Als Aids-Dissidenten (passender "HIV-Dissident" oder "HIV-Kritiker") werden Personen bezeichnet, die den Zusammenhang zwischen der Infektion durch HI-Viren und der Krankheit Aids in Frage stellen. Stattdessen sehen sie in Aids ein komplexes Krankheitsbild, das durch verschiedene, zum Teil altbekannte Immunschwächekrankheiten hervorgerufen werden kann. Als eigentliche Ursachen vermuten sie z.B. Drogenmissbrauch (z.B. Heroin und Kokain) [1], die Einnahme von stark toxischen Medikamenten wie die Anti-HIV-Substanz AZT sowie auch Unterernährung (vor allem in Bezug auf AIDS in Afrika). Andere Gruppen, die im weiteren Sinne dem AIDS-Dissidententum zugerechnet werden können, wie z.B. die Vertreter der Germanischen Neuen Medizin, leugnen sogar die gesamte Existenz humanpathogener Viren und Bakterien.
Zu den bekannteren Vertretern gehören beispielsweise Kary Mullis, Chemie-Nobelpreisträger und Erfinder der Polymerase-Kettenreaktion und der Retrovirologe Peter Duesberg, Institutsleiter an der Universität Berkeley und Entdecker der Retroviren (zu denen auch HIV gezählt wird). Er war 2001 Mitglied der vom südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki eingesetzten Aids-Kommission.
Die Kritiker der ausschließlich viralen Aids-Erklärung haben sich in der Group for the Scientific Reappraisal of the HIV-Aids Hypothesis (Gruppe für die wissenschaftliche Überprüfung der HIV-Aids-Hypothese) zusammengefunden.
In einem weiteren Sinn gehören dazu auch Prominente und Mitglieder von Bürgerbewegungen, die den HIV-AIDS-Zusammenhang für unglaubwürdig halten, so beispielsweise die Künstlerin Nina Hagen, der deutsche Arzt Heinrich Kremer und Bob Owen. In gewissen Sinne zählt auch Serge Lang dazu, wobei es ihm vor allem um die Art und Weise geht, wie die Diskussion um die Ursachen von AIDS von HIV-Forschern und Wissenschaftsjournalisten geführt, oder häufig auch unterdrückt werde.
Kritiken
Kritiken an der HIV-These
Zweifel an der These, dass HIV die (alleinige) Ursache von AIDS ist, Zweifel daran, dass man mit den derzeitigen HIV-Tests auf die AIDS-Ursache testet und Zweifel an der Wissenschaftlichkeit der HIV-Forschung im allgemeinen werden durch folgende Feststellungen genährt [2]:
- Die Zahl der HIV-Infizierten in Amerika liegt seit der Verfügbarkeit von HIV-Antikörpertests bei nahezu konstant einer Million. Eine Ausbreitung oder ein Abklingen wie bei einer Virusepidemie ist nicht zu erkennen.
- AIDS hat sich entgegen der Prognosen nicht in der allgemeinen Bevölkerung verbreitet, also über die ursprünglichen Risikogruppen Drogensüchtige, Homosexuelle und Bluter hinaus. Das ist untypisch für eine Infektion.
- 80% der AIDS-Kranken in der westlichen Welt sind Männer. Die ungleiche Verteilung zwischen den Geschlechtern ist untypisch für Virenerkrankungen.
- In Afrika ist das, was als AIDS klassifiziert wird, zwischen Geschlechtern gleichverteilt. Es gibt andere Indikatorkrankheiten und in der Bangui-Definition ist im Gegensatz zur CDC-Definition kein HIV-Test erforderlich. Ist es sinnvoll zwei so unterschiedliche Erscheinungen und unterschiedliche Definitionen unter "AIDS" zusammenzufassen?
- Die Centers for Disease Control and Prevention schlüsseln seit 1997 nicht mehr auf, welche Risikofaktoren mit welchen AIDS-Indikatorkrankheiten korrelieren. Da HIV-Antikörpertests erst seit 1984 existieren und offiziell von einer HIV-Inkubationszeit von etwa 10 Jahren gesprochen wird, konnte man bis 1997 die HIV-AIDS-Korrelation gar nicht so genau untersuchen. Seit 1997 ist es schwerer geworden, andere Ursachen zu untersuchen, weil die CDC-Statistik keine Auskunft mehr über die konkret aufgetretenen Indikatorkrankheiten gibt. Bis 1997 zeigte die Statistik jedoch, dass die Inhalation von Nitriten (Poppers) und anderen psychoaktiven Drogen mit dem Kaposi-Sarkom korrelierte, Tuberkulose und bakterielle Lungenentzündungen waren eher bei Konsumenten intravenöser Drogen und Crack (Kokain)-Rauchern feststellbar und Bluter und Empfänger von Bluttransfusionen in den USA und Europa waren die einzigen Gruppen mit Lungenentzündung und Hefepilz-Infektionen.
