Großindustrie und Aufstieg der NSDAP

häufig diskutierter Zusammenhang in der politischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und der Endphase der Weimarer Republik
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Dieser Artikel behandelt das Verhälntis der deutschen Industrie zur NSDAP.


Frühe Förderer der NSDAP

Im Mai 1922 gewann Adolf Hitler das Präsidialmitglied des Reichsverbandes der Deutschen Industrie, Ernst von Borsig, als finanziellen Unterstützer. Im selben Jahr sprach Hitler mehrfach vor dem Bayrischen Industriellenverband und erhielt Gelder von ihm. Im Oktober 1923 übermittelte Fritz Thyssen über General Erich Ludendorff 100.000 Goldmark an die NSDAP.


Hitlers Werben um das Großkapital 1926-1928

Hitler war der Meinung, dass er nicht ohne das Großkapital die Macht nicht erobern könne. So erklärte er gegenüber dem Leiter der Wirtschaftspolitischen Abteilung der NSDAP, Otto Wagener:

„Sie unterschätzen aber die politische Macht dieser Männer, Wagener, und der Wirtschaft überhaupt. Ich habe das Gefühl, dass wir zunächst nicht gegen sie die Willhelmstraße erobern werden.“Vorlage:Ref

Dazu begann er 1926 bei den Großindustriellen zu werben. Am 26. Februar 1926 sprach Hitler vor dem Hamburger Nationalklub . Am 18. Juni 1926 sprach er bereits vor 40 Ruhrindustriellen . Am 1. Dezember 1926 sprach er vor Industriellen in Königswinter, wenige Wochen später im Friedrich-Krupp-Saal in Essen. Am 27.April 1927 hielt er Vortrag vor 200 Wirtschaftsführern . Im Mai 1927 schrieb die NSDAP einen Rundbrief an Großindustrielle, in ihm wurde die Industrie gebeten, Geld für den Kampf gegen den linken Terror zur Verfügung zu stellen . Im August 1927 schrieb Hitler auf Wunsch Emil Kirdorfs die geheime Broschüre „Der Weg zum Wiederaufstieg“ die Kirdorf an andere Industrielle verteilte. Am 26.Oktober 1927 referierte er vor 14 Wirtschaftsführern im Hause Emil Kirdorfs. Am 5. Dezember 1927 vor 600 Industriellen im Essener Kruppsaal. Und am 5.März 1928 hielt er Vortrag vor 670 Industriellen .


Wirtschaftliche Programmatik

1930 wurde die Wirtschaftspolitische Abteilung der NSDAP gegründet in der u.a. Emil Georg von Stauß (Direktor der Deutschen Bank), Fischer (IG-Farben) und Gleiwitz (Aufsichtsratsvorsitzender der Vereinigten Hüttenwerke) mitarbeiteten. Leiter ist das Mitglied der Geschäftsführung des Reicherverbandes der deutschen Industrie Otto Wagener. Ebenfalls 1930 schrieb das NSDAP-Mitglied Hans Reupke das Buch „Das Wirtschaftssystem des Faschismus“ für Großindustrielle, in dem er den Faschismus als Pfadfinder des Kapitalismus bezeichnet. Albert Vögler war begeistert und wollte Reupke vor dem Präsidium des Reichsverbandes der Deutschen Industrie sprechen lassen. Im April 1932 wurde die „Arbeitsstelle Hjalmar Schacht“ gegründet. Sie diente dazu die wirtschaftlichen Ansichten der NSDAP mit privater Wirtschaft in Einklang zu bringen.


Hitlers Werben 1928-1933

Am 1.Dezember 1930 sprach Hitler erneut vor 460 Mitgliedern des Hamburger Nationalclubs. Im Januar 1931 erfolgte eine Ausspracheabend des westfälischen Gauleiters mit 300 Industriellen in Solingen. Im Sommer 1931 durchquerte Hitler mit seinem Mercedes ganz Deutschland um Gespräche mit Industriellen zu führen. Im August hielt Hitler einen Vortrag vor 40 Industriellen auf Kirdorfs Landgut. Am 26.Januar 1932 hielt Hitler seine berühmte Ansprache vor dem Düsseldorfer Industrieclub. Am 27. Januar 1932 sprach Hitler vor Krefelder Seidenindustriellen in Bad Godesberg.


