Die Messerschmitt Bf 110 war ein zweimotoriges, zweisitziges Militärflugzeug in Tiefdeckerauslegung und Ganzmetallbauweise der 1934 neugeschaffenen Gattung des Zerstörers, das im Auftrag der deutschen Luftwaffe unter Leitung von Willy Messerschmitt konstruiert und von der Firma Bayerische Flugzeugwerke AG produziert wurde. Der Erstflug des Typs erfolgte am 12. Mai 1936 mit der Bf 110 V1.



Die Typbezeichnung
Die vom Reichsluftfahrtministerium (RLM) für den neuen Zerstörer vergebene Typnummer lautete 110. Das für die Flugzeugbeschaffung zuständige Technische Amt des RLM kombinierte die Typnummer entsprechend seines offiziellen Bezeichnungssystems mit dem Kürzel des Herstellers Bayerische Flugzeugwerke AG zu Bf 110. Der Konstrukteur Willy Messerschmitt als Anteilseigner der Herstellerfirma gab dem Typ jedoch die seinem Namen entsprechende Typbezeichnung Me 110.
Erst nachdem das RLM die Zusammenarbeit mit den Bayerischen Flugzeugwerken vorübergehend einstellte, übernahm auch der Hersteller die vom Technischen Amt geforderte Typbezeichnung.
Trotzdem wurde der Typ in der vom RLM herausgegebenen, offiziellen Propaganda-Illustrierten Der Adler sowie in den vom RLM genehmigten, zum Beispiel für den NSFK bestimmten Flugzeugerkennungsbüchern weiterhin Me 110 genannt. Auch in anderen Zeitschriften und im täglichen Sprachgebrauch der Luftwaffe war diese Bezeichnung üblich.
Da die Herstellerfirma zunächst die Bayerische Flugzeugwerke AG war, die 1938 dann in der Messerschmitt AG aufging, lautete die Bezeichnung des Technischen Amtes zunächst BFW Bf 110, dann - unter Beibehaltung des ursprünglichen Herstellerkürzels - Messerschmitt Bf 110.
Einsatz
Einsatz zu Kriegsbeginn
Aufgrund ihrer überlegenen Flugleistungen konnte sich die Bf 110 im Luftkrieg über Polen, Norwegen und Frankreich erfolgreich gegen die wendigeren einmotorigen Jäger der gegnerischen Luftwaffen behaupten.
Auch im Vergleich zur Bf 109 der Luftwaffe war die Bf 110 zu Kriegsbeginn ein leistungsstarkes Muster, denn die eingesetzte Bf 110 C wurde bereits von den modernen DB 601-Motoren angetrieben, während die Bf 109 teils noch den schwächeren Junkers Jumo 210-Motor nutzten.
Die Luftschlacht um England
Als Begleitjäger in der Luftschlacht um England bewährte sich die Bf 110 jedoch nicht. Obwohl ihre Reichweite für ihren geplanten Haupteinsatzweck ausreichend war, waren ihre Flugleistungen inzwischen hinter denen der einmotorigen Feindjäger zurückgeblieben.
Besonders im Vergleich zur schnellen Spitfire waren die Flugleistungen der Bf 110 nicht ausreichend, abhängig von der Flughöhe war aber auch die etwas langsamere Hurricane überlegen. Da sie als zweimotoriger schwerer Langstreckenjäger ausgelegt war, war die Wendigkeit der 110 zwangsläufig schlechter als die von einmotorigen Flugzeugen, sodass sie aus der defensiven Position, in die sie durch ihre unterlegene Leistung, aber auch durch die deutsche Taktik, Nahbegleitschutz für die Bomberformationen zu fliegen, gedrängt worden war, nicht erfolgreich kämpfen konnte. Auch die aus einem einzelnen MG 15 bestehende Abwehrbewaffnung konnte diese Nachteile nicht wettmachen.
