Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung konkretisiert und unterstrichen. So heißt es in dem Lüth-Urteil von 1958: „Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt. Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist es schlechthin konstituierend.“ (BVerfGE 7, 198-230 – Lüth).
Dass es bei dem Begriff der „Meinung“ für den Schutz nicht darauf ankommen kann, ob es sich um ein richtiges oder falsches, emotionales oder rational begründetes Werturteil handelt, hat das Bundesverfassungsgericht 1972 in einem Urteil über die Meinungsfreiheit Strafgefangener präzisiert (BVerfGE 33,1-18-Strafgefangene): „in einem pluralistisch strukturierten und auf der Konzeption einer freiheitlichen Demokratie beruhenden Staatsgefüge (ist) jede Meinung, auch die von etwa herrschenden Vorstellungen abweichende, schutzwürdig.“
Zwar spricht das GG nur von der Meinungsäußerungsfreiheit, das bedeutet jedoch nicht, dass Tatsachenbehauptungen vom Grundrechtsschutz ausgeschlossen sind. Sie sind dann geschützt, wenn sie Voraussetzung für eine bestimmte Meinung sind. Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen lassen sich in der Praxis kaum voneinander unterscheiden. Da unwahre Tatsachenbehauptungen grundsätzlich nicht vom Schutz der Meinungsfreiheit umfasst sind, ist in diesem Fall eine Abgrenzung notwendig. Bei dieser Abgrenzung treten in der Praxis große Probleme auf. Dabei ist die Unterscheidung im Grundfall einfach: Eine Tatsachenbehauptung liegt dann vor, wenn die Behauptung dem Beweis zugänglich ist (z. B.: „Die SPD ist die mitgliederstärkste Partei Deutschlands“ ist entweder richtig oder falsch. Ein Gericht kann über diese Fragen Beweis erheben). Eine Meinung hingegen entzieht sich dem Beweis und ist statt dessen durch Werten und Dafürhalten geprägt (z. B. Die Aussage „Das Steuerkonzept der CDU zur Bundestagswahl 2005 ist ungerecht“ ist weder falsch noch richtig, sondern stellt vielmehr eine Wertung dar).
Die Meinungsfreiheit schützt auch Satire, Comedy oder Karikaturen, für die ebenfalls laut Art. 5 GG keine Zensur gelten.
Einschränkungen
Art. 5 Abs. 2 regelt die Grenzen (Schranken) der Meinungsfreiheit:
- (2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
Wie bei den meisten anderen Grundrechten ist auch hier ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen, das Grundrecht durch ein Gesetz usw. zu beschränken. Innerhalb der drei in Art. 5 GG genannten Schranken ist meist nur ein Rückgriff auf die „allgemeinen Gesetze“ nötig, da die übrigen Schranken nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts rechtssystematisch keine herausragenden Besonderheiten aufweisen.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Grundrechten erfordert die Beschränkung der Meinungsfreiheit aber hier mehr, denn „allgemeines“ Gesetz stellt höhere Anforderungen an den Gesetzgeber, als nur „Gesetz“. Das Bundesverfassungsgericht hatte deshalb zu klären, was unter dem sehr allgemeinen Begriff zu verstehen sei und beschrieb ein solches Gesetz so, dass es nicht eine bestimmte Meinung als solche im Auge haben, sondern zum einen dem Schutz überragender Rechtsgüter dienen müsse und zum anderen eine Meinung allenfalls zufällig treffen dürfe. Also nicht gezielt und individuell, sondern nur indirekt. Damit bleibt im Einzelfall allerdings immer noch offen, wann ein Gesetz tatsächlich als allgemeines Gesetz gelten kann, oder ob es schon ein „spezielles“ ist.
In der Frage des Verbots der Beleidigung ist das weitreichend geklärt. Wenngleich der Beleidigungstatbestand sehr weit gefasst ist (er verwendet nur den Begriff, ohne ihn zu erläutern), ergibt sich aus seiner Zielrichtung eindeutig, dass er nicht eine bestimmte Meinung verbietet. Denn das Gesetz beurteilt Aussagen in diesem Fall allein danach, ob sie das Allgemeine Persönlichkeitsrecht oder die Ehre des Adressaten gefährden. Auf den Inhalt und die konkrete Aussage einer Meinungsäußerung kommt es dabei nicht an.
