Politische Gemeinde im Bezirk Dielsdorf, Kanton Zürich, Schweiz.
Fläche: 964 ha; Einwohnerzahl: 1000 Einwohner (2000)
Geografische Lage
W. (zürichdeutsch «Weych» genannt) befindet sich auf ca. 390 m ü.M. in der nordwestlichen Ecke des Zürcher Unterlandes, an der Kantonsgrenze Zürich-Aargau. Der Rhein, der einige hundert Meter nördlich des Dorfes vorbeiströmt und die natürliche Grenzlinie zur Bundesrepublik Deutschland bildet, markiert auch den tiefsten Punkt im Kanton Zürich (332 m ü.M.).
Nachbargemeinden sind, beginnend im Westen im Uhrzeigersinn: Fisibach und das Städtchen Kaiserstuhl (Aargau) im Kanton Aargau, Hohentengen am Hochrhein im Landkreis Waldshut (Bundesland Baden-Württemberg, Bundesrepublik Deutschland), Glattfelden, Stadel b. Niederglatt und Bachs im Kanton Zürich.
Das Dorf W. liegt geschützt zwischen bewaldeten Hügelzügen, in einer lieblichen, bis vor wenigen Jahren dicht mit Obstbäumen bestandenen Mulde eingebettet, die sich nur nach Norden gegen den Rhein hin öffnet. Gut gepflegte Waldungen im Umfang von rund 450 ha bedecken fast die Hälfte des gesamten Gemeindebanns. Grosse Teile des Waldes gehören der Gemeinde.
Geschichte
Dass das Gebiet der heutigen Gemeinde W. schon sehr früh besiedelt war, beweisen archäologische Funde: darunter ein Steinbeil aus der Jungsteinzeit, Gräberfunde wie Bronzespangen und -nadeln sowie ein Dolch aus der Bronzezeit. Mögliche neolithische Höhensiedlungen im Wörndel, Wallanlagen unbekannter Zeitstellung im Aebnet und Wörndel. Frühbronzezeitliche Grabhügel im Hard. An die Römerzeit erinnern zwei Wachtturmfundamente (im Hard gut erhalten und konserviert), die entlang des Rheins als Teil eines Abwehrsystems gegen die von Norden her vordringenden Alemannen errichtet wurden.
Auf das Jahr 1271 ist die älteste heute noch erhaltene urkundliche Erwähnung des Ortes datiert: "in Wiâch". Über die Bedeutung des Namens bestehen unterschiedliche Ansichten: eine ältere Linie vermutete im 19. Jahrhundert einen alemannischen Zusammenhang mit dem Suffix '-aha' für "Bach, Fluss" und 'Wey' als Bezeichnung für die "Weihe", einen kleinen Greifvogel. Die jüngere Linie (20. Jahrhundert) nimmt einen Zusammenhang mit dem gallorömischen '-akos/-acum' an, was eine Deutung als "Landgut des Vejus" erlaubt.
1295 verkaufte Jakob von Wart die niederen Gerichte seines Meierhofs in W. sowie die des Dorfes W. an den Bischof von Konstanz, dem die niedere Gerichtsbarkeit bis zur Auflösung des Fürstbistums mit dem Reichsdeputationshauptschluss 1803 zustand. Im 16. Jahrhundert verpfändete Konstanz seine Rechte zur Hälfte und kaufte sie 1605 wieder zurück.
Die hohen Gerichte gingen 1424 mit der Verpfändung der Grafschaft Kyburg an die Stadt Zürich. 1442 musste Zürich grosse Teile der Grafschaft wieder zurückgeben, behielt jedoch die Gebiete westlich der Glatt, die fortan Obervogtei Neuamt genannt wurden. Die zürcherische Obrigkeit war in W. durch einen Untervogt, der Bischof durch einen Dorfmeier vertreten. Erst in der Helvetik kam W. mit allen Rechten an Zürich. Im Jahre 1798 wurde die Gemeinde dem Distrikt Bülach zugeteilt, nach dem Ende der Mediationsverfassung dem Oberamt Regensberg, das um 1871 zum Bezirk Dielsdorf wurde.
