Einbürgerungstest

Prüfung, um eine Staatsbürgerschaft zu erlangen
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Ein Einbürgerungstest ist eine Prüfung, bei der ein Einbürgerungswilliger in der Regel von einer Behörde, die über seine Einbürgerung zu entscheiden hat, über seine politische und ethische Gesinnung gestestet wird. Abgefragt werden in den meisten Ländern Kenntnisse in Bezug auf die jeweiligen Werte, die Geschichte, die Kultur und das Staatswesen des Landes, in welches die Einbürgerung erfolgen soll.

Einbürgerungstests gibt es u.a. in den USA, in Kanada sowie in Deutschland in den Ländern Baden-Württemberg und Hessen (letzterer erst in Vorbereitung).

Aktuelle Diskussion in Deutschland

Der Ausdruck Einbürgerungstest wird zurzeit vor allem für den in Baden-Württemberg zum 1. Januar 2006 eingeführten Gesprächsleitfaden für Einbürgerungsbehörden verwendet, mit dem die Einstellung insbesondere von Muslimen, die die deutsche Staatsangehörigkeit beantragt haben, zur freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland überprüft werden soll. Mittlerweile zieht auch das Bundesland Hessen nach, dessen Innenminister am 14. März 2006 per Presseerklärung einen "Leitfaden Wissen und Werte in Deutschland und Europa" 100 Fragen zu kulturellen, historischen und politischen Tatbeständen veröffentlichte.

Außerdem müssen Antragsteller für die deutsche Staatsangehörigkeit in den meisten Bundesländern einen Sprachtest absolvieren, der sicherstellen soll, dass sie über ausreichende deutsche Sprachkenntnisse verfügen. Der Begriff Einbürgerungstest wurde in seltenen Fällen auch für diese Sprachtests verwendet.

Hintergrund

Am 1. Januar 2000 trat das neue Staatsangehörigkeitsgesetz in Kraft, das unter anderem die „innere Hinwendung zur Bundesrepublik Deutschland“ (Zitat aus der Begründung für den Gesetzentwurf) des Einbürgerungsbewerbers sicherstellen soll. Formal geschieht dies durch die eigenhändige Unterzeichnung eines bundeseinheitlichen Vordrucks mit entsprechendem Inhalt durch den Bewerber. Das Baden-württembergische Innenministerium bezweifelte allerdings die Ernsthaftigkeit des Bekenntnis zum Grundgesetz von muslimischen Einwanderungsbewerbern. Dabei wurde insbesondere auf eine Studie des Zentralinstituts Islam-Archiv-Deutschland verwiesen, nach der 21 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime das Grundgesetz für mit dem Koran unvereinbar halten würden. Das Stuttgarter Innenministerium äußerte deshalb öffentlich Zweifel, „ob bei Muslimen generell davon auszugehen sei, dass ihr Bekenntnis bei der Einbürgerung auch ihrer tatsächlichen inneren Einstellung entspreche“. Das Islam-Archiv hielt diese Interpretation für falsch und verwies darauf, dass die Studie eine steigende Akzeptanz des Grundgesetzes bei Muslimen gezeigt habe. Andere Wissenschaftler wie z.B. Wilhelm Heitmeyer bezweifeln die Aussagekraft der Studie generell.

Inhalt und Umsetzung in Baden Württemberg

Dem Einbürgerungsbewerber werden 30 Fragen gestellt, die sich auf das Wesen der Demokratie, Religionsfreiheit und religiöse Gefühle, die Terroranschläge von New York und Washington 2001 und Madrid 2004, männliche Homosexualität und besonders auf das Rollenverständnis von Mann und Frau beziehen. Die Fragen werden dem Bewerber nicht, wie in der öffentlichen Debatte oft dargestellt, schriftlich vorgelegt, sondern vorgelesen oder in ein Gespräch eingebunden. Nach einem bestimmten Punkteschlüssel werden die Antworten anschließend von der Einwanderungsbehörde bewertet und können bei entsprechender Bewertung zur Ablehnung des Antrags auf Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit führen.

Der Gesprächsleitfaden sollte ursprünglich nur bei Einbürgerungsbewerbern muslimischen Glaubens angewendet werden. Kurz vor der Einführung wurde seine Anwendung für alle Bewerber aus den 57 Staaten der Islamischen Konferenz und Muslimen aus anderen Staaten vorgeschrieben sowie für Bewerber, bei denen Zweifel an ihrer Verfassungstreue bestehen.

Durch den Satz "Ich wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass unwahre Angaben als Täuschung der Einbürgerungsbehörde gewertet werden und - auch noch nach Jahren - zur Rücknahme der Einbürgerung führen können, selbst wenn ich dadurch staatenlos werden sollte." wird suggeriert, einem dann Deutschen könne die Staatsbürgerschaft entzogen werden, was nicht möglich ist.