- Der Western-Blot-Test, der bislang als sicherer Zweittest nach einem positiven Elisa-Test eingesetzt wurde, hat sich als nicht reproduzierbar herausgestellt und ist in England bereits nicht mehr zugelassen. [3]
- Die T-Helferzellenzahl, welche als Indikator für den Zustand des Immunsystems angesehen wird, hängt davon ab, wo sich die T-Helferzellen gerade im Körper konzentrieren, außerdem von der Tageszeit der Entnahme der Blutprobe, vom vorherigen Nikotin- und Alkoholgenuss des Patienten, der Transportdauer und der Temperatur der Probe auf dem Weg zum Labor und dem Labor selbst. Sie ist also ebenfalls praktisch nicht reproduzierbar.
- Statt am Gesundheitszustand eines Patienten wird der Erfolg einer Therapie an scheinbar objektiveren Kriterien wie der T-Helferzellenzahl und der "Viruslast" gemessen. [4]
Kritische Interpretation der offiziellen Aussagen über HIV und AIDS
Es ist ein offenes Geheimnis, dass Dinge nicht immer so gesagt werden, wie sie gemeint sind. In Arbeitszeugnissen steht "X hat sich bemüht die Aufgabe Y zu erledigen" für "X war nicht in der Lage, die Aufgabe Y zu erledigen", in Anträgen auf Forschungsgelder steht "Die Voruntersuchungen dazu, ob sich Problem Y mit Methode X lösen lässt, waren vielversprechend, zeigen jedoch den Bedarf an weitergehender Forschung." für "Die Methode X lässt sich nicht auf Problem Y anwenden, aber es soll weiterhin probiert werden." (Vgl. Siegfried Bär: "Forschen auf Deutsch", ISBN 3817116837) Von daher erscheint es zweckmäßig, die gängigen Aussagen über HIV und AIDS auf alternative Interpretationen abzuklopfen.
- "HIV ist ein extrem wandlungsfähiges Virus." könnte auch heißen "Es wurden die verschiedensten Viren oder virenähnliche Objekte in AIDS-Patienten entdeckt. Eine eindeutige Ursache konnte nicht gefunden werden."
- "Von der HIV-Infektion bis zum Ausbruch von AIDS können zehn Jahre vergehen." könnte heißen "Zwischen HIV und AIDS konnte kein klarer Zusammenhang hergestellt werden, aber in zehn Jahren könnten viele Dinge passieren, die Immunschwäche auslösen."
- "Drogensüchtige stecken sich über verunreinigte Spritzen an." könnte heißen "Drogen selbst erzeugen Immunschwäche." (Medikamente zur Schwächung des Immunsystems werden gezielt in der Transplantationsmedizin eingesetzt, um Organabstoßungen zu verhindern.)
- "HIV wird schnell resistent gegenüber antiviralen Medikamenten." [5] oder "Eine HIV-Infektion lässt sich nicht heilen, aber lange Zeit medikamentös in Schach halten." könnte heißen "Die HIV-Medikamente sind wirkungslos."
- "In der westlichen Welt dominiert HIV-1 und in Afrika HIV-2" [6] könnte heißen "AIDS in der westlichen Welt und AIDS in Afrika sind zwei verschiedene Phänomene, die sich schwerlich unter einem Begriff zusammenfassen lassen."
- "In Afrika gibt es zusätzlich zur HIV-Therapie Lebensmittel, weil die Medikamente nur bei ausreichender Ernährung verträglich sind." (bdw 2006-03, Thomas Willke: "AIDS - Afrikanische Lösungen", Seite 23) könnnte heißen "Durch die Lebensmittel überwinden Afrikaner die Mangelernährung, die eigentliche Ursache für ihr Leiden."
- "Bei fünf Anti-HIV-Pillen pro Tag darf sich ein Patient etwa einen Fehler in zwei Wochen leisten." und "Unter den afrikanischen Heilpflanzen sind einige, die mit den antiviralen Wirkstoffen interagieren und deren Wirkungsweise verändern." (bdw 2006-03) könnte heißen "Die Einnahmevorschriften sind so streng, dass man praktisch automatisch irgendwann einen Fehler begeht. Wenn der Patient aber an den Nebenwirkungen der HIV-Medikamente leidet, kann man das stattdessen mit den Fehlern bei der Medikamenteneinnahme erklären."
