< nowiki>Treck durch den Nord-Süd-Tunnel 1945

Der Treck durch den Nord-Süd-Tunnel der S-Bahn in Berlin war ein Ereignis des Kampfs um Berlin im Zweiten Weltkrieg. Nach der Einkreisung des inneren Stadtbereiches durch die Rote Armee am 25. April 1945 floh die Bevölkerung zunehmend in die bis dahin schon ausgelasteten Bunker und nach der Stillegung des Bahnverkehrs auch in die Stationen und die Tunnels von S- und U-Bahnen.
Der Treck war eine direkte Folge der Evakuierung des Anhalter Hochbunkers. Die ca. 10.000 vor den Kampfhandlungen in den Bunker geflüchteten Zivilisten wurden nach dem organisiert erfolgenden Aufbruch frühmorgens am 1. Mai 1945 aus den unterirdischen Ausgängen des Bunkers direkt in die S-Bahn-Station Anhalter Bahnhof geleitet und von dort aus weiter durch den Bahnschacht über den Bahnhof Friedrichstraße (Wechsel in die damalige U-Bahnlinie C, heute U 6) bis in den Bereich Stettiner Bahnhof (heute S-Bahnstation Nordbahnhof und U-Bahnhof Naturkundemuseum). Der Treck wurde noch vor dem Bahnhof Friedrichstraße von dem Wassereinbruch nach der Sprengung im Landwehrkanal erfasst.

Verkehrslage
Der Nord-Süd-Tunnel der Berliner S-Bahn unterquert den Innenstadtbereich von Süden eingangs mit zwei Linien nach den S-Bahnhöfen Yorckstraße (Wannseebahn) und Großgörschenstraße (Anhalter Bahn) und führt unter dem ehemaligen Anhalter Güterbahnhof (heute: Park am Gleisdreieck) und unter dem Landwehrkanal zu den Stationen Anhalter Bahnhof, Potsdamer Platz, Unter den Linden (heute: Brandenburger Tor) Friedrichstraße - Oranienburger Straße zum Stettiner Bahnhof (heute: Nordbahnhof). Der Tunnel wurde 1935 gebaut, er ist 5,5 Kilometer lang. Die Sprengstelle im Landwehrkanal, die die Flutung bewirkte, befindet sich heute gegenüber dem Museum für Verkehr und Technik, in Nähe der Hochbahnüberführung der U-Bahnlinie 1. Da bei Ankunft des Trecks im Bahnhof Friedrichstraße der S-Bahntunnel in der Fortsetzung unter der Spree durch einen dortigen Wassereinbruch in die Vertiefung bereits angefüllt war, wurden die Menschen durch den U-Bahnschacht Richtung Oranienburger Tor und von da zum Stettiner Bahnhof umgeleitet.
Forschung
So schreibt im Vorwort der 2015 unverändert herausgegebenen Neuauflage des bereits 1966 erschienenen Werkes von Cornelius Ryan: Der letzte Kampf, der Historiker Johannes Hürter: „Nach wie vor aber fehlen befriedigende wissenschaftliche Gesamtdarstellungen des Kriegsendes im Osten, der Besetzung Berlins und der Berliner Gesellschaft (und Stadtverwaltung) in den letzten Kriegsmonaten“..[1]
J. Hürter zitiert auch Michael Wildt/Christoph Kreutzmüller: „Im Vorwort [S. 7] wird für die gesamte NS-Zeit konstatiert, es sei erstaunlich, wie wenig die Geschichte der Stadt und ihrer Gesellschaft gerade für diese Zeit aufgearbeitet ist.“[2]
Entsprechende Versäumnisse stellt Hürter selbst für das Standardwerk des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes fest: Es „bietet zwar eine detaillierte Operationsgeschichte des Kampfes um Berlin, verzichtet jedoch auf jede nähere Analyse des Schicksals der Zivilbevölkerung in diesem Inferno.“[3]
Quellenlage
Quellendefinition
Das Begriffspaar Primärquelle/Sekundärquelle verweist unter anderem in der Geschichtswissenschaft auf den Überlieferungszusammenhang von Quellen untereinander. Aus einer Sekundärquelle kann man erfahren, was in der (eventuell verloren gegangenen) Primärquelle stand. Von einer Primärquelle ist nur zu sprechen, wenn im betreffenden Zusammenhang Sekundärquellen behandelt werden, ansonsten wird einfach der Begriff Quelle verwendet.
In der Geschichtswissenschaft trennt man scharf die Quellen im engeren Sinne von der modernen Sekundärliteratur, die Quellen oder andere Texte behandelt. Zu den vielen Arten, Quellen untereinander zu unterscheiden, gehört das Begriffspaar Primärquelle / Sekundärquelle: Primärquellen sind oft, aber nicht unbedingt, Informationen von Augenzeugen oder schriftliche Berichte von am Geschehen Beteiligten. Sekundärquellen sind Berichte aus zweiter Hand, die ihrerseits Primärquellen zitieren.
Eine Sekundärquelle dient dazu, etwas über den Inhalt einer (verloren gegangenen) Primärquelle in Erfahrung zu bringen. Stefan Jordan: „Als sekundäre Quelle bezeichnet man die sinngemäße Wiedergabe einer Quelle in einer anderen Quelle.“[4] Die Einschätzung als Primär- oder Sekundärquelle hängt eng mit der konkreten Überlieferungssituation zusammen. Wenn es dabei keine Sekundärquelle gibt, erübrigt es sich von einer Primärquelle zu sprechen, sondern einfach nur von einer Quelle. Das Begriffspaar Primärquelle/Sekundärquelle steht für sich und hat nichts mit dem Begriffspaar Quelle/Sekundärliteratur zu tun. Sowohl Primärquellen als auch Sekundärquellen sind schlicht Quellen; unter Sekundärliteratur wiederum versteht man die moderne Fachliteratur zu einem Thema. In der Geschichtswissenschaft wird auch das Begriffspaar Quelle und Darstellung verwendet.
Zeitzeugen
Ähnlich wie bei der mündlichen Aussage eines Zeitzeugen ist erst die schriftlich fixierte Beobachtung eines Forschers als Quelle in der Wissenschaft verwendbar. Problematisch sind ursprünglich mündlich tradierte oder auf Erinnerungen beruhende Quellen, die also auf mündlichen Aussagen beruhen und erst später schriftlich festgehalten wurden.[5] Quellen kann man auch nach der zeitlichen, personellen und sonstigen Nähe des Quellenschaffenden zum betreffenden Ereignis beurteilen. Es ist ein Unterschied, ob man ein Ereignis noch am selben Tage im Tagebuch beschreibt oder Jahre später in seinen Memoiren.
Sekundärliteratur
Sekundärliteratur bezeichnet Fach- und Sachliteratur, die sich mit anderen Texten (die als Primärliteratur oder Quellen bezeichnet werden) wissenschaftlich auseinandersetzt. In der Geschichtswissenschaft wird Primärliteratur traditionell als Quelle bezeichnet, die analysierenden Darstellungen als Fachliteratur oder Sekundärliteratur.[6] Für die Wissenschaftsgeschichte ist folgerichtig die Sekundärliteratur vergangener Zeiten als Quelle verwendbar. Beispiel: Das Werk eines berühmten Wissenschaftlers des 19. Jahrhunderts kann zu einer Quelle für den heutigen Historiker werden, der sich mit jenem berühmten Wissenschaftler beschäftigt. In der Geschichtswissenschaft ist außerdem von der Sekundärliteratur zusätzlich die Sekundärquelle zu unterscheiden: Letztere bezeichnet eine Quelle, die darüber informiert, was in einer Primärquelle zu finden gewesen wäre.
Belege in einer wissenschaftlichen Arbeit
Damit ein Historiker eine Quelle berücksichtigen kann, muss sie in einem Archiv oder einer ähnlichen Institution erschlossen sein. Die Erschließung von Quellenmaterial bedeutet, dass man das Material feststellt, eine Übersicht erhält und den Zugang ermöglicht. Durch eine Archivierung, Registrierung usw. wird es dem Erschließenden und anderen Interessierten möglich, das Material zu nutzen, nämlich zielgerichtet zu suchen und schließlich daraus zu zitieren. Eine Quelle ist unbedingt im Zusammenhang mit anderen Quellen zu verwenden und einzuordnen. Ein Quellenzitat in einer Darstellung darf sich nicht mit dem bloßen (ausgewählten) Quellentext begnügen; es muss begleitet sein von Sachkommentar und Interpretation.
Quellenzitate beziehungsweise Aussagen, die auf einer Quelle beruhen, müssen in einer wissenschaftlichen Arbeit belegt werden, und zwar mit genauer Angabe darüber, wo die Quelle zu finden ist, also in welcher Quellenedition oder welchem Archiv. In der Regel verwendet man dazu den Anmerkungsapparat.
zunächst die „ungedruckten Quellen“ und danach die „gedruckten“, wozu er nicht nur Quelleneditionen, sondern auch Memoiren, zeitgenössische Schriften und Jahrbücher rechnet. Letztere deswegen, weil sie als Quelle, nicht als Sekundärliteratur verwendet wurden. Danach nennt Havemann die durchgesehenen Zeitschriften (mit Laufzeit) und erst danach die „Darstellungen“ (die Sekundärliteratur).
Am Ende der Arbeit erwähnt man – zusätzlich zum Anmerkungsapparat – die Quellen gesondert. Dabei kann man sinnvoll noch unterscheiden zwischen veröffentlichten und unveröffentlichten Quellen. Erst danach listet man in einem anderen Abschnitt die verwendete Sekundärliteratur auf.
Fundus
Recherchen zufolge existierten Akten zur Sprengung im Landwehrkanal (mit der Folge der Tunnelflutung) im Archiv der Reichsbahn, doch wurden diese 1992 einer Autorin laut ihrem Vorwort (ZITAT) nicht zur Verfügung gestellt. Nach der Auflösung des Archivs 1995 (es befand ich im Gebäude der Reichsbahndirektion in der Schöneberger Straße, das nach inoffiziellen Angaben ‚zwischen dem Landesarchiv Berlin und der Deutschen Bahn (DB) aufgeteilt wurde’, teilte das Archiv der Deutschen Bahn mit, dass eine diesbezügliche Akte nicht vorläge. Zwei Akten im Landesarchiv, die sich auf den Vorgang beziehen könnten, sind dort zwar registriert, waren bei Anforderung jedoch nicht auffindbar. (ZITAT).
Auch im Verkehrsmuseum habe sich - nach Auskunft der Archivleitung - eine Akte zum Vorgang befunden (ob in anderer Form oder als Kopie, war nicht festzustellen), doch wäre diese irgendwann ‚verschwunden’.
Diese Akten – falls sie noch existieren – wären als „Primärquellen” zu werten.
Da nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, das die „Akten” auch Informationen über die Flutung als Folgeereignis der Sprengung und damit auch zum Treck durch den Tunnel enthalten würden, muss eine Recherche grundsätzlich unabhängig davon angelegt werden.
Erwähnung des Trecks
Die Problematik der Primärquellen besteht darin, dass diese entweder nicht zugänglich sind oder – mit sehr wenigen Ausnahmen – in folge der Umstände der Kämpfe der Endphase nicht entstehen konnten.
Sekundärquellen, die einer zeitnahen journalistischen Berichterstattung zugeordnet werden können, existieren nicht, da unmittelbar im Zusammenhang mit den Kriegsendeereignissen in Berlin keine Medien mehr existierten, d.h., es fand keine Berichterstattung mehr statt. Es können somit allenfalls nachträglich – nach den Neu- bzw. Wiedergründungen – und damit Wochen später Berichte aufzufinden sein.
Chronik der Presse-Gründungen nach der Kapitulation:
- Die erste Zeitung erschien zwei Wochen nach dem Vorfall: Ab dem 15. Mai 1945 die „Tägliche Rundschau“ (TR) als 4-seitiges Mitteilungsblatt der sowjetischen Administration (SMAD). Nach anderer Quelle erschien die Zeitung schon ab dem 8. Mai 1945.[7] (Erwähnung des Trecks am 11. Juni 1945 im Artikel Wettlauf mit dem Tod)
- Ab 21. Mai 1945 erschien die „Berliner Zeitung“ (BZ) ebenfalls mit SMAD-Lizenz und mit 4 Seiten. Die BZ berichtete am 18. Juni 1945 erstmals zum Vorfall der Sprengung und Flutung des Landwehrkanals, der Treck wird dabei nicht erwähnt.
- Ab 12. Juni 1945 erschien die Deutsche VolksZeitung (DVZ) als Organ der KPD, die Freie Deutsche Gewerkschaftszeitung des FDGB
- Nach Einrichtung der Westzonen ab Juli 1945 wurden lizensiert: „Das Volk“ (DV), SPD, ab 7. Juli 1945; die „Neue Zeit“ (NZ), CDU ab 22. Juli 1945 und „Der Morgen“ (DM), LDP, ab 8. August 1945; alle durchwegs mit 4 Seiten.
Sowie:
- Die US-Heeresgruppenzeitung (HZ) als „Allgemeine Zeitung“ ab 8. August 1945, ab 18. Oktober 1945 als Offizielles Organ der amerikanischen Besatzungsmach die „Neue Zeitung“ (NZG).
Die derzeit einzige schriftliche Primärquelle, die den Treck definitiv als einen von außen organisierten Vorgang benennt, ist ein Leserbrief vom 1. Mai 1946.
- Der Tagesspiegel (TS) ab 27. September 1945 mit Lizenz der amerikanischen Militärregierung.
- „Der Berliner“ (DB) (?).
Die neu erschienenen Zeitungen[8] konzentrierten sich in erster Linie auf das Auswirkungen des militärischen und politischen Kriegsgeschehen (Besatzungsanordnungen / die Festnahme von Kriegsverbrechern) sowie auf alltägliche Probleme, insbesondere die Versorgungslage. Die Katastrophe im Nord-Süd-Tunnel rangierte unter Verkehrsprobleme, konkretes zum Vorgang schien mehr oder weniger als ‚bekannt‘ vorausgesetzt zu werden. Das ‚Grauen des Krieges’ und unmittelbare Folgen (z.b. Vergewaltigungen) wird in den ersten Monaten nicht thematisiert oder gar dokumentiert.
