Intergeschlechtlichkeit
Bezeichnung für Menschen mit nicht eindeutigen körperlichen Geschlechtsmerkmalen (siehe dort).
Sozial
Die soziale Akzeptanz von Intersexuellen und Intersexualität reicht von der Verehrung bis zur Tötung intersexueller Menschen. In den westlichen Kulturen der Neuzeit wurde (und wird teilweise noch) angenommen, dass es wissenschaftlich möglich sei, das wirkliche Geschlecht eines jeden Menschen zu bestimmen. Gleichfalls wurde angenommen, dass es im Interesse des Intersexuellen sei, die körperlichen Gegebenheiten diesem "wirklichen" Geschlecht anzupassen.
Kritiker von Seiten der Intersexuellen wenden hingegen ein, dass die Festlegung, welches Geschlecht denn nun das wirkliche sei, häufig unmöglich sei, auf jeden Fall aber immer subjektiv. Außerdem sei diese häufig eher von praktischer Machbarkeit bestimmt gewesen als von anderen Faktoren. ("Es ist einfacher, ein Loch zu machen als einen Pfahl zu bauen.") Weiterhin wurde, da die entsprechenden medizinischen Eingriffe (siehe geschlechtsangleichende Operation) fast immer im Säuglings- und Kleinkindalter vorgenommen wurden, der für die Betreffenden wichtigste Faktor, das Identitätsgeschlecht, nicht berücksichtigt.
Unbestritten ist auf jeden Fall, dass sich viele dieser Zuweisungen als falsch herausgestellt haben, und dass viele Intersexuelle nicht nur körperliche Schäden aufgrund der schmerzhaften Eingriffe davongetragen haben (z.B. wenn eine "zu große" Klitoris so verkleinert wurde, dass die Sensibilität verloren ging), sondern auch psychische Schäden durch den – im Gegensatz zur Erziehung nicht intersexueller Kinder bewusst und besonders stark ausgeübten – Druck, sich dem zugewiesenen Geschlecht entsprechend zu verhalten, häufigen Untersuchungen, und dem routinemäßigen Verschweigen der Diagnose.
Aufgrund dieser Proteste haben sich bereits erste Anzeichen für eine Änderung dieser Praxis gezeigt.
Viele Intersexuelle argumentieren daher häufig (zusammen mit Transgendern) auch, dass die westliche Vorstellung von genau zwei sauber unterscheidbaren Geschlechtern (siehe Heteronormativität) falsch ist.
Biologisch
Uneindeutigkeiten des Körpergeschlechts können z.B. sein:
- Chromosomale Variationen
- Statt den häufigsten Geschlechts-Chromosom-Kombinationen
- gibt es auch folgende Kombinationen
- X0 (Turner-Syndrom; weiblicher Phänotypus, weibliches Identitätsgeschlecht)
- XXY (Klinefelter-Syndrom; männlicher Phänotypus, meist männliches Identitätsgeschlecht)
- und andere.
- Gonadale Variationen
- Fehlende oder nicht im selben Maße entwickelte Hoden oder Eierstöcke, oder ein Hoden und ein Eierstock.
- Hormonelle Variationen
- Signifikante Abweichungen im Spiegel der Geschlechtshormone, ggf. mit entsprechenden Folgen wie Gynäkomastie (Brustentwicklung bei Männern) oder Bartwuchs bei Frauen; kann unterschiedliche Ursachen haben.
- Anatomische Variationen
- Von der vollständigen Anlage beider Sätze von Geschlechtsorganen ("vollständiger Hermaphrodismus") bis zu eher kulturell bedingten Einschätzungen wie "zu kleiner" Penis oder "zu große" Klitoris sind sehr viele Variationen bekannt.
Viele intersexuelle "Syndrome" bestehen nicht nur aus einer einzigen nachweisbaren Variation, sondern entstehen im Zusammenspiel mehrerer Faktoren, so z.B. bei AIS (Androgen-Rezeptor-Defekt, Androgenresistenz). Bei (vollständigem) AIS entwickeln sich z.B. bei einem Fötus mit XY-Chromosomen Hoden, die Rezeptoren für Testosteron fehlen jedoch, so dass sich ein weibliches anatomisches Geschlecht (allerdings ohne weibliche innere Organe) entwickelt; das Identitätsgeschlecht ist meist weiblich.
Weblinks
- www.postgender.de - Diese Webseite eröffnete die Diskussion um Hermaphroditen im deutschsprachigen Raum.
- Intersex Society of North America (ISNA) - Englischsprachige Informationen zum Thema.
- Forschergruppe Intersex an den Universitätskliniken Lübeck und Hamburg
- Das verordnete Geschlecht (Dokumentarfilm)
- "Intersexualität" und Geschlechterkonstruktion (kritische Themenseite)
- Intersexuality and Scripture - Hermaphroditen in der Bibel