Fehlschluss

Schlussfolgerung, bei der die abgeleitete Aussage nicht aus den explizit angegebenen oder den implizit angenommenen Voraussetzungen folgt
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 28. April 2006 um 15:00 Uhr durch 212.202.139.210 (Diskussion) (Zeitlicher Zusammenhang von Ereignissen). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Als Fehlschluss (lat. fallacia) bezeichnet man einen Schluss, bei dem das abgeleitete Urteil nicht aus den explizit angegebenen oder implizit angenommenen Voraussetzungen folgt. Dies bedeutet nicht sofort, dass das abgeleitete Urteil auch falsch ist: ein Fehlschluss gibt keinerlei Aufschluss über den Wahrheitsgehalt des Urteils.

Zwei Formen sind zu unterscheiden:

  • der Sophismus als ein mit Absicht herbeigeführter Fehlschluss
  • der Paralogismus als unbeabsichtigter Fehlschluss.


Beispiele antiker Sophismen

Was du nicht verloren hast, das hast du noch. Hörner hast du nicht verloren. Daraus folgt: Du hast Hörner.

Die vom Kranken eingenommene Arznei ist gut. Je mehr Gutes man tut, desto besser ist es. Daraus folgt: Arznei muss man möglichst viel einnehmen.

Erkennst Du diesen Verhüllten? Nein! Es ist Dein Vater! Daraus folgt: Du erkennst Deinen Vater nicht.

Fehlschluss in der Kriminalistik

Das Ergebnis eines DNA-Tests, eines Fingerabdrucks oder einer sonstigen Spur alleine kann nicht über Schuld oder Nichtschuld eines Verdächtigen entscheiden. Es wird nur als Indiz gewertet, das durch weitere ergänzt werden muss. Viele Verdächtige legen allerdings ein Geständnis ab, wenn man sie mit dem Ergebnis konfrontiert.

Ist das nicht der Fall, muss das Ergebnis interpretiert werden, wobei Fehlschlüsse nicht auszuschließen sind. Eine ungültige Schlussfolgerung macht alle nachfolgenden ungültig:

  1. falsche Übereinstimmung durch falsch positive Testergebnisse
  2. bei einer zufälligen Übereinstimmung muss der Verdächtigte nicht der Urheber der Spur sein
  3. das biologische Material kann von jemand anderem hinterlegt worden sein
  4. das biologische Material muss nicht zum Tatzeitpunkt hinterlegt worden sein
     ----------      ----------      ----------      ----------      ----------
    |berichtete|    |tatsächl. |    |Urheber   |    |am Tatort |    |schuldig  |
    |Überein-  | -> |Überein-  | -> |          | -> |anwesend  | -> |          |
    | stimmung | 1  |stimmung  | 2  |          |  3 |          | 4  |          |
     ----------      ----------      ----------      ----------      ----------
      | |                                ^                                 ^
      | `--------------------------------´                                 | 
      | Urhebertrugschluss                                                 |
      |                                                                    |
      `-------------------------------------------------------------------´
        Trugschluss des Anklägers

Der Trugschluss des Anklägers Vorlage:Lit besteht in der falschen (!) Annahme:

P(Unschuld|Übereinstimmung) sei P(Übereinstimmung), wobei P für die Wahrscheinlichkeit steht.

Beim Trugschluss des Anklägers wird die Folgekette von Schlüssen also einfach übersprungen (siehe Beispiel unten) und die Wahrscheinlichkeit der Schuld wird übertrieben.

So wird auch oft in den Medien berichtet: da beide Proben mit einer Wahrscheinlichkeit von eins zu einer Million zufällig übereinstimmen, ist auch die Wahrscheinlichkeit der Unschuld eins zu einer Million, oder die Wahrscheinlichkeit der Schuld eine Million zu eins. Dies ist ein Fehlschluss und falsch (siehe auch bedingte Wahrscheinlichkeit). Genauso falsch ist die Formulierung: dass das Blut (am Tatort) von einer anderen Person als dem Verdächtigen stammt ist 1 zu eine Million, hier wird fälschlich eine Urheberwahrscheinlichkeit ("Urhebertrugschluss") angegeben - die Spur könnte auch "gelegt" worden sein.

Damit von einer Übereinstimmung auf eine Urheberschaftwahrscheinlicheit geschlossen werden kann (Punkt 2), muss ein Kreis von Menschen gefunden werden, der objektiv in Frage kommt - vor Gericht wird eine subjektive A-Priori-Wahrscheinlichkeit nicht akzeptiert. Dieses prinzipielle Problem taucht sowohl bei einer gerichtlichen Untersuchung ("Täterkreis") als auch bei einem Vaterschaftstest auf.