W. gehörte im Mittelalter zur Pfarrei Hohentengen (eigentlich: "Dengen bei der hohen Kirch") und hatte wahrscheinlich schon früh eine Filialkapelle (1594 erstmals erwähnt). Mit der Zürcher Reformation wurde W. aus dem Pfarreiverband herausgelöst, nur die weltlichen Verbindlichkeiten an den Bischof als Inhaber der niederen Gerichtsbarkeit und Grundbesitzer blieben. 1540 verlangten die Dorfbewohner ultimativ nach einem eigenen Leutpriester, den sie auch erhielten, weil die seit 1525 reformierte Zürcher Obrigkeit nicht riskieren wollte, dass ihre Untertanen nach Kaiserstuhl in die katholische Messe gingen. In späteren Jahren wurden mehrfach Einwohner von W. bestraft, weil sie dem Bischof von Konstanz gehuldigt hatten: Ausdruck eines klassischen Machtkampfes zwischen den Inhabern der hohen und der niedern Gerichtsbarkeit.
Als an der Grenze des Zürcher Herrschaftsgebietes gelegener Ort diente W. als Sammelplatz der Unterländer Truppen. Der Friedhof bei der Kirche wurde zu einem militärischen Stützpunkt ausgebaut und auch die Pfarrscheune und das Pfarrhaus in die Befestigung integriert. Die noch gut erhaltenen Schiessscharten in den Friedhofmauern und der Pfarrscheune zeugen von diesen unsicheren Zeiten. Heute sind die konfessionellen Differenzen mit den Nachbarn kein Hindernis mehr zur Zusammenarbeit.
Die 1705/06 erbaute reformierte Pfarrkirche - das Wahrzeichen des Dorfes - wurde mit Hilfe von Bund, Kanton und vielen freiwilligen Spendern letztmals 1967 total renoviert und unter eidgenössischen Denkmalschutz gestellt. Zusammen mit dem Pfarrhaus, der Pfarrscheune, dem Friedhof und dem alten Gemeindehaus bildet die Kirche eine harmonische Baugruppe im Zentrum des Dorfes.
Wirtschaft
Seit Urzeiten waren Viehzucht und Ackerbau die Haupterwerbsquellen der Einwohner. Auch der Weinbau spielte bis ins 19. Jh. eine bedeutende Rolle. Viele Rebbauern führten nebenbei eine kleine Schenke. Das 1719 erstmals urkundlich belegte Gemeindewappen, ein achtstrahliger Stern im blauweissen Zürcher Schild in gewechselten Farben, ist ein Hinweis auf den einzigen obrigkeitlich konzessionierten Gasthof, die alte Taverne «zum Sternen».
Gewerbebetriebe (KMU) prägen das wirtschaftliche Bild der Gemeinde. So gibt es einen Filialbetrieb eines Holzhändlers (Heinrich Benz AG), einen Reifenhändler (Pneu Müller AG), sowie diverse Handwerksbetriebe. Die Schäftenäherei Fruet AG, welche die Schweizer Armee belieferte, musste vor einigen Jahren den Betrieb schliessen.
Ab 1962 entstand ein grossangelegtes Kieswerk (Weiacher Kies AG), dessen Schüttgüterwagen heute den Namen der Gemeinde in die Umgebung hinaustragen. Das Unternehmen ist der einzige Industriebetrieb und grösste Steuerzahler auf Gemeindegebiet. Es ist eine 100%-ige Tochter der Franz Haniel-Gruppe in Duisburg, Deutschland (Fortune-500-Liste 2002: Rank 269). Auf dem Areal der Weiacher Kies AG sind kleinere Betriebe der Baustoffindustrie angesiedelt (FIXIT AG).
