Preußen
Preußen (lat.: Borussia, Prussia oder Prutenia; poln. Prusy; russ.: Prussija), ursprünglich das Gebiet des baltischen Volksstamms der Pruzzen, später eines der Länder des Deutschen Ordens, seit dem 16. Jahrhundert Herzogtum der Hohenzollern unter polnisch-litauischer Lehenshoheit und seit 1701 souveränes Königreich, bildete von 1871-1945 ein Land des Deutschen Reiches.
Allgemeines
Der Name Preußen bezog sich im Spätmittelalter nur auf die außerhalb der deutschen Reichsgrenzen gelegenen Gebiete zwischen Hinterpommern und Kurland, die den späteren Provinzen West- und Ostpreußen entsprachen. Seit 1466 waren diese Gebiete zwischen dem König von Polen und dem Deutschen Orden bzw. den hohenzollernschen Herzögen von Preußen aufgeteilt. Im 18. Jahrhundert setzte sich allmählich der Gebrauch des Landesnamens Preußen für alle von den Hohenzollern regierten Territorien durch, also auch für jene, die innerhalb des Heiligen Römischen Reiches lagen. Nach 1866 erstreckte sich das Königreich - seit 1918 der Freistaat - Preußen über nahezu ganz Norddeutschland und nahm etwa zwei Drittel der Fläche des Deutschen Reiches ein. Von preußischem Gebiet waren einige kleinere Staaten wie z.B. Schaumburg-Lippe, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz und viele andere, umschlossen. Preußische Haupt- und Residenzstädte waren im Laufe der Zeit Königsberg (das heutige Kaliningrad), Berlin und Potsdam.
Seine größte Bedeutung erlangte Preußen im 18. Jahrhundert, als es unter der Regierung Friedrichs II. des Großen zur zweiten deutschen und fünften europäischen Großmacht aufstieg, und im 19. Jahrhundert, als es unter dem Ministerpräsidenten und späteren Reichskanzler Otto von Bismarck zur treibenden Kraft der deutschen Einigung wurde.
Mit Preußen verbinden sich bis heute die - von der protestantischen Moral geprägten - so genannten "preußischen Tugenden", wie Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Sparsamkeit, Bescheidenheit, Ehrlichkeit, Fleiß, Duldsamkeit, Geradlinigkeit, Durchhaltevermögen, Selbstverleugnung usw. Nach dem Selbstverständnis der Preußen trugen sie maßgeblich zum Aufstieg ihres Landes zur europäischen Großmacht bei. Allerdings war die Betonung dieser (Sekundär-)Tugenden selbst innerhalb Preußens nicht unumstritten (vgl. Artikel preußische Tugenden).
Die Landesfarben Preußens, schwarz und weiß, leiteten sich von dem mit einem schwarzen Kreuz bestickten weißen Mantel der Ritter des Deutschen Ordens her. (Ihre Kombination mit dem Weiß-Rot Lübecks, des kleinsten Mitgliedstaats des Deutschen Reiches, ergab nach 1871 die schwarz-weiß-rote Flagge des Kaiserreichs.) Der Wappenspruch Preußens lautete seit der Reformation Suum cuique (dt.: Jedem das Seine).
Geschichte
Zur Vor- und Frühgeschichte sowie zur Geschichte des Ordensstaates siehe unter Ostpreußen.
Brandenburg-Preußen
Brandenburg-Preußen, das spätere Königreich Preußen, entstand im Wesentlichen aus zwei Landesteilen: Aus der Mark Brandenburg, die zu den sieben Kurfürstentümern des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gehörte, und aus dem zeitweise unter polnischer Lehenshoheit stehenden Herzogtum Preußen, das aus dem Ordensstaat hervor gegangen war. Beide Gebiete wurden in Personalunion unter den Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg vereinigt, als diese 1618 die herzoglich-preußische Linie der Hohenzollern beerbten.
Das Kurfürstentum Brandenburg hatte Kaiser Sigismund 1415 dem Burggrafen von Nürnberg, Friedrich von Hohenzollern, zu Lehen gegeben, nachdem das zuvor regierende Fürstenhaus der Askanier ausgestorben war.
