Sechseläuten, schweizerdeutsch: Sächsilüüte ist ein Frühlingsfest in Zürich. Es findet Mitte April statt. Im Mittelpunkt des Festes steht die Figur Böögg, ein Stoff-Schneemann, der den Winter personifiziert, und der auf dem letzten offiziell erlaubten Scheiterhaufen Europas verbrannt wird. Die Scheiterhaufen-Zeremonie mit der Stoppuhr, wann genau der Kopf des Böögs platzt, erscheint dabei absolut archaisch und rückständig. Zürich hat den Mut noch nicht gefunden, das Frühlingsfest "Sechseläuten" menschlich umzugestalten und den Scheiterhaufen abzuschaffen.

Das Fest
Am Sonntag findet der seit 1862 veranstaltete Kinderumzug statt. An diesem können alle Kinder zwischen fünf und fünfzehn Jahren teilnehmen, die eine Tracht oder eine Uniform tragen.
Brenndauer des Bööggs | |
2005 | 17 Min. 52 Sek. |
2004 | 11 Min. 42 Sek. |
2003 | 5 Min. 42 Sek. |
2002 | 12 Min. 24 Sek. |
2001 | 26 Min. 23 Sek. |
2000 | 16 Min. 45 Sek. |
1999 | 23 Min. 52 Sek. |
1998 | 10 Min. 13 Sek. |
1997 | 7 Min. 30 Sek. |
1996 | 8 Min. ? Sek. |
1995 | 05 Min. 51 Sek. |
1994 | 21 Min. 55 Sek. |
1993 | 23 Min. 30 Sek. |
1992 | 10 Min. 13 Sek. |
1991 | 12 Min. ? Sek. |
1990 | 10 Min. 30 Sek. |
1983 | 24 Min. 20 Sek. |
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1981 | 14 Min. 10 Sek. |
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1974 | 05 Min. 07 Sek. |
Am Montag-Nachmittag findet der Zug der 26 Zürcher Zünfte statt. Rund 3'500 Zünfter in ihren farbenfrohen Kostümen, Trachten und Uniformen, ihre Ehrengäste, über 350 Reiter, rund 50 ausschliesslich von Pferden gezogene Wagen und gegen 30 Musikkorps ziehen im Kontermarsch durch die Bahnhofstrasse und das Limmatquai zum Sechseläutenplatz beim Bellevue. Jedes Jahr darf eine andere Zunft den Zug anführen. Zünfter und Ehrengäste werden von den Zuschauern mit Blumen beschenkt.
Um 18 Uhr wird der "Böögg" verbrannt, während die letzten Zünfte meist noch nicht am Festplatz eingetroffen sind. Der Böögg steht auf einem grossen Scheiterhaufen in der Mitte der Grünfläche auf dem Sechseläutenplatz. Während dieser brennt, reiten die Reiter der verschiedenen Zünfte um den Böögg. Je schneller der mit diversen Feuerwerkskörpern gefüllte Böögg den Kopf verliert, desto schöner soll anschliessend der Sommer werden. Bemerkenswert dabei ist: Die Brenndauer des Böögg korreliert in einer großen Zahl der Jahre erstaunlich genau mit dem anschließenden Sommerwetter in der Schweiz, vergleiche z.B. die Jahre 2003, 2004 und 2005.
Nach dem Nachtessen im Zunft-Lokal findet um ca. 21 Uhr der Auszug statt. Die Zünfte besuchen sich gegenseitig. Da alle mit den Laternen unterwegs sind, ist das immer ein schönes, farbenfrohes Ereignis.
Begleitend zu den Umzügen stellt sich, seit dem Jahr 1991, auf dem Lindenhof jeweils ein Gastkanton vor. Während mehrerer Tage werden in Zelten regionale Spezialitäten angeboten. Politiker aus dem Gastkanton sind häufig Ehrengäste beim Umzug der Zünfte.
Seit einigen Jahren erfreut sich ein weiteres, inoffizielles Element des Festes immer grösserer Beliebtheit: Hunderte von Leuten gesellen sich ab ca. 22 Uhr auf die Sechseläutenwiese, holen sich mit Schaufeln etwas Glut aus dem noch immer sehr heissen Holzstapel und braten darüber ihr selbst mitgebrachtes Grillgut. Auch bei kühler Witterung sorgt die Strahlungswärme des Scheiterhaufens für Lagerfeueratmosphäre mitten in der kühlen Jahreszeit. Das eher jüngere, multikulturelle Publikum und die herrschende 68er-Stimmung kontrastieren dabei mit dem eher traditionell ablaufenden Fest tagsüber.
