Bernsteinelch von Weitsche

Figur eines Elches aus Bernstein
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Der Bernsteinelch von Weitsche ist eine im Jungpaläolithikum hergestellte Figur eines weiblichen Elches aus Bernstein, dessen einzelne Teile zwischen 1994 und 2004 nahe dem Lüchower Ortsteil Weitsche in Niedersachsen gefunden wurden. Die laut einer C-14 Datierung etwa 14.000 Jahre alte Figur wird im Niedersächsischen Landesmuseum in Hannover ausgestellt. Sie gilt als früheste Darstellung eines Elches und erste Tierdarstellung in Nordeuropa.

Bernsteinelch von Weitsche

Fundstelle

Die Fundstelle liegt im hannoverschen Wendland zwischen Dannenberg und Lüchow in der Talaue der Jeetzel nahe der Alten Jeetzel, einem mäandrierenden Nebenarm. Dort finden sich auf 2 km Länge bei zwischen Grabow und Weitsche Überreste von mehr als 100 Lagerplätzen steinzeitlicher Federmesser-Gruppen. Die einzelnen Teile des Bernsteinelchs wurden auf dem Lagerplatz Weitsche 1 gemeinsam mit einer Vielzahl an Fragmenten von bearbeitetem Bernstein gefunden, was laut dem Urgeschichtler Stephan Veil auf eine steinzeitliche Bernsteinwerkstatt schließen lässt.[1] Die Fundstücke wurden alle im Pflughorizont als oberste Bodenschicht geborgen.[2] Die Fundstelle liegt im feuchten Flussbereich und war regelmäßig überschwemmt. Erst seit der Regulierung der Jeetzel in den 1950er Jahren werden die Flächen landwirtschaftlich genutzt. Um die Landschaftssituation am Ende des Eiszeit zu rekonstruieren, gab es an der Fundstelle von 2007 bis 2012 geowissenschaftliche Untersuchungen des Instituts für Geosysteme und Bioindikation der TU Braunschweig.[3]

Beschreibung

 
Der im Jahr 2004 gefundene Elchkopf

Die Elchfigur ist etwa handtellergroß. Sie zeigt ein Tier mit tief zum Boden gesenktem Kopf. Die Bernsteinoberfläche war ursprünglich honiggelb und poliert. Im Laufe der Jahrtausende ist sie rotbraun patiniert und matt geworden. Die Lagerung in der lehmigen Feuchterde unter Lichtabschluss hat für eine gute Erhaltung der Fundstücke gesorgt.

Die einzelnen Körperpartien, wie Beine, Rumpf, Kopf und Hals erscheinen für sich realistisch proportioniert. Ein Schwanz ist nicht vorhanden. Während Rumpf und Beine schematisch wirken, ist der Kopf sorgfältiger gearbeitet. Die Mähne ist geometrisch als Rautenband dargestellt. Die Wamme am Hals ist erkennbar und die Nüstern sind elchtypisch aufgebläht. Augen und Ohren sowie Grübchen an den Augen sind plastisch gearbeitet. Aufgrund des fehlenden Geweihansatzes wird das Tier als Elchkuh angesehen.

