Prager Fenstersturz

Wikimedia-Begriffsklärungsseite
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 24. Juni 2004 um 10:15 Uhr durch 217.185.84.117 (Diskussion) (sprache:it). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Fensterstürze waren im Mittelalter und in der frühen Neuzeit nicht unüblich. Sie stellten eine Form dar, die irgendwo zwischen Lynchjustiz (oft mit vorangehender formeller "Verurteilung" durch die Ausführenden), Gottesurteil und gemeinschaftlich begangenem Mord steht. Mit Prager Fenstersturz (auch Defenestration) werden drei bedeutsame Ereignisse der tschechischen Geschichte in Prag bezeichnet:

Erster Prager Fenstersturz

Der Erste Prager Fenstersturz steht am Anfang der Hussitenkriege: Am 30. Juni 1419 stürmten Hussiten das Neustädter Rathaus in Prag, um dort gefangene Glaubensgenossen zu befreien. Dabei warfen sie die katholischen Ratsherren aus dem Fenster, die dann von der wartenden Menge aufgespießt wurden.

Zweiter Prager Fenstersturz

Der wohl bekannteste Prager Fenstersturz ist der zweite Prager Fenstersturz: Nach dem Tod des Habsburgers Rudolf II. wurde die Glaubensfreiheit (siehe Religionsfreiheit) in Böhmen von seinem Bruder Matthias immer weiter eingeschränkt.

Unzufriedene protestantische Adlige zogen am 23. Mai 1618 auf die Prager Burg und warfen nach einer improvisierten Gerichtsverhandlung die in der Hofkanzlei anwesenden – katholischen – kaiserlichen Statthalter Jaroslav von Martinic und Vilem Slavata aus einem Fenster im 2. Stock, anschließend warfen sie noch den Schreiber Johannes Fabricius hinterher. Alle 3 überlebten, weil sie – so heißt es – auf einen Misthaufen unter dem Fenster fielen. Der Schreiber Fabricius wurde später geadelt und erhielt den Namenszusatz "von Hohenfall".

Dieses Defenestrieren war eine härtere Version des Werfens eines Fehdehandschuhs, eine Kriegserklärung an den Kaiser. Der Fenstersturz markierte den Beginn des Aufstands der böhmischen Protestanten gegen die katholischen Habsburger und wird oft als Anfang des dreißigjährigen Krieges bezeichnet.

Dritter Prager Fenstersturz

Der nichtkommunistische tschechoslowakische Außenminister Jan Masaryk (Sohn des Staatsgründers Tomáš Garrigue Masaryk) stürzte am 10. März 1948 aus dem Fenster und starb dabei. Nach offizieller Darstellung beging er Selbstmord, aber die Gerüchte, dass es sich um einen Mord durch die kommunistische Geheimpolizei handelte, verstummten bis heute nicht.