Erich Mühsam

anarchistischer deutscher Schriftsteller, Publizist und Antimilitarist (1878–1934)
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Erich Mühsam (* 6. April 1878 in Berlin; ermordet † 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg) war politischer Aktivist, Anarchist, Publizist und Schriftsteller. Nach einflussreicher politischer und publizistischer Tätigkeit wurde er von den Nationalsozialisten ermordet.

Erich Mühsam


Leben

Mühsam wurde in Berlin als Kind jüdischer Eltern geboren und wuchs in Lübeck auf. Er hatte 2 Schwestern und einen Bruder. Der Vater, Siegmund Seligmann Mühsam war Apotheker. Er schickte seinen Sohn Erich aufs humanistische Gymnasium in Lübeck. Am 11. Januar 1896 wurde Erich von dort wegen sozialistischer Umtriebe relegiert. Er hatte Berichte über schulinterne Vorgänge an die sozialdemokratische Zeitung (Lübecker Volksbote) weitergegeben. Sein Abitur machte er in Parchim (Mecklenburg) und absolvierte dann eine Apothekerlehre in Lübeck. 1901 zog Erich nach Berlin.

Er war zunächst Apotheker, 1902 Redakteur an der anarchistischen Zeitschrift „Der arme Teufel,“ 1905 beim Weckruf; Verbindung zum Friedrichshagener Dichterkreis. 1904 bis 1908 „Wanderjahre“ mit Aufenthalten in Zürich, Ascona (Monte Verità), Norditalien, München, Wien, Paris zusammen mit seinem homosexuellen Freund Johannes Nohl.

Seit 1909 lebte er in München; Hier gründete er die dem Sozialistischen Bund angehörenden Gruppe Tat und Gruppe Anarchist zwecks Agitation des Subproletariats für den Anarchismus. 1910 wurde Mühsam verhaftet und wegen Geheimbündelei angeklagt (Freispruch). Als Zentralfigur der Schwabinger Bohème war er befreundet mit Heinrich Mann, Frank Wedekind, Lion Feuchtwanger und vielen anderen. Mühsam war Mitarbeiter des Münchner Kabaretts und verschiedener satirischer Zeitschriften, u.a. des Simplicissimus. Von 1911 bis 1919 gab Erich Mühsam in München die Zeitschrift Kain – Zeitschrift für Menschlichkeit heraus, allerdings nicht während des Ersten Weltkrieges. Mühsam schrieb: „In dieser Stunde, wo es um das Schicksal aller geht, gibt es außerdem nichts Wesentliches und nichts, was eine Zeitschrift für Menschlichkeit angehen könnte“: In Kain veröffentlichte er im Januar 1912 den Artikel „Der Humbug der Wahlen“.

Datei:Gedenkstein Erich Mühsam Oranienburg.jpg
KZ Oranienburg: Gedenktafel für Erich Mühsam

Erich Mühsam heiratete 1915 die Bauerntochter Kreszentia Elfinger, genannt Zenzl.

Gegen Ende des 1. Weltkrieges wurde Mühsam - möglicherweise wegen politischer Betätigung oder Verweigerung des Hilfsdienstes - für 6 Monate in Traunstein inhaftiert. Bei seiner Entlassung Ende Oktober war der Krieg vorüber.

Nach Ende des 1. Weltkriegs wurde er 1919 in München Mitglied des Revolutionären Arbeiterrats und befürwortete nach der Abdankung des Königs eine bayerische Räterepublik. Nach der Niederschlagung der Münchner Räterepublik durch Reichswehr und rechtsnationalistische Freikorpsverbände wurde er als 'treibendes Element' zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt, 1924 jedoch amnestiert (Hitleramnestie). Die Haft verbrachte er zum größten Teil im Gefängnis Niederschönenfeld. Nach seiner Entlassung zog er nach Berlin und gab die anarchistische Zeitschrift Fanal heraus. Er arbeitete mit dem jungen Herbert Wehner zusammen. Auch zu Silvio Gesell, dem Begründer der Freiwirtschaftslehre bestand eine besondere Nähe. Mühsam hielt dessen Grabrede und veröffentlichte in seiner Zeitschrift Fanal eine überaus positive Würdigung der Lebensleistung Gesells.

