Kommunalunternehmen

Wirtschaftsführung für kommunale Körperschaften
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Ein Kommunalunternehmen ist ein Unternehmen einer Gemeinde in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts.

Allgemeines

Das deutsche Kommunalrecht sieht mehrere organisatorische Gestaltungsmöglichkeiten für kommunale Unternehmen vor. Öffentliche Betriebe und Verwaltungen können als Eigenbetrieb, Regiebetrieb, kommunales Unternehmen oder privatrechtlich organisiert sein. Während Eigen- und Regiebetriebe mehr oder weniger eng in die kommunale Gebietskörperschaft integriert sind, bilden Kommunalunternehmen eine eigene Rechtspersönlichkeit und sind rechtlich, wirtschaftlich und organisatorisch von der sie tragenden Kommune getrennt. Mit dem Begriff Kommunalunternehmen wird zum Ausdruck gebracht, dass unternehmerische Tätigkeit durch Teilnahme am Wirtschaftsleben mit kommunaler Trägerschaft einhergeht.

Eine Gemeinde kann selbstständige Unternehmen in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts (Kommunalunternehmen) errichten oder bestehende Regie- und Eigenbetriebe im Weg der Gesamtrechtsnachfolge in Kommunalunternehmen umwandeln.

Geschichte

Die Möglichkeit für eine Gemeinde, die Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts für ihre kommunalen Unternehmen zu wählen, wurde erstmals im Juli 1995 in Bayern eingeführt.[1] Rheinland-Pfalz folgte dem bayerischen Vorbild im April 1998[2], Nordrhein-Westfalen im Juni 1999[3], Sachsen-Anhalt im April 2001[4], Schleswig-Holstein im Juni 2002,[5] Niedersachsen im Januar 2003,[6] Brandenburg im Januar 2008[7], Mecklenburg-Vorpommern im Juli 2011,[8] und Hessen im Dezember 2011 [9] sowie Thüringen Ende Juli 2013.[10] In den nicht erwähnten Bundesländern gibt es die Möglichkeit für kommunale Unternehmen in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts nicht.

Die Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts wurde als Alternative zu den Rechtsformen des Eigenbetriebes einerseits und der GmbH andererseits geschaffen, die beide aus unterschiedlichen Gründen nicht in jedem Fall als geeignete Rechtsform für kommunale Unternehmen angesehen werden. Im Gegensatz zum öffentlich-rechtlichen Eigenbetrieb, der zwar als selbständiges Sondervermögen der Gemeinde, aber ohne eigene Rechtspersönlichkeit geführt wird, kommt dem Kommunalunternehmen eine eigene Rechtsfähigkeit zu. Es kann daher gegenüber dem Eigenbetrieb freier auf dem Markt auftreten. Ausfluss der öffentlich-rechtlichen Organisationsform des Kommunalunternehmens und damit Vorteil gegenüber der privatrechtlichen GmbH ist, dass das Kommunalunternehmen im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben öffentlich-rechtlich handeln darf.

Rechtsfragen

Der Begriff „Kommunalunternehmen“ wird als Rechtsbegriff in Bayern, Nordrhein-Westfalen (wenn auch nicht direkt in der Norm über das Kommunalunternehmen), Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein und in der bundesweiten Literatur einheitlich für alle Länder verwendet und generell auf kommunale Unternehmen in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts bezogen, auch wenn Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Brandenburg im Gesetz die Begriffe „Anstalt des öffentlichen Rechts“ und „kommunale Anstalt“ verwenden.

Durch die Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts erhält das Kommunalunternehmen eine öffentliche Satzung (hier im Gegensatz zur privatrechtlichen Satzung zu verstehen), die dem Unternehmen hoheitliche Aufgaben verleiht.[11] Damit gilt im Verhältnis zu den Bürgern öffentliches Recht. Durch eine derartige Satzung kann die mittelbare Staatsverwaltung im Rahmen des Anschluss- und Benutzungszwangs die Bürger zur Nutzung der kommunalen Daseinsvorsorge zwingen. Dazu gehört, dass es Verwaltungsakte erlassen und öffentlich-rechtliche Gebühren statt privatrechtliche Entgelte erheben kann, was finanzielle Auswirkungen auf die hierdurch belasteten Bürger entfaltet. Die Unternehmenssatzung muss ferner Bestimmungen über den Namen und die Aufgaben des Unternehmens, die Anzahl der Mitglieder des Vorstands und des Verwaltungsrats und die Höhe des Eigenkapitals enthalten. Über den Verwaltungsrat kann die Gemeinde Einfluss nehmen, der sich jedoch nicht auf die Tagespolitik, sondern nur grundsätzlich auf strategische Entscheidungen beziehen soll. Ferner kann ein Kommunalunternehmen Dienstherr von Beamten sein.

