Wahrscheinlichkeitsfunktion

mathematische Funktion
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 1. Dezember 2016 um 13:43 Uhr durch NikelsenH (Diskussion | Beiträge) (entkernt und renoviert). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Eine Wahrscheinlichkeitsfunktion, auch Zähldichte genannt,[1] ist eine spezielle reellwertige Funktion in der Stochastik. Wahrscheinlichkeitsfunktionen werden zur Konstruktion und Untersuchung von Wahrscheinlichkeitsverteilungen, genauer diskreten Wahrscheinlichkeitsverteilungen verwendet. Dabei kann jeder diskreten Wahrscheinlichkeitsverteilung eine eindeutige Wahrscheinlichkeitsfunktion zugeordnet werden. Umgekehrt definiert jede Wahrscheinlichkeitsfuntion eine eindeutig bestimmte diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilung.

Wahrscheinlichkeitsfunktion eines fairen Würfels. Alle Augenzahlen haben die gleiche Wahrscheinlichkeit 1/6.

In den meisten Fällen werden Wahrscheinlichkeitsfunktionen auf den natürlichen Zahlen definiert. Sie ordnen dann jeder Zahl die Wahrscheinlichkeit zu, dass diese Zahl auftritt. So würde bei der Modellierung eines fairen Würfels die Wahrscheinlichkeitsfunktion den Zahlen von eins bis sechs jeweils den Wert zuordnen und allen anderen die null.

Aus der Sicht der Maßtheorie handelt es sich bei Wahrscheinlichkeitsfunktionen um spezielle Dichtefunktionen (im Sinne der Maßtheorie) bezüglich des Zählmaßes Diese werden im allgemeineren Kontext auch Gewichtsfunktionen genannt.[2]

Definition

Zur Konstruktion von Wahrscheinlichkeitsverteilungen

Gegeben sei eine Funktion

 ,

für die gilt

  • Es ist   für alle  .   ordnet also jeder natürlichen Zahl eine reelle Zahl zwischen null und eins zu.
  •   ist normiert in dem Sinne, dass sich die Funktionswerte zu eins aufsummieren. Es gilt also
 .

Dann heißt   eine Wahrscheinlichkeitsfunktion und definiert durch

  für alle  

eine eindeutig bestimmte Wahrscheinlichkeitsverteilung   auf den natürlichen Zahlen  , versehen mit der Potenzmenge   als Ereignissystem.

Aus Wahrscheinlichkeitsverteilungen abgeleitet

Gegeben sei eine Wahrscheinlichkeitsverteilung   auf den natürlichen Zahlen  , versehen mit  , und sei   eine Zufallsvariable mit Werten in  . Dann heißt

 

definiert durch

 

die Wahrscheinlichkeitsfunktion von  . Analog heißt

 

definiert durch

 

die Wahrscheinlichkeitsfunktion von  

Beispiele

Eine typische Wahrscheinlichkeitsfunktion ist

 

für eine natürliche Zahl   und eine reelle Zahl  . Die Normiertheit folgt hier direkt aus dem binomischen Lehrsatz, denn es ist

 .

Die so erzeugte Wahrscheinlichkeitsverteilung ist die Binomialverteilung.

Eine weitere klassische Wahrscheinlichkeitsfunktion ist

  für  

und ein  . Hier folgt die Normiertheit aus der geometrischen Reihe, denn es ist

 .

Die so erzeugte Wahrscheinlichkeitsverteilung ist die Geometrische Verteilung

Allgemeine Definition

Die Definition lässt sich von den natürlichen Zahlen auf beliebige höchstens abzählbare Mengen ausweiten. Ist   solch eine Menge und ist

 

mit

 ,

so definiert   durch

  für alle  

eine eindeutig bestimmte Wahrscheinlichkeitsverteilung auf  .[3] Ist umgekehrt   eine Wahrscheinlichkeitsverteilung auf   und   eine Zufallsvariable mit Werten in  , so heißen

  definiert durch  

und

  definiert durch  

die Wahrscheinlichkeitsfunktion von   beziehungsweise  .[4]

Alternative Definition

Manche Autoren definieren zuerst reelle Folgen   mit   für alle   und

 

und nennen diese Folgen Wahrscheinlichkeitsvektoren[5] oder stochastische Folgen[6] [7].

Eine Wahrscheinlichkeitsfunktion wird dann definiert als

 

gegeben durch

  für alle  

Umgekehrt definiert dann jede Wahrscheinlichkeitsverteilung oder Zufallsvariable auf   auch eine stochastische Folge/Wahrscheinlichkeitsvektor über   beziehungsweise  

Andere Autoren nennen bereits die Folge   eine Zähldichte.[8]

Weitere Beispiele

Typisches Beispiel für Wahrscheinlichkeitsfunktionen auf beliebigen Mengen ist die diskrete Gleichverteilung auf einer endlichen Menge  . Sie besitzt dann per Definition die Wahrscheinlichkeitsfunktion

  für alle  .

Der Zugang über die stochastischen Folgen erlaubt die folgende Konstruktion von Wahrscheinlichkeitsfunktionen: Ist eine beliebige (höchstens abzählbare) Folge von positiven reellen Zahlen   mit Indexmenge   gegeben, für die

 

gilt, so definiert man

 .

Dann ist   eine stochastische Folge und definiert damit auch eine Wahrscheinlichkeitsfunktion. Betrachtet man zum Beispiel die Folge

  für  ,

so ist

 .

Somit ist die Normierungskonstante   und als Wahrscheinlichkeitsfunktion ergibt sich

 .

Dies ist die Wahrscheinlichkeitsfunktion der Poisson-Verteilung.

Verteilungsfunktionen und Wahrscheinlichkeitsfunktionen

 
Verteilungsfunktion eines Wahrscheinlichkeitsmaßes, dass sich über eine Wahrscheinlichkeitsfunktion definieren lässt. Charakteristischerweise hat die Verteilungsfunktion an der Stelle   einen Sprung um   nach oben.

Ist   eine Wahrscheinlichkeitsfunktion auf  , so ist die Verteilungsfunktion des entsprechenden Wahrscheinlicheitsmaßes gegeben als

 .

Dabei bezeichnet   die Abrundungsfunktion, das heißt   ist größte ganze Zahl, die kleiner oder gleich   ist.

Ist   auf einer höchstens abzählbaren Teilmenge der reellen Zahlen definiert, also auf  , so ist die Verteilungsfunktion des Wahrscheinlichkeitsmaßes definiert durch

 .

Beispiel hierfür ist  .

Literatur

Einzelnachweise

  1. Georgii: Stochastik. 2009, S. 18.
  2. Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2013, S. 13.
  3. Schmidt: Maß- und Wahrscheinlichkeit. 2011, S. 196.
  4. Czado, Schmidt: Mathematische Statistik. 2011, S. 4.
  5. Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2013, S. 13.
  6. Meintrup, Schäffler: Stochastik. 2005, S. 63.
  7. Schmidt: Maß- und Wahrscheinlichkeit. 2011, S. 234.
  8. Georgii: Stochastik. 2009, S. 18.