Beispiele

Um das Problem eines Fehlschlusses zu verdeutlichen einige Beispiele:

Mangelnde Ursächlichkeit - reines gleichzeitiges Auftreten gibt noch keinen Grund

Tatsache 1: England ist tollwutfrei.
Tatsache 2: Es gibt in England auch keine Störche.
Schlussfolgerung: Störche verursachen somit die Tollwut.

Bei Kenntnis der wirklichen Ursache für die Tollwutverbreitung handelt es sich bei diesem Fehlschluss um einen Sophismus, ansonsten um einen durch Unkenntnis herbeigeführten Paralogismus.

Der selbe Fehlschluss kann auch so dargestellt werden:
Tatsache 1: Patient XY hat Rückenschmerzen.
Tatsache 2: Patient XY hat einen Bandscheibenvorfall.
Schlussfolgerung: Der Bandscheibenvorfall ist die Ursache für die Rückenschmerzen.

Beide Schlüsse sind in (wissenschafts)philosophischem Sinne immer falsch, da auf die Erhebung weiterer Tatsachen verzichtet wird. Im besten Fall kann die Verknüpfung zweier Tatsachen Verdachtsmomente liefern, die mit wissenschaftlichen Methoden abgeklärt werden sollen.

Zusammenhang zur Statistik

Cannabis (große Fläche C) wird manchmal als Einstiegsdroge für Heroin (kleinere Fläche H) bezeichnet. Zwischen beiden Gruppen gibt es eine Überschneidung (X). Die (überwiegende) Mehrheit der Heroinbenutzer hat vorher schon Cannabis genommen. Lässt sich daraus folgern, dass die Mehrheit der Cannabiskonsumenten später auf Heroin umsteigen werden?

,------------------.                   
|                  |  
|                  |
|                  |
|                  |
|              ,----.
|              |XXX||
|              |XXX||
`--------------|--´ |
               `----´
      C           H

Gerd Gigerenzer verweist, ohne ein moralisches Urteil abzugeben, darauf, dass die Mehrheit der Cannabisbenutzer an Heroin kein Interesse habe (verbleibender Rest der großen Fläche). Die Aussage: aus "die meisten Heroinbenutzer waren früher Cannabisbenutzer" folgt "die meisten Cannabisbenutzer werden Heroinbenutzer sein", sei deshalb ein Fehlschluss. Gigerenzer beschreibt logische Fehlschlüsse als Teil des "mathematischen Analphabetismus".

Besonders deutlich wird dieser fehlerhafte Schluss, wenn man die Cannabisbenutzer durch Milchtrinker ersetzt. Die meisten Heroinabhängigen haben, mindestens einmal in ihrem Leben, Milch getrunken. Der Fehlschluss wäre, dass die meisten Milchtrinker irgendwann heroinabhängig werden.

Das subjektive Gefühl, dass es doch zwischen solchen Tatsachen einen quantifizierbaren Zusammenhang geben muss, findet Bestätigung in der Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung, die allerdings sehr viel speziellere Eingangsdaten benötigt, und große Schwierigkeiten hat, ebensolche Prognosen zu liefern.

Mathematik

In der Mathematik entstehen Fehlschlüsse oft bei falscher Anwendung von Rechenregeln, z.B. bei versehentlicher Division durch Null:

Aus der wahren Aussage 2·0 = 1·0 könnte man mittels einer (genau deshalb "unmöglichen") Division durch 0 die falsche Aussage 2 = 1 ableiten.

oder bei Anwendung der von den positiven reellen Zahlen her bekannten Gesetze des Wurzelziehens auf komplexe Zahlen:

Egal wie man "die" Quadratwurzel einer komplexen Zahl definieren würde, es würden stets einige Wurzelgesetze gebrochen, z.B. gilt die Gleichung   nicht immer. Man betrachtet daher stets beide Quadratwurzeln gleichzeitig.

Weitere Beispiele

Zeitlicher Zusammenhang von Ereignissen

Post hoc, ergo procter hoc: Das Ereignis A zeitlich vor B beweist noch keine Kausalität - es ist eine notwendige Bedingung, aber keine hinreichende. Inwieweit dies gilt, war Gegenstand der Untersuchung von Hume und Immanuel Kant. Wenn etwa eine Billardkugel eine andere trifft, so sieht man von außen nichts als den zeitlichen Zusammenhang zwischen Auftreffen der ersten und Geschwindigkeitsänderung der zweiten. Laut Kant darf unter Einbeziehung (und nur dann) der Newton'schen Gesetze hier allerdings (Hume bestreitet es) sehr wohl eine Kausalität angenommen werden.

Siehe auch

Literatur