Im Rahmen der sogenannten „Wechselwirkungslehre“ hat das Bundesverfassungsgericht das Problem der allgemeinen Gesetze weiter verkompliziert, indem es im sogenannten Lüth-Urteil festlegte: „[D]ie allgemeinen Gesetze müssen in ihrer das Grundrecht beschränkenden Wirkung ihrerseits im Lichte der Bedeutung dieses Grundrechts gesehen und so interpretiert werden, dass der besondere Wertgehalt dieses Rechts, der in der freiheitlichen Demokratie zu einer grundsätzlichen Vermutung für die Freiheit der Rede in allen Bereichen, namentlich aber im öffentlichen Leben, führen muss, auf jeden Fall gewahrt bleibt.“ Gemeint ist damit, dass Gesetze, welche die Meinungsfreiheit einschränken, ihrerseits an der Bedeutung der Meinungsfreiheit gemessen werden sollen. Dem Bundesverfassungsgericht ist darauf in der rechtswissenschaftlichen Literatur unter anderem vorgehalten worden, mit dieser Wechselwirkungslehre einen Zirkelschluss zu führen und indirekt die Bewertung von Meinungen zu fördern, was gerade nicht Sinn von Artikel 5 GG sei, sondern was mit der Meinungsfreiheit gerade verhindert werden solle.
Internationale Regelungen
In den USA gehört die Meinungsfreiheit (engl. freedom of speech) als 1. Zusatz zur Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika zu den Bill of Rights der Verfassung der Vereinigten Staaten:
- Congress shall make no law respecting an establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof; or abridging the freedom of speech, or of the press; or the right of the people peaceably to assemble, and to petition the Government for a redress of grievances.
Für die Mitgliedstaaten des Europarats schafft Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention einen Mindeststandard für die Meinungsfreiheit.
Innerhalb der Europäischen Union ist die Meinungs- und Informationsfreiheit in Artikel 11 der Charta der Grundrechte geregelt.
Die UNO regelt die Meinungsfreiheit im Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte:
- Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäusserung; dieses Recht umfasst die Freiheit, Meinungen unangefochten anzuhängen und Informationen und Ideen mit allen Verständigungsmitteln ohne Rücksicht auf Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.
Siehe auch
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Meinungsfreiheit
- Lüth-Urteil, (Fundstelle: BVerfGE 7, 198)
- Schmid-Spiegel-Urteil, (Fundstelle: BVerfGE 12, 113)
- Blinkfüer-Entscheidung, (Fundstelle: BVerfGE 25, 256)
- Zensur-Urteil, (Fundstelle: BVerfGE 33, 52)
- Lebach-Urteil, (Fundstelle: BVerfGE 35, 202)
- Deutschland-Stiftung-Urteil, (Fundstelle: BVerfGE 42, 163)
- Meinungsfreiheit von Soldaten-Urteil, (Fundstelle: BVerfGE 44, 197)
- Böll-Urteil, (Fundstelle: BVerfGE 54, 208)
- Kredithaie-Urteil, (Fundstelle: BVerfGE 60, 234)
- Springer-Wallraff-Urteil, (Fundstelle: BVerfGE 66, 116)
- Bayer-Aktionäre-Urteil, (Fundstelle: BVerfGE 85, 1)
- Titanic-geb. Mörder-Urteil, (Fundstelle: BVerfGE 86, 1)
- Holocaustleugnungs-Urteil, (Fundstelle: BVerfGE 90, 241)
- Soldaten sind Mörder-Urteil, (Fundstelle: BVerfGE 93, 266)
- Schockwerbungsurteil, (Fundstelle: BVerfGE 102, 347)
Aktuelle Diskussionen
- Die Meinungsfreiheit steht im Mittelpunkt des sogenannten "Karikaturenstreits", bei dem die Veröffentlichung einer Karikatur des Propheten Mohammed im September 2005 in der dänischen Zeitung Jyllands-Posten international diskutiert wird.
Literatur
- Dieter Grimm: Die Meinungsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. in: NJW 1995, S. 1697-1705.
Weblinks
- Vorlage:Gesetz
- Vorlage:Gesetz-D
- Vorlage:Gesetz-D
- http://www.artikel5.de/ - Website über den Artikel 5 und die Meinungsfreiheit in Deutschland
- http://www.bpb.de/publikationen/R8ZYV0,0,0,Das_Bundesverfassungsgericht_und_die_Meinungsfreiheit.html
- Eintrag in Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy.