John Berger (* 5. November 1926 in Stoke Newington, County of London; † 2. Januar 2017[1] in Antony, Département Hauts-de-Seine) war ein britischer Schriftsteller, Maler und Kunstkritiker und Booker-Prize-Träger.

Leben
Nach einem Kunststudium an der Chelsea School of Art und der Central School of Art in London begann Berger eine Karriere als Maler. 1948 bis 1955 arbeitete er als Lehrer. Zur selben Zeit verfasste er Kunstkritiken, Künstlerbiographien und Essays über Kunst. In den 1950er-Jahren engagierte er sich in der Friedensbewegung Artists For Peace.
In den 1970er Jahren arbeitete er mit dem Regisseur Alain Tanner und schrieb die Drehbücher für mehrere Filme. Mit seinem Entwicklungsroman G., an dem er fünf Jahre gearbeitet hatte, gewann er 1972 überraschend den Booker Prize. Als Berger die Hälfte des Preisgeldes an die Black Panther Party spendete, entstand ein Skandal. Bereits in den 1960er Jahren hatte Berger für Recherchen zeitweilig in der West-Schweiz gelebt. 1973/74 verließ Berger England endgültig und zog in das Bergdorf Quincy im Département Haute-Savoie in Frankreich, wo er bis zum Tod lebte.
Neben seinem literarischen Werk verfasste Berger eine Reihe von kunsthistorischen Texten und Kritiken.
Im Dezember 2006 trat Berger mit einem Boykott-Aufruf (für den Bereich von Kultur und Wissenschaft) gegen die Besatzungspolitik Israels an die internationale Öffentlichkeit. Den Boykott wollte er „taktisch“ verstanden wissen; das heißt, für sich lehnte er es ab, von einem großen Mainstream-Verlag in Israel publiziert zu werden. Er habe damit den Staat Israel treffen, aber nicht den Kontakt zu den einzelnen Menschen in Israel unterbinden wollen.
Preise (Auswahl)
- 1972 Booker Prize
- 1991 Petrarca-Preis
- 2009 Golden PEN Award
- 2011 Groeneveld Foundation Award
Werke
Romane
- A Painter of Our Time. 1958, 1989 [dt. u.d.T.: Die Spiele. Leipzig 1991 (Reclam-Bibliothek 1408)]
- G. 1972. G. ist ein experimenteller Roman, durchdrungen von verschiedenen diskursiven Ebenen. Der Roman bearbeitet den Don-Juan-Mythos (G.= Giovanni, Don Giovanni = Don Juan) und zeichnet G. als existentiellen Helden, der sich gegen die herrschende Ordnung stellt.
- SauErde. Geschichten vom Lande. 1982
- Spiel mir ein Lied. 1988
- Flieder und Flagge. 1991
- Auf dem Weg zur Hochzeit. 1996
- King. 1999. Kaleidoskopischer Roman, der Zeit- und Raumverhältnisse auflöst und das Elend der Menschen, die aus der gesellschaftlichen Ordnung herausfallen, thematisiert. Dabei bleibt offen, ob der Ich-Erzähler King wirklich ein Hund ist oder ein heruntergekommener Mensch.
- A und X. Eine Liebesgeschichte in Briefen, aus dem Englischen übersetzt von Hans Jürgen Balmes; Carl Hanser Verlag, München 2010 ISBN 978-3-446-23395-9
Essays
- Begegnungen und Abschiede. 1991.
- Und unsere Gesichter, mein Herz, vergänglich wie Fotos. 1992.
- mit Jean Mohr: Geschichte eines Landarztes. 1998.
- mit Jean Mohr: Eine andere Art zu erzählen. 1982/2000.
- Gegen die Abwertung der Welt. 2001.
- Mit Hoffnung zwischen den Zähnen. Berichte von Überleben und Widerstand. 2007.
- Bentos Skizzenbuch. 2013[2]
- Der Augenblick der Fotografie. Essays. Vorwort Geoff Dyer, Übersetzung Hans Jürgen Balmes. Hanser, München, 2016, ISBN 3-44625283-5
Erzählungen
- Einst in Europa, aus dem Englischen übersetzt von Jörg Trobitius. Carl Hanser Verlag, München 2000 ISBN 978-3-446-19818-0
- Hier, wo wir uns begegnen, aus dem Englischen übersetzt von Hans Jürgen Balmes. Carl Hanser Verlag, München 2006 ISBN 978-3-446-20655-7
Kunsthistorische Schriften
- Albrecht Dürer – Aquarelle und Zeichnungen. Köln 1993
- Das Kunstwerk. Berlin 1992
- Das Leben der Bilder oder die Kunst des Sehens. Berlin 1981[3] 11. Auflage. Wagenbach, Berlin 2009, ISBN 978-3-8031-1114-2.
- Sehen. Das Bild der Welt in der Bilderwelt Reinbek 1974
- Glanz und Elend des Malers Pablo Picasso. Reinbek 1973
- Fernand Léger. Dresden 1967
- Renato Guttuso. Dresden 1957
Sozialkritische Literatur
- mit Jean Mohr: Arbeitsemigranten. Erfahrungen, Bilder, Analysen. Reinbek 1976
Theaterstücke
- Francisco Goya – das letzte Porträt. Ostfildern 1995
- Die drei Leben der Lucie Cabrol
Drehbücher
- Der Salamander. 1971. Regie: Alain Tanner
- Die Mitte der Welt. 1974. Regie: Alain Tanner
- Jonas, der im Jahr 2000 25 Jahre alt sein wird. 1976. Regie: Alain Tanner
Literatur
- Hertel, Ralf und David Malcolm (Hrsg.), On John Berger: Telling Stories. Leiden: Brill, 2015. ISBN 9789004306127.
- Geoff Dyer (Hrsg.): John Berger: Selected Essays. Bloomsbury, ISBN 0-375-71318-2.
- dsb.: Ways of Telling. The Work of John Berger. ISBN 0-7453-0097-9 (mit Werkübersicht.)
- Charity Scribner: John Berger, Leslie Kaplan, and the Western Fixation on the „Other Europe“. In: Moritz Csáky, Klaus Zeyringer (Hrsg.): Inszenierungen des kollektiven Gedächtnisses. Eigenbilder, Fremdbilder. Studienverlag, Innsbruck 2002, ISBN 3-7065-1772-8, S. 236–246
- Achim Engelberg: Über Dörfer und Städte. Der europäische Erzähler John Berger. VanBremen, ISBN 978-3-9805534-3-8
- Jochen Krautz: John Bergers Ästhetik und Ethik als Impuls für die Kunstpädagogik am Beispiel der Fotografie. Kovac, Hamburg 2004, ISBN 3-8300-1287-X
Dokumentarfilm
Auf der 66. Berlinale (Februar 2016) hatte der vierteilige dokumentarische Essayfilm The Seasons in Quincy: Four Portraits of John Berger in der Sektion Berlinale Special seine Weltpremiere. Der kollaborativ produzierte Film von Tilda Swinton, Colin MacCabe, Christopher Roth, Bartek Dziadosz und dem Derek Jarman Lab setzt sich mit einzelnen Aspekten aus John Bergers Werk und seinem Leben im alpinen Bergdorf Quincy (Haute-Savoie) auseinander.[4][5][6]
Weblinks
- Literatur von und über John Berger im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- John Berger bei IMDb
- Ein Gespräch mit John Berger
- Interview mit John Berger in der Literaturzeitschrift Am Erker von 1995
- Here is where we meet Kongress im Frühjahr 2005 in London (englisch)
- John Berger auf der Website des Bloomsbury-Verlages
- Artikel vom Januar 2006 (englisch) über ein Kunstprojekt mit Kindern im November 2005 in Ramallah. Kritik an der Siedlungspolitik Israels. Auf diesen Seiten weitere Artikel von John Berger zu verschiedenen Themen (u.a. Susan Sontag).
- John Berger unterstützt die „Palestinian Campaign for the Academic and Cultural Boycott of Israel“ aus Ramallah, um offiziellen Kulturaustausch mit Israel zu unterbinden, und gewinnt weitere Autoren und Künstler dafür. (englisch) (Link: unten auf der Seite zum Original-Aufruf in The Guardian)
Einzelbelege
- ↑ Javier Rodríguez Marcos: Muere John Berger, escritor, pintor y crítico de arte británico. ElPais.com, 2. Januar 2017, abgerufen am 3. Januar 2017 (spanisch).
- ↑ Michaela Schmitz: Mystische Bild- und Erzählmeditationen John Berger: „Bentos Skizzenbuch“. Rezension in der Deutschlandfunk-Sendung „Büchermarkt“, 16. Juli 2013, abgerufen am 3. Januar 2017.
- ↑ Auszug Warum sehen wir Tiere an? in Akzente (Zeitschrift) H. 2, 1981, wieder in: Akzente. Ein Reader aus 50 Jahren. Hanser, München 2003 ISBN 3446204091 S. 301–318. Übers. Lida von Mengden
- ↑ Roman Tschiedl: The Seasons in Quincy, Radio OE1 Leporello, 15. Februar 2016
- ↑ The Seasons in Quincy: Four Portraits of John Berger, 66. Internationale Filmfestspiele Berlin (PDF)
- ↑ seasonsinquincy.com, Filmwebsite
Personendaten | |
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NAME | Berger, John |
KURZBESCHREIBUNG | britischer Maler, Schriftsteller und Kunstkritiker |
GEBURTSDATUM | 5. November 1926 |
GEBURTSORT | London Borough of Hackney |
STERBEDATUM | 2. Januar 2017 |
STERBEORT | Antony, Département Hauts-de-Seine |