Zünfte
Der am Montag des Sechseläuten Wochenendes stattfindenede "Zug der Zünfte", ist der Hauptanlass des Sechseläuten" Die 26 Zünfte marschieren in jedem Jahr wechselnder Reihenfolge. Eine alte Tradition ist, dass die Zünfter, hauptsächlich Männer, während des Umzugs von Verwandten, Freunden und Bekannten, meist Frauen, Blumen und Blumengestecke geschenkt bekommen.
Zwölf der heutigen 26 Zünfte wurden im Mittelalter gegründet und waren Zusammenschlüsse verschiedener Handwerksvereinigungen, Innungen, Gilden, Korporationen und Meistergruppen, welche die Interessen ihres Gewerbes oder Standes vertraten. Die Zünfte waren wirtschaftliche, politische und militärische Organisationen, und besassen in Zürich grosse Macht. Aus ihren Vertretern wurde der Rat gebildet. 1798 nach 462 Jahren Vorherrschaft der Zünfte, wurden sie ihrer Macht entzogen. Nach dem Einmarsch der Franzosen unter der Devise "Liberté, Egalité, Fraternité" zu Deutsch: "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" wurden die Zünfte aufgelöst. Die Zünfte verkauften mit wenigen Ausnahmen ihr Zunfthaus.
In der Zeit des Biedermeiers, als politische und berufsbezogene Aufgaben fehlten, suchten junge Zünfter innerhalb ihres Kreises neue Betätigungen. Ab 1818 begannen sie mit einfachen nächtlichen Umzüglein, die sich auch in den folgenden Jahren wiederholten, 1830 erstmals bei Tag. Seither bilden die Constaffel und die Zünfte Vereinigungen, «in welchen der alte Kern der Bürgerschaft die Liebe zur Vaterstadt, zur engern und weitern Heimat, einen gut bürgerlichen Sinn und das Verständnis für alte zürcherische Sitten, Gebräuche und Feste wachhält und pflegt». Kurz: Vereinigungen von Männern mit ähnlichen traditionellen Interessen.
Ende des 19. Jahrhunderts entstand eine Gesellschaft, um "den gleichen Zwecken zu dienen wie die alten Zünfte". Dieser "Stadtzunft", wie sich die neue Gesellschaft nannte, folgten dann weitere Zünfte "der neuen Linie", die meisten in zwei Schüben, nämlich im Zusammenhang mit den Eingemeindungen von 1893 und 1934. Die Gründerväter der Quartierzünfte wollten sich einerseits bewusst zur Stadt bekennen, andererseits aber auch die Erinnerung an die ehemaligen Gemeinden wach halten.
- Gesellschaft zur Constaffel, gegründet 1336: Gesellschaft der Ritter und Edelleute.
- Gesellschaftshaus: Haus "Zum Rüden", Limmatquai 42, 8001 Zürich
- Zunft zur Saffran, gegründet 1336: Zunft der Händler vor allem Textil-, Eisenwaren-, Lebensmittel- und Gewürzhändler.
- Zunfthaus: Zunfthaus "Zur Safran", Limmatquai 54, 8001 Zürich
- Zunft zur Meisen, gegründet 1336: Zunft der Weinhändler, Weinwirte, Sattler und Maler.
- Zunfthaus: Zunfthaus "Zur Meisen", Münsterhof 20, 8001 Zürich
- Zunft zur Schmieden, gegründet 1336: Zunft der Eisen-, Kupfer-, Silber- und Goldschmiede, Kannengiesser, Schlosser, Uhrmacher, Glockengiesser, Spengler und Ärzte (Bader und Scherer).
- Zunfthaus: Zunfthaus "Zur Schmiden", Marktgasse 20, 8001 Zürich
- Zunft zum Weggen, gegründet 1336: Zunft der Bäcker und Müller.
- Zunftstube: Restaurant Weisser Wind Oberdorfstrasse 20 8001 Zürich
- Vereinigte Zünfte zur Gerwe und zur Schuhmachern, gegründet 1336, Vereinigung der beiden Zünfte 1877: Zunft der Gerber und Schuhmachern.