Kommunalunternehmen sind als Anstalten des öffentlichen Rechts insolvenzunfähig, da die tragende Kommune als Gewährträger subsidiär und unbeschränkt für die Verbindlichkeiten des Kommunalunternehmens haftet (z. B. § 114a Abs. 5 Satz 12 GemO NRW, § 89 Abs. 4 BayGemO). Weil Gewährträgerhaftung und Anstaltslast unionsrechtlich im Rahmen des Beihilferechts problematisch sind, besteht in Niedersachsen und Schleswig-Holstein keine Gewährträgerhaftung mehr; Niedersachsen hat auch die Anstaltslast vollständig abgeschafft, während in Schleswig-Holstein die Gemeinde zumindest verpflichtet ist, dem Kommunalunternehmen die notwendigen finanziellen Mittel nach kaufmännischen Grundsätzen zur Verfügung zu stellen. Die Gemeinden tragen zumindest nach vorherrschender Auffassung[12] die so genannte Anstaltslast für das Kommunalunternehmen. Der Jahresabschluss und der Lagebericht von Kommunalunternehmen werden nach den für große Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften des Handelsgesetzbuchs aufgestellt und geprüft, sofern nicht weitergehende gesetzliche Vorschriften gelten oder andere gesetzliche Vorschriften entgegenstehen.

Ein Kommunalunternehmen kann sich auch aktiv an anderen Unternehmen beteiligen, jedoch können andere Private (Unternehmen oder Privatpersonen) sich nicht unmittelbar an Kommunalunternehmen beteiligen. Alle Länder sehen vor, dass neben den gesetzlichen Regelungen Verordnungen mit näheren Bestimmungen über Kommunalunternehmen erlassen werden.

Aufgaben

Kommunalunternehmen übernehmen ausschließlich Aufgaben im Rahmen der Daseinsvorsorge. Dazu gehören allgemein Leistungen, „derer der Bürger zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unumgänglich bedarf.“[13] Konkret wird darunter die Bereitstellung (Grundversorgung) von Energie- und Wasserversorgung, Abfallwirtschaft, Polizei, Feuerwehr, Krankenhäusern, Hafenbetrieben, sozialem Wohnungsbau, Friedhöfen und ÖPNV bis zu kulturellen, sportlichen und sozialen Angeboten verstanden. Im formalen Sinne gehören auch die kommunalen Sparkassen zu den Kommunalunternehmen, werden jedoch meist nicht unter diesen Begriff subsumiert, weil ihre Tätigkeit als Kreditinstitute keine Daseinsvorsorge darstellt.

Gemeinsame Kommunalunternehmen

Nach Einführung des Kommunalunternehmens wurde ein Bedürfnis erkennbar, gemeinsame Kommunalunternehmen mehrerer Gemeinden zu errichten. Alle Länder (außer Brandenburg) haben daher inzwischen die Möglichkeit geschaffen, dass mehrere Gemeinden, (Land-)Kreise und Bezirke ein gemeinsames Kommunalunternehmen durch Vereinbarung einer Unternehmenssatzung errichten können. Bestehende Regie- und Eigenbetriebe können auf das gemeinsame Kommunalunternehmen im Weg der Gesamtrechtsnachfolge ausgegliedert werden, zumeist kann auch ein Zweckverband in ein gemeinsames Kommunalunternehmen umgewandelt werden.

Literatur

  • Stefan Detig: Die kommunale Anstalt des öffentlichen Rechts (Kommunalunternehmen) als Wirtschaftsförderungsinstitution. (Dissertation). Nomos Verlag, 2004.
  • Ulrike Kummer: Vom Eigen- oder Regiebetrieb zum Kommunalunternehmen. Schriften zum Öffentlichen Recht, Band 930, Duncker & Humblot, Berlin 2003, (=Dissertation) Regensburg 2002, ISBN 3-428-11201-6.
  • Johannes Hellermann, in: Werner Hoppe, Michael Uechtritz (Hrsg.): Handbuch Kommunale Unternehmen. 2. Auflage. Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln 2007, S. 153ff.

Einzelnachweise

  1. Gesetz zur Änderung des kommunalen Wirtschaftsrechts vom 26. Juli 1995 (GVBl. S. 376)
  2. Viertes Landesgesetz zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften vom 2. April 1998 (GVBl. S. 108)
  3. Erstes Gesetz zur Modernisierung von Regierung und Verwaltung in Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 1999 (GVBl. S. 386)
  4. Gesetz über das kommunale Unternehmensrecht vom 3. April 2001 (GVBl. S. 136)
  5. Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung vom 25. Juni 2002 (GVOBl. S. 126)
  6. Gesetz zur Änderung des kommunalen Unternehmensrechts vom 27. Januar 2003 (GVBl. S. 36)
  7. Gesetz zur Reform der Kommunalverfassung und zur Einführung der Direktwahl der Landräte sowie zur Änderung sonstiger kommunalrechtlicher Vorschriften vom 18. Dezember 2007 (GVBl.I S. 286)
  8. Gesetz über die Kommunalverfassung und zur Änderung weiterer kommunalrechtlicher Vorschriften vom 13. Juli 2011 (GVOBl. M-V S. 777)
  9. Gesetz zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung und anderer Gesetze GVBl. I S. 786. laut: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen · Teil I, 9. Dezember 2011, abgerufen am 6. Oktober 2015
  10. Gesetz zur Änderung der Thüringer Kommunalordnung und anderer Gesetze vom 30. Juli 2013 (GVBl. S. 194)
  11. Eberhard Schmidt-Aßmann/Peter Badura, Besonderes Verwaltungsrecht, 2005, S. 99
  12. Christina Lux, Das neue kommunale Wirtschaftsrecht in Nordrhein-Westfalen, in: Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (NWVBl), Jg. 2000, Heft 1, S. 7, 12.
  13. BVerfGE 66, 248, 258