Das Herzogtum Preußen ging aus dem Staat der Deutschordensritter hervor. Deren Hochmeister Albrecht von Brandenburg-Ansbach, der ebenfalls aus dem Haus Hohenzollern stammte, schloss sich auf Anraten Luthers der Reformation an und wandelte den Ordensstaat in ein erbliches Herzogtum um. Wie der Herrscher wurde auch die Bevölkerung evangelisch. Seit 1466 war der Ordensstaat nicht mehr souverän gewesen, sondern unterstand der Lehenshoheit der polnischen Krone. Daher leistete Albrecht auch für das neue Herzogtum dem polnischen König Sigismund I. am 8. April 1525 in Krakau den Lehenseid.
Nach dem Erlöschen der preußischen Linie der Hohenzollern fiel das Herzogtum an ihre nächsten Verwandten, die Kurfürsten von Brandenburg. Diese waren damit sowohl dem deutschen Kaiser als auch der polnischen Krone lehenspflichig. Brandenburg-Preußen blieb bis zum Vertrag von Wehlau (1657) ein politisch zweigeteiltes Staatswesen: Brandenburg war Teil des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation, Preußen ein polnisches Lehen.
Im Dreißigjährigen Krieg stand Brandenburg auf der Seite der evangelischen Union. Weite Teile des Landes wurden damals verwüstet und entvölkert. Kurfürst Friedrich Wilhelm I. (1640 bis 1688), später der "Große Kurfürst" genannt, betrieb daher nach dem Krieg eine vorsichtige Schaukelpolitik zwischen den Großmächten, um sein wirtschaftlich und militärisch schwaches Land zu entwickeln. Er führte wirtschaftliche Reformen durch, baute ein schlagkräftiges Heer auf, entmachtete die Stände zugunsten einer absolutistischen, Zentralverwaltung und holte Tausende aus Frankreich vertriebener Hugenotten ins Land. Er erwarb 1648 Hinterpommern, das restliche Ravensberger Land um Minden und Halberstadt sowie 1680 Magdeburg.
Außer dem stehenden Heer stärkte Friedrich Wilhelm auch die Kurbrandenburgische Marine. Er bemühte sich frühzeitig um den Erwerb von Kolonien in Westafrika und Westindien, hatte mit diesen Plänen aber erst gegen Ende seiner Regentschaft ab etwa 1680 Erfolg. So wurde 1683 die Festung Groß-Friedrichsburg im heutigen Guinea gegründet, die bis 1727 bestand.
Unter Kurfürst Friedrich Wilhelm I. wurde Brandenburg-Preußen das nach Österreich mächtigste Land im Reich. Als infolge schwedisch-polnischer Auseinandersetzungen Polen geschwächt war, konnte er 1657 im Vertrag von Wehlau das Herzogtum Preußen aus der polnischen Oberhoheit lösen. Im Frieden von Oliva von 1660 wurde die Souveränität des Herzogtums endgültig anerkannt. Dies war eine entscheidende Voraussetzung für seine Erhebung zum Königreich unter dem Sohn des Großen Kurfürsten.
Königreich Preußen
Gründung des Königreichs
Rang, Reputation und Prestige eines Fürsten waren in der Zeit des Absolutismus wichtige politische Faktoren. Dem prunkliebenden Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg kam daher die Tatsache sehr gelegen, dass das Herzogtum Preußen seit 1660 keiner anderen Krone mehr unterstand, also souverän war. Das ermöglichte es ihm, dessen Erhebung zum Königreich und seine eigene zum König anzustreben. Mit Zustimmung des römisch-deutschen Kaisers krönte er sich als Friedrich I. am 18. Januar 1701 in Königsberg eigenhändig zum König in Preußen. Die einschränkende Titulatur (in Preußen) war nötig, weil die Bezeichnung als "König von Preußen" als Herrschaftsanspruch auf das gesamte preußische Gebiet verstanden worden wäre. Da das Ermland und Westpreußen damals aber noch polnisch waren, hätte dies Konflikte mit Polen heraufbeschworen.
