Der italienische Adel ist vielfach anders strukturiert als etwa der französische oder der deutsche Adel. Da sich in Italien das mittelalterliche Lehns- und Erbrecht vom fränkischen erheblich unterschied, nahm der dortige Adel vom Mittelalter bis zur Neuzeit eine andere Entwicklung, die auch regional sehr verschieden verlief, da es einen Gesamtstaat oder eine Nation noch nicht gab. Die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse waren im Süden der Halbinsel, der vom Einfluss Konstantinopels, der Normannen sowie spanischer Dynastien geprägt war, anders als im Kirchenstaat oder im Norden, wo die vom Handel geprägten lombardischen Stadtstaaten, Signoria genannt, sowie die Republik Venedig eigene Entwicklungen durchliefen. Die Regierungssysteme beruhten in letzteren Gebieten teils noch auf spätantiken Strukturen, die sich grundlegend vom Feudalismus in Nord- und Westeuropa unterschieden: Die Italienpolitik Kaiser Friedrichs I. Barbarossa scheiterte wesentlich daran, dass er versuchte, in italienischen Stadtstaaten die Lehensverhältnisse einzuführen.
In Italien wurden die Adelstitel 1946 abgeschafft.
Entwicklung
Der italienische Landadel entstand zwar, wie der Nord- und Westeuropas, aus dem mittelalterlichen Lehnswesen, unterlag aber in Nord- und Süditalien unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten. Eine ganz eigene Entwicklung nahm demgegenüber die starke Klasse des Stadtadels, der führenden Familien in der Signoria, die sich teils aus Kaufmanns- teils aus zu Kaufleuten gewordenen ursprünglichen Rittergeschlechtern zusammensetzte.
Es gab schon im Frühmittelalter mächtige Dynastien, die aber meist früh erloschen oder sich in kleinere Landadelsgeschlechter aufsplitterten wie die Canossa, die Obertenghi, die Aleramiden. Bestimmend für die Entwicklung des norditalienischen Adels seit dem Hochmittelalter war dann jedoch die weithin städtisch geprägte Territorialstruktur der Signorien, der typischen Stadtstaaten. Hier regierten, ähnlich den Konsuln in der antiken Römischen Republik, auf kurze Zeit gewählte Podestàs mit Unterstützung eines Stadtparlaments, meist Senat genannt. Dadurch kam es in den meisten Städten nicht oder erst spät zur Bildung herrschender Dynastien. Dies konnten entweder Geschlechter des früh- oder hochmittelalterlichen feudalen Landadels sein, wie die schon von den Karolingern belehnten Este, die im Herzogtum Ferrara und Modena regierten, aufgestiegene Rittergeschlechter wie die Gonzaga im Herzogtum Mantua, die Visconti und Sforza im Herzogtum Mailand, oder städtische Familien aus dem spätmittelalterlichen Kaufmannsstand wie die Medici in Florenz. Allerdings erlangten sie andauernde und erbliche Herrschaft über eine Signoria meist nur gegen den Widerstand ihrer Rivalen, oft auch mit Rückschlägen. Hatten sie einmal die Alleinherrschaft erlangt, ließen sie sich diese rechtlich legitimieren, indem sie sich als Vasallen dem Kaiser oder dem Papst unterordneten, wenn auch meist eher nominell, und dafür den Herzogstitel erhielten. Die Visconti stützten sich beispielsweise anfänglich darauf, dass sie als kaiserliche Reichsvikare für Mailand bestellt worden waren.
Ein weiteres prägendes Phänomen ist, dass die durch Handel erheblichen Wohlstand akkumulierenden städtischen Führungsschichten ihren Besitz im Umland zu Lasten der mittelalterlich-feudalen Grafschaften und Baronien ausdehnten, so dass diese schließlich immer kleiner und an die Peripherie gedrängt wurden. So kam es, dass manch alte Markgrafen- oder Grafengeschlechter im fortschreitenden Mittelalter oft nur noch über unbedeutenden Landbesitz verfügten[1]. Die vom Frühmittelalter bis ins Hochmittelalter noch bestehenden größeren feudalen Territorien, wie die Markgrafschaft Tuscien, zerfielen mit dem Aussterben der sie regierenden Geschlechter; bis in die Neuzeit konnte sich von den frühesten kaiserlichen Vasallen nur die Familie Este in Modena halten.
