Non-Hodgkin-Lymphom

bösartige Erkrankungen des Lymphatischen Systems
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 26. April 2006 um 17:28 Uhr durch Fischbone (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Unter dem Sammelbegriff Non-Hodgkin-Lymphome (NHLs) werden alle malignen Lymphome zusammengefasst, die nicht die Diagnosekriterien des Morbus Hodgkin erfüllen. Diese Zusammenfassung hat im wesentlichen historische Gründe. Die Erkrankungen, die unter diesem Oberbegriff zusammengefasst werden, sind sehr heterogen. Das gilt sowohl für die zugrundeliegenden genetischen Veränderungen, die immunologischen Charakteristika als auch die klinischen Erscheinungsformen. Dementsprechend sieht auch die Behandlung der NHLs sehr unterschiedlich aus.

Ursachen

Die Pathogenese der Non-Hodgkin-Lymphome ist noch nicht gut verstanden. In den allermeisten Fällen sind sicherlich erworbene genetische Veränderungen entscheidend für die Entstehung der Erkrankung. Diese Veränderungen sind erworben und nicht ererbt oder vererbbar. Warum ein NHL beim einen Patienten auftritt, ist im Einzelfall in der Regel nicht zu sagen. Es gibt bestimmte Risikofaktoren, wie Strahlenexposition, eine vorangegangene Chemotherapie wegen einer anderen malignen Erkrankung oder ein Umgang mit mutagenen Substanzen, die zur Entstehung eines NHL prädisponieren aber bei der großen Mehrzahl der Betroffenen lassen sich solche Faktoren nicht finden.

Genetische Veränderungen

Mittlerweile sind eine Vielzahl von genetischen Veränderungen identifiziert worden, die teilweise von diagnostischer Bedeutung sind, wenn um die genaue Klassifikation des NHL geht. Typisch sind bestimmte Chromosomentranslokationen:

Durch diese Chromosomentranslokationen geraten bestimmte Onkogene ausser Kontrolle, was sicher einen entscheidenenden Schritt bei der malignen Transformation der betroffenen Zelle darstellt.

Onkogene Viren

Bei einigen NHL-Subtypen ist eine Beteiligung von bestimmten Viren an der Entstehung gesichert:


Viele Lymphome können mittlerweile kurativ, d. h. mit Aussicht auf komplette Heilung behandelt werden. Die Heilungschancen hängen aber von vielen verschiedenen Faktoren ab, z. B. dem Typ des Lymphoms, dem Alter des Patienten, dem Stadium des Lymphoms (es erscheint einleuchtend, dass ein nur wenig ausgebreitetes Lymphom bessere Behandlungschancen bietet als ein schon generalisiertes), den Begleiterkrankungen des Patienten, etc. Als ganz groben Grundsatz kann man festhalten, dass hochmaligne (= schnell wachsende, aggressive) Lymphome sich gut chemotherapeutisch behandeln lassen und auch komplett geheilt werden können , während niedrig malignen Lymphomen sich mit konventioneller Strahlentherapie/Chemotherapie i. d. R. nicht komplett heilen (aber häufig trotzdem gut behandeln) lassen.

Symptome

  1. meist nicht schmerzhafte Lymphknotenvergrößerung
  2. Leistungsminderung, Müdigkeit
  3. evtl. B-Symptomatik ( Fieber >38°C, Nachtschweiß, Gewichtsverlust, Juckreiz ), prognostisch ungünstig

Im Labor können sich folgende Veränderungen finden:

  1. Anämie
  2. Leukopenie (Lymphopenie, Eosinophilie)
  3. Thrombopenie
  4. Entzündungszeichen (Blutsenkungsgeschwindigkeit erhöht, alpha2-Globuline und Fibrinogen erhöht)
  5. Eisen erniedrigt, Ferritin erhöht
  6. bei B-Zell-Lymphomen (Plasmozytom, Morbus Waldenström) monoklonale Gammopathie
  7. häufig Antikörpermangelsyndrom

Diagnose

Die Diagnose wird histologisch anhand der Biopsie eines betroffenen Lymphknotens gestellt. Neben der histomorphologischen Beurteilung werden spezielle Färbetechniken angewandt, um das gewonnene Biopsiematerial genau klassifizieren zu können. Die derzeit gültige WHO-Klassifikation hat die früher verwendete Kiel- bzw. REAL-Klassifikationen weitestgehend abgelöst.

Für die genaue Stadieneinteilung sind weitere Untersuchungen notwendig:

  1. Röntgen Thorax
  2. Sonographie des Bauchraums
  3. CT von Hals, Thorax und Abdomen
  4. Knochenmarkspunktion zur Gewinnung der Knochenmarkshistologie und Ausschluss eines Knochenmarkbefalls

Eine genaue Klassifizierung und Stadieneinteilung ist für eine gezielte Therapie unerlässlich.

Stadieneinteilung

Weltweit ist heute die Stadieneinteilung nach Ann Arbor, die 1971 in Ann Arbor, Michigan entwickelt wurde.

  • Stadium I: Befall einer einzigen Lymphknotenregion
  • Stadium II: Befall von zwei oder mehr Lymphknotenregionen
  • Stadium III: Befall auf beiden Seiten des Zwerchfells
  • Stadium IV: Befall von nicht primär lymphatischen Organen (z. B. Leber, Knochenmark)

Zusatz A = keine Allgemeinsymptome (Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust), B = mit Allgemeinsymptomen, S = mit Milzbefall (die Milz wird in dieser Stadieneinteilung wie ein Lymphknoten behandelt), E = Befall außerhalb von Lymphknoten und Milz.

Therapie

Die Therapie richtet sich nach dem Ann-Arbor-Stadium der Erkrankung.


Stadium niedrigmaligne Lymphome hochmaligne Lymphome
I Bestrahlung IA: Bestrahlung
IB: Polychemotherapie nach CHOP
II Bestrahlung Polychemotherapie nach CHOP
III und IV palliative Chemotherapie Polychemotherapie nach CHOP
III und IV monoklonale Antikörpertherapie monoklonale Antikörpertherapie


Eine weitere neue Art der Krebsbehandlung stellt die Radioimmuntherapie dar.

Notwendigkeit einer einheitlichen Klassifikation der Non-Hodgkin-Lymphome

Schon seit längerem war den klinisch tätigen Medizinern und auch den Hämatopathologen klar, dass es sich bei den NHLs um eine sehr uneinheitliche Gruppe von Erkrankungen handelt. Es wurden daher Anstrengungen unternommen, die NHLs weiter zu klassifizieren. Eine einheitliche Klassifikation war aus verschiedenen Gesichtspunkten notwendig: ohne klar definierte Begriffe und Krankeitsentitäten war es schier unmöglich, die Ergebnisse von Therapiestudien und von grundlagenmedizinischen Forschungen miteinander zu vergleichen. Die Erforschung der Krankheitsursachen und der optimalen Behandlungsmöglichkeiten war dadurch sehr erschwert.

Die ersten wirkliche brauchbaren Klassifikationen waren:

Kiel-Klassifikation

Die Kiel-Klassifikation hat Ihren Namen von der Universität Kiel erhalten, an der sie vom deutschen Hämatopathologen Prof. Dr. Karl Lennert 1969 entworfen und 1973/74 publiziert wurde. 1988 wurde die Kiel-Klassifikation überarbeitet. Die Kiel-Klassifikation teilt die NHLs aufgrund von mikroskopisch-morphologischen, enzymzytochemischen und immunologischen Eigenschaften ein. Zudem wurden klinische Erfahrungen (eher bösartiger schneller oder eher gutartiger langsamer Verlauf) berücksichtigt. Lennert und seine Mitarbeiter differenzierten die Lymphome in niedrig-maligne und hoch-maligne. Die Unterteilung basierte auf der Zellgröße. Die niedrig malignen Lymphome bestanden aus 'zytischen' (eher reifen) und einem kleineren Anteil von 'blastischen' (sehr unreifen) Zellen, wohingegen hoch maligne Lymphome überwiegend aus 'blastischen' Zellen bestanden.

Die Kiel-Klassifikation wurde zur verbindlichen Klassifikation für die malignen Lymphome in Deutschland und erfuhr weite Verbreitung in ganz Europa. Im Laufe der Jahre zeigten sich jedoch auch Nachteile:

  • in der originalen Klassifikation von 1974 waren die "primär extranodalen Lymphome", d. h. die Lymphome, die primär außerhalb von Lymphknoten entstehen (z.B. die sogenannten MALT-Lymphome), nicht berücksichtigt,
  • die Einteilung in "zytische" niedrig maligne Lymphome und "blastische" hoch maligne Lymphome korrelierte nicht immer mit dem klinischen Verlauf. So zeigte z. B. das zentrozytische Lymphom (das später sogenannte Mantelzelllymphom) häufig einen ungünstigen klinischen Verlauf, obwohl es durch die Kiel-Klassifikation als "niedrig-maligne" klassifiziert wurde.
  • viele spezielle in den folgenden Jahren erst erkannte bzw. entdeckte Lymphom-Erkrankungen waren in der originalen Kiel-Klassifikation noch nicht enthalten. 1988 erfolgte deswegen eine größere Überarbeitung der Kiel-Klassifikation.