Entdeckung und Ausgrabungen

Mitte der 1980er Jahre führte der Berliner Hobbyarchäologe Klaus Breest in der Talaue der Jeetzel bei Weitsche Feldbegehungen durch. Dabei stieß er auf Spuren steinzeitlicher Lagerplätze, die durch das Pflügen an die Oberfläche gelangt waren. Seine Funde waren ab 1991 Anlass einer systematischen Suche nach Feuersteinwerkzeugen und -abfällen. Sie erfolgte durch die Urgeschichtliche Abteilung des Niedersächsischen Landesmuseums unter dem Prähistoriker Stephan Veil. Es konnten etwa 100 Lagerplätze von Federmesser-Gruppen gefunden werden, die hier als am Ende der letzten Eiszeit vor etwa 13.000-14.000 Jahren als frühe Waldjäger lebten. Bei einer Prospektion im Mai 1994 wurde ein bearbeitetes Stück Bernstein gefunden. Eine Ausgrabung im August 1994 führte zum Auffinden mehrerer Artefakte aus Bernstein, die zusammengesetzt den Rumpf eines Tieres ergaben, bei dem man von einem Wildpferd ausging. Bei Folgegrabungen in den Jahren 1995 und 1996 wurden weitere Teile, darunter die Hinterbeine und der Hals geborgen.[4] Der Kopf konnte nicht gefunden werden, so dass zur weiteren Suche zunächst Sponsoren für die Grabungskosten in Höhe von 50.000 DM gesucht wurden.[5] Bei einer weiteren Grabungskampagne im Jahr 2004 wurde der fehlende Kopf der Figur gefunden. Bei den Ausgrabungen wurde wegen der kleinen Fundstücke die Erde der oberen fundführenden Schicht maschinell geschlämmt und gesiebt. Bis zum Fund des Kopfes wurden auf diese Weise etwa 700 m² Erdreich untersucht. [6]

Bedeutung

Der Bernsteinelch von Weitsche ist die älteste Tierdarstellung aus Bernstein unter einem Dutzend bekannter Bernsteintiere. Auch ist die Figur das älteste Kunstwerk Niedersachsens. Die Elchdarstellung zeigt sie den Wandel der menschlichen Kultur mit dem Klimaumbruch am Ende der letzten Eiszeit auf. Sie ersetzte in der Bilderwelt der ersten Waldjäger die Rentiere und Mammute der Steppenjäger des vorangegangenen Magdaléniens.

Literatur

  • Stephan Veil, Klaus Breest: Kunst im Wandel zwischen Eiszeit und Warmzeit. Bernsteingegenstände früher Waldjäger aus Weitsche, Ldkr. Lüchow-Dannenberg In: Mamoun Fansa, Frank Both, Henning Haßmann (Herausgeber): Archäologie|Land|Niedersachsen. 400.000 Jahre Geschichte. Landesmuseum für Natur und Mensch, Oldenburg 2004. Seite 352-354
  • Stephan Veil, Klaus Breest: Bernsteinobjekte aus Weitsche. Die Kunst der ausgehenden Eiszeit in: Michael Baales, Thomas Terberger (Herausgeber): Welt im Wandel. Leben am Ende der letzten Eiszeit, Sonderheft 10/2016 der Zeitschrift Archäologie in Deutschland, S. 67-77
Commons: Bernsteinelch von Weitsche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Simon Benne: Der älteste Elch der Welt in: Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 22. September 2012.
  2. Stephan Veil, Antje Schwalb, Falko Turner, Johann Friedrich Tolksdorf: Exkursionspunkt Grabow / Weitsche: Eine spätpaläolithische Fundlandschaft mit Bernsteinverarbeitung in: Programm zur 56. Tagung der Gesellschaft in Braunschweig und Schöningen vom 22.–26. April 2014 der Hugo Obermaier-Gesellschaft, S. 69-74 (pdf)
  3. Interdisziplinäre geowissenschaftliche und archäologische Untersuchungen zu den Bernsteinfunden vom Federmesser-Fundplatz Weitsche, Ldkr. Lüchow-Dannenberg.
  4. Stephan Veil: Die Entdeckung des Bernsteintiers von Weitsche 1994-1996 (Memento vom 9. Juni 2010 im Internet Archive) beim Niedersächsischen Landesvereins für Urgeschichte.
  5. Ekkehard Böhm: Nicht länger kopflos! Das älteste Ross des Landes soll vollständig gerettet werden (Memento vom 10. Juni 2010 im Internet Archive) in: Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 23. Februar 2000.
  6. Stephan Veil: Langjährige Suche nach 14 000 Jahre altem Bernsteinkopf erfolgreich (Memento vom 10. Juni 2010 im Internet Archive) beim Niedersächsischen Landesvereins für Urgeschichte.

Koordinaten: 53° 0′ 44,3″ N, 11° 7′ 40,7″ O