John Kenneth Galbraith
John Kenneth Galbraith (* 15. Oktober 1908 in Iona Station, Eriesee; † 29. April 2006 in Cambridge, Massachusetts) war ein Ökonom, Sozialkritiker, Präsidentenberater, Romancier und Diplomat. Galbraith war einer der einflussreichsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts, als Keynesianer und bekennender Linksliberaler setzte er sich zeitlebens für eine Stärkung der staatlichen Institutionen und für eine Förderung der Nachfrage ein.
Leben und Werk
Biographie
Sein Vater war Lehrer und ein Mitarbeiter der regionalen, öffentlichen Verwaltung (county). Galbraith studierte in Ontario bis zum Bachelor (B.Sc.) (1931), anschließend graduierte er 1933 an der Universität von Kalifornien zum Master (MS). Er lebte im I-House (International House) in Berkeley und wurde 1934 von der Universität von Kalifornien zu Berkeley zum PhD promoviert. Seine Kindheit auf einem Bauernhof in Kanada ließ ihn ein Thema zur landwirtschaftlichen Ökonomie für seine Doktorarbeit wählen. Als früher Keynesianer beteiligte er sich auch an Präsidents Roosevelts New Deal-Wirtschaftsprogramm zur Wiederbelebung der amerikanischen Wirtschaft. 1937 erhielt er die US-amerikanische Staatsbürgerschaft und ab 1939 lehrte er an der Princeton University.
Der Regierungsverwaltung unter Roosevelt stellte er sich 1940 für die Aufsichtsbehörde zur Kontrolle von Löhnen und Preisen im Office of Price Administration zur Verfügung. Zwar blieben die Preise daraufhin konstant, doch sorgte gerade das für einen zunehmenden Protest aus der Industrie. Schließlich wurde der Widerstand dagegen so groß, dass er sich 1943 zum Rücktritt gezwungen sah.
1949 wurde Galbraith als Professor für Wirtschaftswissenschaften zur Harvard University auf den Paul M. Warburg-Lehrstuhl berufen, wo er mit Unterbrechungen bis zu seiner Emeritierung 1975 lehrte. Die Campuszeitschrift "Harvard Lampoon" verlieh dem beliebten Universitätslehrer 1976 den „Funniest Professor of the Century Award“.
John F. Kennedy kannte Galbraith aus seiner Studienzeit in Harvard und ließ sich seit 1952 als Senator von ihm beraten. Als neuer US-Präsident ernannte Kennedy 1961 Galbraith zum Botschafter in Indien. Dort beriet er bis 1963 auch die führenden Politiker Indiens wie Jawaharlal Nehru und Indira Gandhi in wirtschaftspolitischen Angelegenheiten. Hier half er, eines der ersten indischen Institute für Informationstechnologie, das Institute of Technology in Kanpur (IIT Kanpur) mit Hilfe des Kanpur Indo-American Programms zu etablieren, einem Konsortium von 9 US-Universitäten.
Danach nahm Kennedys Nachfolger Johnson seine Beratertätigkeit für sein sozialdemokratisches Programm der "Great Society" in Anspruch. Ihre Differenzen über den Vietnamkrieg ließen sich nicht lange überbrücken, so dass Galbraith 1965 seinen Abschied nahm. Auch die weiteren demokratischen US-Präsidenten Carter und Clinton legten Wert auf sein wirtschaftspolitisches Urteil, doch hatte er nicht mehr denselben Einfluß wie zuvor. Erst in seinen letzten Lebensjahren erfuhren seine Analysen wieder mehr Beachtung und gewannen erneut an Ansehen angesichts der jahrelangen Wirtschaftsstagnation in den westlichen Industriestaaten und der weltweit dramatisch zunehmenden Staatsverschuldung.
Galbraith war einer der wenigen Wirtschaftstheoretiker, die der interessierten Öffentlichkeit komplexe Themen in einfacher Sprache klar darstellen konnte. Seine Kollegen beneideten ihn um seinen Sprachwitz und um seine Leichtigkeit in der Darstellung schwieriger Sachverhalte, seine Gegner dagegen sagten ihm Arroganz nach. Seit seiner Herausgeberschaft für das Wirtschaftsmagazin Fortune von 1943 bis 1948 wurde er ein begeisterter Autor und Schreiber von Buchkritiken, -vorworten und Artikeln. Er prägte dabei auch wirtschaftliche Begriffe, die Eingang in den Wortschatz der Allgemeinheit fanden wie z.B. „the affluent society“ (Überflussgesellschaft), „conventional wisdom“ (gängige Meinung), „countervailing power“ (Gegenmacht) und „technostructure“ (Technostruktur, siehe: Profiorganisation). Galbraith war ein äußerst produktiver Autor, er veröffentlichte vier Dutzend Bücher und mehr als 1.100 Artikel (Parker 2005, 4).
Werk
In seinem bekanntesten Werk Gesellschaft im Überfluss (The Affluent Society) kritisierte er den Überfluss an privaten Gütern bei einem gleichzeitigem Mangel an öffentlichen Diensten und Dienstleistungen. Er machte klar, dass wirtschaftliches Handeln immer noch vom Geist des 19. Jahrhunderts getragen sei: obwohl der Grenznutzen eines Zweitautos gering ist, müsse trotzdem die Produktion immer weiter gesteigert werden, um den sozialen Frieden nicht zu gefährden. Er warnte damit schon 1958 vor den unkontrollierten Folgen des Wirtschaftswachstums für die Umwelt.