Demgegenüber stiegen die patrizischen Kaufleute im Spätmittelalter durch wachsenden Landbesitz in quasi-adligen Stand auf, indem sie - zumeist ohne Titel - das Leben großer Herren führten, ähnlich den „Pfeffersäcken“ in den ebenfalls republikanisch regierten Hansestädten des Nordens. Teilweise besannen sie sich auch auf ihren ursprünglichen Ritterstand zurück - darin den consularischen Familien des antiken Roms ähnelnd -, teilweise erwarben sie alte Feudallehen, die mit Barons-, Grafen- oder Markgrafentiteln verbunden waren und ließen sich die „Investitur“ gegen Zahlung durch den nominellen Lehnsherrn (meist einen Bischof, seltener den Kaiser) bestätigen. Auf diese Weise gelangten einige dieser Kaufmannsfamilien bis hinauf in den Fürstenstand, sei es als regierende Dynasten wie die Medici im Großherzogtum Toskana, oder als nicht-regierende Titularfürsten wie die Odescalchi, Chigi oder die Borromeo. (Nördlich der Alpen wären für letzteres nur die Fugger und die Eggenberg vergleichbare Beispiele, während die Thurn und Taxis ihren kaufmännischen Aufstieg anfänglich ebenfalls in der Lombardei nahmen.) In der Neuzeit bestand auch die Möglichkeit, kaiserliche, päpstliche oder französische Adelsbriefe zu erwerben, die nicht mit Lehnsbesitz verbunden waren.
Diese Entwicklung verlief in allen bedeutenderen Teilstaaten Norditaliens ziemlich ähnlich, mit Ausnahme Savoyens, das im französisch geprägten, traditionellen Feudalismus verharrte, und des Kirchenstaates, wo ein exzessiver Nepotismus herrschte und die Päpste ihre eigenen Familien häufig in den Herzogsrang erhoben, ferner massenhafte Gunstbeweise in Form von Adelsbriefen und Standeserhöhungen an ihre Anhänger austeilten. Einigen päpstlichen Nepoten gelang der Aufstieg in den regierenden Hochadel, so den Della Rovere (zunächst zu Herren von Imola, Forlì und Senigallia, dann zu Herzögen von Sora und schließlich, durch Einheirat in die Familie da Montefeltro, zur Erbfolge im Herzogtum Urbino). Ähnlich erhielten die Farnese das von ihrem päpstlichen Großvater neu geschaffene Herzogtum Parma, während die Borgia nach raschem Aufstieg bald scheiterten.
Reichsitalien
Der norditalienische Hochadel, die regierenden Herzöge in den zu Monarchien gewordenen Signorien, bezog seine regierende Stellung im Wesentlichen aus Fahnenlehen des Heiligen Römischen Reichs. Die kaiserlichen Lehen wurden als Reichsitalien bezeichnet, die regierenden Häuser dieser Territorien zählten damit zu den Reichsfürsten. Der kaiserliche Besitz, vor allem in Oberitalien, zerfiel seit dem Hochmittelalter in zahlreiche Lehen des Reiches. Darunter waren zehn größere Gebiete und etwa 250 kleinere Lehen.[2] Im Reich war der Erzbischof von Köln als Reichserzkanzler für Italien zuständig, zu den Lehnsnehmern des Reiches und damit zu den Reichsfürsten zählten damit Häuser wie die Este (seit 1452 im Herzogtum Modena), die Medici (seit 1575 im Großherzogtum Toskana), die Gonzaga (seit 1433 im Herzogtum Mantua), die Ludovisi (im Fürstentum Piombino) oder die Doria (seit 1760 in Torriglia). Das Herzogtum Savoyen (im Piemont) gehörte zumindest bis zur Erhebung zum Königtum 1720 zu Reichsitalien; das Land hatte insofern eine Sonderrolle, weil es zum oberrheinischen Reichskreis gehörte und Sitz sowie Stimme im Reichstag hatte. Während sich die Republik Venedig aus der Einflusszone des Reiches zumeist heraushalten konnte, gehörte die Stadtrepublik Genua offiziell dazu, obwohl ihre Dogen dies häufig bestritten und faktisch lange Zeit unter der Herrschaft Frankreichs standen.