Öffentliche Debatte

Der Einwanderungstest führte zu Kritik muslimischer Verbände, insbesondere des Zentralrats der Muslime, der Grünen und Teilen der SPD. Auch der baden-württembergische Justizminister Ulrich Goll (FDP) äußerte Zweifel an Sinn und Rechtsstaatlichkeit der Gesinnungsprüfung. Hauptvorwürfe sind die Stigmatisierung und Diskriminierung von Muslimen und der Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz. Auch wird bezweifelt, ob eine Verweigerung der Einbürgerung auf Grund dieses Einbürgerungstests einer juristischen Anfechtung standhalten würde oder ob trotz eines negativen Einbürgerungstests die deutsche Staatsangehörigkeit verliehen werden müsste.

Am 19. Januar 2006 beschäftigte der Einbürgerungstest auch den Bundestag. Die Fraktion von Bundnis 90/Die Grünen beantragte eine Entschließung, nach der sich die Bundesregierung für eine Überarbeitung des Gesprächsleitfadens einsetzen solle. Trotz mehrheitlicher Kritik am Einwanderungstest durch alle Fraktionen außer CDU/CSU wurde der Antrag mit knapper Mehrheit abgelehnt.

Gleichwohl teilte der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU) am selben Tag mit, dass auch das Land Hessen die Einführung einer Gesinnungsprüfung nach baden-württembergischen Vorbild plane. Später konkretisierte er das Vorhaben, in dem er mitteilte, keinen speziellen Test für muslimische, sondern für alle Bewerber zu planen, auf umstrittene Fragen wie etwa jene zur Homosexualität zu verzichten und die Pläne mit Vertretern von hessischen Ausländerorganisationen zu diskutieren.Vorlage:Ref

Der hessische Entwurf

Der am 14. März 2006 vom hessischen Innenministerium veröffentlichte Entwurf „Leitfaden Wissen und Werte in Deutschland und Europa“ beinhaltet 100 Fragen zur deutschen und europäischen Politik, Geschichte und Kultur, gibt aber keine Antworten vor. Im einzelnen werden Kenntnisse in den Themengebieten „Deutschland und die Deutschen“, „Grundlinien deutscher Geschichte“, „Verfassung und Grundrechte“, „Wahlen, Parteien und Interessenverbände“, „Parlament, Regierung und Streitkräfte“, „Bundesstaat, Rechtsstaat und Sozialstaat“, „Deutschland in Europa“, „Kultur und Wissenschaft“ sowie „Deutsche Nationalsymbole“ abgefragt. Es ist offenbar geplant, dass dieser Entwurf in überarbeiteter Form ein Bestandteil eines in Hessen verschärften Einbürgerungsprozesses werden soll.

Diskussionen über den hessischen Entwurf und Kritik

Sowohl die in Medien als auch die dort stattfindenden Diskussionen zeigen bereits jetzt, dass viele Fragen entweder nur subjektiv interpretarbare Wertefragen sind (z. B. die, wie man seine Kinder erziehen sollte), oder doch nicht eindeutig genug gestellt sind, etwa die Frage nach dem höchsten deutschen Gericht: Die korrekte Antwort wäre aus Sicht eines Juristen wohl „Amtsgericht Titisee/Neustadt“ (ist wohl kartographisch am höchsten gelegen), aber nicht die wohl erwartete Antwort „Bundesverfassungsgericht“. Kritiker des Entwurfs werfen den hessischen Behörden deshalb auch vor, den Fragebogen handwerklich schlecht entworfen zu haben.

Ein weiterer Kritikpunkt ist der, dass die Frage nach den Freiheitsgraden - bezogen auf die bürgerliche Meinungsfreiheit selbst - in der Beantwortung unbeantwortet bleibt: Lässt die Fragestellung auch die eigenen bürgerlichen Interpretationsspielräume einer freiheitlichen Gesellschaft zu? Darf man z.B. auch getrost schreiben, dass man zwar seine Grundrechte kennt, sich aber freiwillig und ohne fremden Druck selbst dazu entschieden hat, in gewissen Punkten lieber seiner z.B. muslimischen Tradition zu folgen, etwa in der Frage Bewegungsfreiheit ohne Begleitung für Frauen? Oder: muss man von der Schulpflicht überzeugt sein, oder darf man auch sagen, man hätte lieber nur eine Unterrichts- oder Bildungspflicht, wie sie in anderen westlichen, parlamentarischen Demokratien ja durchaus üblich ist? Dadurch, dass keine Antworten vorgegeben werden, wird natürlich auch nicht deutlich, wo die Grenzen der staatsbürgerlichen Beantwortungs- und somit der Meinungsfreiheit sind. Demzufolge äußern kritische Betrachter auch die Befürchtung, dass hier gleich zu Beginn des neuen Bürgerlebens einer staatlichen Willkür und Diskriminierung Tür und Tor geöffnet werden soll.

Neben den Antworten steht auch der Inhalt der Fragen selbst in der Kritik. So bezweifelte etwa der bekannte Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki, ob man etwa wirklich ein bestimmtes Bild wie das Bild Kreidefelsen auf Rügen von Caspar David Friedrich kennen müsse, um deutscher Staatsbürger werden zu dürfen.

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Quelle

  1. Vorlage:Fußnote