Kiel-Klassifikation nach den Überarbeitungen 1988 und 1992: niedrig-maligne NHL

Niedrig-maligne B-NHL Niedrig-maligne T-NHL
Lymphozytisch: B-CLL, B-PLL, Haarzellleukämie Lymphozytisch: T-CLL, T-PLL
Lymphoplasmazytoides Lymphom Kleinzellig zerebriforme Lymphome: Mycosis fungoides, Sézary-Syndrom
Zentroblastisch-zentrozytisches (cb-cc) Lymphom Angioimmunoblastisches Lymphom (AILD), Lymphogranulomatose X
Zentrozytisches Lymphom T-Zonenlymphom
pleomorph-kleinzelliges T-NHL


Kiel-Klassifikation nach den Überarbeitungen 1988 und 1992: hoch-maligne NHL

Hoch-maligne B-NHL Hoch-maligne T-NHL
Zentroblastisches Lymphom Pleomorph mittel- und großzelliges T-NHL
Immunoblastisches B-NHL Immunoblastisches T-NHL
Burkitt-Lymphom
Großzellig anaplastisches B-NHL Großzellig anaplastisches T-NHL
Lymphoblastisches B-NHL Lymphoblastisches T-NHL

die sogenannte Working formulation

1992 wurde in den U.S.A. eine Initiative ins Leben gerufen, die das Ziel hatte, die bisherigen unterschiedlichen Klassifikationsschemata zu vereinheitlichen. Die daraus resultierende Working Formulation of Non-Hodgkin's Lymphoma for Clinical Usage, oder kurz Working Formulation (WF) wurde für die nächsten 20 Jahre in den U.S.A. das verbindliche Klassifikationsschema für die NHLs.


WHO-Klassifikation der malignen Lymphome

Die WHO-Klassifikation der NHLs durch eine Expertengruppe der Weltgesundheitsorganisation ist die z.Zt. modernste und weitgehend akzeptierte Klassifikation der NHL, so dass man sich möglichst auf sie beziehen sollte. Ältere Klassifikationschemata sind aber immer noch im Gebrauch. Die Klassifikation der NHLs befindet sich aber weiter im Fluß. Auch die WHO-Klassifikation wird in der Zukunft noch Überarbeitungen erfahren, da immer neue und detaillierter Erkenntnisse über die Biologie und Pathophysiologie der NHLs gewonnen werden.

Die WHO-Klassifikation klassifiziert (wie auch schon die R.E.A.L.-Klassifikation) die NHLs nach zytomorphologischen, immunologischen und genetischen Merkmalen.


Selbsthilfegruppe

Informationsnetzwerk in der Schweiz für Betroffene

Mit dem Schweizerischen InfoNet für Lymphombetroffene wurde schweizweit ein völlig neuartiges Informationskonzept geschaffen. Betroffene erhalten die Möglichkeit, sich kompetent durch Fachpersonen über Lymphome zu informieren und zugleich Kontakte zu Fachpersonen und Betroffenen zu knüpfen.

Literatur

Literatur zur den verschiedenen Klassifikations-Schemata

Literatur zur Kiel-Klassifikation

  • Lennert K, Feller A. Histopathology of Non-Hodgkin's Lymphomas, 2nd ed. New York, Springer Verlag 1992
  • Lennert K, Mohri N, Stein H, Kaiserling E. The histopathology of malignant lymphoma. Br J Haematol 1975a;31(Suppl):193-203.
  • Lennert K, Stein H, Kaiserling E. Cytological and functional criteria for the classification of malignant lymphomata. Br J Cancer 1975b;31(Suppl 2):29-43. PubMed:52366

Literatur zur Rappaport-Klassifikation

  • Rappaport H. Malignant lymphomas: nomenclature and classification. Tumors of the hematopoietic system. Washington, DC: Armed Forces Institute of Pathology, 1966; 6:97-161

Literatur zur Lukes & Collins-Klassifikation

  • Lukes RJ, Collins RD. New approaches to the classification of the lymphomata. Br J Cancer. 1975 Mar;31 Suppl 2:1-28. PubMed:1101914
  • Lukes RJ, Collins RD. Immunologic characterization of human malignant lymphomas. Cancer. 1974 Oct;34(4 Suppl):suppl:1488-503 PubMed:4608683

Literatur zur Working Formulation

  • The Non-Hodgkin's Lymphoma Pathologic Classification Project. National Cancer Institute sponsored study of classification of non-Hodgkin's lymphomas. Summary and description of a Working Formulation for clinical usage. Cancer 1982;49:2112-2135. PubMed:6896167

Literatur zur R.E.A.L.-Klassifikation

  • Harris NL, Jaffe ES, Stein H, Banks PM, Chan JK, Cleary ML, Delsol G, De Wolf-Peeters C, Falini B, Gatter KC, Grogan TM, Isaacson PG, Knowles DM, Mason DY, Müller-Hermelink H-K, Pileri SA, Piris MA, Ralfkiaer E, Warnke RA. A revised European-American classification of lymphoid neoplasms: a proposal from the International Lymphoma Study Group. Blood. 1994 ;84(5):1361-92. PubMed 8068936

Literatur zur WHO-Klassifikation

  • Jaffe E, Harris NL, Stein H, Vardiman JW (eds.). Pathology and Genetics of Tumours of Haemopoietic and Lymphoid Tissues. IARC Press: Lyon 2001
  • Stein H. Die neue WHO-Klassifikation der malignen Lymphome. Der Pathologe. 2000; 21(2):101-105