Seit 1701 bürgerte sich der Gebrauch der Landesbezeichnung "Königreich Preußen" für alle von den Hohenzollern regierten Gebiete - ob innerhalb oder außerhalb der Reichsgrenzen - ein.
siehe auch: Liste der preußischen Könige
Der Soldatenkönig
Der Sohn Friedrichs I., Friedrich Wilhelm I. (1713-1740) war weniger prunkliebend als sparsam und praktisch veranlagt. Der "Soldatenkönig" gilt als der eigentliche Schöpfer des preußischen Beamtentums und des stehenden Heers, das er zu einem der schlagkräftigsten in ganz Europa ausbaute. Zudem siedelte er über 20.000 Salzburger, protestantische Glaubensflüchtlinge, im dünn besiedelten Ostpreußen und weitere in anderen Landesteilen an. Von Schweden erwarb er 1720 Vorpommern bis zur Peene.
Friedrich II. der Große
Am 31. Mai 1740 bestieg sein Sohn Friedrich II. ("Friedrich der Große") den Thron. Als Kronprinz eher der Philosophie und den schönen Künsten zugeneigt, ließ er noch in seinem ersten Regierungsjahr die preußische Armee in Schlesien einmarschieren, auf das die Hohenzollern umstrittene Ansprüche erhoben. In den drei Schlesischen Kriegen (1740-1763) gelang es ihm, die Eroberung gegen Österreich zu behaupten, im letzten, dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) sogar gegen eine Koalition aus Österreich, Frankreich und Russland. Dies war nicht nur der Beginn der preußischen Großmachtstellung in Europa, sondern auch des preußisch-österreichischen Dualismus im Reich.
In den letzten 23 Jahren seiner Herrschaft bis 1786 förderte Friedrich II. den Landesausbau und die weitere Besiedelung brandenburgisch-preußischer Gebiete, etwa des Oderbruchs. Er schaffte die Folter ab, führte die Schulpflicht ein, schuf das Allgemeine preußische Landrecht und lockte mit der Gewährung völliger Glaubensfreiheit weitere Glaubensflüchtlinge ins Land. Nach seinen eigenen Worten sollte in Preußen "jeder nach seiner Fasson selig werden" können.
Gemeinsam mit Österreich und Russland betrieb Friedrich die Zerstückelung Polens. Bei der ersten polnischen Teilung 1772 fielen Westpreußen, der Netzedistrikt und das Fürstbistum Ermland an Friedrich II., so dass er sich nun König von Preußen nennen konnte. Bereits 1744 war auch Ostfriesland preußisch geworden.
Die Politik gegenüber Polen wurde von Friedrich Wilhelm II. (1786 - 1797) fortgesetzt. Bei der 2. und 3. Teilung Polens (1793 und 1795) sicherte sich Preußen weitere polnische Gebiete bis nach Warschau.
Zusammenbruch und Reformen
Unter Friedrich Wilhelm III. (1797 - 1840) beteiligte sich Preußen an den Koalitionskriegen gegen das revolutionäre Frankreich. Doch in der Schlacht von Jena und Auerstädt 1806 erlitt Preußen eine vernichtende Niederlage gegen die Truppen Napoleons I.. Die Königsfamilie floh vorübergehend nach Memel, der Staat verlor 1807 im Frieden von Tilsit etwa die Hälfte seines Gebietes und musste ein Bündnis mit Frankreich eingehen.
Der Zusammenbruch Preußens hatte eine Erneuerung des Staates unumgänglich gemacht. Mit den Stein-Hardenbergschen Reformen unter Leitung von Freiherr vom Stein, Scharnhorst und Hardenberg wurde die Leibeigenschaft der Bauern aufgehoben (1807), das Bildungswesen neu gestaltet sowie die allgemeine Wehrpflicht und die Selbstverwaltung der Städte eingeführt (1808).