Hinzu kam, dass das Zeitungspersonal offensichtlich nicht aus Berlin stammte und auch während der Endkämpfe und in den ersten Folgewochen nicht in der Stadt bzw. ‚vor Ort’ war. Es handelte sich durchwegs um junge Männer, die als Reporter oder in den Redaktionen Anstellung fanden und meist erst Wochen oder Monate später nach Berlin gekommen waren. Das führte dazu, dass die Presse erst im Zusammenhang mit der Wiederherstellung der Schadensstelle im Landwehrkanal und dem Auspumpen der Bahntunnels auf dieses Geschehen aufmerksam wurden: Die Reporter folgten Einladungen der Reichsbahn, etwa zu Pontonbootfahrten im Nord-Süd-Tunnel, die von dem zuständigen Leiter der Schadensbehebung, Rudolf Kerger, der ebenfalls erst nach Kriegsende nach Berlin kam, moderiert wurden.
Artikel, die unter dem Einfluss der Moderationen Rudolf Kergers entstanden (ab September 1945), der von den Zeitungsleuten faktisch als „Primärquelle“ aufgefasst wurde, werden hier somit unter „Sekundärquellen“ geführt. Das gilt auch für erste Radiosendungen. In Bezug auf den Treck spielt dies jedoch keine Rolle, denn der Vorgang selbst scheint auch Kerger nicht bekannt gewesen zu sein (Andeutungen?) – es ging in seinen Äußerungen nur um die Opfer der Flutung, die geborgen wurden, nachdem der Tunnel wieder zugänglich war. Die Sprengung selbst beschreibt Kerger zwar so, als habe er sie selbst gesehen, doch flicht er später ein, dass sie von Augenzeugen stammen würden, auf die er jedoch keine Hinweise gibt. Hier ist er somit allenfalls als ‚Sekundärquelle’ zu werten.
Primärquellen
Als Primärquellen sind somit nur Berichte zu werten, die vor der Deutungsübernahme durch die Reichsbahn in Person von R. Kerger entstanden sind bzw. später ohne seine Einflussnahme geschrieben wurden: Bekannt ist hier ein Leserbrief vom 1. Mai 1946 in der Freien Deutschen Gewerkschaftszeitung (Siehe im Kapitel Datierung). Wichtig sind somit vor allem Zeitungsartikel, die „vor Kerger“ (vor September 1945) entstanden.
Entscheidend für die Rekonstruktion des Geschehens sind neben späterer Literatur in erster Linie Zeitzeugenberichte, auf die in einem der folgenden Abschnitte gesondert eingegangen wird.
Sekundärquellen
Die Sekundärquellen ab September 1945 in der damaligen ‚Berliner Presselandschaft‘ fliessen unter den jeweiligen Sachkapiteln in die Darstellung ein.
Eine, im Pressewesen der Nachkriegszeit einzigartige Darstellung zum Thema folgte 1952 in der Beitragsserie des Wochenmagazins Heim & Welt, die sich auf die Darstellung eines (ungenannten) „Reichsbahners“ bezog. Zwar scheint auch hier dem Erzähler der Treck als organisierter Vorgang nicht bewusst geworden zu sein, doch erlebte er den Vorfall im Vorfeld und seinen Auswirkungen unmittelbar. An der Datierung in den letzten Teilen sind jedoch redaktionelle Manipulationen festzustellen, die offensichtlich Widersprüche zur Reichsbahn-Version vertuschen sollen. Die Darstellungen zur Katastrophe im Tunnel selbst berührt dies jedoch nicht.
- Artikelserie in „Heim & Welt“, 1952
Die Artikelserie (sechs Teile an sechs aufeinander folgenden Sonntagen im Februar und März 1952) wurde auf Grund ihrer Aufmachung (!) im allgemeinen nicht in Untersuchungen einbezogen. Eine Kopie der Artikelserie befindet sich im Landesarchiv Berlin. Dieser Bericht ist ein Beispiel für einen persönlich wertenden Umgang mit Quellen, denn er wurde als „reißerisch aufgemachter Boulevard-Bericht“ (Michael Braun: Nord-Süd-S-Bahn Berlin, GVE 2008, S. 193) oder als „sensationsheischend“ (Karen Meyer, 1992) aus der Beweisführung so gut wie ausgeschlossen und nicht zu einer Verifizierung herangezogen und somit geprüft, sondern letztlich ignoriert. Dabei bezog sich eine ‚spektakuläre‘ Darstellung allenfalls auf den Titel und einige Teilüberschriften, der Bericht selbst ist sachlich (wobei Persönliches hier nicht wiedergegeben zu werden braucht) und wertvoll, da der Erzähler Reichsbahner im Tunnel war und viele (somit auch überprüfbare) Angaben macht und sich durch Detailkenntnisse als zuverlässig ausweist.[Anm 1] Der Bericht ist in seiner Datierung bis zum 29. April 1945 zuverlässig, danach ‚verwischt‘ er die zeitliche Abfolge und erscheint manipuliert. Bemerkenswert ist jedoch, dass sich im Fliesstext ein ‚Kasten‘ mit einer weiteren Zeugenaussage befindet, die im Widerspruch zum ‚Fliesstext‘ steht und in der sich korrigierende, verifizierbare Daten befinden. Zitiert werden in der Folge nur die verifizierbaren Darstellungen. Zweifel an genereller Glaubwürdigkeit sind nach Prüfung unberechtigt.
Literatur
Der Treck ist als organisiertes Ereignis in der Berlingeschichte, der Kriegs- als auch der Fachliteratur ebenso wie die unmittelbar vorangegangene Evakuierung des Anhalter Hochbunkers bis 2004 nicht festgestellt oder gar beschrieben worden.
- Buchband „Die Flutung des Berliner S-Bahn-Tunnels“, 1992
1991 wurde die wissenschaftlicher Mitarbeiterin der xy, Karen Meyer, von der Abgeordnetenversammlung des Bezirks Kreuzberg beauftragt, den Gesamtvorgang von Sprengung und Flutung zu untersuchen und schrieb: „Bei den vielen Menschen, die im Laufe des 1. Mai 1945 durch den S-Bahn-Tunnel nach Norden gelaufen sind, handelte es sich zum großen Teil um Alte, Frauen und Kinder aus den naheliegenden Wohngebieten, die zuvor im Hochbunker am Anhalter Bahnhof gehaust hatten. Am 1. Mai 1945 (einige Berichte sprechen vom 30.4.) ließ die SS den Bunker von ZivilistInnen und Verletzten räumen und erklärte ihn zum ‚Kampfbunker‘.“[9] Die Autorin bekommt Probleme mit ihrer Darstellung, da sie bemüht ist, den Vorgang zeitlich vor der Sprengung des Landwehrkanals anzusiedeln. Das geht soweit, dass sie Zeitzeugen unterstellt, sie wären durch Wasserpfützen gelaufen und hätten deswegen gemeint, bei der Flutung dabei gewesen zu sein.
- Buchveröffentlichung „Im Bunker“, 2004
Von Anfang bis Ende detailliert beschrieben wurden Bunkerräumung und Treck von Waltraur Süßmilch, einer der damals Beteiligten, in ihrem 2004 veröffentlichten Buch Im Bunker[10], die auf eigene Aufzeichnungen zurückgreifen und diese auch mit Uhrzeitangaben versehen konnte. Am Tag vor der Räumung fiel das Stromaggregat im Anhalter Hochbunker nach dem Verbrauch des letzten Treibstoffvorats aus – und damit nicht nur die Beleuchtung, sondern vor allem die Lüftung. Die Temperatur im Bunker stieg kontinuierlich an. Die Bunkerinsassen wurden nach der folgenden Nacht um 4 Uhr früh von Lautsprecherdurchsagen geweckt und erhielten die Anweisungen zur Räumung. Etwa zwei Stunden später setzte sich der Menschenzug durch Gänge zur S-Bahnstation Anhalter Bahnhof in Bewegung. Die Zeitzeugin, die sich nach eigener Einschätzung relativ weit vorn im Treck befand (sie befand sich vor der Evakuierung bereits auf einer Treppe zum Ausgang hin), versah ihre Notizen auch im weiteren Verlauf mit Uhrzeitangaben. Das genaue Datum war ihr nicht bekannt. Dieses Protokoll gleichsam aus dem ‚Inneren des Marsches‘ beschreibt zahlreiche Einzelheiten, die als wichtige Informationen für Ortsverhältnisse und den Ablauf hier verzeichnet sind.
> Hauptartikel: Evakuierung des Bunkers
Zeitzeugenberichte
Die beiden ausführlichen Veröffentlichungen von Karen Meyer und Waltraut Süßmilch behandeln die Lage vor, während und nach dem Wassereinbruch in das S-Bahnsystem. Während Waltraut Süßmilch als Zeitzeugin veröffentlichte, die sich auf ihr damals geschriebenes Tagebuch als Primärquelle beziehen kann, wertete Karen Meyer Aussagen von 24 Zeugen aus, die sich über Artikel im Tagesspiegel und der Berliner Morgenpost meldeten Q. Die Aussagen liegen nicht im Wortlaut vor, sondern in von der Autorin zusammenfassend erstellten Protokollen.[Anm 2] In anderer Literatur verstreut existieren weitere Zeugenaussagen. Eine Vielzahl der Aussagen lassen sich über Beschreibungen besonderer Teilereignisse oder Aspekte ‚querverifizieren‘ und damit ließ sich häufig auch die Datierung ermitteln.
Nicht alle der 23 in Die Flutung abgedruckten Zeugenaussagen sind hier wiedergegeben – nur diejenigen, die sich (im weitesten Sinne) auf den Treck und die Opfer der Flutung beziehen. Die xy hier nicht wiedergegebenen Aussagen beziehen sich auf ...
Im Kapitel „Dokumentierung“ sind die übrigen Zeitzeugen-Protokolle (mit unbedeutenden Kürzungen) aufgeführt, die sich nicht auf den Treck oder die Opfer beziehen. Dies ist erforderlich, da im Band „Die Flutung“ (K. Meyer, 1992) ein Protokoll fehlt und es deshalb angezeigt ist, alle 24 Protokolle anzuführen, um die fehlende Aussage zu isolieren. Vollständig befinden sich alle 24 Protokolle in der genannten Akte im Friedrichshain-Kreuzberg-Museum (FHXB).
Datierung des Trecks
- Ein Leserbrief am 1. Mai 1946 beschreibt den „Elendszug“ zum Jahrestag als „Hitlers letzten 1. Mai-Marsch“.[11]
- Neues Deutschland: „Am 1. Mai wurde der Bunker geräumt. Durch den S-Bahn-Schacht, in dem das Wasser an mehreren Stellen meterhoch stand, flüchteten die Leute zum Stettiner Bahnhof.“[12]
- Hans Mellin (Leitender Arzt im Lazarett des Anhalter Hochbunkers): „Am 1. Mai morgens steht mit einem Mal der SS-Kommandant an meinem Bett: ‚Ich lasse jetzt den Bunker von der Zivilbevölkerung räumen.‘ […] Der einzige Ausweg, der noch zur Verfügung steht, ist der S-Bahn-Tunnel in Richtung Norden. […] Und so setzt sich der Zug in Bewegung.“[13]
- Drei Anfragen an die Bestattungsämter Kreuzberg und Mitte, 1945, erwähnen bei der Suche nach Angehörigen den Vorgang und nennen dazu das Datum 1. Mai 1945.[14]
- „Da hieß es am Dienstag (1. Mai), wir sollten den Bunker durch den S-Bahn-Schacht verlassen, um unter der Erde bis zum Stettiner Bahnhof zu marschieren.“ (Zeugin in Folge 5 in ‚Heim & Welt‘, 23. März 1952).
- Zeugin Frau N.: „Am 1. Mai sei sie mit anderen Bunkerinsassen unterirdisch durch den Tunnel nach Norden gegangen, da das Gerücht existierte, daß im Norden in Kampfhandlungen schon eingestellt waren. Auf der Mitte des Weges mußten sie durch knöchelhohes Wasser laufen, das an manchen Stellen höher angestiegen war.“ (K. Meyer: Die Flutung, S. 52 f. Dieses und alle weiteren Zeugenprotokolle im Band Die Flutung befinden sich auch in der Akte Gedenktafeln in Kreuzberg, Sozialraum II, Kbg SW im Friedrichshain-Kreuzberg-Museum, FHXB.).
- Der Zeuge Herr H. musste „am 28.4. [...] zum Gefechtsstand am Potsdamer Platz. Dort waren S-Bahnzüge mit Zivilisten und Verwundeten. [...] Am 1.5. kamen der Troß Menschen aus dem geräumten Anhalter Bunker an seinem Standort im Potsdamer Platz vorbei.“ (K. Meyer: Die Flutung, S. 49 f.).
- Der 1. Mai 1945 wird noch von weiteren Zeitzeugen als Datum des Trecks benannt (In der Textfolge zitiert).
Darstellungsmethode
Die Darstellung der Autorin Waltraut Süßmilch in ihrem Buch Im Bunker wird im Artikel als Richtlinie des chronologischen Ablaufs des Trecks verwendet – so wie auch im Artikel zum Anhalter Hochbunker und seiner Evakuierung, in dem sich ihre Angaben als zuverlässig erwiesen. Es war durch eine Querverifizierung der dort beschriebenen Umstände möglich, die Tagesdaten zu ermitteln, die der Zeitzeugin damals nicht mehr bekannt waren, die aber die Tagesabläufe in Kenntnis von Uhrzeiten ordnen konnte. In der Dokumentation ihrer Darstellungen wird sie in der Folge mit ihrem damaligen Mädchennamen Waltraut Weise genannt. In den einzelnen Abschnitten der Chronik des Trecks wird sie jeweils zuerst aufgeführt, danach folgen Zeitzeugenaussagen, die ihre Angaben unmittelbar ergänzen bzw. verifizieren.
Hintergrund
Bereits seit Ende Januar 1945 stand die Sowjetarmee an der Oder, doch wurden ausdauernde Kämpfe um Brückenköpfe geführt – vor allem beim Küstrin – und die Weite des seit der Weichseloffensive im Januar 1945 eroberten Raumes sowie das harte Klima erschwerten die Logistik der Sowjetarmee. (So war die Spurweite der Eisenbahnen verschieden und musste umgebaut werden).
Zudem hatte [Josef Stalin|Stalin]] nun keine Eile mehr, denn er stand bereits nahe der deutschen Reichshauptstadt und die Westalliierten konnten erst im März 1945 über den Rhein setzen. Sie durchquerten Westdeutschland jedoch recht schnell, so dass am 16. April auch der russische Angriff auf Berlin begann. Nach dreitägigen Kämpfen im Vorland waren die östlichen Vorstädte erreicht und der Beschuss der Innenstadt setzte ein. Der S-Bahnverkehr im Nord-Süd-Tunnel wurde am 21. April eingestellt. Am 25. April 1945 war Berlin eingeschlossen und die Heeresgruppen der sowjetischen Feldmarschälle Schukow und Konew näherten sich konzentrisch dem Regierungsviertel. Im Süden bildete der Landwehrkanal die letzte geschlossene Verteidigungslinie.