Adel des Heiligen Stuhls
Im mittelitalienischen Kirchenstaat gab es Feudal- wie auch Briefadel, ähnlich wie im Heiligen Römischen Reich. Bis in die Gegenwart können der Heilige Stuhl (als partikuläres Völkerrechtssubjekt nicht mit dem Staat Vatikan zu verwechseln) und die Republik San Marino Adelswürden verleihen. Beim Heiligen Stuhl wird das aber seit dem Pontifikat Johannes XXIII. nicht mehr praktiziert. In Artikel 41 des Konkordats zu den Lateranverträgen von 1929 hat sich die italienische Regierung verpflichtet, alle seit 1870 verliehenen päpstlichen Adelstitel anzuerkennen. In einem Dekret hat dies der italienische Staatspräsident 1961 in Bezug auf 115 päpstliche Verleihungen seit 1870 sowie auf 30 weitere seit 1827 (Motu proprio) bestätigt.[3]
Adel in Süditalien
In den Königreichen Neapel und Sizilien, wo spanische Dynastien herrschten, galt spanisches Adelsrecht. Danach fielen beim Aussterben des Mannesstammes einer Familie (oder einer Linie) die Lehnsbesitze und die damit verbundenen Titel nicht, wie in Nord- und Westeuropa nach salischem Recht, an den Lehnsherren zurück, der sie dann (gegen militärische Gefolgschaft, politische Unterstützung oder Zahlung) neu vergeben konnte, auch an Aufsteiger. Vielmehr wurden die Lehen nach spanischem Recht stets automatisch auch über die weibliche Linie weitervererbt. Dadurch entstanden über die Jahrhunderte gewaltige Besitzanhäufungen in dem relativ kleinen Kreis der alten, ursprünglich teilweise noch normannischen[4], teilweise mit den Dynastien eingewanderten spanischen[5] oder französischen[6] Familien. Auch hier kamen gelegentlich die norditalienischen Kaufleute zum Zuge.[7] Dieser Besitzakkumulierung wirkte zwar das Prinzip der Realteilung zwischen Geschwistern entgegen, infolge prinzipiell ebenbürtiger Eheschließungen führte dies aber hauptsächlich zur Rotation und zu ständig neuen Besitzkonstellationen innerhalb des engen Zirkels. Aufsteigern machte es dieses geschlossene System - im Gegensatz zur norditalienischen Signoria - sehr schwer, sofern ihnen nicht die Einheirat gelang, was aber ausgeprägter Standesdünkel zumeist verhinderte[8]. Die Könige wiederum hielten sich dadurch unschädlich, daß sie auch kleinste ländliche Grundbesitze - gegen Zahlung - zu Baronien, Grafschaften oder Fürstentümern aufwerteten. Dies führte über die Jahrhunderte zu geradezu schleppnetzhaften Titelanhäufungen. Der „Titelwahn“ der sizilianisch-neapolitanischen Familien wurde - anstelle der Lehnsvergabe - zur Einnahmequelle für die Landesherren.
Dies galt in ähnlicher Weise für die päpstlich-römischen Adelshäuser. So führte das Oberhaupt der Familie Borghese, Livio (* 1874), in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts folgende Titelkette: „11. Fürst von Montecompatri, 11. Fürst von Sulmona und Vivaro, 10. Fürst von Rossano, 5. Herzog von Canemorte, 11. Herzog von Palombara, 5. Herzog von Castelchiodato, 11. Herzog von Poggionativo, 11. Markgraf von Mentana, Norma, Civitella, Pratica, Moricone und Percille, 11. Graf von Valinfreda, 11. Baron von Cropalati, 11. Herr von Scarpa, Edelmann von Rom, Patrizier von Venedig, Neapel und Genua, Herr von … (noch elf weitere Titel)“. Sein ältester Sohn Flavio (* 1902) hieß zu Lebzeiten des Vaters nur „12. Fürst von Sulmona“. Prinz Livios Bruder Rodolfo durfte sich nur „Prinz von Nettuno“ nennen. Von den italienischen Fürsten- und Herzogsfamilien haben bis heute etwa 25 überlebt.
Adlige Rangstufen in Italien
Nach der Entstehung des Königreiches Italien unter dem Haus Savoyen, das seine Wurzeln im Herzogtum Savoyen, einem feudalen Territorialstaat des arelatischen Teils des Heiligen Römischen Reiches hatte und sich lange Zeit über später französische, schweizerische und italienische Gebiete erstreckte, kam nordeuropäische Adelstradition auch in die adelsrechtlich und -historisch bislang anders strukturierten Teile Italiens.