Kritik am Umgang mit HIV-Kritiken und -Kritikern
Als Reaktion auf Fälle wissenschaftlichen Fehlverhaltens hat die DFG im Januar 1998 den Leitfaden "Vorschläge zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis" herausgegeben. In diesem wird von Wissenschaftlern erwartet, "alle Ergebnisse konsequent selbst anzuzweifeln". Von HIV-Forschern dagegen werden Ergebnisse, die die HIV-AIDS-These stützen, nicht nur nicht angezweifelt, sondern sie lehnen plausible alternative Erklärungen unbesehen ab und diffamieren überdies HIV-Kritiker. Schon dieser häufig anzutreffende unwissenschaftliche Umgang mit konkurrierenden Thesen verdient mehr öffentliche Aufmerksamkeit, ganz unabhängig davon, ob die HIV-AIDS-These zutrifft oder nicht.
Eine Reihe von Kritiken bezüglich der HIV-AIDS-These betreffen also nicht die These selbst, sondern die Art und Weise, wie die These verteidigt wird.
- Häufig werden Verlautbarungen über von HIV verschiedene AIDS-Ursachen einfach nicht veröffentlicht. Nicht nur das, Nature-Redakteur John Maddox äußerte sich sogar stolz über diese Vorgehensweise. Zitat: Der Spiegel, 1994/45, Seite 229: "Der Spiegel: Wissenschaftler werfen Ihnen vor, Nature übe mit seinem Gutachtersystem zuviel Macht aus. Informationen würden gefiltert ... Maddox: ... sogar zensiert! Wir haben uns zum Beispiel geweigert, die These von Peter Duesberg zu veröffentlichen, nicht HIV sondern Drogenkonsum sei die Ursache von AIDS."
- Für Untersuchungen von von HIV abweichenden Ursachen werden keine Forschungsgelder bewilligt. So beantragte zum Beispiel der Retrovirologe Peter Duesberg zusammen mit dem Toxikologen Otto Raabe am 30.08.1993 beim National Institute on Drug Abuse (NIDA) Gelder für eine Studie, welche direkt Drogen und HIV-Infektion als Auslöser für AIDS miteinander vergleichen sollte. Dieser Antrag wurde unter anderem von Science-Redakteur Daniel Koshland unterstützt. Der Antrag wurde unter fadenscheinigen Gründen abgelehnt. So äußerte sich etwa ein Gutachter dahingehend, dass die früheren Gutachter schon gute Gründe gehabt haben werden, um den Antrag abzulehnen (bei Lang "Reviewer 3" in der zweiten Gutachtenrunde). Science berichtete weder über die Existenz noch die Ablehnung des Antrages. (siehe Serge Lang: Challenges, oder To Fund or not To Fund, that is the Question: Proposed Experiments on the Drug-AIDS Hypothesis) Am Mangel an Vergleichsstudien hat sich bislang nichts geändert. [7]
- Die Diskussion über die Ursachen von AIDS gleitet leicht ins Persönliche ab. So schreibt Richard Horton, Redakteur von The Lancet am 08.08.1996, dass Duesberg sich doch selbst mit HIV infizieren könne, wenn er an die Ungefährlichkeit von HIV glaube. (siehe Lang: Challenges, Seite 707) Natürlich würde ein Selbstversuch nichts beweisen, und außerdem hat Duesberg lediglich eine Gegenthese aufgestellt und nicht "ernsthaft geglaubt", dass HIV unschädlich sei. Weiter werden häufig HIV-Kritiker pauschal als Duesberg-Anhänger bezeichnet, obwohl die Diskussion unter HIV-Kritikern kontrovers ist. Beispiele: BdW 2000/08, "Südafrikas Sonderweg gegen AIDS", Seite 103; Siegfried Schwarze: Getretener Quark wird breit nicht stark oder Science vom 09.12.1994, The Duesberg phenomenon von Jon Cohen, einem Science-Redakteur der im Namen von Science schreibt, siehe auch Serge Lang: Challenges, Seite 648.