Das Umfeld des Anhalter Bahnhofs, das mit seinen komplexen Anlagen für die Verteidigung Berlins hinter der Linie des Landwehrkanals eine Schlüsselstellung einnahm, geriet mit der Ankunft russischer Panzer am Kanal am 27. April 1945 in die unmittelbare Kampfzone. Dennoch drängten sich im Bahnhof und seinem Untergrund sowie dem benachbarten Hochbunker eine große Zahl von Zivilisten zusammen, deren Wohnungen und Keller nach dem Artilleriebeschuss keinen Schutz mehr boten und die diesen in den Mauern des „Anhalter“ suchten.
Umfeld Anhalter Bahnhof
Der Anhalter Bahnhof und sein riesiges Güterbahnhofareal im Süden sowie die Gleisanlagen des direkt vorgelagerten Geländes boten wie Eisenbahnanlagen generell gute Verteidigungsmöglichkeiten. Zum andern waren der Monumentalbau des Anhalter Bahnhofs und seine ausgedehnten unterirdischen Anlagen sowie der dortige Anhalter Hochbunker Orte, die Schutz bieten konnten und so zogen Tausende von Berlinern in seine Richtung, auch wenn er durch den Luftangriff vom 3. Februar 1945 oberirdisch schon zur Ruine geworden war. Die vielen Menschen ermöglichten jedoch keine Nutzung des Bahnhofs als militärisches Abwehrzentrum.
Überquerung des Landwehrkanals
- Am 26. April 1945, abends wurden Brücken über den Landwehrkanal gesprengt - unmittelbar wahrgenommen von der Zeugin W. Süßmilch (damals Waltraut Weise): die Großbeerenbrücke, die Brücke am Halleschen Tor und die Zossener Brücke. Die Sprengungen führte ein mobiles Wehrmachtskommando aus.[Anm 3]
- Der Zeuge Herr H. „berichtet, daß er am 27.4. erste russische Panzer am Halleschen Ufer gesehen hat.“ Im Anhalter Bahnhof „kam er zu einem Spähtrupp mit dem er im Tunnel gen Süden ging. Er mußte mit einem MG bewaffnet den Tunnelausgang (Tunnelmund) bewachen. Er hat nicht gesehen, daß Sowjets versucht hätten, in den Tunnel einzudringen.“[Anm 4]
Die im Laufe des 27. April 1945 am Landwehrkanal eintreffenden sowjetischen Truppen bereiteten sich am 28. April auf den Kanalübergang vor – der Tag wurde deutscherseits in der Region als ‚Feuerpause‘ empfunden und die Angreifer setzten am 29. April hauptsächlich über das Stahlskelett der Hochbahnruine Möckernstraße und einen Rest der Großbeerenbrücke über das Wasserhindernis. Am 30. April soll die Ruine des Anhalter Bahnhofs und der Askanische Platz bereits sowjetisch kontrolliert gewesen sein. Die Lage blieb dort jedoch unübersichtlich, da die russischen Truppen auch große Ansammlungen von Flüchtlingen (wie im Anhalter Eisenbahnhof) mieden. Der Hochbunker war den Russen nicht zugänglich und wurde unter Dauerbeschuss genommen, da er als Teil des Verteidigungssystems galt.
Die Lage veränderte sich oberirdisch am 30. April nicht wesentlich, da die Sowjets von dem hartnäckig verteidigten Luftwaffenministerium (heute Bundesministerium für Finanzen) aufgehalten wurden.
Endkampf und Kapitulation
Am 1. Mai 1945 hatten sich die Frontlinien fast aufgelöst und es wurde mit einer sich nochmals steigernden Intensität in der ganzen Innenstadt gekämpft. Unterirdisch fand zu dieser Zeit der Treck durch den Nord-Süd-Tunnel statt, die Wahrnehmung der Zeugen von den oberirdischen Kämpfen und des „Flammenmeeres“ ist einhellig. In der Nacht gaben die deutschen Gruppen den Kampf weitgehend auf – der Kommandeur, [Helmuth Weidling|General Weidling], suchte und fand Verbindung zu den Sowjets. Verhandlungen wurden auch von Insassen des Führerbunkers versucht, doch besaß nur Weidling Befehlskompetenz und wurde damit von den Sowjets als Verhandlungspartner akzeptiert. In der Nacht gab es zahlreiche Ausbruchsversuche deutscher Gruppen und dazu im Nachhinein auch Berichte über die Lage im Bahnhof Friedrichstraße. Weidling gab an, dass er die Kampfeinstellung bereits kurz nach Mitternacht angeordnet habe.
Die Kapitulation war um 6 Uhr früh fest vereinbart und wurde ab diesem Zeitpunkt durchgeführt. Auch die sowjetischen Truppen hatten auf Anordnung des Generals Tschuikow das Feuer bereits eingestellt. Vereinzelte Kämpfe („Schießereien“) gab es in der Folge nur noch im vom Zentrum abgelegenen Bereichen und damit auch nicht im Bereich des (oberirdischen) Raums des Nord-Süd-Tunnels. Insbesondere Artillerie wurde nicht mehr eingesetzt.
> Hauptartikel: Kapitulation 2. Mai 1945
Lage im Tunnel vor dem Treck
Die Situation vor dem Treck wurde 1952 in den ersten von sechs Folgen in der Artikelserie im Sonntagsmagazin „Heim und Welt“ von einem Reichsbahner dargestellt. Der Bericht beginnt am 21. April 1945 mit einem Stilllegungsbefehl für den S-Bahnverkehr. Der Zeuge beschreibt die Lage in den S-Bahnhöfen am nächsten Morgen [22. April], 9 Uhr: „Daß die S-Bahn nicht mehr fährt, hat sich in Windeseile in der Bevölkerung herumgesprochen. In dichten Scharen zieht alles mit Kind und Kegel, mit Koffern und Kisten, in die S-Bahn-Stationen.“ Der Bericht des Reichsbahners in Heim und Welt lässt den 23. bis 28. April aus und setzt erst mit dem 29. April 1945 wieder ein.[15]
Zur Lage im Tunnel und in den Bahnhöfen
Nach übereinstimmenden Angaben waren insbesondere die S-Bahnstationen Anhalter Bahnhof und Potsdamer Platz (mit zwei Decks) völlig überfüllt.[Anm 5]xy</ref>
- Der Zeuge Herr K. „erinnerte sich an hunderte, vielleicht tausende Menschen, die in den letzten Tagen im Tunnel gelebt hätten. Darunter wären Zivilisten ebenso wie Soldaten gewesen und auch Verletzte.“[16]
Evakuierung und Abmarsch
Ein Zeuge an privilegierter Stelle hatte Kenntnis von Datum und Uhrzeit - der Arzt des Lazaretts im Anhalter Hochbunker:
- Hans Mellin: „Am 1. Mai morgens steht mit einem Mal der SS-Kommandant an meinem Bett: ‚Ich lasse jetzt den Bunker von der Zivilbevölkerung räumen.‘ […] Mit einem Achselzucken lasse ich ihn stehen, nehme Mantel und Hut und gehe hinaus. Der einzige Ausweg, der noch zur Verfügung steht, ist der S-Bahn-Tunnel in Richtung Norden. Im Bunker ist die Hölle los. Alles quillt die Treppen hinunter in den dunklen Tunnel. […] Und so setzt sich der Zug in Bewegung. Man kommt nur schrittweise voran und tastet sich von einer Schwelle zur andern.“[17]
- In ihrem Bericht schrieb Waltraut Süßmilch (W. Weise), sie sei im Bunker von einer Lautsprecherdurchsage geweckt worden, die um „Vier Uhr morgens“ aufgefordert habe:
„Sucht eure Sachen zusammen, der Bunker muss geräumt werden. [...] Zwischendurch hört ich noch Worte wie ‚Sprengung‘ und ‚russische Panzer‘. [...] Die Menschen um uns standen auf, legten die Decken zusammen, auf denen sie gesessen hatten, zogen ihre Mäntel und Jacken an und nahmen anschließend ihre Gepäckstücke in die Hand, um auf weitere Anweisungen zu warten. Nirgendwo brach Panik aus, jeder verhielt sich ruhig.“
- Zeugin Frau Re. „hat die letzten 14 Tage im Bunker am Anhalter Bahnhof (in dem sich fast ausschließlich Frauen und Kinder befanden) verbracht. Sie war damals 35 Jahre alt. Sie erzählt, daß sie am Morgen der letzten Nacht, die sie dort waren, durch Gebrüll geweckt wurden. [...] Über Lautsprecher ertönte die Anweisung, den Bunker zu räumen.“ (Karen Meyer, Die Flutung, S. 53 = KM, 53)
- Anschließend „wurden wir von Ordnern und Militärpersonal aufgefordert, uns marschbereit zu machen.“ (W. Süßmilch, S. 184). Der Versuch, die Insassen in Gruppen einzuteilen, sei jedoch nicht möglich gewesen: „Endlich gab es konkrete Befehle. Inzwischen mußte es sechs Uhr geworden sein, vielleicht war es auch halb sieben. Wir sollten den S-Bahn-Schienen bis zum Stettiner Bahnhof folgen, heute heißt er Nordbahnhof.“ (W. Süßmilch, S. 187 = WS, 187).
Hauptartikel: Evakuierung des Bunkers
Berichte zur Organisation
- W. Weise:
Der Auszug der 10.000 Menschen wurde nicht sich selbst überlassen: „Überall standen Soldaten und sagten: ‚Hier entlang! Hier entlang!‘ (188). Nächste Posten mit „lodernden Fackeln“ forderten energisch zum Weitergang in den Schacht auf. Potsdamer Platz: „Auf dem Bahnsteig standen zwei oder drei riesige schwarze Tonnen, aus denen Rote-Kreuz-Schwestern Malzbier verteilten.“ (WS, 194).
Noch bis vor den Bahnhof Friedrichstraße gab es „noch Fackeln oder Laternen an den Wänden, aber die Abstände wurden größer und größer. Auch sahen sie so aus, als ob sie bald erlöschen würden.“ (WS, 211)
Chronik des Trecks (Überblick)
Die folgende Darstellung, die sich am Bericht der Autorin W. Süßmilch, Im Bunker, orientiert, gibt den Ablauf des Vorgangs wieder.[Anm 6] Danach folgen Einträge, die Frau Süßmilchs Darstellung bestätigen, Widersprüche festhalten oder die Angaben ergänzen. Der Bericht des Reichsbahners im Tunnel (der ebenfalls querverifiziert werden musste) beschreibt hier Umstände, die für die Autorin Süßmilch nicht wahrnehmbar waren. Dabei werden auch zahlreiche AugenzeugInnen mit Teil- und Randbeobachtungen angeführt sowie (frühe) Presseberichte. Von Bedeutung ist auch die ‚Lage im Bahnhof Friedrichstraße‘ - da der Treck dort in den U-Bahn-Tunnel umgeleitet wurde, weil ein Wassereinbruch unter der Spree den Nord-Süd-Tunnel dort in der Unterfahrung bereits angefüllt hatte (Ebertbrücke).
Nach der Evakuierung in der Frühe des 1. Mai 1945 (Lautsprecherdurchsage gegen 4 Uhr, Abmarsch ab 6 wurden die 10.000 dort zusammengepferchten Zivilpersonen - meist Frauen, Kinder und Alte -, die nur zu den Ausgängen in den unterirdischen S-Bahnhof drängen konnten, von den „Soldaten mit Fackeln“ zuerst durch einen längeren Gang (die Autorin nimmt mehrere Gänge an) bis zur Station Anhalter Bahnhof geleitet. (WS, 188 f.).
S-Bahnstation Anhalter Bahnhof
In der Station Anhalter Bahnhof trafen die Evakuierten auf bereits von anderen Flüchtlingen überfüllte Bahnsteige und Geleise.
- W. Weise:
Aus den drei Zu/Ausgängen im untersten Geschoss des Hochbunkers wurden die Menschen durch lange Gänge geführt: „Zuerst schoben wir uns durch lange, schmale und notdürftig beleuchtete Gänge, dann erreichten wir [...] einen Bahnsteig der S-Bahnstation Anhalter Bahnhof.“ (188). Der Zug der Evakuierten durchquerte zuerst die S-Bahnstation Anhalter Bahnhofen; er bewegte sich auf dem oder den Geleisen, dann auch über einen Bahnsteig und wurde – wie an anderen Stellen verbürgt – durch die sich in der Station auf den Bahnsteigen lagernden Menschenmassen hindurchgeleitet. (189). „Die Fackelträger schoben uns förmlich in den dunklen S-Bahn-Tunnel hinein. [...] Die Schachtwände waren mit einem etwa ein Meter breiten Streifen in einer grünlich phosphoreszierenden Farbe gestrichen, der von Sturmlaternen angeleuchtet wurde.“ (WS, 190).
Vor dem S-Bahnhof Potsdamer Platz waren zwei Hindernisse zu bewältigen - eine quer zum Tunnel verlaufende „riesige Stahlplatte, die den gesamten Schacht ausfüllte und anscheinend eine Panzersperre darstellte, wie jemand sagte, versperrte den Weg.“ Da sie nur eine kleinere Öffnung am Boden hatte, mussten hier „Tausende von Menschen einzeln hindurch kriechen“ (192) - hier blieben alle größeren Gepäckstücke zurück. „Da sich immer nur eine Person durch die Sperre schlängeln konnte, gab es hinter der Stahlplatte kein Gedränge mehr.[...] Bald darauf folgte eine Barrikade, die man mit Hilfe von Soldaten überklettern musste.“ (193). Schließlich erreichte der Zug die offensichtlich noch einigermaßen beleuchtete Station Potsdamer Platz. (WS, 194).
S-Bahn Potsdamer Platz
- W. Weise:
„Die beige gekachelten Wände konnte man vor lauter Menschen kaum sehen. Überall auf dem Bahnsteig standen oder lagen Menschen und es herrschte dort ein größeres Gewusel als früher zur Hauptverkehrszeit. [...] Unser Treck bewegte sich weiter auf den Schienen, nur wenige Leute aus dem Bunker hangelnden sich auf den Bahnsteig und blieben dort. [...] Auf dem Bahnsteig standen zwei oder drei riesige schwarze Tonnen, aus denen Rote-Kreuz-Schwestern Malzbier verteilten.“ (194). Der Treck wurde in den weiter führenden Tunnel geleitet und „war wieder geschlossener geworden.“ (WS, 196).