1861 wurde der alte Adel bestätigt und neuer durch Adelsbriefe nach den üblichen Rangstufen kreiert, wobei die Vorschläge für gewöhnlich von der Regierung unterbreitet wurden. Beispiele für in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg geadelte Personen sind etwa Armando Diaz (1921 als Duca della Vittoria), Paolo Thaon di Revel (1921 als Duca del Mare), Gabriele D’Annunzio (1924 als Principe di Montenevoso) sowie Guglielmo Marconi (1924 als Marchese Marconi). Adelsverleihungen wurden bis zur Abschaffung der Monarchie im Jahre 1946 vorgenommen. Die Italienische Republik schaffte 1946 den Adel ab, toleriert aber den Gebrauch von Titeln auch in amtlichen Dokumenten.
Die Rangstufen waren ähnlich wie in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Österreich, Spanien: Fürst (Principe), Herzog (Duca), Markgraf (Marchese), Graf (Conte), Baron (Barone) und (Nobile) geregelt durch den § 6 Art. 39 des „Regolamento per la consulta Araldica“. Wegen der hohen Zahl der betitelten Adligen im alten Stadt- und Landadel hat sich ein „Kleinadel“ kaum entwickeln können bzw. trug er - für seine Besitzverhältnisse - vergleichsweise hohe Titulaturen. Die zwei höchsten Titel des Herzogs und Fürsten waren nur nach dem Recht der Erstgeburt zusammen mit dem Majorat vererbbar, die jüngeren Söhne nahmen die Titel von anderen Gütern der Familie. Das war eine grundlegende Veränderung des italienischen Erbrechts, nach dem alle Kinder gleichberechtigt erbten, wie es freilich noch heute vor allem in Süditalien praktiziert wird, was allerdings zu Besitzzersplitterung und häufig zum Verfall historischer Bausubstanz führt.
Adel in San Marino
Die kleine Republik San Marino verlieh noch in den 1970er Jahren Adelstitel, weniger an Inländer als an Ausländer für „Verdienste um den Staat“.
Die venezianischen Nobilhòmini
Nicht mit dem traditionellen Adel vergleichbar sind die sogenannten venezianischen Nobili, die präzise Nobilhòmo (Venexian: Nobilòmo oder Nobiluomo) genannt werden müssen.
In den ältesten Urkunden aus dem 9./10. Jahrhundert wird die Führungsschicht der Republik Venedig im dogado als nobiles, nobiliores, magnates, maiores, tribuni bezeichnet, denen die mediocres et minores gegenüberstehen. Teilnehmer an politischen Beratungen des Dogen kommen in Urkunden als boni homines vor, wobei offenbar nicht alle tribuni oder nobil(ior)es sind, d. h. zum Teil aus einer breiten Schicht von Aufsteigerfamilien stammen, deren Reichtum in Venedig allein aus Kaufmannstätigkeit zu erklären ist.[9] Schon in den frühen Zeiten der Besiedelung der Lagune waren die nobiles am Handel, vor allem mit Byzanz, beteiligt. Durch Handel im 10. Jahrhundert reich gewordene Familien waren im 11. Jahrhundert etablierte Mitglieder der Oberschicht. Im 12. Jahrhundert gab es eine nicht unbedeutende Venezianische Kaufmannsschicht, aus der die zu Nobili aufgestiegenen homines novi (bzw. case nuove) kamen. Eine Chronik aus dem 14. Jahrhundert nennt zu Nobili gewordene Geschlechter des 13. Jahrhunderts einfach populares veteres oder antiqui(ores). Mit der sogenannten serrata, der Schließung des Großen Rates, schlossen die etablierten Familien Venedigs Emporkömmlinge von den Regierungsgeschäften aus,[10] während erwachsene, rechtsfähige Männer, die eine Abstammung aus den alten Familien nachweisen konnten und im Libro d’Oro eingetragen waren, bei Erreichen der entsprechenden Alterslimite Mitglied im Venezianischen Parlament, dem Großen Rat, wurden.