Nach der Niederlage Napoleons in Russland, kündigte Preußen das Bündnis mit Frankreich auf und beteiligte sich ab 1813 in den sogenannten Freiheitskriegen an der anti-französischen Koalition. Preußische Truppen unter Marschall Blücher trugen in der Schlacht von Waterloo 1815 entscheidend zum endgültigen Sieg über Napoleon bei.
Das während der Freiheitskriege seinem Volk gegebene Versprechen, dem Land eine Verfassung zu geben, löste Friedrich Wilhelm III. jedoch nie ein. Statt dessen rief er zusammen mit dem Zaren von Russland und dem Kaiser von Österreich die Heilige Allianz ins Leben, die auf die Unterdrückung aller Demokratiebestrebungen in Europa abzielte.
Auf dem Wiener Kongress 1815 erhielt Preußen beinahe sein altes Staatsgebiet zurück, zudem den Rest Vorpommerns, Westfalen, den nördlichen Teil des Königreichs Sachsen und die Rheinprovinz. Es behielt zwar die Provinz Posen, verlor jedoch Gebiete der 2. und 3. polnischen Teilung an Russland. Preußen bestand seither aus zwei großen, aber räumlich getrennten Länderblocks in Ost- und Westdeutschland. Es wurde Mitglied des Deutschen Bundes, des losen Verbandes der deutschen Staaten unter österreichischer Führung, der von 1815 bis 1866 existierte. 1834 wurde das Land Mitglied des Deutschen Zollvereins.
Märzrevolution und Industrialisierung
Der Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IV. (1840 - 1861) weckte zunächst die Hoffnungen der Liberalen. Doch die anhaltend reaktionäre Politik führte schließlich zur Märzrevolution von 1848. Der König beugte sich zunächst scheinbar den Forderungen der Revolutionäre. Aber 1849 lehnte er die Kaiserkrone ab, die ihm die Frankfurter Nationalversammlung angetragen hatte. Damit war die Revolution und mit ihr die Einigung und Demokratisierung Deutschlands gescheitert. 1850 erhielt Preußen eine vom König oktroyierte Verfassung.
Im Zuge der Industrialisierung wurden eine Anzahl von Wasserwegen und Kanälen gebaut, welche quer durch Deutschland den Westen mit dem Osten verbanden. Im Oberland West- und Ostpreußens entstand der Oberländischer Kanal, der die Ostsee und Elbing im Norden mit Masuren im Süden verband. In den 1860er Jahren wurde der Bau der Ostbahn begonnen, die von Berlin über Thorn und Königsberg bis zur Ostgrenze führte und bis zum Zweiten Weltkrieg eine der Hauptverkehrsachsen Preußens bildete.
Verfassungskonflikt um die Heeresreform
Wilhelm I., der schon 1858 die Regentschaft für seinen nach mehreren Schlaganfällen regierungsunfähigen Bruder Friedrich Wilhelm IV. übernommen hatte, bestieg 1861 den preußischen Thron. Mit Kriegsminister Roon strebte er eine Heeresreform an, die längere Dienstzeiten und eine Aufrüstung der preußischen Armee vorsah. Die liberale Mehrheit des Preußischen Landtags, dem das Budgetrecht zustand, wollte die dafür nötigen Gelder jedoch nicht bewilligen. Es kam zu einem Verfassungskonflikt, in dessen Verlauf der König die Abdankung in Erwägung zog. Als letzten Ausweg entschloss er sich 1862, Otto von Bismarck als Ministerpräsident zu berufen. Dieser war ein vehementer Befürworter des königlichen Alleinherrschaftsanspruchs und regierte jahrelang gegen Verfassung und Parlament und ohne gesetzlichen Haushalt.
Die Einigungskriege
Aus der Erkenntnis heraus, dass die preußische Krone nur dann Rückhalt im Volk gewinnen könne, wenn sie sich an die Spitze der deutschen Einigungsbewegung setzte, führte Bismarck Preußen in drei Kriege, die König Wilhelm die deutsche Kaiserkrone einbrachten:
Deutsch-Dänischer Krieg 1864: Der König von Dänemark war in Personalunion Herzog von Schleswig-Holstein. Das Teilherzogtum Holstein gehörte aber zum Deutschen Bund. Der Versuch der Kopenhagener Regierung, Holstein in den dänischen Gesamtstaat einzugliedern, führte 1864 unter der Führung Preußens und Österreichs zum Krieg des Deutschen Bundes gegen das nördliche Nachbarland. Nach ihrem Sieg musste die dänische Krone auf Schleswig und Holstein verzichten. Beide Herzogtümer wurden nun von Preußen und Österreich gemeinsam verwaltet.