- 2015: Zeitzeugin Irmhild Zinow, Jahrgang 1936, die mit Mutter und zwei Geschwistern im U-Bahnhof Potsdamer Platz „in den abgestellten U-Bahn-Zügen lebten. [...] Irgendwann kam dann das Wasser. Panikartig drängten alle vorwärts den Tunnel entlang zu irgendeinem Ausstieg. [...] Das Wasser stand uns bis zum Hals. Alle schubsten rigoros, am schlimmsten die Männer, auch Soldaten. Meine Schwester wäre dort beinahe ertrunken. Viele Soldaten versuchten noch, sich die Uniformen auszuziehen, viele erschossen sich. Es war grauenhaft, alle wollten raus aus dem Inferno.“[18]
Die Verwundetenzüge
Mehrfach erwähnt werden Züge voller verwundeter Soldaten, in manchen Waggons auch Zivilisten, Kranke.
- Ausführlich wird die Lage der Verwundeten und eine (Teil-)Bergung vom Reichsbahner in Heim und Welt beschrieben:
Zum 21. April 1945: Mit seinem Vorgesetzten, einem Reichsbahnoberrat sei besprochen worden, daß „der Oberstabsarzt von der Kampfkommandantur Berlin [...] mit dem Führerhauptquartier gesprochen und die Genehmigung für uns erwirkt (hat), daß wir zum Rangieren für die Verwundetenzüge, wenn notwendig, ab und zu kurz wieder den Strom einschalten dürfen. [...] Die Verwundeten kommen in S-Bahnzüge, die zwischen dem Linden-Bahnhof und Potsdamer Platz stehen sollen.“ (Folge 1 in ‚Heim und Welt‘, 24. Februar 1952).
Zum 29. April 1945: „Mich interessieren die Verwundetenzüge kurz vorm Lindenbahnhof. Wir rattern also los mit unserer Draisine, nach einigen Minuten taucht Licht vor uns auf: die Verwundetenzüge mit irgendwelchen Laternen. [...] Sechs Rote-Kreuz-Schwestern versorgen die annähernd 1600 Verwundeten. Ein junger Unterarzt ist verantwortlich für Pflege und Betreuung.“ (Folge 2 in ‚Heim und Welt‘, 2. März 1952).
Zum 1. Mai 1945 (in Heim & Welt mit 2. Mai datiert):
Nachdem der Erzähler eine Detonation hörte und die Sprengung unter dem Kanal vermutete, begibt er sich zu den Verwundetenzügen und versucht dort, eine Rettung zu organisieren:
„Nach verhältnismäßig kurzer Zeit ist schon eine stattliche Anzahl von Verwundeten auf den sich allmählich leerenden Bahnsteig geschafft. Aber die Zahl der Zurückgebliebenen scheint angesichts der wenigen Helfer riesengroß.“ Bald danach reicht das Wasser (auf dem Gleiskörper) „an manchen Stellen bis zu den Knien“. Noch vor der Bahnsteigüberspülung gelingt es, „Verwundete die Treppen hinaufzuschaffen. Oben auf der Straße herrscht Tumult, trotzdem fällt mir sofort auf, daß nirgendwo mehr geschossen wird. Durch die Linden fahren Russenfahrzeuge durch die Trümmer. Vom Brandenburger Tor weht eine große rote Fahne herab.“ Es gelingt, eine russische Streife zur Mithilfe bei der Verwundetenbergung zu bewegen, doch dringt das Wasser mittlerweile auch in die Waggonabteile ein. Die russische Hilfe dauerte jedoch nur kurz.“
Die Umgebung des Bahnhofs Unter den Linden war am frühen Nachmittag des 1. Mai bereits in russischer Hand. Brandenburger Tor, Reichstag und die Straße Unter den Linden waren von den Sowjettruppen am 30. April erobert worden. Der Treck war zum Zeitpunkt der Rettungsversuche bereits vorüber, denn nach Angaben von W. Süßmilch war beim Durchzug Unter den Linden noch kein Wasser auf den Geleisen.
Reichsbahner: Die Strömung habe dann jedoch rasch zugenommen und „es ist mir unmöglich über die Geleise noch zu den Waggons zu kommen [...] das Schreien, Schelten, Anspornen und Hilferufen im Schacht hat sich furchtbar verstärkt. [...] Die eisige Flut schwillt schnell. So schleppen wir uns nach oben, wo nun den [geretteten] Verwundeten weiter geholfen werden muss.“ (Folge 5 in ‚Heim und Welt‘, 23. März 1952).
S-Bahnhof Unter den Linden
- W. Weise:
„An dieser Station gab es weder etwas zu essen noch zu trinken, obwohl es auch hier von Menschen wimmelte. Wieder entschieden sich einige aus unserem Treck dafür, hier zu bleiben.“ (WS, 198).
Vor dem S-Bahnhof Friedrichstraße
- W. Weise:
„Während wir uns wieder auf dem Weg Richtung Friedrichstraße befanden, kamen wir an einem abgestellten S-Bahnzug vorbei. In den sieben oder acht schmutzig-gelben Waggons saßen viele Menschen, auch Verwundete [...] Einige Menschen hangelten sich [..] hinauf in die überfüllten Zugabteile, trotz der Proteste derjenigen, die sich schon in den Waggons befanden.“ (WS, 202 f.)
„Manchmal kamen wir an einer Stelle im Schacht vorbei, an der eine Luftmine die Straßendecke aufgerissen hatte. Konnten wir für einen kurzen Moment einen Blick auf die Außenwelt werfen, so war nie zu erkennen, ob es Tag oder Nacht war. Stets sahen wir nur roten Feuerschein und Funken, die durch die Luft wirbelten. Berlin war ein einziges Flammenmeer.“ (WS, 200).
Die Flut
Da die Wahrnehmung von Wasser im Schacht durch Zeitzeugen in der Literatur auch mit dortigen Pfützen oder Untiefen durch Wassereinbrüche aus Versorgungsleitungen erklärt wurde (K. Meyer), sei hier die von der Autorin Süßmilch (W. Weise) beschriebene Prozesshaftigkeit des Vorgangs ausführlich dargestellt. Sie befand sich auf dem Teilstück zwischen den Bahnhöfen Unter den Linden und Friedrichstraße:
- W. Weise:
„Das Knirschen des Schotters klang fremd, nicht mehr so laut, und plötzlich sah alles verändert aus. Um mich herum glitzerte es, der Schein der Fackeln spiegelte sich auf einem seltsam ölig aussehenden Boden. Im nächsten Moment bemerkte ich, dass meine Füße nass waren. [...] ‚Das Wasser kommt!‘ schrie jemand. (WS, 207 ff.)[...] Keiner schien darüber verwundert zu sein, aber alle liefen auf einmal schneller. [...] Mit der Zeit ließ meine Angst nach, da das Wasser nur langsam an unseren Beinen emporkroch. Um nicht ständig in dem Nass gehen zu müssen, balancierten wir anfangs auf dem Stromabnehmer entlang, aber das erwies auf Dauer als zu mühselig.“ Das Schlurfen jedoch „war so anstrengend, dass ich in der Folge Wadenkrämpfe bekam, da sich das Wasser mehr und mehr in einen dickflüssigen Kleister verwandelte.“ Waden, Knie werden frei gehalten und „je weiter wir gingen, desto mehr Gepäckstücke sah ich neben den Schienen oder an den Schachtwänden stehen. Auf der Oberfläche des Wassers schwammen bald alle möglichen Gegenstände und Unrat, man konnte ihnen aber ganz gut ausweichen. Auch einige Ratten paddelten im Wasser herum. [...] Unaufhaltsam stieg das Wasser höher. Richtig furchtbar war das, was verborgen unter der Wasseroberfläche lag, was man in der dunklen Brühe nicht sehen konnte.“ (WS, 211 f.) Ein totes Kleinkind muss die 14jährige Zeugin wieder ins Wasser zurücklegen.[Anm 7]
- Zeuge Herr M., (KM, 52), Jahrgang 1916: „Am 1. Mai sei er zusammen mit anderen vom Bunker durch den S-Bahn-Schacht zum Stettiner Bahnhof gelaufen. [...] M. erzählte, daß er nach einiger Zeit auf dem Boden Wasser glitzern gesehen habe. Die Menschen im Tunnel hätten versucht, auf den Stromschienen zu laufen, jedoch sei das Wasser sehr schnell gestiegen. Frauen, Kinder und Alte, die hinter ihm liefen, hätten zu schreien angefangen und M. habe sich die Ohren zuhalten müssen – so entsetzlich sei das gewesen. Das Wasser sei so schnell gewesen, daß es sicher viele, die noch hinter ihm gelaufen sind, erwischt habe.“
Erinnert durch die Helligkeit eines Lichtschachtes an die Tageszeit – bald vor Erreichen des Bahnhofs Friedrichstraße – zeigte der Zeugin „ein Blick auf die Uhr meines Bruders [...], dass es erst kurz nach drei war.[Anm 8] Seit Beginn unserer Wanderung schien für mich eine Ewigkeit vergangen zu sein. Dabei waren es nicht einmal zwölf Stunden. [...] Das Wasser kam hinter uns her und holte uns mehr und mehr ein. Stellenweise reichte es mir schon bis über das Knie.“ (WS, 216). Bald darauf erreichen sie den Bahnhof Friedrichstraße.
S-Bahnhof Friedrichstraße
- W. Weise:
„Nach einer Pause im Bahnhof „setzten wir uns an den Bahnsteigrand, um zurück in die Brühe zu springen.“ Sie werden jedoch von einem Soldaten zurückgehalten – die Teilnehmer des Trecks werden nun in die U-Bahn gewiesen, „‚die liegt höher, da ist es noch trocken.‘ [...] Man zeigte uns eine Treppe, die wir hinaufgingen, anschließend mußten wir einen langen Tunnel durchqueren.[19] Die U-Bahnstrecke war tatsächlich weitgehend trocken, nur hin und wieder mußten wir durch eine Pfütze waten. Einmal stürzte aus einem zerborstenen Deckenrohr eine Kaskade Wasser auf uns herab.“ (WS, 219 f.).
- Der Zeuge Herr Hi., damals Soldat, versuchte in der Nacht vom 1. Mai auf den 2. Mai „nachhause ab(zu)hauen“. Da er nicht durch die Max-Reinhardt-Straße durchkam, ist „er zurück zur S-Bahn gegangen, um von dort unterirdisch gen Norden zu gelangen. [Es dürfte sich um den Bahnhof Friedrichstraße gehandelt haben]. „Am frühen Morgen des 2. Mai, so zwischen 4-5 Uhr seien ihm auf dem Weg Leute entgegengekommen und hätten behauptet, daß überall Wasser im Tunnel wäre und es keinen Zweck habe, dahin zu gehen. Er habe die Spree dann mithilfe einer kleinen Fußgängerbrücke überquert.“ (KM, 50 f.).
Der Treck wurde im Bahnhof Friedrichstraße aus dem S-Bahnschacht (über den „Rennsteig“) in den U-Bahnschacht umgeleitet. Der Grund war dafür, dass ein Stück weiter nach Norden im S-Bahntunnel, direkt unter der Spree, ein Wassereinbruch erfolgt war, der den Weg versperrte.
Sprengung der Spreeunterfahrung
Die Beschädigung der Spreeunterfahrung des Nord-Süd-Tunnels unter der Ebertbrücke unmittelbar hinter dem Bahnhof Friedrichstraße hat unter Zeitzeugen und in der Literatur für Irritationen und gelegentlich sogar für Verwechslung gesorgt. Der dortige Wassereinbruch füllte gleichsam die in einer U-Bogen-artigen Vertiefung gelegene Unterfahrung dieses Tunnelstücks bereits vor Ankunft des Trecks aus und war Grund für dessen Umleitung in den U-Bahnschacht.
- „Erlebnisbericht einer Frau, die sich in der unterirdischen S-Bahnstation Oranienburger Straße aufhielt: Ich hatte mich in den letzten Apriltagen in den S-Bahn-Tunnel Oranienburger Straße geflüchtet und mir war aufgefallen, daß man dort bei Feuerpausen des Artilleriebeschusses deutlich von der Spree her unter der Erde feine knirschende Geräusche hörte. Als mein Mann, der Ingenieur im Spandauer Werk war, mich im Tunnel besuchte, teilte ich ihm meine Wahrnehmung mit. Ich befürchtete, daß man die Tunnelunterführung unter der Spree zur Sprengung vorbereitete. Mein Mann ging der Sache nach und entdeckte unter der Ebertsbrücke (wo der S-Bahn-Tunnel unter der Spree durchführt), daß dort Soldaten die Brückenpfeiler anbohrten. Er warnte als Fachmann sofort den leitenden Offizier, daß hier durch die Bohrungsarbeiten und eine eventuelle Sprengung die S-Bahn-Tunneldecke unter der Spree beschädigt und Tausende von Menschen gefährdet werden könnten. Daraufhin wurde mein Mann sofort von zwei SS-Führern verhaftet und sollte erschossen werden. Durch einen nahe dabei einschlagenden Granattreffer konnte er aber in der allgemeinen Verwirrung entkommen. [...] Die Ebertsbrücke wurde dann bald darauf tatsächlich gesprengt.“ (Folge 4 in ‚Heim und Welt‘, 16. März 1952).
- In einem eigenständigen, redaktionell abgesetzten Kasten in Heim & Welt (Folge 5 vom 16. März 1952) wird erläutert (entgegen der Annahme obiger Zeugin): „Teile der Ebertsbrücke schlugen bei der durch die zurückweichenden deutschen Truppen am 1. Mai erfolgten Sprengung auf die Decke des S-Bahn-Tunnels, der an dieser Stelle die Spree unterquert und ließen das Spreewasser mit starkem Strahl in den Tunnel schießen. Die völlige Überflutung der Tunnelstrecke am 2. Mai ließ diesen Wassereinbruch nicht mehr wesentlich bemerkbar werden. Erst bei der späteren Auspumpung trat er wieder [...] hervor und bereitete große Schwierigkeiten.[Anm 9]
Auf die Flut aus Richtung des Landwehrkanals könnte die Wassermasse für eine unbekannte Zeit als Hindernis gewirkt haben bzw. sie hat Druckverhältnisse beeinflusst, ggf. das Überfliessen nach oben in den U-Bahnschacht begünstigt. Die Umstände könnten von Fachleuten anhand der vorhandenen Querschnitte beurteilt werden.