- Zunftstube: Hotel Savoy Paradeplatz/Poststrasse 12, 8022 Zürich
- Zunft zum Widder: Zunft der Metzger und Viehhändler.
- Zunftsube: Hotel Widder, Rennweg 7, 8001 Zürich
- Zunft zur Zimmerleuten, gegründet 1336: Zunft der Zimmerleute, Maurer, Wagner, Drechsler, Holzhändler, Steinmetze, Hafner und Rebbauern.
- Zunfthaus: Zunfthaus "Zur Zimmerleuten", Limmatquai 40, 8001 Zürich
- Zunft zur Schneidern, gegründet 1336: Zunft der Tuchausrüster, Kürschner und Schneider.
- Zunfthaus: Zunfthaus "Zum Königstuhl", Stüssihofstatt 3, 8001 Zürich
- Zunft zur Schiffleuten: Zunft der Fischer und Schiffleute.
- Zunftstube: Hotel zum Storchen, Am Weinplatz 2, 8001 Zürich
- Zunft zum Kämbel, gegründet 1336: Zunft der Lebensmittelhändler und Weinfuhrleute.
- Zunfthaus: Zunfthaus "Zur Haue", Limmatquai 52, 8001 Zürich
- Zunft zur Waag, gegründet Gegründet 1336. Vereinigung der Zunft der Wollweber und der Zunft der Leinenweber 1440: Zunft der Wollweber, Hutmacher, Leinenweber und Leinenhändler.
- Zunfthaus: Zunfthaus und Restaurant "Zur Waag", Münsterhof 8, 8001 Zürich
- Stadtzunft, gegründet 1867
- Zunftstube: Hotel Marriott Zürich , Neumühlequai 42, 8006 Zürich
- Zunft Riesbach, gegründet 1887: Zunft des Quartiers Riesbach.
- Zunftstube: Restaurant "Zum Grünen Glas", Untere Zäune 15, 8001 Zürich
- Zunft Fluntern, gegründet 1895: Zunft des Quartiers Fluntern.
- Zunftstube (Nur am Sechseläuten): Kunsthaus Restaurant, Heimplatz 1, 8001 Zürich
- Zunft zu den Drei Königen, gegründet 1897: Zunft des Quartiers Enge.
- Zunftstube: Kongresshaus, Dreikönigsaal, Gotthardstrasse 5, 8022 Zürich
- Zunft Hottingen, gegründet 1897: Zunft des Quartiers Hottingen.
- Zunfthaus:Zunfthaus "Am Neumarkt", Neumarkt 5/7, 8001 Zürich
- Zunft zu Wiedikon, gegründet 1897: Zunft der Quartiers Wiedikon.
- Zunftstube: Gasthof zum Falken / Falcone, Birmensdorferstrasse 150, 8003 Zürich
- Zunft Wollishofen, gegründet 1900: Zunft des Quartiers Wollishofen.
- Zunftstube: Restaurant Belvoirpark, Seestrasse 125, 8002 Zürich
- Zunft Hard, gegründet 1922: Zunft der Quartiere Aussersihl und Hard.
- Zunftstube: Restaurant Werdguet, Morgartenstrasse 30, 8004 Zürich
- Zunft Oberstrass, gegründet 1925: Zunft des Quartiers Oberstrass.
- Zunftstube: Taverne zur Linde, Universitätsstrasse 9, 8006 Zürich
- Zunft St. Niklaus, gegründet 1933: Zunft der Quartiere Affoltern, Oerlikon und Seebach.
- Zunftstube: Restaurant Carlton, Bahnhofstrasse 41, 8001 Zürich
- Zunft Höngg, gegründet 1934: zunft des Quartiers Höngg.
- Zunftstube: Restaurant Mülihalde (Desperado), Limmattalstrasse 215, 8049 Zürich,
- Zunft zur Letzi, gegründet 1934: Zunft der quartiere Altstetten und Albisrieden.