"The Affluent Society" (1958) ist sein erfolgreichstes Buch, das er neben "A Theory of Price Control" (1952) auch zu seinen beiden besten zählte. Es wurde in zwölf Sprachen übersetzt und mehr als eine Million mal verkauft. Galbraith plädiert darin für einen umfassenden Ausbau des Sozialstaats, was bei neoliberalen oder monetaristischen Ökonomen mittlerweile schon lange auf starke Kritik gestoßen ist.
Als Berater der US-Präsidenten Kennedy und Johnson befürwortete er Lohn- und Preiskontrollen für die Armen, die seiner Meinung nach als einzige keine Lobby haben, was oft vergessen wird. Er setzte sich dafür ein, Steuerpolitik als ein Lenkungsmittel anzusehen, das alle Firmen gleich trifft (also auch Oligopolisten), um die Inflation zu mindern. Weiterhin sprach er sich dafür aus, hohe Einkommen für Arbeitslose zu garantieren und soziale Sicherheit von der Produktion zu entkoppeln.
Auszeichnungen
- Galbraith erhielt nahezu fünfzig Ehrendoktorwürden
- 1946: Medal of Freedom von US-Präsident Truman
- 2000: zweite Medal of Freedom von US-Präsident Clinton
Mitgliedschaften
- Vorsitzender der Americans for Democratic Action während der 1960er Jahre
- Präsident der American Economic Association
- Präsident des National Institute of Arts and Letters.
Zitate
übersetzt aus dem englischsprachigen Wikipedia-Artikel John Kenneth Galbraith
- „Wenn man den Pferden genug Hafer gibt, kommt am Ende auch etwas heraus als Futter für die Spatzen“ – mit Bezug auf die Trickle-down-Theorie.
- „Bei der Wahl zwischen der Änderung der eigenen Ansicht und dem Beweis, dass dies nicht nötig sei, macht sich fast jeder eifrig ans Beweisen.“
- „Im Kapitalismus beutet der Mensch den Menschen aus. Im Kommunismus ist es genau umgekehrt.“
- „Einem Mann, der hungrig ist, muss man nicht erzählen, dass er Essen braucht.“
- „Der moderne Konservative ist mit der Beantwortung einer der ältesten Fragestellungen der Menschen in der Moralphilosophie beschäftigt: Die Suche nach einer moralisch überlegenen Rechtfertigung für Egoismus.“
Werke (Auswahl)
- Tagebuch eines Botschafters. Ein persönlicher Bericht über die Jahre mit Kennedy, München, Droemer Knaur 1970
- Die moderne Industriegesellschaft, Droemer Knaur, München 1974
- Wirtschaft, Friede und Gelächter. Essays, Droemer Knaur, München 1976
- Wirtschaft für Staat und Gesellschaft, Droemer Knaur, München 1976
- China. Impressionen einer Reise, Droemer Knaur, München 1978
- Die Arroganz der Satten (The nature of mass poverty, dt.) Strategien für die Überwindung der weltweiten Massenarmut. Bern, München: Scherz 1980, 160 S.
- A life in our times. Boston: Houghton Mifflin 1981, X, 563 S. (Memoiren)
- Finanzgenies. Kurze Geschichte der Spekulation, Eichborn, Frankfurt/M. 1992
- The Triumph. A novel of modern diplomacy, Sinclair-Stevenson, London 1994
- Geschichte der Wirtschaft im 20. Jahrhundert. Ein Augenzeuge berichtet, Hoffmann & Campe, Hamburg 1995, ISBN 3-455-11061-4
- Die Ökonomie des unschuldigen Betrugs. Vom Realitätsverlust der heutigen Wirtschaft, Siedler, München 2005, ISBN 3-88680-821-1
- Der große Crash 1929. Ursache, Verlauf, Folgen, finanzbuchverlag, München 2005, ISBN 3-89879-054-1
Literatur
- Gambs, John S.: John Kenneth Galbraith,Twayne, Boston, Mass. 1975
- Friedman, Milton: From Galbraith to economic freedom, Institute of economic affairs, London 1978
- MacFadzean, Frank: The economics of John Kenneth Galbraith. A study in fantasy, Centre for Policy, London 1977
- Meier, Beat: John Kenneth Galbraith und seine Wegbereiter. Von Veblen bis Galbraith, Rüegger, Grüsch 1989
- Parker, Richard: John Kenneth Galbraith. His Life, His Politics, His Economics. New York, NY: Farrar, Straus and Giroux 2005, X, 820 S., Ill., ISBN 0-374-28168-8
Weblinks
- Vorlage:PND
- Interview mit Galbraith, 27. März 1986, Institute of International Studies, UC Berkeley (mit Video)
- Zehn Diskussionen mit Galbraith von 1981 - 2002 per RealPlayer-Video (Version 10.5) an der Harvard-Universität
- „John Kenneth Galbraith – ewiger Streiter gegen die Mächtigen“, Die Zeit, 26. August 2004, Nr. 36, Rezension von The Economics of Innocent Fraud (Die Ökonomie des unschuldigen Betrugs)
- Nachrufe
- „Der große Widerpart der Neoliberalen ist tot“, Spiegel Online, 30. April 2006
- „John Kenneth Galbraith, 97, Dies; Economist Held a Mirror to Society“, New York Times, 30. April 2006
- „Economist Urged Using Wealth for Social Needs“, Los Angeles Times, 30. April 2006
- „Obituary: John Kenneth Galbraith“, BBC, 30. April 2006
Personendaten | |
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NAME | Galbraith, John Kenneth |
KURZBESCHREIBUNG | Ökonom, Sozialkritiker, Präsidentenberater, Romancier und Diplomat |
GEBURTSDATUM | 15. Oktober 1908 |
GEBURTSORT | Iona Station, Kanada |
STERBEDATUM | 29. April 2006 |
STERBEORT | Cambridge (Massachusetts) |