Heinrich Steinhöwel

deutscher frühhumanistischer Übersetzer und Schriftsteller
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Heinrich Steinhöwel, auch Steinhäuel oder Steinheil (* 1410/1411 in Weil der Stadt; † 1. März 1479 in Ulm) war ein deutscher frühhumanistischer Übersetzer und Schriftsteller.

Heinrich Steinhöwel: Inkunabel, gedruckt in Ulm 1473

Leben

Steinhöwel wurde nach neueren Erkenntnissen 1410 oder 1411 geboren.[1] Er studierte seit 1429 Medizin in Wien, wo er 1436 Magister wurde. Weiter studierte er ab 1438 in Padua und promovierte dort 1443 zum Doktor der Medizin. Schon 1442 war er Rector artistarum in Padua gewesen.

Ab 1444 unterrichtete er an der Universität Heidelberg Medizin. Seit 1446 praktizierte er in seiner Heimatstadt Weil, und 1449 war er Stadtarzt in Esslingen am Neckar. 1450 wurde er Stadtarzt in Ulm, wo er 1479 verstarb. Parallel zu dieser Tätigkeit wirkte er als Leibarzt verschiedener Fürsten, u.a. des Grafen Eberhard von Württemberg und 1454 von Philipps des Guten von Burgund.

In der Übergangszeit von spätem Mittelalter zur Renaissance wuchs auch das Interesse an der klassischen römischen und griechischen Kultur. Steinhöwel war spätestens seit seiner Niederlassung in Ulm Mittelpunkt eines Kreises humanistisch gesinnter Männer (Niklas von Wyle, Antonius von Pforr) und arbeitete auch als Übersetzer aus dem Lateinischen und Herausgeber antiker Texte. Hier arbeitete er eng mit dem Ulmer Drucker Johann Zainer zusammen, der vermutlich mit Steinhöwels finanzieller Unterstützung 1472 eine Erstdruckerei in Ulm einrichtete. Steinhöwel übersetzte unter anderem die metrische Bearbeitung des antiken Romans Apollonius von Tyrus durch Gottfried von Viterbo sowie Werke von Petrarca. Er tat sich besonders als Herausgeber und Übersetzer der Werke von Boccaccio und der Fabeln des Äsop hervor, wobei er sich Verdienste bei der Schaffung einer deutschen Kunstprosa durch relativ freie, sinngerechte Übersetzungen erwarb. Seine Schriften erfreuten sich großer Beliebtheit und erlebten teils zahlreiche Nachauflagen.

Heinrich Steinhöwel hat 1476 eine Sammlung aesopscher Fabeln nach verschiedenen lateinischen Fassungen veröffentlicht: Buch und Leben des hochberühmten Fabeldichters Aesopi im Verlag von Johann Zainer in Ulm. Dem lateinischen Text ist eine deutsche Prosaübersetzung beigegeben.[2]

Der Ulmer Aesop von 1476 hat einige weitere Fabelsammlungen der späteren Jahrhunderte inspiriert. Das 550 Seiten umfassende Werk ist mit 191 kolorierten Holzschnitten und zahlreichen Initialen versehen.[3] Die Holzschnitte entstanden zur Blütezeit des Ulmer Holzschnittes, sie zeichnen sich durch hohe Plastizität, einen sicheren Umgang mit Räumlichkeit und charakteristischen Darstellung der Tiere und Menschen, bis hin zur Stimmung wiedergebender Mimik, aus.

Den „Ulmer Aesop“ würzte Steinhöwel mit einer Lebensbeschreibung des Aesop, Erzählungen von Petrus Alphonsus und Poggios. Die Erzählungen Poggios – amouröse Abenteuer verheirateter Frauen – bewirkten, dass der Esopus zu einem Bestseller seiner Zeit wurde. Die Kehrseite der Medaille war allerdings die Verurteilung dieser Unterhaltungsliteratur. Martin Luther, der die wegen ihrer lehrhaften Wirkung beliebte Fabel förderte, war gleichzeitig ein Kritiker dieser Ausgabe.

Werke

Literatur

  • Philipp StrauchSteinhöwel, Heinrich. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 35, Duncker & Humblot, Leipzig 1893, S. 728–736.
  • Tina Terrahe: Heinrich Steinhöwels „Appolonius“. Edition und Studien, Berlin 2013 (hier aktueller Überblick über den Stand der Forschung, Link zu Kapitel über Steinhöwel als Autor bei Google-Books)
  • Gerd Dicke: Heinrich Steinhöwels Esopus und seine Fortsetzer: Untersuchungen zu einem Bucherfolg der Frühdruckzeit. Tübingen, 1994.
  • Peter Amelung: Der Ulmer Aesop von 1476/77. Kommentar zum Faksimile. Ludwigsburg 1995.
  • Carl Ehrle: Dr. Heinrich Stainhöwel's regimen sanitatis. In: Deutsches Archiv für Geschichte der Medicin und medicinische Geographie 4, 1881, (Neudruck Hildesheim und New York 1971) S. 121–128, 209–223, 322–332 und 416–436.
  • Paul Joachimsohn: Frühhumanismus in Schwaben, In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte 5 (1896), S. 63–126 und 257–291, hier zu Steinhöwel besonders S. 116 ff.

Einzelnachweise

  1. Tarrahe 2013, S. 14.
  2. Heinrich Steinhöwel, Aesopus: Vita et Fabulae. Ulm 1476. Faksimile und Kommentar von P. Amelung (Edition Libri Illustri). [Kommentarband und Druck]. Graz 1992.
  3. R. Muther: Deutsche Buchillustration der Gothik und Frührenaissance, Leipzig und München 1894, Bd. 2. Wilhelm Worringer: Buch und Leben des hochberühmten Fabeldichters Äsopi, München 1925.
  4. Tina Terrahe: Heinrich Steinhöwels „Appolonius“. Edition und Studien, Berlin 2013.
  5. Kristina Domanski: Lesarten des Ruhms: Johann Zainers Holzschnittillustrationen zu Giovanni Boccaccios "De mulieribus claris", Köln, Weimar 2007.
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