Die epische Form Fabel
Der Ausdruck Fabel bezeichnet eine in Vers oder Prosa verfasste Erzählung mit belehrender Absicht,in der vor allem Tiere,aber auch Pflanzen,Dinge oder fabelhafte Mischwesen menschliche Eigenschaften besitzen (Personifikation).Die Dramatik der Fabelhandlung zielt auf eine Schlusspointe hin,an die sich meist eine allgemeingültige Moral anschließt.
Geschichte
Altertum
Fabeln zählen zum volkstümlichen Erzählgut. Bekannt sind die Indien|altindische Fabelsammlung Panchatantram,sowie die Fabeln des Arabers Lokman. Als Schöpfer der europäischen Fabel gilt Äsop,dessen Werk über Phaedrus,Babrios und Avianus Eingang in das Mittelalter|mittelalterliche Europa fand.
In der Antike wird die Fabel nicht als Literaturgattung|literarische Gattung angesehen,sie ist eher den niederen Schichten zugehörig und wird höchstens als Rhetorik|rhetorisches Element verwendet.So schreibt Aristoteles in einer rhetorischen Schrift über Beispiele in Reden und nennt die Fabel (als fingierte Beispiele) und das historische Ereignis.Die älteste überlieferte Fabel findet sich bei Hesiod.Beispiele für die Verwendung in der lateinischen Literatur finden sich bei: Horaz (serm. 2. 6. 79ff.): "Die Fabel von der Haubenlerche" und Livius (2. 32. 8ff.): "Die Fabel vom Magen und von den Gliedern".
Erst Phaedrus schreibt Fabelbücher, die vor allem durch eine Prosabearbeitung, den Romulus-Corpus,verbreitet werden.
Deutsche Fabeln
Als ältester Fabeldichter in deutscher Sprache kann der mittelhochdeutsche Dichter Der Stricker gelten, dessen Werke ab Mitte des 13. Jahrhunderts definiert werden. Die älteste Fabelsammlung ist wohl Ulrich Boners Edelstein (etwa 1324). Die Fabelliteratur etabliert sich vor allem im Zeitalter des Humanismus,so nutzt auch Martin Luther|Luther nach eigener Aussage die Fabel, um im "lustigen Lügenkostüm" Wahrheiten zu verbreiten, die die Menschen normalerweise nicht hören wollen. Wichtige Fabeldichter sind Hans Sachs,Jean de La Fontaine, Jean-Pierre Claris de Florian],Christian Fürchtegott Gellert oder Magnus G. Lichtwer.Gotthold Ephraim Lessing bildet gemeinhin den Abschluss der klassischen deutschen Fabeltradition.Er nutzt die Fabel im Sinne der [Zeitalter der Aufklärung|Aufklärung,wobei er durch geringfügige Änderungen des Inhalts zu neuen Nutzanwendungen gelangt.In Russland ist Iwan Krylow der bedeutendste Fabeldichter. Der Franzose La Fontaine (1621-1695) ersetzt die allzu belehrenden Fablen und die damit verloren gegangene Einfalt und Natürlichkeit durch geistigen Witz und spielerische Anmut.
In den 1950er Jahren tut vor allem James Thurber (Fabels of Our Time, New York 1940; New Fables of Our Time, New York 1956) viel zur Wiederbelebung der seit dem Biedermeier marginalisierten Gattung. In Deutschland unternimmt Hartwig Stein (IN DUBIO PRO LEOne. Fünfzig Fabeln für Verwachsene, Norderstedt 2005) derzeit einen ähnlichen Versuch, indem er den klassischen Tierkreis mit dem ökonomischen Krisenzyklus kurzschließt, altbekannte Topoi und Konflikte konsequent modernisiert und kulturkritisch modifiziert.
Charakteristische Merkmale einer Fabel
- Im Mittelpunkt der Handlung stehen oft Tiere, denen die Menschen bestimmte Eigenschaften zuschrieben.
- Die Tiere handeln, denken und sprechen wie Menschen.
- Die Fabel will belehren und unterhalten (fabula docet et delectat).
- Nach Lessing soll die Fabel einen allgemeinen moralischen Satz auf einen besonderen Fall zurückführen und an diesem dann in Form einer Geschichte darstellen.
- Die Personifikation der Tiere dient dem Autor häufig als Schutz vor Bestrafung o.Ä., denn er übt keine direkte Kritik.
- Häufiges Fabelthema sind auch Ständeordnungen.
Typischer Aufbau einer Fabel
- Promythion - vorangestellte Nutzanwendung /Lehre
- Ausgangssituation der Handlung
- Auslösung der Handlung (actio, Rede, 1. Handlungsteil)
- Reaktion des Betroffenen (reactio, Gegenrede, 2. Handlungsteil)
- Ergebnis der Handlung (eventus)
- Epimythion - Nachgestellte Nutzanwendung /Moral
Die einzelnen Teile sind nicht alle in jeder Fabel enthalten, da die Lehre bzw. Moral manchmal gar nicht explizit genannt wird, damit der Leser sie selbst herausfindet oder weil sie so offensichtlich ist. Wenn sie genannt wird, so kann sie am Anfang (Promythion) oder am Ende (Epimythion) der Fabel stehen. Die Fabel dient im ersten Fall als plastische Verdeutlichung einer Lehre, im häufiger vorkommenden zweiten Fall ist sie die Geschichte, die den Leser auf ein Problem stößt. Dann kann die gleiche Fabel auch unterschiedliche Nutzanwendungen haben, zum Beispiel bei Aesop und Lessing.