Deutscher Krieg 1866: Der Anlass diese Krieges waren Konflikte zwischen Österreich und Preußen um die Verwaltung und die Zukunft Schleswig-Holsteins. Die tiefere Ursache war jedoch das Ringen um die Vorherrschaft in Deutschland. Auf der Seite Österreichs standen die mitteldeutschen Staaten, auf Seiten Preußens neben einigen norddeutschen Staaten auch Italien. Nachdem preußische Truppen unter Moltke am 3. Juli 1866 in der Schlacht von Königgrätz den entscheidenen Sieg errungen hatten, verlor Österreich seine Vormachtstellung und schied aus Deutschland aus. Der Friede von Prag am 23. August 1866 brachte Preußen das Königreich Hannover, Hessen-Kassel, das Nassau, die freie Stadt Frankfurt und ganz Schleswig-Holstein ein. Damit waren nun fast alle preußischen Gebiete miteinander verbunden. An die Stelle des Deutschen Bundes trat 1867 der kleinere, von Preußen dominierte Norddeutsche Bund, dessen Verfassung in wesentlichen Punkten die des Deutschen Reiches vorweg nahm. Die süddeutschen Staaten mussten Bündnisverträge mit Preußen eingehen.
Deutsch-französischer Krieg 1870-1871: Bismarck spitzte den Streit mit Frankreich um die spanische Thronkandidatur eines katholischen Hohenzollernprinzen bewusst zu (siehe auch Emser Depesche), um die Regierung Napoleons III. zu einer Kriegserklärung zu provozieren. Dies stellte für die süddeutschen Staaten Bayern, Württemberg und Baden den Bündnisfall dar. Nach dem raschen Sieg traten sie dem Norddeutschen Bund bei. Damit war das Deutsche Reich in genau der kleindeutschen Version gegründet worden, die schon die Nationalversammlung von 1848 angestrebt hatte. Noch in Versailles wurde Wilhelm I. am 18. Januar 1871 - genau 170 Jahre nach der Königskrönung Friedrichs I. - zum Deutschen Kaiser proklamiert.
Im Kaiserreich
Preußen war flächenmäßig und wirtschaftlich das bedeutendste Land im neuen deutschen Kaiserreich. Der König von Preußen war zugleich Deutscher Kaiser, der preußische Ministerpräsident zugleich Reichskanzler. Der Ministerpräsident und Kanzler musste aber nicht mehr unbedingt Preuße sein, wie im Fall von Chlodwig von Hohenlohe-Schillingsfürst. Preußen ging von 1871 an ebensosehr in Deutschland auf, wie Deutschland preußische Züge annahm, von denen sich die Hochschätzung alles Militärischen noch als fatal erweisen sollte.
Auf Wilhelm I. folgten im März 1888 für nur 100 Tage der schwerkranke Friedrich III. und schon im Juni des gleichen Jahres Wilhelm II. auf den Thron. Bis zum Sturz des Kaisereichs in der Novemberrevolution von 1918 blieben preußische und Reichspolitik aufs engste miteinander verbunden.
(siehe auch: Deutsches Reich
Freistaat Preußen
Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg, der Revolution von 1918 und der Abdankung Kaiser Wilhelms auch als König von Preußen, wurde der Freistaat Preußen proklamiert, der 1920 eine demokratische Verfassung erhielt.