- Zunftstube: Restaurant Letzistube Zunft zur Letzi (Restaurant "Zum Turm"), Obere Zäune 19/Napfplatz, 8001 Zürich
- Am Sechseläuten: Bahnhofbuffet, Au Premier, Bahnhofplatz, 8001 Zürich
- Zunft Schwamendingen, gegründet 1975: Zunft des Quartiers Schwamendingen
- Zunftstube: Gasthof Hirschen, Winterthurerstrasse 519, 8051 Zürich
- Am Sechseläuten: Hotel Glockenhof, Sihlstrasse 31, 8001 Zürich
- Zunft Witikon, gegründet 1980: Zunft des Quartiers Witikon
- Zunftstube: Restaurant Elefant, Witikonerstrasse 279, 8053 Zürich
- Am Sechseläuten: Hotel Schweizerhof, Bahnhofplatz 7, 8001 Zürich
Jede Zunft besitzt ein Zunfthaus oder eine Zunftstube in der das ganze Jahr über die Anlässe und Veranstaltungen der jeweiligen Zunft stattfinden. Diese Zunftstuben liegen zum grössten Teil in der Zürcher Altstadt, einige Zünfte, besonders Quartierzünfte, besitzen mehr als ein Zunftlokal und beziehen am Sechseläuten auch ein Lokal in der Altstadt.
Datum
Das Datum des Sechseläutens wurde vom Stadtrat auf den dritten Montag des Monats April festgelegt. Fällt dieser Tag in die Karwoche, so wird das Sechseläuten am zweiten Montag abgehalten. Fällt der dritte Montag im April auf den Ostermontag, so wird das Fest auf den vierten Montag verschoben (Stadtratsbeschluss Nr. 1214 vom 13. Juni 1952).
Im Jahr 2001 wurde folgende Zusatzregelung eingeführt, welche 2008 zum ersten Mal zur Anwendung kommen wird: Fällt der nach den obenstehenden Regeln gefundene Termin in die Frühlingsferien der Volksschule, so wird ein Ausweichdatum gesucht.
Geschichte
Im Zürcher Sechseläuten verbinden sich brauchtümliche Elemente der Fastnacht und der Frühlingsfeste (Austreiben des Winters, Märzen- und Osterfeuer, Feier der Tagundnachtgleiche, Maibräuche) mit den Umzügen der Zünfte (Aschermittwochumzug der Metzger; Umzug der Schmidenzunft am Hirsmontag, sechs Wochen vor Ostern).
Zum Zeichen des Frühlings ist in Zürich am ersten Montag, welcher auf die Tagundnachtgleiche folgte, Abends um 6 Uhr das erste Mal die Feierabendglocke beim Grossmünster geläutet worden, was Anlass für das Frühlingsfest war. Das Verbrennen eines Bööggs vor der Lindenhofmauer am Abhang gegen die Limmat fand schon im 18. Jahrhundert statt. Der "Böögg" war ursprünglich eine vermummte Schreckgestalt; diese Bezeichnung ist in Zürich schon seit dem 15. Jahrhundert belegt. Bööggen sind Larven tragende oder sonst vermummte Personen, die Kinder erschrecken, Unfug treiben oder bettelnd durch die Strassen ziehen.
Im frühen 19. Jahrhundert verbrannten Buben im Kratzquartier (Fraumünsterquartier) Strohpuppen zur Zeit der Tagundnachtgleiche im Frühjahr. Aus dem Sechseläutenfeuer im Kratz, das seit 1868 ein Anwohnerverein organisierte, entwickelte sich die heutige Verbrennung des Bööggs. Auch verschiedene weitere Private verbrannten ihren Böögg, so z.B. brachten 1873 die Zöglinge der Zürcher Blinden- und Taubstummmenanstalt eine von ihnen aus alten Kleidern und Stroh gebastelte Figur, die sie als Dieb bezeichneten, vor ihren Direktor und verbrannten sie nach dessen Urteilsspruch am Sechseläutentag.
Wurden im 19. Jahrhundert als verschiedenste Figuren an verschiedenen Orten hingerichtet, kennt das 20. Jahrhundert nur mehr die Vernichtung eines Schneemanns, der den Winter symbolisiert. Seit 1904 wurde der Böögg auf dem Platz der 1897 abgebrochenen alten Tonhalle verbrannt; 1947 hat der Stadtrat den Tonhalleplatz in Sechseläutenplatz umbenannt.
Da Frauen im offiziellen Sechseläuten-Umzug mit Ausnahme offiziell geladener Gäste nicht mitmarschieren dürfen, organisiert die Zürcher Frauenzunft einen eigenen Umzug ca. eine halbe Stunde vor dem Zug der Zünfte.
Siehe auch
Weblinks
- Zentralkomitee der Zünfte Zürichs - Offizielle Sechseläuten-Site