Finanzierung

Folgende Finanzierung ist bekannt geworden:

Fritz Thyssen hat nach eigenen Aussagen der NSDAP 1.000.000 Reichsmark gezahlt. Emil Kirdorf spendete der NSDAP 600.000 Reichsmark. Im Frühjahr 1932 spendete die Vereinigte Stahlwerke AG 500.000 Reichsmark an die NSDAP . Der Arbeitgeberverband Nord-West zahlte 200.000 Reichsmark. Der „Verein für die bergbaulichen Interessen“ gab 600.000 Reichsmark. Über den am 1.Januar 1931 gegründeten „Wirtschaftspolitischen Pressedienstes“ der NSDAP, den 60 Industrielle bezogen flossen nach Aussage von Walther Funk in Nürnberg der NSDAP 2 Millionen Reichsmark aus der Industrie zu. Im Frühjahr 1932 spendete der Bergbau 100.000 Reichsmark an die NSDAP. Der am 30.April 1932 gebildete [Freundeskreis Reichsführer SS|Förderkreises Keppler]]“ spendete der NSDAP jährlich 1 Million Reichsmark. Fritz Springorum gab 4 Millionen Reichsmark . Über General Schleicher flossen 6 Millionen Reichsmark und über Alfred Hugenberg 2 Millionen Reichsmark der Industrie an die NSDAP. Im November 1932 spendete Friedrich Flick der NSDAP 50.000 Reichsmark. Am 20. Februar 1933 trafen sich 27 Spitzervertreter der Industrie mit Hitler, und spendeten der NSDAP 3 Millionen Mark.

Mitte 1931 trafen sich der Generaldirektor der Allianz Kurt Schmitt, der Bankier und Gutsbesitzer August von Fink, die Industriellen August Diehn, August Rosterg und Günther Quandt sowie vier weitere Industrielle mit Hitler im Hotel Kaiserhof und stellten der NSDAP im Falle eines Linksputsches 25 Millionen Reichsmark zur Verfügung. Hitler äußerte im Anschluß daran:

„Da erkennt man erst , was die Großwirtschaft für eine Macht besitzt. Denn diese Millionen sind Macht. Und wenn sie die Millionen uns zur Verfügung stellen, dann können sie sie nicht gleichzeitig einer anderen Partei oder Organisation zur Verfügung stellen. Also geben sie uns ihre Macht!“Vorlage:Ref


Persönliche Treffen Hitlers mit Industriellen

  • 19. Juni 1931 - Unterredung Edmund Stinnes mit Hitler
  • 21. Februar 1932 - Paul Reusch trifft sich mit Hitler und Heinrich Himmler im Büro der Konzerleitung der Gutehoffnungshütte, Reusch gibt Hitler die Zusicherung,

dass die vom Konzern beherrschten 3 süddeutschen Zeitungen im Wahlkampf sich neutral zur NSDAP verhalten werden

  • September 1932 - Begegnung Hitlers mit Ruhrindustriellen auf Fritz Thyssens Schloß Landsberg
  • 20. Oktober 1932 - Treffen Hitlers mit einigen Industriellen der Ruhrlade auf Fritz Thyssens Schloß Landsberg

zur Beratung der Industrielleneingabe

  • November 1932 - Treffen Hitlers mit den IG-Farben-Direktoren Bütefisch und Gattineau
  • November 1932 - Otto Meynen und Franz Reuter, Herausgeber der „Deutschen Führerbriefe“ konferieren im Auftrag Paul Reuschs mit Hitler
  • November 1932 - Paul Silverberg, führender Ruhrindustrieller, nimmt Kontakt zu Hitler auf
  • 7.Januar 1933 - Treffen maßgebender Industrieller mit Hitler im Hause Emil Kirdorfs
  • 20.Februar 1933 - Treffen von 27 Spitzervertretern der Industrie mit Hitler


Erfolg des Werbens

Joseph Goebbels notierte am 22. November 1930: „Auch große Teile der Wirtschaft stehen heute schon bedingungslos bei uns“Vorlage:Ref Nach der Tagung des schwerindustriellen Langnamvereins im November 1932 schrieb Dr. Scholz an den Regierungskommisar Franz Bracht:

„Die Tagung des Langnamvereins […] ergab anlässlich einer zwanglosen Unterhaltung die überraschende Tatsache, dass fast die gesamte Industrie die Berufung Hitlers, gleichgültig unter welchen Umständen wünscht“Vorlage:Ref



Einflussnahme auf Hindenburg

Am 27.Juli 1931 sendete die Wirtschaftspolitische Vereinigung Frankfurt eine Eingabe an Hindenburg mit der Forderung die Regierung an die NSDAP zu übertragen , da sie „den Beweis ihrer Bedeutung im täglichen Kampf gegen den Bolschewismus geliefert“Vorlage:Ref habe . Am 20.September 1932 schrieb der Verbindungsmann der NSDAP zur Industrie August Heinrichsbauer an Gregor Strasser:

„dass sehr maßgebliche Herren des Reviers sich bei ausschlaggebenden Berliner Stellen sehr stark dafür eingesetzt haben, dass man Herrn Hitler das Reichskanzleramt übertrage“Vorlage:Ref

Im Herbst 1932 setzte sich der Nationale Club in Hamburg und in Berlin für eine Hitlerregierung ein. Heinrich Brüning berichtete in einem offenen Brief, das 1932 eine von einigen Bankiers geführte Gruppe auf Hindenburg Druck ausübte, die NSDAP an die Macht zu bringen. Am 19.November 1932 erfolgte dann eine Eingabe von 20 Industriellen an Hindenburg mit der Aufforderung Hitler zum Reichskanzler zu ernennen. Als Hindenburg Adolf Hitler dann am 30.Januar 1933 zum Reichskanzler ernannte, wollte er nach den Erinnerungen von Emil Helfferich unbedingt als handgreifliches Dokument die Industrielleneingabe vom 19. November 1932 dabei haben.


Zielsetzung der Industrie

Zur Zielstellung der Industrie schrieb der Staatssekretär Otto Meissner in seinen Erinnerungen:

"In der Wirtschaft hoffte man insbesondere, daß die von Hitler in die vom Gedanken des Klassenkampf beherrschte Arbeiterschaft hineingetragene Idee der klassenlosen Volksgemeinschaft den bisherigen marxistischen internationalen Sozialismus durch einen deutschen Sozialismus überwinden und damit die bedrohliche Gefahr einer Bolschewisierung bannen werde."Vorlage:Ref



Großindustrielle Mitglieder in der NSDAP

Fritz Thyssen, Albert Pitsch, Wilhelm Mann seit 1931 (Vorstandsmitglied der IG Farben), Jacob Werlin seit 1932 (Vorstandsmitglied der Daimler-Benz AG), Walter Tengelmann (Direktor der Gelsenkirchener Bergwerks AG), Wilhelm Zangen seit 1930 (Vorstandsmitglied bei Mannesmann), Werner Daitz (Generaldirektor der Kautschukgesellschaft „Schön & Co.“).


Quellen

  1. Vorlage:Fußnote
  2. Vorlage:Fußnote
  3. Vorlage:Fußnote
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  5. Vorlage:Fußnote
  6. Vorlage:Fußnote
  7. Vorlage:Fußnote

Literatur

  • Kurt Gossweiler, Kapital, Reichswehr und NSDAP, Berlin 1982
  • Kurt Gossweiler, Aufsätze zum Faschismus, Berlin 1988
  • Henry Turner (Hrsg.), Hitler aus nächster Nähe, Franfurt am Main, Berlin, Wien 1978
  • Ulrike Hörster-Phillips, Großkapital und Faschismus 1918-1945, Köln 1981
  • Eberhard Czichon, Wer verhalf Hitler zur Macht, Köln 1967
  • Klaus Scheel, Krieg über Ätherwellen, Berlin 1970
  • Dietrich Eichholtz, Kurt Gossweiler (Hrsg.) Faschismusforschung, Berlin 1980
  • Joachim Petzold, Die Demagogie des Hitlerfaschismus, Berlin 1982
  • Henry Turner, Legende und Wirklichkeit, Hitlers Rede vor dem Düsseldorfer Industrie-Club am 26. Januar 1932, Düsseldorf 2001
  • Wolfgang Schumann, Ludwig Nestler (Hrsg.), Weltherrschaft im Visier, Berlin 1975
  • Elke Fröhlich, Die Tagebücher von Joseph Goebbels, München 1987
  • Eike Hennig, Bürgerliche Gesellschaft und Faschismus in Deutschland, Frankfurt am Main 1977
  • Fritz Klein, Zur Vorbereitung der faschistischen Diktatur durch die deutsche Großbourgeoisie in ZfG 6/1953
  • Wolfgang Ruge, Das Ende von Weimar, Berlin 1983
  • Albert Norden, Lehren Deutscher Geschichte, Berlin 1947
  • Dirk Stegmann, Zum Verhältnis von Großindustrie und Nationalsozialismus 1930-1933, in Archiv für Sozialgeschichte XIII, Bonn-Bad Godesberg 1973
  • Kurt Schützle, Reichswehr wider die Nation, Berlin 1963
  • Wolfgang Ruge, Deutschland 1917 – 1933, Berlin 1967
  • Otto Meissner, Staatsekretär Unter Ebert - Hindenburg - Hitler, Hamburg 1950

Siehe auch