Die im Vertrag von Versailles festgelegten Gebietsabtretungen Deutschlands betrafen bis auf das Reichsland Elsaß-Lothringen ausschließlich preußisches Territorium: Eupen-Malmedy ging an Belgien, der Norden Schleswigs an Dänemark, Oberschlesien und Westpreußen an Polen. Danzig wurde Freie Stadt unter Verwaltung des Völkerbunds. Ostpreußen hatte keine Landverbindung mehr mit dem übrigen Deutschen Reich und konnte nur per Schiff (Seedienst Ostpreußen) oder per Bahn durch den Polnischen Korridor erreicht werden.
Von 1919 bis 1932 regierten in Preußen Regierungen der Weimarer Koalition (SPD, Zentrum und DDP), 1921 bis 1925 um die DVP erweitert. Anders als in einigen anderen Ländern des Reichs war die Mehrheit der demokratischen Parteien bei Wahlen in Preußen nie gefährdet.
In einem Staatsstreich, dem sogenannten Preußenschlag, setzte jedoch die Reichsregierung unter Kanzler Franz von Papen am 20. Juli 1932 die Preußische Landesregierung unter dem langjährigen Ministerpräsidenten Otto Braun (SPD) per Verordnung ab. Die Macht im Freistaat übernahm Papen als Reichskommissar für Preußen. Der Staatsapparat begrüßte diese Übernahme. Aber damit war nun die wichtigste Landesregierung im Reich entmachtet, die noch eindeutig demokratisch-republikanisch ausgerichtet war. Der Preußenschlag hat die Machtergreifung Hitlers ein halbes Jahr später entscheidend erleichtert.
Das Ende Preußens
1933 nach der Machtergreifung Hitlers wurde Hermann Göring preußischer Ministerpräsident. Damit standen den Nationalsozialisten von Anfang an die Machtmittel der preußischen Landesregierung zur Verfügung, vor allem die Polizeikräfte. Seit Mitte 1933 wurden auch alle übrigen deutschen Länder im nationalsozialistischen Einheitsstaat durch einen Reichsstatthalter zentral von Berlin aus regiert. Das "Reichsstatthaltergesetz" von 1935 hob die Selbständigkeit der Länder auch formell auf.
1945 mit dem Ende der Zeit des Nationalsozialismus, der Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen und der Abtretung aller Gebiete östlich von Oder und Neiße hörte Preußen faktisch auf zu bestehen. Der Alliierte Kontrollrat verfügte durch das Gesetz Nr. 46 vom 25. Februar 1947 das Ende des preußischen Staats, da er "Hort des deutschen Militarismus" gewesen und damit für den Ersten und Zweiten Weltkrieg verantwortlich gewesen sei. (Siehe hierzu auch Kriegsschulddebatte). Diese Sichtweise verkennt jedoch, dass zumindest der Nationalsozialismus seinen Ursprung nicht in Preußen hatte, dass das Land auf eine lange rechtsstaatliche Tradition zurückblicken konnte und als Freistaat in der Weimarer Republik bis zum Preußenschlag ein Bollwerk der Demokratie gewesen war.
Aufteilung Preußens
Die östlich von Oder und Lausitzer Neisse gelegenen Gebiete wurden von Polen und der Sowjetunion annektiert. Der nördliche Teil Ostpreußens kam unter sowjetische, das Ermland, Masuren und die übrigen preußischen Besitzungen bis zur Oder-Neiße-Linie unter polnische Verwaltung. Der größte Teil der dort lebenden deutschen Bevölkerung ( ungefähr 10 Millionen Menschen) floh oder wurde vertrieben. Die bei Deutschland verbliebenen Teile Preußens wurden auf verschiedene Länder aufgeteilt. In der DDR wurden diese 1952 zugunsten einer Gliederung in Bezirke abgeschafft, im Zuge der Wiedervereinigung aber wiederhergestellt, darunter das Land Brandenburg und das Land Sachsen-Anhalt (entspricht ungefähr der Provinz Sachsen).
