Die Aramäer (aramäisch: ܣܘܪ̈ܝܝܐ) der Gegenwart sind meist Christen und sehen sich als Nachfahren der antiken Aramäer. Ihre Liturgie- und Alltagssprache ist Aramäisch. In den Kirchen wird vor allem das klassisch-aramäische Syrisch verwendet. Sie sind syrisch-orthodox, daher nennt man sie auch syrische Christen (Suryoye).

Die Aramäer gehören heute verschiedenen Ostkirchen an: der Syrisch-Orthodoxen Kirche, der Syrisch-Katholischen Kirche, der Syrisch-Maronitischen Kirche der Alten Kirche des Ostens, der Assyrischen Kirche des Ostens und der chaldäisch-katholischen Kirche oder protestantischen Gemeinden. Sie leben in Staaten des Nahen Ostens sowie zu großen Teilen in der Diaspora, vor allem in Europa und in den USA.
Die Verwendung des Aramäischen war und ist nicht auf Christen beschränkt, doch bilden sie und ihre Kirchen seit langem die stärkste Trägergruppe dieser Sprache. Mandäer sind nichtchristliche Aramäer. Darüber hinaus sprechen auch die kurdischen Juden aramäisch, allerdings wird das Aramäische bei ihnen seit ihrer Einwanderung nach Palästina (beziehungsweise später Israel) ab dem späten 19. Jahrhundert zunehmend vom Hebräischen verdrängt.[1]

Fremdbezeichnung
Die traditionelle Sammelbezeichnung von Angehörigen der Kirchen syrischsprachiger Tradition als (christliche) „Syrer“ ist missverständlich. Sie wird von manchen der so Bezeichneten abgelehnt. Es besteht Bedarf nach einem eindeutigen und allgemein akzeptierten Ersatznamen. Ob sich mit der ursprünglichen Bezeichnung „Aramäer“ ein solcher durchsetzen wird, muss sich erweisen. Da der Begriff als Sammelbezeichnung propagiert wird, kann er in wissenschaftlicher Terminologie nicht an die Stelle genauerer Traditions- und Konfessionsbezeichnungen treten. Anderenfalls würden gewichtige historische und gegenwärtige Unterschiede zwischen den verschiedenen syrischen Christengruppen eingeebnet. Der Name „Syrer“ (griech. Σύροι Syroi, aram. ܣܘܪܝܝܐ Suryoye) für die Aramäer ist griechischen Ursprungs und verbreitete sich in der Zeit des Hellenismus stark.
Christianisierung der Aramäer
Da zur Zeit Jesu die aramäische Sprache von Palästina bis zum Perserreich und darüber hinaus verbreitet war, gibt es historisch weder eine einheitliche Christianisierung der Aramäer noch eine allen gemeinsame Kirchengeschichte. Insofern Jesus und seine Jünger eine Form des Aramäischen, genauer: jüdisch-palästinisches Aramäisch, sprachen, gibt es ein aramäisches Christentum von Anfang an. Jedoch wird es sehr bald von einem Christentum griechischer Sprache überlagert, in der auch das Neue Testament verbreitet, Gottesdienst gefeiert und christliche Theologie betrieben wird. Als theologische und liturgische Sprache wird ein als Syrisch bezeichnetes Aramäisch zunächst besonders im Gebiet von Edessa und sodann in Mesopotamien östlich der Grenzen des Römischen Reiches bedeutsam.
- Daraus gehen in der Spätantike die beiden großen Kirchen des syrischen Christentums hervor:
- Im Laufe der weiteren Geschichte erlangen weitere Kirchengruppen zusätzlich Bedeutung
- die Syrisch-Maronitische Kirche von Antiochien
- die Syrisch-katholische Kirche und
- die chaldäisch-katholische Kirche, der in der Neuzeit mit dem römischen Papst unierte Zweig der „Kirche des Ostens“ (siehe auch Syrische Christen im Irak).
