Cobalamine

essentielle organometallische Verbindungen mit Cobaltatom
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Cobalamin ist der chemische Name für Vitamin B12

Strukturformel
Cobalamin
Allgemeines
Trivialname Vitamin B12
Summenformel C63H88N14O14PCo
Andere Namen Cobalamin, Cyanocobalamin, α-(5,6-Dimethylbenzimidazolyl)cobamidcyanid
E-Nummer keine
CAS-Nummer 68-19-9
Dosierung
täglicher Bedarf 0,001 mg = 1 μg
Überdosis nicht bekannt
Essentiell ja
Vorkommen tierische Produkte, Lupinen, Sauerkraut, Algen
Physikalische Eigenschaften
Aggregatzustand fest, kristallin
Farbe rot
Löslichkeit geringe Wasserlöslichkeit (12 g/l)
Dichte - g/cm³
Molmasse 1355,39 g/mol
Schmelzpunkt zersetzt sich bei T > 392 °C
Siedepunkt nicht ermittelbar

Soweit möglich und gebräuchlich, wurden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Normbedingungen.

Beschreibung

Vitamin B12, gebunden an das aus den Belegzellen des Magens stammende Glykoprotein Intrinsic Factor, wird physiologischerweise im terminalen Ileum absorbiert. Nach einer Magenresektion oder bei einer Autoimmungastritis (A-Gastritis), bei der sich die Immunreaktion gegen die den Intrinsic facor bildenden Belegzellen (=Parietalzellen)richtet, ist daher die Aufnahme des Vit. B12 - zumindest bei normalem Angebot - kaum möglich, so dass sich in der Folge ein Vitamin-B12-Mangel ausbilden kann. Auch bei einer schweren Entzündung des Ileums, insbesondere dem Morbus Crohn (= Ileitis terminalis) oder nach Resektionen des terminalen Ileum kommt es typischerweise zu einem Vitamin-B12-Mangel. In diesen Fällen ist eine Substitution von Vit. B12 erforderlich, wobei diese jedoch nicht oral erfolgen darf, sondern durch intramuskuläre Injektion erfolgen sollte, da entweder der fehlende Intrinsic factor oder das fehlende bzw. stark gestörte Ileum die Aufnahme des oral zugeführten Vit. B12 weitgehend verhindern würde. Nur bei Gabe sehr hoher Dosen wird Vit. B12 auch unspezifisch aufgenommen. Dabei ist jedoch die Resorptionsquote nicht vorhersehbar und daher gilt eine orale Vit. B12 Substitution in diesen Fällen im allgemeinen als Kunstfehler. Auch Darmbakterien bilden Vit. B12. Da diese jedoch überwiegend im Dickdarm agieren und zudem der benötigte Intrinsic factor fehlt, spielt ihre Produktion zumindest für den Menschen wohl nur eine geringe Rolle.

Chemische Struktur

Bei Vitamin-B12 handelt sich um eine organometallische Verbindung mit einem einwertigen Kobalt-Ion, umschlossen von einem Corrin-Ring. Das Kobalt ist darin sehr fest gebunden und kann praktisch nur durch Zerstörung des Ringsystems herausgelöst werden. Es ist die einzige bekannte natürlich vorkommende Kobalt-haltige Naturstoff. Die erste Reindarstellung erfolgte unabhängig voneinander durch Folkers bzw. Smith und Mitarbeiter. Kurz darauf wurde es in seiner chemische Struktur von Dorothy Crowfoot Hodgkin aufgeklärt, die u.a. dafür 1964 den Nobelpreis für Chemie erhielt (Manuskript ihres Festvortrages anlässlich der Verleihung des Nobelpreises).Vitamin B12 ist zwar relativ hitzestabil, jedoch extrem lichtempfindlich. In den Zellen kommt Vitamin-B12 in den Mitochondrien typischerweise als 5-Desoxyadenosylcobalamin vor, im Cytosol hingegen überwiegt Methylcobalamin. Therapeutisch wird jedoch zumeist Cyanocobalamin oder Hydroxycobalamin eingesetzt, die dann entsprechend umgebaut werden. Die Abbildung zeigt Cyanocobalamin.

Aufgabe/Funktion

Vit. B12 findet sich im menschlichen Körper in zwei Enzymen:

  • N5-Methyl-Tetrahydrofolat-Homocystein-S-Methyltransferase = Methionin Synthase (EC 2.1.1.13)
  • Methylmalonyl-CoA-Mutase (EC 5.4.99.2)

Die Reaktion der Methionin Synthase dient u.a. der Regeneration des Methylgruppenüberträgers S-Adenosylmethionin (SAM) bzw. der Bildung von Methionin. Dabei wird Homocystein zum Methionin remethyliert. Gelingt dies nicht, bildet sich vermehrt Homocystein, ein Zwischenprodukt beim Abbau der Aminosäure Methionin (Erhöhte Homocysteinspiegel werden mit der Bildung von Arteriosklerose in Zusammenhang gebracht). Als Methylgruppendonator fungiert dabei N5-Methyl-Tetrahydrofolat (N5-Methyl-THF). Fehlt Vit. B12, so reichert sich N5-Methyl-THF an und es kommt zu einem sekundären Mangel an THF, welches für die Synthese der Purinbasen Adenin und Guanin und der Pyrimidinbase Thymidin erforderlich ist. Durch den Mangel dieser Nukleobasen ist die Synthese insbesondere von DNS aber auch RNS gestört. Dies äußert sich vorrangig in Organen mit hoher Zellteilungsaktivität wie dem Knochenmark. Es kommt zu einer mehr oder minder ausgeprägten Panzytopenie im Blut, wobei der Mangel an Erythrozyten - die Anämie - am offensichtlichsten ist. Die verblieben Erythrozyten werden nun mit Hämoglobin "vollgestopft", so dass sie einen höheren Hämoglobingehalt als normale Erythrozyten haben. Auch sind diese Zellen etwas größer. Daher spricht man von einer hyperchromen, makrozytären Anämie. Durch die Gabe von Folsäure kann dieser Block umgangen werden, jedoch löst dieser Ansatz nicht den zugrunde liegenden Vitamin B12 Mangel, so dass die Behandlung der perniziösen (wörtl. "gefährlich") oder megaloblastären Anämie bei Vitamin B12-Mangel mit Folsäure einen Kunstfehler darstellt.

 

Die Abbildung zeigt vereinfacht den Stoffwechsel der Folsäure und deren Interaktion mit der Vitamin B12-abhängigen Methionin Synthasereaktion.


Der Grund hierfür ist die zusätzliche Funktion des Vitamin B12 in der Methylmalonyl-CoA-Mutase. Diese dient der Einschleusung des terminalen Propionyl-CoAs ungeradzahliger Fettsäuren, sowie Teilen des Kohlenstoffgerüstes der Aminosäuren Valin, Isoleucin, Threonin und Methionin in den mitochondrialen Citratzyklus. Das im Rahmen des Abbaus dieser Verbindnungen aus Propionyl-CoA (in einem Biotin-abhängigen Schritt) gebildete Methylmalonyl-CoA wird durch die Vitamin-B12-abhängige Methylmalonyl-CoA-Mutase zu Succinyl-CoA, einem Zwischenprodukt des Citratcyclus, umgesetzt.

 

Die Abbildung zeigt schematisch die Einschleusung (zumindest eines Teils) der Kohlenstoffskelette einiger Aminosäuren über den Vit. B12 abhängigen Schritt der Methylmalonyl-CoA-Mutase.


Ist dieser Schritt gehemmt, kommt es zu einem Anstieg von Methylmalonsäure im Plasma und vor allem im Urin. Dieser Stoffwechselweg spielt offenbar eine besondere Rolle im ZNS, da sich ein Vitamin-B12-Mangel bisweilen sogar vor der typischen Anämie mit Symptomen wie z. B. der funikulären Myelose, einer Störung der Pyramidenbahn und der Hinterstränge, aber auch scheinbaren "Altersdemenzen" und anderem bemerkbar macht. Daher sollte insbesondere bei älteren Patienten mit neurologischer Symptomatik ein Vitamin-B12-Mangel als mögliche (Mit)Ursache ausgeschlossen und ggf. behandelt werden.

Vereinfacht zusammenfassengefaßt ist Vitamin-B12 also wichtig für die Zellteilung und Blutbildung, sowie die Funktion des Nervensystems.