Wohl weil man Angehörige der Führungsschichten bis ins 19. Jahrhundert hinein in Europa nur als „adelig“ denken konnte und die venezianischen Nobilhòmini gern Ebenbürtigkeit mit dem europäischen Adel beanspruchten und sich entsprechend darstellten – eine grandiose historische Mimikry –, werden sie in der deutschsprachigen Literatur weithin als Adlige bezeichnet. Sie sind aber nicht mit europäischen Adligen, auch nicht mit italienischen vergleichbar, sondern sie waren städtische Patrizier und Kaufleute, und zwar aus jenen Familien, die zum venezianischen Parlament, dem Großen Rat, seinen Gremien und Regierungsämtern zugelassen waren und die den Dogen und alle anderen Regierungsbeamten aus ihren Reihen wählten. Sie unterschieden sich ansonsten nicht von den reichen venezianischen Kaufmannsfamilien (Cittadini), die nach der Schließung des Großen Rates 1297 keinen Zugang mehr in ihn hatten. Sie entwickelten daher eine Eigenständigkeit und ein Selbstbewusstsein, das jedem König ein Dorn im Auge sein musste, waren sie doch keine Lehnshintersassen eines Monarchen, auch wenn sie gelegentlich an ausländischen Höfen nobilitiert wurden oder Rangerhöhungen erfuhren. Daher setzten Napoléon und die Habsburger Kaiser während ihrer Herrschaft über Venedig alles daran, aus den venezianischen Nobilhòmini Vasallen zu machen. Kaiser Franz I. von Österreich hatte nach der Wiederinbesitznahme Venedigs als Königreich Lombardo-Venetien das Wort Nobilòmo abermals unter Strafe gestellt, wie es schon 1798 geschehen war. Nach dem Anschluss Venetiens an das Königreich Italien 1866 galten auch hier die italienischen Adelstitel.
siehe auch: Patriziato (Venezia) (in Italienisch)
Gegenwart
Der Adelsstand in Italien wurde mit der Monarchie 1946 staatsrechtlich abgeschafft (mit Ausnahme des Päpstlichen Adels, der von der Republik Italien anerkannt wird). Die Adelspartikel de, di etc. wurden zu Namensbestandteilen (wie in Deutschland 1919), nicht aber die Rangbezeichnungen (Barone, Visconte, Conte, Marchese, Principe, Duca). Diese werden aber - wie es auch im historischen österreichischen Adel üblich ist oder im deutschen mit den abgeschafften Primogeniturtiteln - von den Familien inoffiziell noch geführt und in der Öffentlichkeit allgemein verwendet. Teilweise finden sie sogar wieder Eingang in offizielle Dokumente (Behördenanschreiben etc., hierin, wie in vielem, ist man in Italien weniger rigide als im Norden). Das Standesbewußtsein ist bis heute noch sehr ausgeprägt und es gibt in allen Landesteilen Vereinigungen und Clubs der Aristokratie.
Die äußerst vielfältige Gestalt der Adelstraditionen Italiens ist ein in Europa einmaliges Phänomen: der städtisch-kaufmännisch geprägte Norden, der nepotisch geprägte einstige Kirchenstaat sowie die jahrhundertelange, rückständig-feudale Fremdherrschaft im Süden. Interessant ist auch, daß in Italien die lateinische Annalen- und Urkundstradition der Antike ungebrochen fortbestand, sodaß die schriftliche Überlieferung oft weit länger zurückreicht als im Rest Europas. Dadurch gibt es in Italien noch häufiger Adelsgeschlechter, die schon vor der ersten Jahrtausendwende dokumentiert sind, eine historische „Reichweite“, die in Deutschland nur die Welfen, die Reginare (das Haus Hessen) und die Wettiner aufbringen. Solche noch existierenden Familien aus dem frühen Mittelalter sind die Aleramiden, Caetani, Caracciolo, Colonna, Frangipani, Gherardesca, Malaspina, Marescotti, Massimo, Orsini, Sanseverino oder Ventimiglia.
Siehe auch
Literatur
- Heinrich Benedikt: Kaiseradler über dem Apennin. Die Österreicher in Italien 1700–1866. Wien/ München 1964.
- Gabriele B. Clemens, Malte König, Marco Meriggi (Hrsg.): Hochkultur als Herrschaftselement. Italienischer und deutscher Adel im langen 19. Jahrhundert. Berlin/ Boston 2011.
- Oliver Thomas Domzalski: Politische Karrieren und Machtverteilung im venezianischen Adel (1646–1797). Sigmaringen 1996.
- Enciclopedia Italiana di Szienze, Letteri et Arti, Band XXIV, Roma MDCCCCXXXVI – XIII.
- Markus Fuchs: Legende – Amt – Endogamie. Ein Porträt des venezianischen Adels von den Anfängen bis ins 16. Jahrhundert. Seminararbeit. 2004.
- Dieter Girgensohn: Kirche, Politik und adelige Regierung in der Republik Venedig zu Beginn des 15. Jh. Göttingen 1996.
- Volker Hunecke: Der venezianische Adel am Ende der Republik 1646–1797. Demographie, Familie, Haushalt. Tübingen 1995.
