Zeitpfeil
Unter einem Zeitpfeil versteht man eine Gesetzmäßigkeit, die zwischen Vergangenheit und Zukunft unterscheidet.
Der psychologische Zeitpfeil
Der psychologische Zeitpfeil beschreibt unsere subjektive Unterscheidung zwischen vergangenen und zukünftigen Ereignissen. Wir können uns an die Vergangenheit erinnern, aber nicht an die Zukunft. Zukunft wird zur Vergangenheit, nicht umgekehrt (selbst wenn wir etwas vergessen, wird es dadurch nicht mehr zur Zukunft).
Der historische Zeitpfeil
Die Geschichte wird anhand von Dokumenten rekonstruiert. Dokumente findet man grundsätzlich nur von Vorgängen der Vergangenheit, nicht von Vorgängen der Zukunft. Wenn ein Archäologe Reste einer Stadt ausgräbt, so kann er daraus schließen, dass an besagter Stelle einst eine Stadt stand. Von einer Stadt, die an dieser Stelle in Zukunft stehen wird, kann er keine Rest ausgraben.
Der thermodynamische Zeitpfeil
Der thermodynamische Zeitpfeil beruht auf dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik: Die Zukunft ist die Zeitrichtung, in die die Entropie zunimmt. Ein interessanter Punkt ist, daß dieser Zeitpfeil im thermodynamischen Gleichgewicht nicht existiert: Für einen Gleichgewichtszustand gibt es keine thermodynamisch definierte Vergangenheit und Zukunft; der Gleichgewichtszustand ist sozusagen zeitlos.
Der kosmologische Zeitpfeil
Das Universum hat mit dem Urknall begonnen und dehnt sich seither aus. Ob es sich bis in alle Ewigkeit ausdehnen wird, ist nicht sicher bekannt, derzeit sieht es jedoch danach aus. Somit kann man die vergangene Zeit an der Größe des Universums ablesen: Die Zukunft ist die Richtung des größeren Universums.
Aber selbst wenn sich das Universum wieder zusammenzieht, sieht der alte, zusammenstürzende Kosmos anders aus als der frühe, expandierende: Er enthält ausgebrannte Sterne, die z.T. in schwarze Löcher zusammengestürzt sind, und schwere Elemente, die in Supernova-Explosionen entstanden sind. Somit kann man auch an der Zusammensetzung des Universums sein Alter, und damit die Zeitrichtung ablesen.
Die CP-Verletzung
Während auf makroskopischer Ebene der Unterschied zwischen Vergangenheit und Zukunft allgegenwärtig ist, galt für die mikroskopischen Gesetze der Materie bisher stets, dass diese zeitumkehrinvariant waren: Wenn ein Vorgang vorwärts ablaufen kann, dann kann er genausogut auch rückwärts ablaufen, sofern nur die Voraussetzungen gegeben sind. Zum Beispiel bedeutet die Tatsache, dass ein angeregtes Atom unter Aussendung eines Photons in den Grundzustand zerfallen kann, daß auch der umgekehrte Vorgang, die Anregung eines Atoms im Grundzustand durch ein absorbiertes Photon, über denselben Mechanismus möglich ist.
Nun haben aber Messungen an bestimmten Elementarteilchen, den so genannten Kaonen, eine Verletzung der so genannten CP-Invarianz ergeben. Diese besagt, dass für jeden Prozess in Materie auch der spiegelverkehrte Prozess in Antimaterie existiert und in gleicher Weise abläuft.
Die Verletzung der CP-Invarianz ist an dieser Stelle interessant wegen des CPT-Theorems, welches besagt, daß für jeden Prozess mit Materie der gespiegelte und zeitumgekehrte Prozess mit Antimaterie in gleicher Form abläuft. Dieses Theorem ist relativ grundlegend und wird daher normalerweise nicht in Zweifel gezogen. Wenn aber das CPT-Theorem gilt, so bedeutet eine Verletzung der CP-Invarianz auch eine Verletzung der Zeitumkehrinvarianz.
Somit kann die beobachtete CP-Verletzung ein Hinweis darauf sein, daß auch die fundamentalen Gesetze der Physik einen Unterschied zwischen Vergangenheit und Zukunft kennen.