- „Zeuge Herr S. (KM, 54) war als 16jähriger Polizist im U-Bahn-Tunnel Nähe Oranienburger Straße in der Nacht vom 1. zum 2. Mai. Er erinnert sich, daß ihm gegen 2 oder 3 Uhr nachts SS-leute entgegengekommen wären, die gerufen hätten: Alles raus hier, wir haben gesprengt und das Wasser kommt gleich. Die Schienen im Tunnel seien außerdem von der SS vermint worden. S. ist überzeugt, daß die Spree-Unterfahrung gesprengt worden ist.“<Kommentar>.
- „Zeuge Herr K. war damals 17 Jahre alt und Soldat bei der 9. Fallschirmjägerdivision, die zur der Zeit noch etwa 20 Leute umfaßte. Die Nacht vom 1. zum 2. Mai hat er im Tunnel im Bahnhof Friedrichstraße verbracht, der Tunnel sei noch in einwandfreiem Zustand gewesen. Er kann sich nicht erinnern, Zivilisten im U-Bahn-Tunnel zwischen Friedrichstraße und Hallesches Tor gesehen zu haben.“ (KM, 51 f.). Vermutlich befand sich der Zeuge auch im U-Bahntunnel.
Bahnhof Friedrichstraße / U-Bahn
- W. Weise:
„Soldaten zogen uns auf den Bahnsteig. Die Tatsache, dass es hier noch Soldaten gab, machte uns klar, dass der Krieg noch nicht zu Ende war.“ (217). „Im stetig immer dichter werdenden Gedränge der Menschen“ (WS, 218) will die Gruppe - die Autorin, Mutter und Bruder, eine Bekannte - weiter und werden dabei aus der S-Bahn gewiesen: „Geht rüber zur U-Bahn, die liegt höher, da ist es noch trocken. [...] Um zur U-Bahn zu gelangen, brauchten wir nicht die Unterwelt zu verlassen. Man zeigte uns eine Treppe, die wir hinaufgingen, anschließend mussten wir einen langen Tunnel durchqueren. Die U-Bahnstrecke war tatsächlich weitgehend trocken, nur hin und wieder mussten wir durch eine Pfütze waten.“ (WS, 219).
Flutung der U-Bahn
Die Flutung des Nord-Süd-Tunnels setzte sich in der Nacht des 1. Mai auf den 2. Mai 1945 in das U-Bahn-System hinein fort.
- Berliner Zeitung vom 18. Juni 1945:
„Kurz vor der Beendigung der Kämpfe in Berlin [..] wurde durch Pioniere bei einer Sprengung die Trennwand zwischen dem Landwehrkanal und der S-Bahn am Anhalter Bahnhof auf einer Länge von 40 Metern beschädigt. Das Wasser drang in die S-Bahn und füllte sie. Hunderte von Menschen kamen dabei ums Leben. Während der Kampfhandlungen kümmerte sich niemand um die Abriegelung des Wassereinbruchs. Es floß bis zum Bahnhof Friedrichstraße und gelangte von hier über den sogenannten „Rennsteig“ in die U-Bahn, die auch voll Wasser lief und viele Todesopfer forderte.“[20]
Die bis heute gängige Darstellung, in der U-Bahn hätte es keine Opfer gegeben, kann aufgrund früher Berichte nicht als gesichert gelten.
- W. Weise schrieb, dass sie mit Mutter und Bruder am Nachmittag [des 2. Mai] durch die Friedrichstraße zog: „Wir mussten über Berge von Trümmern klettern und konnten nun auch das Wasser sehen, das inzwischen die U-Bahn-Schächte gefüllt hatte. Am Halleschen Tor beispielsweise konnte man noch Jahre später deutlich sehen, dass das Wasser bis kurz unter die Decke gestanden hatte.“ (WS, 244).
- „Frau M. hat als 15-jährige das Kriegsende im Luftschutzkeller des ‚Schweizer Haus‘ in der Friedrichstraße/Ecke Krausestraße erlebt. Am 2. oder 3. Mai hat sie den Keller verlassen und dann gesehen, dass die U-Bahn überflutet gewesen ist und daß Leichen im Wasser schwammen. (KM, 55).
Oranienburger Straße
Der S-Bahnhof liegt nach dem Bahnhof Friedrichstraße in der Fortsetzung der Spreeunterfahrung in Richtung Stettiner S-Bahnhof, doch wurde er infolge des Wechsel des Trecks im Bahnhof Friedrichstraße in den U-Bahntunnel nicht passiert. Grund war die Sperrung durch das Wasser, das durch die Sprengung der Ebertbrücke über die Spree in den Bereich der Unterfahrung eingedrungen war.
Dennoch gibt es Zeugenaussagen, die sich auf den Bahnhof Oranienburger Straße bezogen, da dieser örtlich auch als Schutzraum genutzt wurde.
- Siehe oben im Erlebnisbericht einer Frau zur Sprengung der Ebertbrücke.
Stettiner Bahnhof
Stettiner U-Bahnhof
- W. Weise:
„Nicht mehr viele aus dem Bunkertreck. [...] Ein paar hundert Menschen erreichten jedoch mit uns den Stettiner Bahnhof. Fast alle blieben auf dem Bahnsteig der grauen und sehr schmutzig wirkenden U-Bahn-Station.“ [U-Bahnstation Zinnowitzer Straße, heute U-Bahnhof Naturkundemuseum] (231). Die Gruppe mit der Autorin - „vielleicht zwanzig Personen“ - versucht zum Postbunker zu gelangen, der der Autorin bekannt war: Draussen und auf dem Weg dorthin erleben sie „das reinste Inferno. [...] aus allen Richtungen Beschuss - Granatwerfer, Panzerfeuer, MG-Garben - Wir sprangen wie die Hasen auseinander - vier oder fünf Panzer ratterten mit ohrenbetäubendem Lärm an uns vorbei.“ (WS, 222 f.). Dennoch erreichten sie den Postbunker, werden jedoch abgewiesen und gingen den Weg zurück zur S-Bahnstation Stettiner Bahnhof.
Da hier – oberhalb des Tunnels – „das reinste Inferno“ geherrscht hat und die Russen „auf alles schossen, was sich bewegt hätte“, kann es sich nicht um den Abend des 2. Mai 1945 gehandelt haben.
- Zeuge Herr M.:
Die Autorin K. Meyer gibt zu Protokoll: „M. beschreibt seinen Marsch durch den Tunnel so, daß man annehmen muß, daß er Friedrichstraße in den U-Bahn-Tunnel ‚umgestiegen‘ ist. [...] Am Stettiner U-Bahnhof sei er hochgekommen, die Russen hätten dort auf alles geschossen, was sich bewegt hätte. Er sei unter Beschuß bis zum S-Bahnhof Stettiner Bhf gekommen und habe dort auf dem Bahnsteig noch eine Nacht verbracht. Dort sei kein Wasser gewesen. Am Morgen hätten die Russen gebrüllt, daß der Krieg aus sei und allmählich hätten sich die Leute nach oben getraut.“[Anm 10]
Stettiner S-Bahnhof
- W. Weise:
„Bahnsteig und Geleise waren [..] trocken. [...] Auf beiden Seiten des Bahnsteigs standen S-Bahn-Züge, die als Lazarett dienten.“ (WS, 226). „Nachzügler aus dem Bunkertreck trafen ein. [...] Einige berichteten, [...] sie hätten stellenweise schwimmen müssen.“ Das anfängliche Gefühl einer Rettung ging über in den „zeitlosen Zustand des Dahindämmerns“ bis „die Bolschewiken“ kamen. (WS, 230). Ein „Rotfront“-Rufer wird erschossen, ein russischer Offizier erklärt, dass nichts geschehe, wenn man still verhielte, „Mongolen“ plünderten die Überlebenden aus. Die Plünderer werden von Regulären zusammengerufen, danach werden die Lazarett-Züge geräumt. (WS, 231 ff.) „Beim letzten Blick auf die Armbanduhr [...] war es neun Uhr abends gewesen. Das war nun schon eine ganze Weile her. Und in dieser Nacht spielten sich die grausamsten Dinge auf dem Bahnsteig ab.“ (WS, 236).
- Zeugin Frau S. befand sich „vom 22.4.-2.5. im Stettiner Bahnhof. [...] Es gab aber keine Kämpfe im Bahnhof. [...] Waggons, die im Tunnel standen, wurden zu Lazaretten zurechtgemacht. [...] Am 2. Mai kamen Leute und sagten, daß Hitler tot sei. Aber die Männer trauten sich nicht, hinaufzusteigen.“ Später mußte sie zusammen mit ihrer Schwester [.. einen] verletzten Leutnant alleine auf einer Bahre hochtragen und später ind Krankenhaus bringen. Sie sind dann nochmal in den Tunnel zurückgekehrt, es war aber noch kein Wasser drin. [...] Sie ist überzeugt, daß es langsam gekommen ist und niemand ertrinken mußte, der sich noch bewegen konnte.“ Dies entspricht der allgemeinen Auffassung.[Anm 11]
Nächster Morgen (2. Mai 1945)
Es handelt sich hier um Berichte, die die Situation am Morgen des 2. Mai 1945 beschreiben. Die deutsche Seite hatte bald nach Mitternacht ihre Kapitualtionsbereitschaft erklärt, in Reaktion darauf stellte die russische Seite das Feuer (insbesondere den Artilleriebeschuss) ein.
„Am 2. Mai, kurz vor 1 Uhr morgens, fing die 79. russische Gardeschützendivision einen Funkspruch auF. Er lautete: ‚Hier [LVI. Panzerkorps]]. Wir bitten, das Feuer einzustellen. Um 12 Uhr 50 Berliner Zeit entsenden wir Parlamentäre auf Potsdamer Brücke.‘ [...] Die Russen antworteten: Verstanden. Verstanden. Übermitteln ihre Bitte an Chef des Stabes. Als General Tschuikow die Botschaft erhielt, ordnete er sofort die Einstellung des Feuers an.“
Entsprechend wird das Szenario von Zeugen beschrieben. Die entsprechenden Darstellungen sind fett hervorgehoben):
- W. Weise:
„Äußerst vorsichtig schlichen wir die Treppen hinauf und standen auf der Straße. Nichts war zu hören, die Stille tat richtig weh. [...] Der Himmel war zwar nicht blau, aber was da oben aus dem Grau herausblendete, war zweifellos die Sonne. Ein richtig heller und greller Ball. Unfassbar.“ (WS, 239).
- „Tiefbunker vor dem Europahaus am Anhalter Bahnhof. [...] Der Anhalter Bahnhof ist ausgebrannt, vorgestern loderte er wie eine riesige Fackel, wir schauten kurz heraus und sahen dem grausigen Schauspiel zu, die Ohren gespitzt, wir kannten das Geräusch nahender Tiefflieger, die mit ihren MGs schossen [...] Da wurde es am 2. Mai plötzlich lebendig. Man hörte fremde Laute, die man nicht kannte. Waren die Russen schon da? [...] Alles fertigmachen hieß es plötzlich. [...] Vorne setzten sich die ersten in Bewegung, gingen zur Treppe, gingen nach oben. Es war alles ruhig, nur noch weit entfernt hörten wir Schüsse [...] Es ging die ehemalige Saarlandstraße hinunter, wir bogen in die Anhalter Straße ein bis zum Hotel Excelsior [...] Dem Vernehmen nach zum Tempelhofer Feld.“ (Der Autor kann sich unbemerkt mit seiner Frau aus der Gruppe in die Kreuzbergstraße absetzen).[21]
- * Zeugin Frau Re.: „In der Invalidenstraße bei der ‚Maikäferkaserne‘ haben sie den Tunnel verlassen. [Ab Bahnhof Friedrichstraße handelte es sich um den U-Bahnschacht, in den der Treck umgeleitet wurde] Dann sei sie zum Stettiner Bahnhof gegangen, wo ganz viele Menschen lagerten. Dort schlief sie noch eine Nacht. Am kommenden Morgen wurden sie von Soldaten aufgefordert herauszukommen, der Krieg sei vorbei.“ (KM, 53).
- Aussagen in der bereits angegebenen Literatur (B. v.z. Mühlen): „Am 2. Mai vollkommene Ruhe.“ (S. 395), Rochus Misch: „2. Mai [...] vor Morgengrauen, ganz still, nichts gehört, kein Schuß, garnichts.“ (S. 371).
- General Tschuikow schrieb in seinen Erinnerungen: „2. Mai, Reichskanzlei hatte kapituliert, ringsum ungewöhnliche Stille“.[22]
Wenn die Beschreibungen während des Trecks von oberirdischen Kämpfen, von „Inferno“ in der Stadt berichten und von der Ruhe am 2. Mai 1945, dann wird es auch unter diesem Aspekt schwerfallen, den Treck (und zuvor die Räumung des Anhalter Hochbunkers) auf diesen 2. Mai datieren zu wollen.</ref>
Beobachtungen zur Lage in der Stadt
Die Beobachtungen, die Teilnehmer des Trecks während des Tunnelmarsches über die ‚Außenwelt‘ machen konnten, weisen auf auch das Datum hin, denn am 2. Mai 1945 fanden oberhalb des Tunnelbereichs keine Kampfhandlungen mehr statt (Entsprechende Hervorhebungen fett):
- W. Weise:
Zur Situation außerhalb des Tunnels: „Manchmal kamen wir an einer Stelle im Schacht vorbei, an der eine Luftmine die Straßendecke aufgerissen hatte. Konnten wir für einen kurzen Moment einen Blick auf die Außenwelt werfen, so war nie zu erkennen, ob es Tag oder Nacht war. Stets sahen wir nur roten Feuerschein und Funken, die durch die Luft wirbelten. Berlin war ein einziges Flammenmeer.“ (WS, 200). Später hörte die Zeugin (kurz vor dem Bahnhof Friedrichstraße) in der Nähe ein Luftschachtes, dessen Gitter intakt war, „Schüsse, keine einzelnen Schüsse, sondern ganze Salven. Unverkennbar Maschinengewehrfeuer.“ (WS, 216).
Zu diesem Zeitpunkt fächert sich das Ereignis in verschiedene Linien auf:
1. Die Erzählerin Waltraut Weise übernimmt mit ihrem Bruder (16jährig, nicht als Soldat erfasst) – die Führung der Gruppe (etwa 11 Personen). Ziel ist der „Postbunker“ beim U-Bahnhof: Nach dem dieser noch überfüllt ist und in unmittelbarer Nähe Kämpfe stattfinden (Panzerkolonne), flüchtet die Gruppe in den S-Bahnstation Stettiner Bahnhof, in den Endbahnhof des Nord-Süd-Tunnels.