Einsatz als Jagdbomber
1941 wurde das Muster in großer Zahl im Mittelmeerraum und in Russland vor allem als Jagdbomber und Erdkampfflugzeug eingesetzt; die Produktion wurde aber schon in Erwartung des Nachfolgers Me 210 heruntergefahren. Nachdem jedoch die Produktion der Me 210 aufgrund ihrer Mängel gestoppt wurde, stellten die für die Me 210 vorgesehenen Fertigungsstätten wieder die Bf 110 her.
Einsatz als Nachtjäger
Bis zum Kriegsende war die Bf 110 neben der Ju 88 der Standardnachtjäger. Die Nachtjägerversionen unterschieden sich vor allem durch den Einbau diverser Radaranlagen, die wiederum ein drittes Besatzungsmitglied, den Radarbeobachter, erforderlich machten. Zusammen mit der manchmal eingebauten Schrägen Musik herrschte anfangs im Cockpit der eigentlich zweisitzigen Maschine eine drangvolle Enge, was ab der Bf 110 F-4 kurzfristig durch eine leichte Verlängerung des Cockpits gelöst wurde. Das dritte Besatzungsmitglied wurde bald wieder aufgegeben.
Bei Ausrüstung der Nachtjäger mit Flammenvernichtern, die die Blendwirkung der Auspuffflammen für den Piloten verhindern sollten und die das Flugzeug nachts schwerer ausmachen ließen, traten anfangs Motorprobleme ungeklärter Ursache auf, die die Lebensdauer des damals verwendeten Motors vom Typ Daimler-Benz DB 601 F [3] auf 20 bis 50 Stunden reduzierten. Die Probleme konnten bei der mit DB 605 B [4] ausgerüsteten Bf 110 G, die die wichtigste Nachtjäger-Variante darstellte, gelöst werden.
Einsatz als Schleppflugzeug
In Dreiergespannen diente die Bf 110 auch als Schleppflugzeug für den Lastensegler Me 321 “Gigant“. Dieses Troika-Verfahren barg jedoch erhebliche Gefahren in der Startphase. Zum Beispiel konnte ein Triebwerksausfall bei einem der Schleppflugzeuge in der Startphase zum Absturz des Gespanns führen. Um diesen Problemen aus dem Weg zu gehen, wurde die He 111 Z als einzelnes fünfmotoriges Schleppflugzeug konstruiert und später die Me 321 durch Einbau von sechs Gnome-Rhône-Motoren zu der Me 323 weiterentwickelt.
Bewertung
Trotz einiger Nachteile war dieses Muster ein guter Jagdbomber und erfolgreicher Nachtjäger; auch die Weiterentwicklungen (Me 210 und Me 410) konnten die Bf 110 - zumindest als Nachtjäger - nicht ablösen. Als die Produktion in den ersten Wochen 1945 auslief, waren von der Bf 110 etwa 5.800 Stück gebaut worden, davon fast 3.000 als Nachtjäger.
Technische Daten
Bf 110 C-4 (1940/1941)
- Einsatzzweck: Zerstörer/Langstreckenbegleitjäger
- Besatzung: 2 Mann
- Spannweite: 16,29 m
- Länge: 12,11 m
- Höhe: 3,51 m
- Tragfläche: 38,36 m²
- Tragflächenbelastung: 176 kg/m²
- Motoren: zwei Daimler-Benz DB 601 B-1 [1] mit je 1.020 PS in 4.500 m Höhe
- Flugmasse: 6.750 kg
- Höchstgeschwindigkeit: 560 km/h
- Gipfelhöhe: 10.000 m
- Steigfähigkeit: ca. 11 m/s
- Reichweite: 1.300 km
- Bewaffnung: Vier 7,92 mm-MG 17 und zwei 20 mm-MG FF/M in der Nase, ein bewegliches 7,92 mm-MG 15 im Kanzelheck
Bf 110 G-4 (1943-1945)
- Einsatzzweck: Nachtjäger
- Besatzung: 3 Mann
- Spannweite: 16,29 m
- Länge: 12,68 m
- Höhe: 3,98 m
- Tragfläche: 38,36 m²
- Tragflächenbelastung: 244 kg/m²
- Triebwerk: zwei Daimler-Benz DB 605 B [4] mit je 1.475 PS Startleistung
- Flugmasse: 9.800 kg
- Höchstgeschwindigkeit: 585 km/h (mit Radar ca 550 km/h)
- Gipfelhöhe: 8.000 m
- Steigfähigkeit: ca. 11 m/s
- Reichweite: 850 km (ohne Zusatztanks)
- Bewaffnung:
- Vier 7,92 mm-MG 17 und zwei 20 mm-MG 151/20 in der Nase, ein bewegliches 7,92 mm-Zwillings-MG MG 81 Z im Kanzelheck.