Verwaltungsgliederung Preußens
Im Laufe seiner Geschichte haben sich die Grenzen des Staates Preußen mehrfach verändert. 1701 krönte sich Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg zum König (Friedrich I.) in Preußen. Der Titel galt jedoch zunächst nur für das Herzogtum Preußen (dem späteren Ostpreußen). Mit Friedrich II. nannten sich dann jedoch alle Herrscher in Brandenburg-Preußen "König von Preußen", so dass ab jenem Zeitpunkt von einem Staat mit dem Namen "Preußen" gesprochen werden kann. Anfang des 18. Jahrhunderts bestand das Königreich Preußen aus den Landesteilen Brandenburg, Pommern, Preußen, Geldern, Kleve, Moers, Krefeld, Tecklenburg, Lingen, Minden, Mark, Ravensberg, Lippstadt, Magdeburg, Halberstadt, Neuenburg und Valangin. 1713 wurden die Landesteile in Provinzen zusammen gefasst bzw. unterteilt. Es bestanden forthin die Provinzen Mittel-, Ucker- und Altmark, Neumark-Pommern-Kassuben, Preußen, Geldern-Kleve, Minden-Mark-Ravensberg, Magdeburg-Halberstadt, Neuenburg (Land) und Valangin (Land). 1740 wurden die Provinzen in Kriegs- und Domänekammern überführt bzw. neu gegliedert, die sich im Laufe der folgenden Jahrzehnte mehrmals veränderten, als weitere Gebiet zu Preußen kamen. Nach dem Wiener Kongress 1815 wurde der Staat Preußen in 10 Provinzen eingeteilt (in Klammer die Hauptstadt), die mit Ausnahme von Ostpreußen, Westpreußen und Posen dem Deutschen Bund beitraten:
- Brandenburg (Potsdam)
- Ostpreußen (Königsberg)
- Westpreußen (Danzig)
- Pommern (Stettin)
- Schlesien (Breslau)
- Posen (Posen)
- Jülich-Kleve-Berg (Köln)
- Großherzogtum Niederrhein (Koblenz)
- Westfalen (Münster)
- Sachsen (Magdeburg)
1822 wurden die Provinzen "Kleve-Berg" und "Großherzogtum Niederrhein" zur Rheinprovinz (Hauptstadt Koblenz) und 1829 wurden Ost- und Westpreußen zur "Provinz Preußen" (mit der Hauptstadt Königsberg) vereinigt. Damit verringerte sich die Zahl der Provinzen auf acht. 1849 verzichteten die Fürsten von Hechingen und Sigmaringen auf ihre Herrschaft und so gelangten diese beiden Fürstentümer zum Staat Preußen. Sie wurden zum Regierungsbezirk Sigmaringen zusammen gefasst, der später auch als "Hohenzollerische Lande" bezeichnet wurde. 1853 erwarb der Staat Preußen vom Staat Oldenburg einen Landstrich an der Jade, auf welchem ein Hafen angelegt wurde. (1869 erhielt dieses Gebiet zusammen mit der umliegenden Siedlung den Namen Wilhelmshaven und wurde der 1867 gebildeten Provinz Hannover angegliedert). 1866 annektierte der Staat Preußen das Königreich Hannover, das Kurfürstentum Hessen, das Herzogtum Nassau, die Fürstentümer Schleswig und Holstein sowie die Freie Stadt Frankfurt am Main. Aus diesen Gebieten wurden drei Provinzen gebildet (somit bestand Preußen aus elf Provinzen):
- Hannover (Hannover)
- Hessen-Nassau (Kassel)
- Schleswig-Holstein (Kiel, 1879-1917 Schleswig)
1878 wurde die Provinz Preußen wieder in zwei Provinzen "Ostpreußen" und "Westpreußen" aufgeteilt, so dass sich die Zahl der Provinzen auf 12 erhöhte.