- Hagen Keller: Adelsherrschaft und städtische Gesellschaft in Oberitalien (9.–12. Jahrhundert). Tübingen 1979.
- Peter Kunz: Nürnberg und Venedig: Gegenseitige Einflüsse und Parallelismen in zweieuropäischen Adelsrepubliken. Saarbrücken 2009.
- Marion Lühe: Der venezianische Adel nach dem Untergang der Republik (1797–1830). Köln 2000.
- Marco Meriggi: Der lombardo-venezianische Adel im Vormärz. In: Armgard Rehden-Dohna, Ralph Melville (Hrsg.): Der Adel an der Schwelle des bürgerlichen Zeitalters 1780–1860. Stuttgart 1988, 1998, S. 225–236.
- Margarete Merores: Der venezianische Adel. Ein Beitrag zur Verfassungsgeschichte. In: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Band XIX/1926, S. 193–237.
- Margarete Merores: Der große Rat von Venedig und die sogenannte Serrata vom Jahre 1297. In: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Band XXI/1928, S. 33–113.
- Gerhard Rösch: Der venezianische Adel bis zur Schließung des Großen Rates. Sigmaringen 1989, Stuttgart 2001.
- Volker Reinhardt (Hrsg.): Die großen Familien Italiens. Stuttgart 1992.
Einzelnachweise
- ↑ So beherrschten die Malaspina ursprünglich große Teile der ligurischen Küste, zersplitterten sich dann aber stark und wurden schließlich von den Küstenstädten entmachtet oder verdrängt.
- ↑ Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder. München 1992, S. 288.
- ↑ Francesco Pericoli Ridolfini: Titoli Nobiliari Pontifici. 1963.
- ↑ So die ursprünglich normannischen Chiaramonte, Paternò, Filangieri oder Gravina.
- ↑ So die ursprünglich spanischen Montcada, De Spucches oder Stagno.
- ↑ So die ursprünglich französischen Del Balzo.
- ↑ So etwa die Alliata aus Pisa oder die Imperiali aus Genua.
- ↑ Die Einheirat einer Neureichen in den sizilianischen Hochadel schildert der Roman Il Gattopardo von Giuseppe Tomasi di Lampedusa, ein unübertroffenes Sittengemälde jenes Standes im 19. Jahrhundert.
- ↑ Reinhard Heynen: Zur Entstehung des Kapitalismus in Venedig. Berlin/ Stuttgart 1905. (Reprint: o.Oo.J 2012); Gerhard Rösch: Der venezianische Adel bis zur Schließung des Großen Rates. Sigmaringen 1989, Stuttgart 2001.
- ↑ Die serrata war Ergebnis einer längeren Entwicklung und ist erst im 14. Jahrhundert im Wesentlichen abgeschlossen. 1297 wurde der Große Rat in seiner Mitgliederzahl erheblich erweitert und es wurden zunächst Listen von für den Großen Rat wählbare Personen aufgestellt, die zunächst keineswegs zwingend von früheren Ratsmitgliedern abstammen mussten. Am 19. Juli 1314 wurde beschlossen, dass sich jeder, der in den Großen Rat gewählt werden will, in die von der Quarantia (Gerichtshof) geführten Listen einzutragen hat. Am 8. Januar 1317 wurde eine Revision dieser Listen beschlossen und für unberechtigte Eintragungen eine hohe Geldstrafe festgelegt. Erst am 16. September 1323 wurde geklärt, dass zum Großen Rat zugelassen war, dessen Vater oder Großvater im Großen Rat gesessen hatte. Erst am 31. August 1506 wurde die Eintragung der Kinder der ratsfähigen Familien in ein Geburtsregister (Libro d’oro di nascita) geregelt und seit dem 26. April 1526 gibt es das Libro d’oro dei matrimonio, in dem die Eheschließungen der Mitglieder des Großen Rates verzeichnet wurden. Diese beiden handschriftlich geführten Listen wurden – dann als „Goldenes Buch“ (Libro d’Oro) bezeichnet – erst im 18. Jahrhundert gedruckt: Nomi, cognomi, età de’ veneti Patrizi viventi, e de’ genitori loro defonti matrimoni, e figli d’essei nel Libro d’oro registrati (1714 bis 1758 in 19 Auflagen), Protogiornale per l’anno ad uso della Serenissima Dominante Città di Venezia (ab 1759), Nuovo Libro d’oro che contiene i nom,i e l’età de’ Veneti Patrizi (1797).