Die Bielitz-Bialaer Sprachinsel war eine deutsche Sprachinsel innerhalb der polnischsprachiger Gebiete an der Grenze von Österreichisch-Schlesien und Galizien.

Geschichte
Die Sprachinsel entstand gegen Ende des 13. Jahrhunderts in Besiedlungsaktion von Mesko I. von Teschen entlang des Flusses Biała im Bereich damals schon von Slawen besiedelt (z. B. Slawischer Burgwall in Altbielitz). Die Siedler kamen aus Franken und anderen Regionen des Heiligen Römischen Reichs. Danach folgten andere Wellen der Ostsiedlung, wie im zweiten Quartal des 15. Jahrhunderts, wann unter anderem in den slawischen Dörfer die Kolonien Konradiswalde (heute Międzyrzecze Górne bzw. Ober Kurzwald) oder Mazanczendorff (heute Mazańcowice bzw. Matzdorf) entstanden.
Laut dem Forscher Gerhard Wurbs die geschlossene Sprachinsel streckte sich früher von Jasienica (Heinzendorf), Rudzica (Riegersdorf) und Landek (Landeck) im Westen bis Kęty (Liebenwerde), Nowa Wieś (Neudorf) und Nidek (Niedeck) im Osten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Sprachinsel bestand aus dreizehn Gemeinden:
Gemeinden | Anteil (%) der deutschsprachigen Einwohner bzw. Deutschen (1921) | ||||||
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Name | Provinz | 1880[1] | 1890[1] | 1900[1] | 1910[1] | 1921[2] | 1943 |
Stadt Bielsko (Bielitz) | Schlesien | 86.5 | 80.7 | 84.3 | 84.3 | 61.9[p 1] | 72 |
Stadt Biała (Biala) | Galizien | 74.5 | 74.9 | 78.2 | 69.4 | 27.5 | zu Bielitz |
Stadt Wilamowice (Wilmesau) | Galizien | 67.0 | 66.0 | 1.4 | 74 | ||
Dorf Aleksandrowice (Alexanderfeld) | Schlesien | 84.4 | 77.3 | 87.3 | 86.2 | 70.9 | zu Bielitz |
Dorf Bystra Śląska (Deutsch Bistrai) | Schlesien | 76.9 | 73.3 | 64.2 | 51.7 | 45.4 | 51 |
Dorf Hałcnów (Alzen) | Galizien | 74.4 | 77.0 | 66.3 | 74 | ||
Dorf Kamienica (Kamitz) mit Olszówka Górna (Ober-Ohlisch) |
Schlesien | 90.0 | 89.5 | 87.1 | 92.3 | 76.4 | keine Daten |
Dorf Komorowice Śląskie (Batzdorf) | Schlesien | 54.0 | 47.5 | 49.4 | 75.4 | 15.5 | 56 |
Dorf Lipnik (Kunzendorf) mit Leszczyny (Nussdorf) |
Galizien | 67.7 | 57.0 | 29.9 | 46 | ||
Dorf Międzyrzecze Górne (Ober-Kurzwald) | Schlesien | 62.0 | 64.8 | 62.4 | 66.5 | 68.7 | 67 |
Dorf Mikuszowice Śląskie (Nickelsdorf) mit Olszówka Dolna (Nieder-Ohlisch) |
Schlesien | 85.9 | 79.4 | 83.6 | 82.9 | 73.7 | keine Daten |
Dorf Stare Bielsko (Alt-Bielitz) | Schlesien | 86.2 | 84.7 | 89.4 | 91.9 | 81.3 | 81 |
Dorf Wapienica (Lobnitz) | Schlesien | 90.2 | 66.1 | 75.1 | 77.6 | 82.3 | 82 |
- ↑ überdies die Mehrheit der Juden in Bielitz war deutschsprachig
Derzeit sind mit zwei Ausnahmen (Międzyrzecze Górne und Wilamowice) Stadtteile von Bielsko-Biała. Drei andere Stadtteile am rechten Ufer des Flusses Biała – Komorowice Krakowskie (Mückendorf), Mikuszowice Krakowskie (Mikuschowitz) sowie Straconka (Drösseldorf) – waren ursprünglich deutsch aber wurden bis 19. Jahrhundert polonisiert. Größere deutschsprachige Minderheiten gab es zudem im Jahr 1910 in den überwiegend polnischen Dörfern Jasienica (Heinzendorf) (22.8 %), Dziedzice (Dziedzitz) (11.4 %), Jaworze (Ernstdorf) (10.4 %), Mazańcowice (Matzdorf) (9.1 %), Czechowice (Czechowitz) (9 %).