2. Der weitere Verlauf der Flutung. Das Wasser hatte vermutlich schon gegen 14 Uhr die Geleise im Bahnhof Friedrichstraße erreicht. Zugänglich in der historischen Literatur sind Querschnitte des Tunnelverlaufs. (In der provisorischen BVG-Zentrale am Kaiserdamm saß noch vor der Kapitulation eine Runde Fachkräfte zusammen und erstellte eine Bilanz der Schadensstellen im U-Bahnnetz, Walter Schneider, danach BVG-Direktor, schreibt, er habe am 2. Mai über Boten erfahren, dass Wasser dort von der S-Bahn in die U-Bahn überliefe.
Dokumentiert ist, dass das Wasser am 1. Mai 1945 seit 8 Uhr in den Tunnel floss und etwa sieben Stunden später den Bahnhof Friedrichstraße erreicht hatte. Es stellt sich die Frage, ob in den nächsten zehn Stunden den Pegel hatte, um in das U-Bahnnetz zu fliessen.
Diese Beachtung des Anstiegs zur U-Bahn hin bringt den Wasserspiegel der Spree in die Erörterung. Zumal sich in der Unterfahrung ebenfalls ein durch Detonation bewirkter Wassereinbruch befand, der den Weiterfluss zum Stettiner S-Bahnhof hin gebremst hatte. Durch diesen Aufstau ist es denkbar, dass die Flut morgens am 2. Mai mit Druck in die U-Bahn floss. Es war klar, dass die BVG-Runde dies dann auch rasch wusste.[23]
3. Das Kampfgeschehen um den Bahnhof Friedrichstraße und entlang der Führung des Nord-Süd-Tunnels am 1. Mai sowie die Situation am 2. Mai 1945. (Dokumente)
Die Wasserkatastrophe war im Endkampf nur Nebensache, da in der Nacht vom 1. Mai auf den 2. Mai 1945 aus dem Bereich der Friedrichstraße mehrere organisierte Ausbruchsversuche unternommen wurden, zum Teil mit Panzern. Bei jeder Analyse ist zu bedenken, dass auch dieser Bahnhof völlig mit Menschen überfüllt war und das Wasser am Abend verhältnismäßig rasch anzusteigen begann. Da sich die militärischen Kräfte im ganzen Umfeld noch in Befehlsstrukturen befanden, könnte dies dazu geführt haben, dass es keine Berichte über Paniken im Bahnhof gibt und nach gegenwärtigem Kenntnisstand sind auch sowjetische Einheiten dort nicht vor dem frühen Morgen des 2. Mai anzunehmen.
4. Opferzahlen Die widersprüchlichen Angaben in der Literatur sind dem Umstand verschuldet, dass beim späteren Auspumpen und nach der Trockenlegung des Nord-Süd-Tunnels im Frühjahr 1946 noch ca. 100 Leichen gefunden worden waren. Seitdem kursiert die Zahl (bei Karen Meyer mit Spielraum auf 200) als reale Opferangabe. Dabei wird nur nicht beachtet, dass Ertrunkene im Wasser nach oben treiben und darüber gibt es zahlreiche, in der Literatur jedoch letztlich unbeachtet gebliebene Zeugenaussageprotokolle.[24]
Eine Ausnahme bildet die offiziell titulierte Berlingeschichte[25], die zwar das Datum ebenfalls falsch wiedergibt, doch sich in der Opferzahl weit von der Literatur entfernt: hier ist von 1.000 Ertrunkenen die Sprache, darunter vielen verwundeten Soldaten.[Anm 12]
Es ist zweifellos richtig, dass die Leichen Ertrunkener bereits unmittelbar nach der rasch erfolgten Füllung des Tunnels (das Überfliessen ins U-Bahnnetz bedingte es) in den (Treppen-)Zugänge angeschwemmt wurden.
Bergung der Opfer
Anhalter Bahnhof, Hafenplatz
- Zeugin Frau H.: „Die Leute aus der Gegend mußten nach dem Krieg helfen, die Leichen aus dem Tunnel am Anhalter Bahnhof zu begraben. Die Männer hätten so um den 20. Mai am Hafenplatz, Nähe Pumpwerk und Feuerwache, Gräber geschaufelt, die Frauen hätten karrenweise die Leichen herangefahren. Die Russen hätten die Leichen mit Chlorkalk überschüttet. Es seien etwa 100 Tote gewesen.“[Anm 13]
- Dies und der Ort wird auch von Anthony Beevor angeführt: „Viele Berliner sind überzeugt, die neuen sowjetischen Behörden hätten die Toten zu dem kleinen Kanalhafen beim Anhalter Bahnhof[Anm 14] bringen und dort unter Trümmern begraben lassen.“[26]
„Zeugin Frau Kl. war seit April 45 im Reichsbahnbunker am Landwehrkanal (am Zentralamt). Erst am 6. Mai habe sie den Bunker verlassen können. Die Bunkerinsassen wären dann zu kommandiert worden, die vielen Leichen am Anhalter Bahnhof ‚aufzuräumen‘.“ (KM, 55).
Unter den Linden
„ Zeugin Frau Kr. hat nach dem Krieg das Wasser in den Bahnhöfen (Unter den Linden) stehen sehen. Ihrer Erinnerung zur Folge war seinerzeit von 56 Toten die Rede. Sie glaubt, daß keine Sprengung, sondern ein sowjetisches Artillerie-Geschoß die Tunneldecke zerstört habe. Das sei seinerzeit auch die vorherrschende Auffassung in der Bevölkerung gewesen, daß die Flutung auf die Russen zurückfiele.“[Anm 15]
Oranienburger Straße
- „Erlebnisbericht einer Frau, die sich in der unterirdischen S-Bahnstation Oranienburger Straße aufhielt: [...] Als dann die Oranienburger Straße von Kämpfen frei war, sahen wir dort, daß das Furchtbare doch noch geschehen war (nämlich vom Landwehrkanal her). Wir fanden die S-Bahnstation bis oben hin an die Straßendecke mit Wasser vollgefüllt. Koffer, Kisten und Leichen schwammen hier hoch. Die Leichen wurden ständig von den Menschen geborgen und auf den Friedhof in der Hamburger Straße in Massengräber gebracht ...“ (Folge 4 in ‚Heim und Welt‘, 16. März 1952).
- Zeuge L., damals 14 Jahre alt: „Im August 1945 habe er [...] zugeschaut, wie an der Oranienburger Straße Leichen aus dem Tunnel-Schacht gezogen worden sind. Er hat etwa 40 Leichen gesehen und ist dann wegen des bestialischen Gestanks weggegangen.“[Anm 16]
Landwehrkanal
Es handelt sich hier um die Zeugenaussage, die von Karen Meyer in: Die Flutung ausgelassen wurde:
- „Zeugin Frau Ri. wohnte am Tempelhofer Ufer. Von dort aus sah sie Leichen im Landwehrkanal schwimmen, es seien mindestens 1000 insgesamt gewesen. Die Strömung habe sie vom Gleisdreieck weggetrieben. Von der S-Bahn-Sprengung hat sie nichts mitbekommen, sie sei erst am 8. Mai aus dem Luftschutzkeller gekommen. An der Sprengungstelle habe sich ein Wasserzog der Art gebildet, daß die Leichen aus dem Tunnel in den Landwehrkanal gezogen worden wären.“ (Zeugin Frau Ri., Protokoll in der Akte zur Buchveröffentlichng Die Flutung, FHXB).
Es ist unzulässig – wie es die Autorin Karen Meyer – tat, die Leichenzahl ihrer Zeugen zusammenzuzählen und diese dann als Gesamtzahl der Opfer auszugeben. So zählte sie neben den 92 im Februar 1946 nach der Trockenlegung gefundenen Toten noch ca. 100 für die Zeit unmittelbar nach der Flutung dazu und schrieb in ihrem Fazit von insgesamt ... xy.
Ein Fazit zog auch eine gewöhnlich gut informierte Behörde:
- Schreiben des Polizeipräsidenten, 6. September 1945.
An: Zentralverwaltung für Verkehrswesen. Betreff: „wg. Angehörigen der franz./belg./holl./lux. Nation“:
„Bekanntlich sind während der Kampftage in den Eisenbahnunterführungen zwischen Anhalter und Potsdamer Bahnhof Tausende von Einwohnern Gross-Berlins umgekommen, unter denen sich auch in erheblichem Masse Angehörige der oben erwähnten Nationen befinden.“[Anm 17]
(Mit einer Anweisung an das „Comite Francais de Repatriment [...] zu Bergung, Identifizierung und Überführung auf den Hasenheiden-Berg-Friedhof in Döberitz.“).[27]
Beginn der ‚offiziellen Bergung‘
Den Beginn der behördlicherseits begonnen Bergung der Opfer dokumentiert ein Schreiben der Deutschen Reichsbahn an das Bestattungsamt Kreuzberg. Der Vorstand des Reichsbahn-Neubauamtes 1/5 teilte am 3. August 1945 mit:
„Die Vorarbeiten zum Absaugen der Wassermengen aus dem S-Bahn-Tunnelabschnitt Landwehrkanal-Friedrichstraße sind im Gange. In etwa 8-10 Tagen kann mit dem Beginn der Absaugung gerechnet werden.“[28] Weiter wurde mitgeteilt, dass „alsdann fortschreitende Absenkung“ erfolgt, die Bergung im Umfeld des Askanischen Platzes beginnen und eine ungefähre „Feststellung der Anzahl [der Toten] nach Befahrung“ vorgenommen werden sollte. Die Reichsbahn wies darauf hin, dass sie „Lampen, Wasserfahrzeug (Prahm), Arbeitskräfte“ stellen würde und dass dies ein „freiwilliger Beitrag zur Bergung“ wäre. Man werde „Unterrichtung wenn Befahrung“ möglich sei, vornehmen.
Anforderung von Särgen.
Bestattungsorte
- „Standortfriedhof Lilienthalstraße“:
[„Einzel (E)- und Massengräber (M)“] Notiz: Best.amt Krzbg: 27.10.45 Anh. Bhf: 14 Tote (Beschr.). (Q.: C Rep 309, 3885).
- Hafenplatz:
Zeitzeugenaussagen zu den ersten Massen-Bergungen aus den S-Bahnhofs-Zugängen. (Zeugin:
- Jüdischer Friedhof, Große Hamburger Straße:
„Mitteilung des Bestattungsamtes Berlin-Mitte an die Hauptgartenverwallung der Stadt Berlin vom 3. September 1945: Betr.: Umbettung der aus der S-Bahn geborgenen Leichen. Die Bergung erfolgt durch die beim Bestattungsamt Mitte befindliche Einsatztruppe. Die Beisetzung erfolgt auf dem alten Jüdischen Friedhof, Große Hamburger Straße 25, in Massengräbern. (Landesarchiv, Rep. 110, Akte 169, Bl. 9).
- Gottlieb-Dunkel-Straße (Neukölln):
- Hasenheiden-Berg-Friedhof in Döberitz:
(Ausländer, siehe Schreiben des Polizeipräsidenten v. 6. September 1945).
- Städtischer Friedhof, Baumschulenweg, Treptow:
„Anfang August konnte im Bereich der S-Bahn mit der Beseitigung der Leichen begonnen werden. [...] Ein Beerdigungsinstitut übernahm die Beisetzung der im Umfeld des Askanischen Platzes am S-Bahnhof ‚Anhalter Bahnhof‘ gefundenen Leichen auf dem städtischen Friedhof Baumschulenweg in Treptow.“ (Knobloch: Geisterbahnhöfe).
Kochstraße
- Waltraut Weise: „... wenige Tage nachdem wir dem Schacht entkommen waren, wurden wir zu einem U-Bahn-Eingang geschickt, wo bereits andere dabei waren, die Treppe von Schutt zu befreien. Ich glaube, es war die Kochstraße. [...] Andere waren damit beschäftigt, mithilfe einer langen Stange, die vorn einen gebogenen Haken hatte, Leichen aus dem Wasser zu fischen, das fast Straßenniveau erreicht hatte.“ (WS, 251).
Die Opferzahl in der Nachkriegsbetrachtung
Es erscheint bei Berücksichtung der überlieferten Fakten und auch der (physikalischen) Logik des Ablaufs unverständlich – auch wenn eine Vielzahl späterer Autoren die Angaben offensichtlich ungeprüft übernommen hat –, dass es möglich wurde, die Anzahl der ab fünf Monate später vom Absenken des Wasserstandes im September bis zur völligen Trockenlegung im Februar 1946 noch vorgefundenen Leichen zur Gesamtzahl der Opfer zu erklären. Es fällt heute schwer, dies nicht als Manipulation zu werten, die gleichzeitig auch mit einer ‚Verlegung‘ des Datums von Flutung (und damit auch des Trecks) vom 1. Mai 1945 auf den 2. Mai 1945 ‚Hand-in-Hand‘ ging.
Festgestellt werden als ‚Promoter‘ der „Neuinterpretation“ kann der Bauabteilungsleiter der Reichsbahn, Rudolf Kerger, der speziell für die Presse organisierte Pontonbootsfahrten im September und Oktober 1945 durchführte und moderierte. Dessen Aussagen wurden dann in Zeitungen und auch im Rundfunk verbreitet. Unverständlich auch, dass die erste Bootsfahrt am anderen Ende des Tunnels, an der S-Bahnstation Stettiner Bahnhof angesetzt wurde und über diese nicht hinauskam – dort war das Wasser erst spät am 2. Mai und langsam eingetroffen, so dass es dort keine Opfer gab.
Die Presse berichtete danach, es habe überhaupt keine Opfer gegeben und wenn, dann wären es bereits vor der Flutung im Tunnel abgelegte Tote gewesen. Vielleicht lässt sich dieses eigenartige journalistische Verhalten neben der offensichtlichen Überzeugungskraft Kergers damit erklären, dass die Reporter – soweit bekannt – erst längere Zeit nach Kriegsende nach Berlin gekommen waren (die Namen sind zumeist bekannt) und dass ein allgemeines, großes Bedürfnis nach positiven Nachrichten, nach Verdrängung des Negativen oder bei Möglichkeit einer Neigung zur Beschönigung bestand. Schwer erklärbar und nur mit mangelnder Recherche zu erklären ist, dass spätere Autoren – in der populären Literatur zuletzt Joachim Fest – ebenfalls dieser Fälschung verfielen: „Noch am 2. Mai sprengte eine dieser Einheiten den Tunnel unter dem Landwehrkanal, in dem sich ungezählte Verwundete und Schutz suchende Zivilisten geflüchtet hatten. Doch die große Katastrophe blieb aus, weil die Wassermassen sich rasch verliefen: Selbst die Natur sei des ewigen Mordens müde, sagten die Leute.“ (Joachim Fest: Der Untergang. Berlin, 2002, S. 176.).