Nach dem Ersten Weltkrieg verlor Preußen einige seiner Gebiete und wurde Freistaat. Die Provinz Posen wurde nahezu ganz an Polen abgetreten. Die Provinz Westpreußen kam überwiegend an Polen und an die Freie Stadt Danzig. Nur der östliche Teil Westpreußens blieb bei Preußen und wurde der Provinz Ostpreußen angegliedert. Die ebenfalls bei Preußen verbleibenden restlichen Gebiete von Posen und Westpreußen wurden 1922 zu einer neuen (zweigeteilten) Provinz vereinigt, die den Namen "Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen" erhielt. Inzwischen waren 1919 die Provinz Schlesien in zwei Provinzen "Niederschlesien" und "Oberschlesien" aufgeteilt worden und ein Jahr später 1920 schied Berlin aus dem Provinzialverband Brandenburg aus und bildete eine eigene Provinz. Somit bestand der Freistaat Preußen ab 1922 aus folgenden 13 Provinzen (in Klammern finden sich die Gebietskörperschaften, die sich heute auf dem Gebiet der jeweiligen Provinzen befinden):
- Berlin (Bundesland Berlin, Deutschland)
- Brandenburg (Bundesland Brandenburg, Deutschland und Teil der Woiwodschaft Lebus, Polen)
- Hannover (Teil des Bundeslandes Niedersachsen, Deutschland)
- Hessen-Nassau (Teile der Bundesländer Hessen und Rheinland-Pfalz, Deutschland)
- Ostpreußen (Kaliningrader Oblast, Russland; Woiwodschaft Ermland-Masuren und Teil der Woiwodschaft Pommern, Polen)
- Pommern (Teil des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland, Woiwodschaft Westpommern, Polen)
- Grenzmark Posen-Westpreußen (Teil der Woiwodschaft Großpolen, Polen)
- Rheinprovinz (Teile der Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, Deutschland)
- Sachsen (Teil des Bundeslandes Sachsen-Anhalt, Deutschland)
- Niederschlesien (Woiwodschaft Niederschlesien und Teil der Woiwodschaft Lebus, Polen; Teil des Bundeslandes Sachsen, Deutschland)
- Oberschlesien (Teil der Woiwodschaft Schlesien, Woiwodschaft Oppeln, Polen)
- Schleswig-Holstein (Bundesland Schleswig-Holstein, Deutschland)
- Westfalen (Teil des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, Deutschland)
sowie die so genannten
- Hohenzollerischen Lande (Teil des Bundeslandes Baden-Württemberg, Deutschland)
1938 wurden die beiden schlesischen Provinzen wieder vereinigt und die Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen aufgelöst. Ihr Gebiet wurde auf die Nachbarprovinzen Pommern, Brandenburg und Schlesien aufgeteilt. Somit bestand Preußen bis zu seiner formellen Auflösung 1947 nur noch aus 11 Provinzen (bzw. 12 Provinzen, wenn man Schlesien ab 1941 wieder als zwei Provinzen betrachtet).
Siehe auch: Portal Preußen, Deutschland, Geschichte Polens, Kaliningrader Oblast (Russland)
Weblinks
Literatur
- Marion Gräfin v. Dönhoff: Preußen - Maß und Maßlosigkeit
- dies.: Namen, die keiner mehr nennt
- Bernt Engelmann, Preußen. Land der unbegrenzten Möglichkeiten, München 1979
- Joachim Fernau: Sprechen wir über Preußen. Die Geschichte der kleinen Leute
- Sebastian Haffner, Preußen ohne Legende
- Klaus Herdepe: Die Preußische Verfassungsfrage 1848, (= Deutsche Universitätsedition Bd. 22) ars et unitas : Neuried 2003, 454 S., ISBN 3-936117-22-5
- Charles Higounet, Die deutsche Ostsiedlung im Mittelalter, München 1990
- Preussen. Chronik eines deutschen Staates. Herausgegeben von Wolfgang Ribbe und Hansjürgen Rosenbauer. (= Begleitbuch zur gleichnamigen sechsteiligen Fernsehreihe, produziert von den ARD-Sendeanstalten ORB, SFB und WDR), Nicolaische Verlagsbuchhandlung - Berlin 2000, S. 288, zahlreiche Abb., ISBN 3-87584-023-2
- Leopold von Ranke, Preußische Geschichte. 4 Bde., München 1965
- Hans-Joachim Schoeps, Preussen: Geschichte eines Staates. Bilder und Zeugnisse, Frankfurt/M. Berlin 1992
- Eberhard Straub, Eine kleine Geschichte Preußens, Berlin 2001