Politisch gehörte die Sprachinsel ursprünglich zum Herzogtum Teschen, dies bestand ab 1290 in der Zeit des polnischen Partikularismus. Im Jahre 1315 wurde das Herzogtum Teschen geteilt entlang des Flusses Biała und geteilt wurde auch die Sprachinsel: der Teil am linken Ufer blieb im Herzogtum Teschen, der Teil am rechten Ufer kam zum Herzogtum Auschwitz. Seit 1327 standen beide unter der Lehnsherrschaft des Königreichs Böhmen. Das Herzogtum Auschwitz wurde 1457 von Polen abgekauft. Nach dem Tod des Königs Ludwig II. gelangte die Krone Böhmen und damit auch Schlesien 1526 an die Habsburger. Bei der Ersten Teilung Polens kam der polnische Teil 1772 zum neuen Königreich Galizien und Lodomerien des habsburgischen Kaiserreichs (ab 1804). Die Sprachinsel gehörte damals zum Bezirk Bielitz bzw. Bezirk Biała. Infolge des Österreichisch-Ungarischen Ausgleichs 1867 wurde auch Galizien eine größere Autonomie eingeräumt. Bereits 1866 wurde Polnisch zur Amtssprache erhoben. Die sprachliche Beziehungen in damaligen Biała waren mehr kompliziert als in fast ausschließlich deutsch Bielitz. Etwa 1/3 der Einwohner waren bewusst deutsch, 1/3 bewusst polnisch, die übrige waren hauptsächlich slawischen Herkunft aber deklarierten seine Umgangssprache bzw. Nationalität auf konjunkturellen Gründen. Fortschreitende Poloniesierung der Stadt bewegte die städtische Verwaltung zum Ablösungversuch der deutschen Gemeinden von Galizien und Angliederung zum Schlesien in den Jahren 1879 sowie 1916.[3]
Die Sprachengemisch im Bezirk Bielitz spiegelte sich unter den Abgeordneten der Schlesischen Wahlbezirke wider. Acht deutschprachige Gemeinden gehörten nicht zum Wahlbezirk Schlesien 14, sondern zum Wahlbezirk Schlesien 10.
Am Ende des Ersten Weltkriegs die deutsche Bevölkerung hoffte auf Verbleib in Deutschösterreich wurde aber Teil Polens. In der Zwischenkriegszeit blieb Bielitz ein wichtiges Zentrum der polnischen Deutschtum und wurde klein Berlin genannt. Die polnischsprachige Straßenzeichen erschienen erst im Jahr 1929. Ganz andere Stimmung herrschte in Wilamowice, wo die Einwohner oft Eigentümlichkeit betonten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, der u. a. die Flucht und Vertreibung Deutscher aus Mittel- und Osteuropa 1945–1950 zur Folge hatte, ist die Bielitz-Bialaer Sprachinsel untergegangen. Die vertriebenen Deutschen aus Bielitz-Biala und Umgebung haben in Lippstadt, Braunschweig, Hannover, Oldenburg sowie Donauwörth Heimatverbände gegründet.[4] Ein Teil der Deutschen blieb in Polen, besonders in Wilamowice, wo derzeit Wilmesaurisch ungefähr 100 Muttersprachler, mehrheitlich ältere Leute, hat.
Weblinks
- hałcnowski i bielsko-bialska wyspa językowa. Dziedzictwo językowe Rzeczypospolitej, 2014, abgerufen am 12. Oktober 2014 (polnisch).
Literatur
- Gerhard Wurbs, Die deutsche Sprachinsel Bielitz-Biala. Eine Chronik in Eckartschriften (79), Wien, 1981
- Walter Kuhn, Geschichte der deutschen Sprachinsel Bielitz (Schlesien), 1981
- Erwin Hanslik, Biala, eine deutsche Stadt in Galizien: Geographische Untersuchung des Stadtproblems, 1909
- Grzegorz Wnętrzak: Stosunki polityczne i narodowościowe na pograniczu Śląska Cieszyńskiego i Galicji zachodniej w latach 1897-1920 [Politische und nationale Beziehungen im Grenzgebiet von Teschner Schlesien und Westgalizien in den Jahren 1897–1920]. Wydawnictwo Adam Marszałek, Toruń 2014, ISBN 978-83-7780-882-5 (polnisch).
Einzelnachweise
- ↑ a b c d Kazimierz Piątkowski: Stosunki narodowościowe w Księstwie Cieszyńskiem [Nationale Beziehungen im Herzogtum Teschen]. Macierz Szkolna Księstwa Cieszyńskiego, Cieszyn 1918, S. 276–277 (polnisch, Online).
- ↑ Główny Urząd Statystyczny: Skorowidz miejscowości Rzeczypospolitej Polskiej. Województwo krakowskie i Śląsk Cieszyński. Warszawa 1925 (online [PDF] polnisch).
- ↑ G. Wnętrzak, 2014, S. 241–255
- ↑ Zweiggrupen, Heimatgruppe Bielitz-Biala e.V