Perambulatorbetrieb

2-Wege-Konzept im Nahverkehr mit einer Führungsschiene
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Als Perambulatorbetrieb beziehungsweise Perambulatorsystem wird eine zum Ende des 19. Jahrhunderts praktizierte Methode bezeichnet, die Vorteile einer Pferdestraßenbahn (geringe Haftreibung und ruhigerer Lauf) mit denjenigen eines Pferdeomnibusses (größere Flexibilität) zu verknüpfen. Es handelt sich somit um eine frühe Form eines Zweiwegefahrzeugs beziehungsweise eines Spurbusses, die sich jedoch von wenigen Ausnahmen abgesehen nicht durchsetzen konnte. Perambulatorwagen ermöglichten es vor allem, auf eingleisigen Straßenbahnstrecken auf kostspielige Ausweichen zu verzichten.[1] Stattdessen konnten sie sich an jeder beliebigen Stelle im Netz begegnen, wodurch sich ferner Verspätungen eines Kurses nicht auch noch auf alle Gegenkurse auswirkten. Außerdem mussten bei Fahrplanänderungen, zum Beispiel Taktverdichtungen, die Ausweichstellen nicht verlegt werden.

Veranschaulichung des Prinzips anhand eines Fahrzeugs aus Manchester, in diesem Fall mit mittlerer Führungsschiene
Perambulatorwagen der Hamburg-Altonaer Pferdebahn-Gesellschaft im Straßenbetrieb, das angehobene Leitrad ist auf dieser Aufnahme nicht sichtbar. Anders als bei klassischen Pferdebahnen fielen bei Perambulatorwagen die – lenkbaren – Vorderräder teilweise etwas kleiner aus
Ebenfalls nach dem Perambulatorsystem funktionierte der Elektrische Straßenbahn-Omnibus von Siemens & Halske aus dem Jahr 1898, dieser wies jedoch eine dritte Achse mit zwei zusätzlichen Rädern auf

Der Name Perambulator stammt von lateinisch per = mit, mittels, durch und ambulare = reisen, wandern; demzufolge in etwa: Auslenkbetrieb. Als Erfinder gilt der Brite John Haworth, der sich am 25. September 1860 unter der Registrierungsnummer 2326 das entsprechende Patent sicherte.[2]

Beim Perambulatorbetrieb waren die Wagen mit vier glatten und auf den Achsen drehbaren Laufrädern ohne Spurkränze ausgestattet. Ein zusätzliches fünftes Rad mit Spurkranz fungierte als Leitrad beziehungsweise Führungsrad und lief auf einer der beiden Schienen, das heißt die Einrichtungsfahrzeuge fuhren stets mit diesem voran. Das Rad war an der Vorderachse befestigt und konnte über eine Spindel angezogen beziehungsweise herabgelassen werden. Die Fahrzeuge besaßen eine Deichsel, mit deren Hilfe der Wagenführer beim Ausweichvorgang den Wagen von den Schienen weg auf das Straßenpflaster fahren konnte.[3][4] Alternativ kam eine dritte mittlere Schiene zur Anwendung, die dem – in diesem Fall ebenfalls mittig angeordneten – Leitrad als Spurrille diente.[5]

Das Vorhandensein der Deichsel bedingte, dass die Wagen an den Endstellen gedreht werden mussten. Hierzu wurden zum Beispiel bei der Hamburg-Altonaer Pferdebahn an den Endstellen Schleifenfahrten im gleislosen Bereich durchgeführt.[6] Perambulatorwagen waren daher stets asymetrisch aufgebaut, das Umspannen der Pferde an den Endstellen entfiel.

Die Spurführung der Wagen durch das Lenkrad ließ in viele Fällen zu wünschen übrig. Die Räder eckten beim Lauf auf den Schienenköpfen an das Straßenpflaster an. Oft neigte die Hinterachse, insbesondere in Kurven zum Schlingern. Das Führungsrad musste verhältnismäßig schwer konstruiert sein, um während der Fahrt nicht herauszuspringen. Versuche, den Wagenlauf durch Anbringen eines zweiten Führungsrades an der Hinterachse zu beruhigen schlugen indes fehl. Das Schlingern führte vielmehr dazu, dass beide Führungsräder verkeilten und die Fortbewegung der Fahrzeuge zusätzlich erschwert wurde. Durch das Anbringen eines weiteren führenden Rades an der Vorderachse wurde die Spurführung zwar verbessert, jedoch nicht das Schlingern der Hinterachse. Der Wechsel von Schiene auf Straße war verhältnismäßig einfach. Nach Ausklinken des Führungsrades lenkte der Kutscher die Pferde auf das Pflaster, was mit einigem Kraftaufwand verbunden war. Beim Einfahren musste hingegen nicht nur die Lage des Führungsrades, sondern auch der Hinterachse beachtet werden. Bei ungenauem Einfahren konnte es letztlich dazu führen, dass die Hinterachse während der gesamten Fahrt auf dem Straßenpflaster lief.[3]

Der Perambulatorbetrieb war in Deutschland während der Pferdebahnzeit unter anderem bei der Straßenbahn Hamburg, der Straßenbahn Oldenburg, der Straßenbahn Barmen–Elberfeld sowie der Neuen Berliner Pferdebahn anzutreffen. In Bremen gab es 1877 ebenfalls Überlegungen, den Perambulatorbetrieb für die Strecke Walle – Hastedt einzuführen. Nach Besichtigung der Betriebe unter anderem in Berlin und Barmen–Elberfeld wurde auf Vorschlag des zuständigen Inspektors davon abgeraten.[3] Letztlich konnte sich der Perambulatorbetrieb nirgendwo dauerhaft gegenüber der herkömmlichen (Pferde-)Straßenbahn durchsetzen.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Horst Buchholz: Liniengeschichte der Hamburger Straßenbahn 1866 bis 1978. Hamburg 2008, ISBN 978-3-923999-17-0, S. 17.
  2. Andrew Turton: Horse-Drawn Transport in Leeds, William Turton, Corn Merchant and Tramway Entrepreneur
  3. a b c Bauinspektor Böttcher und das Perambulatorsystem. In: Berliner Verkehrsblätter. Nr. 7, 1978, S. 126–129.
  4. Otto Lueger: Straßeneisenbahnen. In: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften. Band 8. Stuttgart und Leipzig 1910, S. 353–355 (Online).
  5. Autorenkollektiv: Straßeneisenbahnen. In: Meyers Konversationslexikon. 4. Auflage. Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien 1885–1892 (Online).
  6. Horst Buchholz: Liniengeschichte der Hamburger Straßenbahn 1866 bis 1978. Hamburg 2008, ISBN 978-3-923999-17-0, S. 14.