Entsprechend der Thematisierung nur des Trecks als ein zwar in weitere Ereignisse eingebundener, doch selbstständig zu untersuchender Vorgang, wird hier neben der Dokumentation des tatsächlichen Datums nur die Genese der Darstellung der Opferzahlen behandelt.
Bootsbefahrungen
Eine erste Befahrung mit Ponton-Booten fand am xy September, die zweite am xy Oktober 1945 statt.
Erste Pontonfahrt
- Der Berliner:
(B) "Ponton", (dB,13.9.45): "Sprengung" ohne weitere Angaben (keine "SS") / "Dienstag" / Oberbauleiter Kerger / Schutzsuchenden & Verwundeten vor Einbruch des Wassers draussen / "jetzt aufgefundene Tote" / Stelle der Tunnelbreite: Barrikade / wieder Sperre / kajo (sachlich ok)
- Bericht von Kajo Reutlinger im Buch „und dennoch leben wir“, 1997
Zweite Pontonfahrt
Die zweite Fahrt, die im Oktober an der Schadensstelle selbst angesetzt wurde, führte bereits zu einem eher realistischen Eindruck, doch galt nun als gesetzt, dass die gesamte Opferzahl zumindest in der Größenordnung mit den nun und bis zur vollständigen Trockenlegung aufgefundenen Leichen übereinstimmen würde.
- Die Freie Gewerkschaft:
(A) "Die Katastrophe", (FG, 9.10.45(?)): "kürzlich Sonderbesichtigung der Schadensstelle für den Rundfunk" / bisher 56 Leichen geborgen / erneut 6 Leichen gesichtet / Näherung an Potsdamer Platz Wasser zu hoch, Rückfahrt / Eingang zum Tunnel beim Bhf Unter den Linden, Kollege Kotzur sichert Unterstützung durch die Gewerkschaften zu.
- „Zeuge Herr R. ist im Herbst 1945 als Journalist mit dem Pontonboot durch den Tunnel gefahren. Er hat für Berliner Zeitung und Telegraph geschrieben. Er sagt, daß es keine Ertrunkenen gegeben habe, sondern man habe als Leichen lediglich solche geborgen, die schon vorher als Tote oder Verletzte im Tunnel gelegen hätten. Der Wassereinbruch sei so langsam erfolgt, daß die Menschen sich retten konnten. Im Tunnel habe es dumpf gerochen, aber keinesfalls gestunken.“ (KM, 55).
Mit Rudolf Kerger beanspruchte die Reichsbahn nicht nur die Deutungshoheit über das Ereignis, sondern setzte diese auch durch.
Informationslage nach Kriegsende
Datierungsproblem der Nachbetrachtung
Problematisch war bis in die Gegenwart, dass ein als unangefochtene Autorität und damit als zuverlässig gewerteter Autor – Rudolf Kerger, Bauabteilungsleiter der Reichsbahn (NbA/Neubau) und zuständig für die Wiederherstellung von Kanalboden und Tunnel – den Sprengungsvorgang auf den 2. Mai 1945 datierte und mit der minutengenauen Angabe – „7.55 Uhr" – eine ebenso nur behauptete Angabe machte.[Anm 18]
Der 2. Mai ist als Datum nicht belegt und wurde ursprünglich nur von einem Autor in der Nachkriegsliteratur behauptet. Der Autor – Rudolf Kerger – war zu diesem Zeitpunkt nicht in Berlin. (siehe: Abschnitt Datierungsproblem)
Eingebracht sind hier insgesamt xy Darstellungen, die zweifelsfrei den 1. Mai 1945 für den Zeitpunkt des Trecks. Alle anderen Daten sind auszuschließen.
Fazit
Die Beweislage zum Treck im Nord-Süd-Tunnel lässt mit Sicherheit die Aussage zu, dass der Vorgang am 1. Mai 1945 stattfand. Es ist in Literatur und zeitnahen Presse-Darstellungen auch kein Versuch einer anderen Datierung festzustellen. Allerdings ist das Wissen (der Bevölkerung) über Evakuierung und Treck von Publizisten und Historikern auch nicht aufgegriffen worden. Da es zudem gesichert ist, dass beide Geschehnisse im Zusammenhang standen und der Flutung des Tunnels kurzfristig vorausgingen, ist es logisch, dass die Sprengung im Landwehrkanal ebenfalls am 1. Mai 1945 stattfand. Dazu kann jedoch noch eine eigene Nachweisführung stattfinden.
Auch eine hohe Opferzahl ist in Folge der Beweislage gesichert. Der Versuch, die Anzahl auf die nach fast einem Jahr im trocken gelegten Tunnel aufgefundenen Leichen zu beschränken, erscheint − auch im Einklang mit einer Schlussfolgerung, die auch nur die Voraussetzungen (die Menge der Schutzsuchenden im S-Bahn-System und die Gewalt des Wassereinbruchs) bedenkt, als eine vermutlich interessengeleitete Bagatellisierung. Worin dieses Interesse gelegen haben kann, ist jedoch nur im Zusammenhang einer Untersuchung zu der Verursachung selbst möglich.
Anmerkungen
- ↑ Hier gilt ein Grundsatz der historischen Wissenschaft: Einzelne, in der Nachbetrachtung als „falsch“ gewertete Angaben denunzieren nicht die gesamte Quelle. Es kommt in der Nachbetrachtung nicht zuerst auf eine Wertung der „Zuverlässigkeit“ oder „Glaubwürdigkeit“ von Autoren oder Zeugen an (und dies dann als Selektionskriterium), sondern auf den informellen Gehalt von Darstellungen. Quellen werden geprüft (verifiziert), eine Einschätzung der überliefernden Person durch den Historiker bietet allenfalls Ergänzungen oder Hinweise auf Motivlagen.
- ↑ Die Aussagen sind im Buchband als vollständige Protokolle abgedruckt (Seiten 47-55). Die Protokolle in Kopie der Urschrift befinden sich in der Akte Gedenktafeln in Kreuzberg, Sozialraum II, Kbg SW. Veröffentlicht hat die Autorin lediglich 23 Aussagen, die nicht veröffentlichte Aussage befindet sich in der genannten Akte zur Buchproduktion im Friedrichshain-Kreuzberg-Museum (FHXB). Die fehlende Aussage ist hier im Beitrag veröffentlicht.
- ↑ Die Autorin gibt in ihrem Buch 2004 hierzu kein Datum dazu an, da sie es 1945 nicht kannte, doch ist ihre Beschreibung der folgenden Tag/Nacht-Wechsel eindeutig und lückenlos, so dass sich über das anderweitig auch nachweisbare Sprengungsdatum der Brücken ihre Darstellung hier bereits zeitlich initialisieren lässt. Der Tag darauf – das Kapitel „Erster Tag im Bunker“ der Autorin – war somit der 27. April 1945. (Waltraut Süßmilch: Im Bunker. Ullstein Verlag, Berlin 2004, S. 110 ff.) Zum weiteren Abgleich der Protokolle der Autorin siehe: Anhalter Hochbunker Berlin#Datierung der Vorgänge im Bunker.
- ↑ (Zeuge Herr H., Flutung, S. 49 f.) Die Befragerin K. Meyer hakte nicht nach, um welchen der beiden südlichen Tunnelausgänge es sich gehandelt hat.
- ↑ Da die Räumlichkeiten heute noch unverändert erhalten sind, kann die Anschauung einen Eindruck von der dort möglichen Menschenmenge geben. Teils befanden sich die Menschen auch in den Tunnelschächten. In abgestellten Bahnwagen sollen vor dem Bahnhof Unter den Linden 1.600 Verwundete gelagert worden sein. Alles befand sich fast völlig im Dunkeln.
- ↑ Da das Buch aufgrund seiner Leitlinienfunktion vielfach zitiert wird, werden die Zitate auch der besseren Lesbarkeit wegen, nur mit den Seitenzahlen bezeichnet.
- ↑ Eigenen Angaben zufolge befand sich die Zeugin relativ weit am Anfang des Zuges, da sie im Anhalter Hochbunker auf den Treppen sitzend, schon früh losgegangen war.
- ↑ Diese Angabe ist bedeutsam, da sie als Abgleich für die Fliessgeschwindigkeit der eingedrungenen Flut gelten kann. Geht man von der Korrektheit von Angaben zur Uhrzeit der Sprengung aus (7.55 Uhr bzw. 7.45 Uhr), so hatte das Wasser spätestens ab 15 Uhr den Bahnhof Friedrichstraße erreicht.
- ↑ Die Datumsangabe sind korrekt, denn erst im Laufe des 2. Mai wurden die S-Bahnhöfe und der Nord-Süd-Tunnel vollständig angefüllt, so dass der Wasserzufluss aus der Spree hier dann gleichsam stillstand. Bei der gefälschten Version hätte man hier den 3. Mai angeben müssen.
- ↑ Die Beschreibung bestätigt – trotz offenbarer Zweifel der Befragerin – den ‚grossen Bogen‘ der Darstellung von W. Süßmilch. (KM, 52).
- ↑ (Frau S.: KM, 53 f.) Die Aufforderung, nach oben zu kommen, der die Männer zuerst nicht folgen wollten, bestätigt die Zeugin Süßmilch ebenfalls für den Morgen nach dem Treck. Die Aussagen beziehen sich zweifellos auf den S-Bahhnhof, am anderen Ende der Wassereinbruchstelle. Dort wurde im Oktober 1945 die Pontonboot-Fahrt (DATUM) durchgeführt, die nicht über die Station selbst in den Tunnel hineinreichte. Eine dort vereinzelt schwimmende Leiche begründete dann Presseberichte, die nur wenige Opfer der Katastrophe mutmaßten. Rudolf Kerger moderierte diese und noch eine weitere Fahrt am XY.
- ↑ Es ist nicht Aufgabe dieses Beitrags, die Toten zu ehren, doch sollte hier nicht verschwiegen werden, dass die 14jährige Waltraut Weise in der Nacht vom 1. Mai auf den 2. Mai 1945 mit ihrer Mutter und dem Bruder ein menschliches „Inferno“ miterlebte. (siehe: Literaturliste).
- ↑ (KM, 49) Hier – wie auch bei anderer Einzelbeobachtungen – ist nicht gemeint, dass nur an diesem Tag und damit am Hafenplatz nur 100 Tote begraben worden wären, sondern dass diese Umstände den Tag der Beobachtung der Zeugin betreffen. Der Vorgang erfolgte täglich, offensichtlich mindestens bis ‚um den 20. Mai‘ 1945.
- ↑ Der ‚Kanalhafen beim Anhalter Bahnhof‘ war eine Ausbuchtung, die bis xy bestand und nach dem Krieg als Trümmersammel-, Sortierung- und Verteilung(Verschiffung)splatz fungierte. Heute befindet sich dort der Mendelssohn-Bartholdy-Platz. Über eine spätere Exhumierung und Verbringen auf Friedhöfe ist derzeit nichts bekannt.
- ↑ (KM, 55) Das Protokoll lässt nicht erkennen, ob sich die Zahlenangabe auf den Bahnhof Unter den Linden bzw. auf einen bestimmten Zeitraum bezieht.
- ↑ (KM, 55) Auch hier ist davon auszugehen, dass dies Geschehen – noch im August – nicht nur an diesem Tage stattfand.
- ↑ Der Verfasser des Schreibens formuliert zwar keine exakte Ortsbeschreibung – womöglich sieht er ihn im Zusammenhang von Eisenbahn –, doch ist dadurch die Beschreibung zu den Opfern nicht widerlegt.
- ↑ Walter Schneider, zu diesem Zeitpunkt maßgeblich aktiv und kurz darauf Direktor der BVG, schrieb, dass er am 2. Mai erfuhr, dass das Wasser vom S-Bahntunnel im Bahnhof Friedrichstraße in die U-Bahn übergelaufen sei. Seine weitere Ausführung, dies sei auf die Sprengung am 2. Mai zurückzuführen, klingt in der Diktion folgsam. So als wollte er dazu noch ein weiteres Zeichen setzen, schrieb er, die Sprengung sei „7.45 Uhr“ erfolgt. Ein Untersuchungsinteresse sollte sich hier auf sein eigenes Erleben richten: dass das die Flut offensichtlich schon relativ früh am Tage, dem 2. Mai, in das U-Bahnsystem übergelaufen ist, was trotz der gewaltigen Wassermassen nur bei einer Sprengung am 1. Mai möglich gewesen sein kann.
Dokumentation
- Zeugin 'Frau Kr.: „Das sei seinerzeit auch die herrschende Auffassung unter der Bevölkerung gewesen, daß die Flutung auf die Russen zurückfiele.“[29]
- „Zeugin Frau T. war Reichsbahnangestellte am Schöneberger Ufer. Später ist sie Oberinspektorin bei der Reichsbahn geworden. Sie kann sich daran erinnern, daß bei Besprechungen in der Reichsbahndirektion immer die Rede von der ‚Öffnung der Ventile‘, nie aber von einer Sprengung gewesen sei.“ (KM, 55).
Literatur
- Waltraut Süßmilch: Im Bunker. Ullstein Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-548-25870-0.
- Peter Kruse (Hrsg.): Bomben, Trümmer, Lucky Strikes. Die Stunde Null in bisher unbekannten Manuscripten. wjs verlag, Wolf Jobst Siedler, Berlin 2004, Bericht: Hans Mellin: Im Bunker. ISBN 3-937989-00-5.
- Michael Braun: Die Berliner Nord-Süd-Bahn. Verlag Kenning, Nordhorn 1997.
- Karen Meyer: Die Flutung des Berliner S-Bahn-Tunnels. Hrsg.: Kunstamt Kreuzberg, GVE, Berlin 1992. Zeugen-Protokolle vollständig in der Akte Gedenktafeln in Kreuzberg, Sozialraum II, Kbg SW, Friedrichshain-Kreuzberg-Museum (FHXB).
- Peter Gosztony (Hrsg.): Der Kampf um Berlin in Augenzeugenberichten. dtv, 1985. ISBN 3-423-02718-5.
Einzelnachweise
- ↑ Cornelius Ryan: Der letzte Kampf. Neuauflage mit aktuellem Vorwort von Johannes Hürter. Konrad-Theiss-Verlag (imprint der WBG, Wissenschaftlichen Buchgesellschaft), Stuttgart 2015, ISBN 978-3-8062-3026-0, S. XII.
- ↑ Michael Wildt, Christoph Kreutzmüller (Hrsg.): Berlin 1933–1945. München 2013.
- ↑ Johannes Hürter in: C. Ryan: Der letzte Kampf. Vorwort, S. XII, zu: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Hrsg. v. Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Band 10/1, Rolf-Dieter Müller (Beitrag Richard Lakowski), Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-421-04338-2.