1925 bis 1929 engagierte er sich in der KPD-nahen Gefangenenhilfsorganisation Rote Hilfe, weil er die Justiz zur Zeit der Weimarer Republik für Klassenjustiz hielt. 1929 trat er wegen politischer Differenzen aus der Roten Hilfe aus.

Kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde er verhaftet und 1934 im KZ Oranienburg ermordet. Die Meldung in der nationalsozialistischen Presse lautete: „Der Jude Erich Mühsam hat sich in der Schutzhaft erhängt“. Seine Mithäftlinge traten später dieser Darstellung entgegen und berichteten von der Ermordung Mühsams im Zimmer des Lagerkommandanten. Die internationale Presse meldete den Tod Mühsams als Mord des Naziregimes. Er ist in einem Ehrengrab auf dem Waldfriedhof Dahlem beerdigt. Mühsams Witwe sorgte nach seiner Ermordung dafür, dass der Nachlass der Öffentlichkeit übergeben wurde.

Werke

  • 1903 - Die Homosexualität. Ein Beitrag zur Sittengeschichte unserer Zeit (Streitschrift)
  • 1904 - Die Wüste (Gedichte)
  • 1905 - Ascona. Eine Broschüre (Streitschrift)
  • 1905 - Die Psychologie der Erbtante. Eine Tantologie aus 25 Einzeldarstellungen zur Lösung der Unsterblichkeitsfrage (Satire)
  • 1906 - Die Hochstapler (Lustspiel)
  • 1909 - Der Krater (Gedichte)
  • 1914 - Wüste-Krater-Wolken (Gedichte)
  • 1914 - Die Freivermählten (Drama)
  • 1919 - 1919. Dem Andenken Gustav Landauers
  • 1920 - Brennende Erde: Verse eines Kämpfers (digitale Rekonstruktion: UB Bielefeld)
  • 1921 - Judas (Arbeiterdrama)
  • 1925 - Revolution (Kampf-, Marsch- und Spottlieder)
  • 1925 - Alarm (Manifeste)
  • 1926 - Gerechtigkeit für Max Hoelz!
  • 1927 - Unpolitische Erinnerungen (Memoiren)
  • 1928 - Staatsräson, ein Denkmal für Sacco und Vanzetti (Dokumentardrama)
  • 1928 - Sammlung 1898–1928 (Lyrik und Prosa)
  • 1930 - Alle Macht den Räten!
  • 1932 - Die Befreiung der Gesellschaft vom Staat (Programmschrift) ISBN 3-87956-276-8.
  • hrsg. 1975 - Bilder und Verse für Zenzl

Sonstiges

Literatur

  • Wolfgang Haug: Erich Mühsam. Schriftsteller der Revolution. Trotzdem Verlag, Grafenau 1998. ISBN 3922209017
  • Frank Th. Gaulin, Rolf Kauffeldt, Chris Hirte, Dieter Schiller: Erich Mühsam - Revolutionär und Schriftsteller. Erich-Mühsam-Gesellschaft e.V, o.J. ISBN 3931079023
  • Heinz Hug: Erich Mühsam - Untersuchungen zu Leben und Werk. Topos Verlag, o.J. ISBN 328909023X
  • Hubert van den Berg: Erich Mühsam (1878-1934). Bibliographie der Literatur zu seinem Leben und Werk. o.O. 1992. ISBN 907253705X
  • Rolf Kauffeldt: Erich Mühsam zur Einführung. Junius, Hamburg. 1989. ISBN 3885068249
  • Rolf Kauffeldt: Erich Mühsam. Literatur und Anarchie. Uni-TB, Stuttgart. 1983. ISBN 3770521390
  • Hanns Heinz Ewers: Führer durch die moderne Literatur. 300 Würdigungen der hervorragendsten Schriftsteller unserer Zeit [1906]. Herausgegeben von H. H. Ewers unter Mitwirkung von Victor Hadwiger, Erich Mühsam und René Schickele. ISBN 3934818234 (korrigierter und kommentierter Neudruck der Erstausgabe, herausgegeben von Arne Glusgold Drews und Danielle Winter). Revonnah Verlag Hannover 2006.
Wikisource: Erich Mühsam – Quellen und Volltexte