- Manche HIV-AIDS-Befürworter behaupten, dass allein die Diskussion um alternative Ursachen von AIDS gefährlich sei, weil sie Menschen zu leichtsinnigem Verhalten anstiften würde. (siehe Lang: "Challenges", The dangerous territory argument, Seite 704; oder: BdW 2000/08, Thomas Niemann: "Südafrikas Sonderweg gegen AIDS", Seite 103, oder Axel Boldt: Two Answers to HIV-AIDS skeptics) Unter der Voraussetzung, dass die HIV-AIDS-These stimmt, ist es natürlich unverantwortlich, etwas anderes zu behaupten. Aber die Diskussion dreht sich gerade darum, ob die HIV-AIDS-These zutrifft. Wäre sie falsch, würde sich der Vorwurf umkehren: Wenn die HIV-These nicht stimmt, aber Mediziner trotzdem auf eine nebenwirkungsreiche HIV-Therapie drängen, dann ist das ebenfalls verantwortungslos.
- Als Laie, der um Klärung der Pro- und Kontra-Argumente in der HIV-AIDS-Debatte bittet, wird man von HIV-AIDS-Befürwortern häufig nicht ernst genommen und erhält Auskünfte wie, dass zum Verständnis der Diskussion um die Ursachen von AIDS ein Biologie- oder Medizinstudium notwendig sei. Dahingegen haben Verhütungskampagnen gegen AIDS kein Problem damit, Laien die AIDS-Grundlagen zu erklären und auch HIV-AIDS-Kritiker können ihre Kritiken allgemeinverständlich formulieren.
Schwerpunkte
Die HIV-Kritiken und auch die Gegenthesen sind sehr vielfältig. Beispielsweise erachtet Duesberg die Nachweise für HIV als ausreichend, hält HIV allerdings für eine Begleiterscheinung der Immunschwäche, wohingegen Papadopulos-Eleopulos den Nachweis für die Existenz eines viralen Erregers von AIDS als lückenhaft erachtet. Hier ein Überblick über verschiedene Thesen der Diskussion um die Ursachen der Immunschwächeerkrankung. AIDS soll im folgenden für AIDS-Indikatorkrankheit stehen, im Gegensatz zur Definition des Centers for Disease Control and Prevention, welche auch einen positiven HIV-Befund voraussetzt.
- AIDS ist eine komplexe Erscheinung mit vielfältigen Ursachen und entsprechend vielfältigen Behandlungsmöglichkeiten und kann nicht auf eine einzige Ursache reduziert werden
- HIV existiert und verursacht möglicherweise AIDS, aber der Nachweis dafür ist noch nicht erbracht
- HIV existiert und verursacht möglicherweise AIDS, aber nur zusammen mit anderen Risikofaktoren
- HIV verursacht AIDS nicht, sondern AIDS wird durch andere Infektionen verursacht
- HIV verursacht AIDS nicht, AIDS ist nicht infektiös
- HIV verursacht AIDS nicht, sondern es wird durch eine Kombination von infektiösen und nicht-infektiösen Auslösern verursacht
- HIV ist ein harmloses Retrovirus, welches häufig im Zusammenhang mit AIDS-Risikofaktoren auftritt
- HIV existiert nicht
- AIDS-Indikatorkrankheiten können häufig ohne Virusmedikamente behandelt und geheilt werden
- HIV-Medikamente, wie AZT, zerstören häufig das Immunsystem und verursachen damit die Symptome, die sie vermeiden oder zumindest reduzieren sollen.
Einig sind sich hingegen AIDS-Kritiker darin, dass es die Indikatorkrankheiten gibt und dass sie gefährlich sind.
Literatur
- Torsten Engelbrecht, Claus Köhnlein: Virus-Wahn, ISBN 3891891474
- Michael Leitner: Mythos HIV: Eine kritische Analyse der AIDS-Hysterie. Absurde Statistiken, schlampige Virusnachweise, untaugliche Tests und illegale Medikamente. Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Heinz Ludwig Sänger. Niebüll, Verlag videel, 2001. ISBN 3935111282
- Peter Duesberg, Kary Mullis (Vorwort): Inventing the AIDS Virus, Regnery Publishing, 1997, ISBN 0895263998
- Serge Lang: Challenges, Springer, ISBN 0387948619
Weblinks
Deutsch
- RethinkingAIDS.de
- AIDS-KRITIK.DE
- AIDS-INFO.NET
- Stellungnahme des Robert-Koch-Instituts zur Kritik der Perth Group, einer Untergruppe der Group for the Scientific Reappraisal of the HIV-Aids Hypothesis (PDF-Datei)
Englisch