- ↑ Stefan Jordan: Einführung in das Geschichtsstudium. Reclam, Stuttgart 2005, S. 57.
- ↑ Johannes Fried: Der Schleier der Erinnerung. Grundzüge einer historischen Memorik. C. H. Beck, München 2004.
- ↑ Vgl. zusammenfassend etwa Peter Borowsky, Barbara Vogel, Heide Wunder: Einführung in die Geschichtswissenschaft. 5. Auflage. Opladen 1989, S. 77 f.
- ↑ Peter Kruse (Hrsg.): Bomben, Trümmer, Lucky Strikes, 2004, S. 28(?).
- ↑ Dieter Felbick: Schlagwörter der Nachkriegszeit, Walter de Gruyter, Berlin, New York 2003. Ergänzt durch Streuinformationen.
- ↑ Karen Meyer: Die Flutung des Berliner S-Bahn-Tunnels. Hrsg.: Kunstamt Kreuzberg, GVE, Berlin 1992, S. 24.
- ↑ Waltraut Süßmilch: Im Bunker. Ullstein Verlag, Berlin 2004.
- ↑ Freie Gewerkschaft: Der 1. Mai 1945. (Teilnehmer Toni Drunsel), 1. Mai 1946. (Landesbibliothek Berlin).
- ↑ Neues Deutschland vom 9. Mai 1946, Zentralorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, SED, Berlin.
- ↑ Hans Mellin: Im Bunker. Bericht in Peter Kruse (Hrsg.): Bomben, Trümmer, Lucky Strikes. 2004, S. 28.
- ↑ Zitiert in: Karen Meyer: Die Flutung des Berliner S-Bahn-Tunnels. Hrsg.: Kunstamt Kreuzberg, GVE, Berlin 1992, Seite 40 f.
- ↑ Sonntagszeitung "Heim und Welt, „Die Wochenzeitung für alle“ Artikelserie in sechs Folgen, auf Mikrofilm im Landesarchiv Berlin (kein Impressum vorhanden). Zitat hier aus Folge 2 vom 2. März 1952).
- ↑ Karen Meyer: Die Flutung des Berliner S-Bahn-Tunnels. Hrsg.: Kunstamt Kreuzberg, GVE, Berlin 1992, S. 51 f. Protokoll auch in der Akte Gedenktafeln in Kreuzberg, Sozialraum II, Kbg SW.
- ↑ Hans Mellin: Im Bunker. Bericht in Peter Kruse (Hrsg.): Bomben, Trümmer, Lucky Strikes. 2004, S. 28. Mellin berichtet, dass der Abtransport der Nichtgehfähigen nicht mehr möglich war. Unklar bleibt, ob der Autor Mellin den Zug selbst mitgemacht hat oder sich anderweitig entfernen konnte oder im Bunker bis zum Eintreffen russischer Soldaten blieb.
- ↑ Irmhild Zinow in Mein Kriegsende, Berliner Illustrierte Zeitung – Wochenendmagazin der Berliner Morgenpost, 3. Mai 2015.
- ↑ Bei diesem Übergang handelt es sich um den früher so genannten ”Rennsteig“, der damals der einzige Übergang zwischen S-Bahn und U-Bahn war. Berliner Zeitung.
- ↑ Berliner Zeitung: Von der U-Bahn., 18. Juni 1945.
- ↑ Schriftlicher Erinnerungsbericht von Walter Gensch aus dem Jahre 1977, (Landesarchiv Berlin, Rep. 240, Acc., 2561, Nr. 3). Zitiert nach Bengt von zur Mühlen: Der Todeskampf der Reichshauptstadt, Chronos Verlag, Berlin-Kleinmachnow 1994, S. 378 f.
- ↑ Zitiert in: Gostony, S. xy.
- ↑ Quelle
- ↑ Karen Meyer, 1992, hat insgesamt 24 Aussagen gesammelt, doch da eine einheitliche Darstellung wie die von Waltraut Süßmilch, 2004 fehlte, sind die Zeugen unzureichend interpretiert. Zudem hat sie nur 23 Protokolle veröffentlicht, das ‚überzählige‘ ist noch im FHXB einzusehen.
- ↑ AdresseZitat
- ↑ Anthony Beevor: Berlin 1945. Das Ende., Goldmann Verlag, Berlin 2005, S. 404. Originalausgaben: Random House GmbH, London 2002 und Bertelsmann, München 2002. Beevor hat viele Menschen aus der Bevölkerung befragt, Unterlagen sind derzeit nicht zugänglich.
- ↑ C Rep 309, 3885) Landesarchiv Berlin.
- ↑ Schreiben mit Absende-Adresse: Hallesches Ufer 72, Berlin SW 11: „Betr.:Leichenbeseitigung im Gebiet der S-Bahn. Bezug: Vorbesprechung Sachbearbeiter, RB-Ang. Sagert mit Sachbearbeiter , Bestattungsamt, Hrn. Walther am 18.7.1945.“ Dokument in Landesarchiv. Veröffentlichung in KM, 1992, Abbildung 13.
- ↑ (KM, 55). Zu dieser Auffassung lassen sich jedoch keine Anhaltspunkte finden.
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Ergänzende Berichte und Aussagen
- Zeugin Frau Re. „hat die letzten 14 Tage im Bunker am Anhalter Bahnhof (in dem sich fast ausschließlich Frauen und Kinder befanden) verbracht. Sie war damals 35 Jahre alt. Sie erzählt, daß sie am Morgen der letzten Nacht, die sie dort waren, durch Gebrüll geweckt wurden. [...] über Lautsprecher ertönte die Anweisung, den Bunker zu räumen. [...] Auf dem Weg zum Tunnel war zunächst alles trocken. Auf der Höhe von Unter den Linden konnten sie einen Bombentrichter sehen, dort war auch Wasser im Schacht. Die begleitenden Soldaten befahlen, da durchzugehen und verhinderten, daß jemand den Schacht verließ, wegen des Wassers seien sie dann teilweise auf den Stromabnehmern balanciert. Dann seien sie auf eine Panzersperre gestoßen. In der Invalidenstraße bei der ‚Maikäferkaserne‘ haben sie den Tunnel verlassen. [Ab Bahnhof Friedrichstraße handelte es sich um den U-Bahnschacht, in den der Treck umgeleitet wurde] Dann sei sie zum Stettiner Bahnhof gegangen, wo ganz viele Menschen lagerten. Dort schlief sie noch eine Nacht. Am kommenden Morgen wurden sie von Soldaten aufgefordert herauszukommen, der Krieg sei vorbei. Frau Re. erinnert sich daran, daß Menschen, die erst nach ihnen den Tunnel durchquert hätten und mit denen sie am Stettiner Bahnhof gesprochen hätte, von einer großen Detonation erzählten.“[Anm 1]
- Die Zeugin Frau Bo., Jahrgang 1911, befand sich „die letzten Kriegstage [...] im Keller vom Postamt (am Anhalter Bahnhof) [..] Sie erinnert sich daran, am 2. Mai den Keller verlassen zu haben, weil Wasser hineingelaufen ist.“ (Allmählicher Überlauf über einen Gang von der S-Bahnstation aus?). (KM, 48).
- Die Zeugin Frau Bu., damals 24 Jahre alt, „berichtete, daß sie [..] in einen ‚Hängebunker‘ der in den S-Bahn-Schacht hineinragte, gegangen sei. Der Bunker habe sich etwa in der Mitte der Saarlandstraße [heute: Stresemannstraße] befunden, etwas näher an Anhalter Bahnhof als am Potsdamer Platz. [...] Am 2. Mai vormittags seien Russen in den Bunker gekommen und hätten zur Räumung des Bunkers aufgefordert.“ (KM, 49).
- „Frau Br. war im Tunnel am Anhalter Bahnhof, dort wo ein totes Gleis ist[Anm 2], drunter hat sich ein Werkstattraum von Siemens befunden, in dem sie mit Mann, Kind und Leuten von der Güterabfertigung war.“ Nach etwa 10 Tagen kamen Russen und forderten sie zum Herauskommen auf. „Bald darauf sei Wasser gekommen, das schnell hüfthoch anstieg. [...] Als sie den Tunnel verlassen hatten, war der Krieg zuende.“ (KM, 48 f.)
- Die Situation kennzeichnet auch der Zeuge Herr K., der mit der Befragerin K. Meyer wegen Widersprüchlichkeiten zweimal im Gespräch war. Der Blick auf die Aussagen lässt den Schluss zu, dass er – da er das Flutungsgeschehen unbedingt auf den 2. Mai datieren wollte – vor allem deshalb mit seiner Erlebnischronik mehrfach in Verwirrung geriet. Da er jedoch „Reichsbahner im S-Bahn-Schacht [..., der] kurz vor dem 20. April 1945 einen provisorisch eingerichteten Arbeitsplatz im S-Bahntunnel Anhalter Bahnhof bezogen hatte“, war, müssen auch seine Aussagen auf Substanz geprüft werden: Er wäre „schon vor Kriegsende mit den Kollegen Richtung Norden durch den Schacht gegangen.“ Am Potsdamer Platz „wäre auch noch der Gefechtsstand einer Panzerdivision gewesen. [...] Später sei man zur Friedrichstraße gelaufen und dort zur Oberfläche gelangt.“ Von dort habe er den unmittelbaren Schauplatz des Gemetzels an der Weidendammer Brücke [Ausbruchsversuch in der Nacht vom 1. Mai auf den 2. Mai] gesehen. „Den vielen sowjetischen Soldaten hätten sie sich als Eisenbahner ausweisen und den Weg fortsetzen können.“ (KM, 51 f.).
- Die Zeugin Frau J. (KM, 51), damals 26 Jahre alt, gab zu Protokoll, sie habe sich in einem S-Bahnzug zwischen Anhalter Bahnhof und Potsdamer Platz befunden: „Am 30. April seien an ihnen die Frauen und Kinder aus dem geräumten Bunker am Anhalter Bahnhof vorbeigelaufen. [...] Am 1. Mai habe sie gehört, daß Hitler tot sei. In der darauf folgenden Nacht seien sie durch den Tunnel nach Norden gelaufen. Am Bahnhof Unter den Linden habe knöcheltiefes Wasser gestanden, es sei sehr glitschig gewesen. Am Bahnhof Friedrichstraße habe sie erfahren, daß man nicht mehr weiter gehen könnte. Am Bahnhof und im Schacht waren noch ganz viele Menschen, Zivilisten, aber auch Volkssturm. Im Laufe des [nächsten] Vormittags bis etwa gegen Mittag hätten sie den Bahnhof verlassen können. Bis zur Mittagszeit habe es auch noch Beschuß gegeben, dann sei die Kapitulation da gewesen.“[Anm 3]
Merkwürdig ist die Darstellung eines Zeugen, der eine völlig andere ‚Geschichte‘ beschreibt, für die sich in anderen Quellen und der Literatur keine Anhaltspunkte finden lassen:
(ungekürzt): „ Zeuge Herr A. war damals 16 Jahre alt, aktiver Offiziersbewerber und diente als MG-Schütze in einer Kompanie, die aus Polizei, Arbeitsdienst und fronterfahrenen Soldaten bestand. Er erzählte, daß er sich Ende April 1945 im Anhalter Bahnhof aufhielt und durch einen Hüftschuß leicht verwundet war. In der nacht vom 1. zum 2. Mai kam ein Rückmarschbefehl zum Durchbruch nach Oranienburg zur Vereinigung mit der Armee Wenck. Der Abmarsch durch den Tunnel in Richtung Norden erfolgte sehr geordnet. vorweg gingen die Militärs, in der Mitte die Zivilisten und am Ende die Verwundeten. Einige Wagen mit Verletzten haben sie die Gleise entlang geschoben. Bis auf eine kleine Wassereinbruchstelle in der Mitte des Weges war der Tunnel trocken. Unter den Linden trafen Leute von der Reichskanzlei zu dem Troß und brachten die bis dahin bestehende Ordnung völlig durcheinander. Unterwegs wurde ihnen durch die Noteinstiege von oben durch Angehörige des NKFD (Nationalkomittee Freies Deutschland) immer wieder zugerufen, daß sie aufgeben sollten, da Berlin kapituliert habe. Im Tunnel hätten bisweilen ein paar Tote gelegen. Am Bahnhof Friedrichstraße verließen sie den Schacht. Weiter ging es nicht, da die Schotten der Spreeunterfahrung geschlossen waren. Friedrichstraße stiegen sie nach oben, wo sie von sowjetischen Soldaten gefangen genommen und sehr anständig behandelt wurden. Das war am Nachmittag des 2. Mai. Vor allem an der Weidendammer Brücke, wo sich eine Panzersperre befand, bot sich ihnen ein entsetzliches Bild von Erschossenen und Verbluteten, die dort lagen. A. zweifelt gänzlich an der Sprengung der Tunneldecke. Er begründete den Wassereinfluss mit kleineren Schadensstellen, durch die der Schacht sehr allmählich vollgelaufen sein könnte. Er konnte sich keinen militärischen Sinn einer Sprengung durch deutsche Kräfte vorstellen.“ (KM, 47 f.).
„Zeuge Herr J. (KM, 52) war seinerzeit 15 Jahre alt und beim Volkssturm. Er hat die letzten Kriegstage in der ‚Zitadelle‘ verbracht [der innerste Verteidigungsbereich um Führerbunker und Reichstag im Spreebogen], unter anderem im Hotel Adlon gehaust. In der Nacht vom 1. zum 2. Mai hat seine Einheit Befehl gehabt, sich unterirdisch im U-Bahn-Schacht gegen Norden durchzuschlagen, um sich mit der Armee Wenck vor Oranienburg zu vereinen. Am Morgen des 2. Mai habe eine so enorme Druckwelle den Tunnel erschüttert, daß die Menschen gedacht hätten, er stürze über ihnen ein. Am Nordbahnhof (Stadion der Weltjugend) [Stettiner Bahnhof] habe er den Tunnel verlassen und sei von den Sowjets gefangen genommen worden. Das sei am Morgen des 2. Mai um 9.30 Uhr gewesen.“[Anm 4]
Zeugin Frau W. (KM, 54) „war Schwesternhelferin. Ende April war sie im S-Bahn-Tunnel. Auf dem Weg vom Anhalter zum Stettiner Bahnhof (den sie nicht datieren kann), sah sie ein etwa 1,5 Meter großes Loch in der Tunneldecke, durch das Wasser einströmte. Als sie am Stettiner Bahnhof ankam, wurde sie von den Russen gefangen genommen. Später habe sie immer wieder gehört, daß der Tunnel absichtlich geflutet worden wäre.“ (Keine verifizierbaren Angaben).
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