- die Aramäische Freichristen Gemeinde, „Hito hirto Oromayto“, die meistens als Mhaymne (entsprechend arabisch muʾmin, „Gläubige“) bekannt sind.
- die Assyrisch-evangelische Kirche
- die Assyrische Pfingstkirche
Kleinere aramäischsprachige Gruppen gab und gibt es noch heute in den Patriarchaten von Jerusalem und Antiochien der Anhänger des Konzils von Chalkedon. Gemeinsam ist allen genannten Kirchen die Benutzung des (Alt)Syrischen als Liturgiesprache und seit langem die Herrschaft oder Vorherrschaft des Islam in ihren traditionellen Verbreitungsgebieten.
Völkermord
Im Zusammenhang mit dem Völkermord an den Armeniern erfolgte auch ein Völkermord an den Assyrern und Aramäern und danach das Massaker von Semile.
Siedlungsgebiete und Bevölkerungszahl
Die aramäischen Christen lebten bis zum Großteil des 20. Jahrhunderts zumeist im Irak, in Syrien, im Iran, im Libanon und im Südosten der Türkei, im Grenzgebiet zu Syrien. Allerdings sind fast alle aramäischen Christen aus der Türkei, deren Anzahl früher 50.000 betrug, nach Europa, insbesondere nach Schweden, ausgewandert; in der Türkei verblieben sind laut der Los Angeles Times vom 21. August 1998 weniger als 3.000 Sprecher des Neuaramäischen.[2] Eine größere Anzahl lebte zudem vormals im Nordirak, in der Ebene von Mossul und in der Region Bagdad sowie in Nordost-, Zentralsyrien und in drei Dörfern im Qalamungebirge westlich von Damaskus (Neuwestaramäisch). In Folge des Syrischen Bürgerkriegs und der damit verbundenen Ausbreitung des Islamischen Staates waren allerdings zahlreiche Christen in Syrien und im Irak dazu gezwungen, ihre Heimat als Flüchtlinge zu verlassen. In der westlichen Diaspora leben die christlichen Aramäer überwiegend in Deutschland und in Schweden sowie in den Vereinigten Staaten. Alle Angaben zu Zahlen der heutigen aramäischen Christen beruhen auf Schätzungen. So zählt allein die Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien ungefähr 5–6.000.000 Mitglieder, die Mehrheit allerdings Inder.
Die größte aramäische Gemeinde in Deutschland, bezogen auf die Einwohnerzahl, befindet sich im ostwestfälischen Kreis Gütersloh, verteilt auf die Städte Gütersloh, Rheda-Wiedenbrück, Harsewinkel und Verl.
Literatur
- Hüsnü Acar: Menschen zwischen Kulturen. Aramäische Jugendliche in Deutschland. Paderborn 1997.
- David Thomas (Hrsg.): Syrian Christians under Islam. The First Thousand Years. Brill, Leiden 2001. ISBN 90-04-12055-6
- Sébastien de Courtois: Les derniers Araméens: le peuple oublié de Jésus. Paris 2004, ISBN 2-7103-2717-1
- M. Tamcke (Hrsg.): Syriaca. Zur Geschichte, Theologie, Liturgie und Gegenwartslage der syrischen Kirchen. 2. deutsches Syrologen-Symposium (Juli 2000, Wittenberg) (Studien zur Orientalischen Kirchengeschichte 17), Lit-Verlag Hamburg 2002. ISBN 3-8258-5800-6
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Yona Sabar: Mene Mene, Tekel uPharsin (Daniel 5:25). Are the Days of Jewish and Christian Neo-Aramaic Dialects Numbered? In: Journal of Assyrian Academic Studies. Band 23, Nr. 2, 2009, S. 13 (PDF [abgerufen am 5. August 2015]).
- ↑ Yona Sabar: Mene Mene, Tekel uPharsin (Daniel 5:25). Are the Days of Jewish and Christian Neo-Aramaic Dialects Numbered? In: Journal of Assyrian Academic Studies. Band 23, Nr. 2, 2009, S. 11 (jaas.org [PDF; abgerufen am 5. August 2015]).