- Optional Waffenbehälter WB 151Z unter dem Rumpf mit zwei zusätzlichen 20 mm-MG 151/20
- Optional Ersatz der vier oben in der Nase liegenden MG 17 durch zwei 30 mm-Kanonen MK 108
- Optional/später Serie Einbau von zwei MG FF/M im hinteren Cockpit 72° nach vorne oben feuernd Schräge Musik
- Typische Bewaffnung 1944: zwei MK 108 und zwei MG 151/20 in der Nase, zwei MG FF/M als Schräge Musik und das MG 81 Z
- Radar (Aktiv):
- Frühe Versionen ohne Radar oder mit Infrarotsichtgerät "Spanner"
- FuG 202 Lichtenstein B/C (Ende 1942) oder FuG 212 Lichtenstein C-1 (Mitte 1943, seltener Einbau)
- FuG 220 Lichtenstein SN 2 mit FuG 212 (1943/1944) - FuG 220 alleine ab ca Mitte 1944
- Radar (Passiv):
- FuG 350 Naxos-Z, selten FuG 227 Flensburg, zur Anpeilung alliierter Radaremissionen
Andere Versionen
- Bf 110 C-4/B: Jagdbomber für 500 kg Bombenlast, später umgerüstet und umbenannt in C-7
- Bf 110 C-5: Aufklärer, DB 601 P
- Bf 110 C-7: Umbennennung der C-4/B nach Umrüstung auf DB 601 P [2] Motoren, Bombenlast bis 1.000 kg
- Bf 110 D-Serie: Zerstörer/Jagdbomber für extreme Reichweiten basierend auf der C-Serie - sehr oft in Norwegen eingesetzt
- Bf 110 E-Serie: basierend auf der C-Serie, fast nur Jagdbomber, Bombenlast bis zu 1.200 kg, DB 601 B,Ba und P
- Bf 110 F-Serie: fast nur Jagdbomber analog zur E-Serie, bessere Panzerung und höhere Masse,mit der F-4 erster richtiger Nachtjäger, DB 601 F [3]
- Bf 110 G-2: Zerstörer, Jagdbomber oder Schnellbomber, variable Waffenausstattung, bis zu 1.000 kg Bomben, DB 605 B
- [1] Der DB 601 B-1 ist eine Abwandlung des DB 601 A-1 mit geänderter Propelleruntersetzung, die nur für eine Minute zugelassene Maximalleistung ist 1.100 PS. Alternativ wurde auch der 1.100 PS (maximal 1.175 PS) leistende DB 601 Ba verwendet (Abwandlung des DB 601 Aa mit geänderter Propelleruntersetzung). Vereinzelt wurden auch DB 601 P Motoren mit 1.175 PS Startleistung (bis Ende 1940 auf 1.050 PS limitiert) benutzt.
- [2] Der DB 601 P ist eine Abwandlung des DB 601 N mit geänderter Propelleruntersetzung. Startleistung 1.175 PS (bis Ende 1940 auf 1.050 PS limitiert)
- [3] Der DB 601 F ist eine Abwandlung des DB 601 E mit geänderter Propelleruntersetzung. Startleistung 1.350 PS (bis Ende 1941/Anfang 1942 auf ca 1.200 PS limitiert)
- [4] Der DB 605 B ist eine Abwandlung des DB 605 A mit geänderter Propelleruntersetzung. Startleistung 1.475 PS (bis Mitte 1943 auf 1.310 PS limitiert)