Vorkommen

Vitamin B12 wird ausschließlich von Mikroorganismen hergestellt. Tiere und Pflanzen sind dazu nicht in der Lage. Tiere, die ebenfalls Vitamin B12 benötigen, decken ihren Bedarf durch fressen von "unsauberer" Nahrung, auf der solche Mikroorganismen vorkommen. Man nimmt aber an, dass gerade Pflanzenfresser den Hauptteil ihres Bedarfes über eine Symbiose mit diesen Mikroorganismen in ihrem Darm decken. Auch beim Menschen kommen diese Mikroorganismen im Darm vor und produzieren dort Vitamin B12. Es wird angenommen, dass dadurch auch der Mensch einen Großteil seines Bedarfs deckt, weil Vitamin B12 nur in äußerst geringen Dosen zugeführt werden muss im Gegensatz zu anderen Vitaminen, die teilweise grammweise benötigt werden. Dafür ist eine intakte Darmflora notwendig und eine frühe Ansiedelung der Mikroorganismen in der Dünndarmregion. Denn im Dickdarm produziertes Vitamin B12 wird meist unabsorbiert ausgeschieden. Vitamin B12 wird sehr gut in der Leber gespeichert und ist meist in Nahrung tierischer Herkunft fast überall enthalten. Früher war man der Ansicht, dass der Bedarf von Vitamin B12 bei vegetarisch/veganer Ernährung durch milchsauer vergorene Lebensmittel (Sauerkraut, Rote Beete, Lupine, Algen) gedeckt werden kann. Mittlerweise weiß man, dass es sich hierbei vornehmlich um das inaktive Vitamin B12 Analogon handelt.

Bedarf

Der tägliche Mindestbedarf ist im Vergleich zu den meisten anderen Vitaminen sehr viel geringer, er beträgt nur ca. 3 Mikrogramm. Ein Mangel an Vitamin B12 entwickelt sich sehr langsam, bei völligem Stopp der Zufuhr in der Regel erst nach zwei bis drei Jahren, da der Körper das Vitamin über längere Zeit in der Leber speichern kann.

Mangelerscheinungen

Bei einem Mangel an Vitamin B12 kann es zur Perniziösen Anämie (Perniziosa), einer Erkrankung des Blutbildes und zur funikulären Myelose kommen. Die Ursachen für diesen Mangel können zum einen in unzureichender Zufuhr durch Nahrung, wie sie bei sehr strenger veganer Ernährung beobachtet wurde, oder durch unzureichende Resorption verursacht werden. Bei mangelhafter Aufnahmefähigkeit im Magen-Darm-Trakt fehlt dem Organismus im Magensaft der Intrinsic Factor (ein Glykoprotein, das von den Belegzellen des Magens und im Zwölffingerdarm produziert wird und für die Vitamin B12-Aufnahme unabdingbar ist). Der Intrinsic-Faktor bindet Cobalamin in einem vor Verdauungsenzymen schützenden Komplex und ermöglicht so den Transport in die Darmzellen, von wo aus Vitamin B12 über Bindung an weitere Proteine (Transcobalamine) in die äußeren Gewebe gelangt. Auch eine Störung bei der Aufnahme im terminalen Ileum kann zu einem Mangel führen.

Typische Folgen eines Vitamin B12-Mangels sind

  • Methylmalonat-Acidurie (fehlende MethylmalonylCoA-Mutase-Aktivität)
  • Homocystinurie (fehlende Methionin Synthase Aktivität, ggf. sekundär Methionin-Mangel)
  • Megaloblastische Anämie (Störung des Folsäurestoffwechsels durch Block der N5-Methyl-THF Spaltung zu THF)
  • Hypersegmentierte Leukozyten (Zeichen der Überalterung, aufgrund der Syntheseprobleme)
  • sensorische Neuropathie (wohl Folge der fehlenden Methylmalonyl-CoA-Mutase-Aktivität und der Anämie)

Überdosierung

Auch nach Zufuhr der 10.000 fachen Dosis konnten keine toxischen Effekte nachgewiesen werden. Da Vitamin B12 wasserlöslich ist, werden Überschüsse über den Urin wieder ausgeschieden. Bisher wurde noch von keiner Überdosierung berichtet und selbst Allergien gegen Vitamin B12 treten äußerst selten auf.

Vitamin B-Gruppe

Hier handelt es sich um eine Sammelbezeichnung wasserlöslicher Vitamine unterschiedlicher chemischer Zusammensetzungen. Außer den eigentlichen B-Vitaminen, wie B1 Thiamin, B2 Riboflavin, B6 Pyridoxin und B12 Cobalamin rechnet man noch Biotin, Folsäure, Nicotinsäure und Pantothensäure hinzu. Die Gruppe der B-Vitamine kommt in tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln vor. Ohne die Faktoren der B-Gruppe laufen fast keine biochemischen Prozesse im Körper ab. Vitamine der B-Gruppe stellen keine einheitliche Klasse dar. Sie sind chemisch und pharmakologisch völlig verschiedene Substanzen. Einzelne B-Vitamine kommen in der Natur niemals isoliert vor. Aus diesem Grund wirken sie in der Regel auch im Verbund.

Geschichte

Vitamin B12 wurde 1926 zum ersten Mal beschrieben.

Weiterführende Informationen

Siehe auch