In der ersten Hälfte der 1980er-Jahre war W. der Standort einer Sondierbohrung der NAGRA (Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle). Die Bohrung löste heftige Kontroversen aus und war Anlass zur Gründung der Bürgerinitiative WAG (Weiacher Aktionsgemeinschaft). Sie kämpfte gegen eine mögliche Wahl von W. als Endlagerstandort.
In jüngster Zeit ist die Gemeinde aktiv involviert in die Auseinandersetzungen um die Verteilung durch den internationalen Flughafen von Zürich-Kloten verursachten Lärms. Die Gemeinde liegt seit 1970 in der Anflugschneise der Piste 14. Durch ihre Grenzlage wird ihre Nachtruhe von spät startenden Jets gestört, die über dem Gemeindegebiet abdrehen, um den deutschen Luftraum nicht zu verletzen. In der IG NORD, einem Zusammenschluss mehrerer Gemeinden nördlich des Flughafens (UNIQUE Zurich Airport) spielt ein früherer Gemeindepräsident von W. eine massgebende Rolle.
W. konnte seinen Charakter als Bauerndorf bis heute bewahren. An den Sonnenhängen wurden in den letzten Jahren viele Einfamilienhäuser gebaut. Die Erschliessung weiterer Baugebiete ist geplant, was der Gemeinde heute nur noch einen halbagrarischen Charakter verleiht. Der massive Einfluss der Agglomeration Zürich ist allerdings immer stärker spürbar. Viele Einwohner pendeln zur Arbeit in die Grossregion Zürich.
Versorgung mit öffentlichen Diensten
Postdienst ab 1840 nachgewiesen (Boten nach Zürich dürfte es schon früher gegeben haben). In jüngster Zeit musste die Poststelle ums Überleben kämpfen.
1876 Eröffnung der Nordostbahn-Linie Winterthur-Koblenz mit Bahnhof W.-Kaiserstuhl (Haltestelle von den Schweizerischen Bundesbahnen 1995 aufgehoben und nach Kaiserstuhl verschoben).
1877 Trink- und Löschwasserversorgung mit Hausanschlüssen und Hydranten. Das immer noch bestehende System der privaten und öffentlichen Brunnen wird als Notwassernetz weiterbetrieben.
1895 Öffentliche Telefonstation mit Telegrafendienst.
1912 elektrische Hausanschlüsse und Strassenbeleuchtung durch die Elektrizitäts-Genossenschaft W. (EGW). Diese Genossenschaft besteht heute noch. Den Strom liefern die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ).
Nach 1950 sukzessive Erstellung einer Abwasser-Kanalisation, Anschluss an die 1970 gebaute Abwasserreinigungsanlage W.
Postbus-Linie 515 des Zürcher Verkehrsverbundes (ZVV) nach Bülach mit Umsteigemöglichkeit zum Flughafen in Stadel.
Seit einigen Jahren verfügt die Gemeinde über ein Fernwärmenetz, das von einer holzschnitzelbefeuerten Anlage gespiesen wird. Die Holzschnitzel stammen aus dem gemeindeeigenen Wald. Dies ist der wichtigste materielle Beitrag von W. zu einer nachhaltigen Entwicklung im Rahmen der lokalen Agenda 21.
Die Ortsfeuerwehr Weiach ist mit den Wehrdiensten von Stadel und Glattfelden in einem Sicherheitszweckverband zusammengefasst. Das ist umso nötiger, seit im Kanton Zürich die allgemeine Wehrpflicht im Bereich Feuerwehr abgeschafft wurde.
Weblinks
Weiacher Geschichte(n) Lokalhistorische Artikel, Ortsgeschichtliche Dokumentation
Elektrizitätsgenossenschaft Weiach
Sicherheitszweckverband Glattfelden, Stadel, Weiach
Weiacher Kies AG