Eine Webmaschine ist eine Maschine, auf der mehrere Fadensysteme rechtwinklig miteinander verkreuzt werden und dabei über- und untereinander verlaufen, sodass ein Gewebe entsteht. Die Fadensysteme werden als Kette und Schuss bezeichnet.[1]
Für die Webmaschine wird oft die Bezeichnung Webstuhl, sowohl in der Umgangssprache als auch in der Fachliteratur, verwendet.
Textile Gewebe in Breiten von 90 bis ca. 500 cm werden am Anfang des 21. Jahrhunderts weltweit auf fast 10 Millionen Webstühlen hergestellt. Dazu gehören mehr als 5 Millionen mechanische Webmaschinen (4 Millionen Schützen- und etwa 1,2 Millionen schützenlose Maschinen)[2][3] und ca. 4,6 Millionen Handwebstühle.[4] Außerdem gibt es einige tausende Band-,[5] Schlauch-[6] und Metalldrahtwebmaschinen[7].
Geschichte der Webmaschinen
Die ersten Webmaschinen waren die so genannten Bandmühlen, mit deren Hilfe im 16. Jahrhundert Bänder hergestellt wurden. Der älteste Entwurf eines mechanischen Webstuhls stammt von 1678, kam aber nie zur Ausführung.
Im Jahr 1728 verwendete ein Seidenweber aus Lyon gelochte Holzbrettchen zu Steuerung seiner Webstühle. Jacques de Vaucanson aus Grenoble entwickelte diesen einfachen Webstuhl zu einem mechanisch durch eine hölzerne Lochkarte gesteuerten Modell weiter (1745). Mit diesem Automaten war es erstmals möglich, gemusterte Stoffe herzustellen. Jedoch kam das Gerät nie über den Status eines Prototyps hinaus und wurde nie industriell eingesetzt. Fast zeitgleich, nämlich 1733 erfand John Kay den Schnellschützen, der die Webgeschwindigkeit verdoppelte.
Wurden diese Webstühle noch immer von Hand betrieben, so fand Vaucanson eine Möglichkeit, dass man sie mit einem Göpel durch ein Pferd oder einen Esel betreiben konnte. Das Muster wurde durch eine Nockenwalze erzeugt.
Erfinder Edmund Cartwright entwickelte aus dem Handwebstuhl gemeinsam mit einem Schreiner und einem Schmied einen vollmechanisierten Webstuhl, den Power Loom, bei dem die drei verschieden Grundbewegungen des Webens, nämlich das Heben oder Senken der Schäfte, das Eintragen des Schusses mit dem Werfen des Schiffchens durch das Fach und das Anschlagen der Lade, einem gemeinsamen Antrieb übertragen wurde.[8] Dieser Webstuhl wurde als Power Loom bezeichnet. Am 4. April 1785 meldete Edmund Cartwright dafür das britische Patent Nr. 1470 „Machine for weaving [by power]“ an. In den folgenden drei Jahren kamen weitere Patente (1786 Nr. 1565, 1787 Nr. 1616 und 1988 Nr. 1675) hinzu[9],die zu Verbesserungen diese im Grundpatent angemeldeten Webstuhls dienten (z.B. Einrichtung zum mechanischen Abstellen der Maschine bei Kett- oder Schussfadenbrüchen, Regulieren des Kett- und des Warenbaumes sowie eines mechanischen Schützenwechsels). Nachdem er in seiner 1786 gegründeten Fabrik die Webstühle noch durch ein Göpel angetrieben wurden, installierte er schon 1788 eine Dampfmaschine als Antriebsaggregat.[8]
Durch diese Technik wurden sehr viele Arbeitsplätze vernichtet. Als Folge kam es zur Maschinenstürmerei und viele Webstühle wurden zerstört. Insbesondere der schlesische Weberaufstand von 1844 verdeutlichte das soziale Elend in dem niedergehenden Familienhandwerk.
Entscheidend für eine deutliche Leistungserhöhung bei der Herstellung von gemusterten Geweben und der Einsparung von Arbeitskräften war die Erfindung einer Fachbildevorrichtung durch Joseph-Marie Jacquard, die nach ihm Jacquardmaschine benannt wurde. Dabei lehnte sich Jacquard an eine von Vaucanson entwickelte Mustertechnik an, aber erreichte durch Verändern und Bereichern der Technik eine unanfechtbare Originalität. Nach seiner Rückkehr nach Lyon im Jahr 1804 arbeitete Jacquard an seiner neuen Fachbildungstechnik und machte 1805 seine Haupterfindung, die Jacquardmaschine.[10] Diese Jacquardmaschine erreichte letztendlich 1808 ihre Vollkommenheit und fand damit rasche Verbreitung, so dass bereits 1812 in Frankreich 18 000 Webstühle mit dieser ausgestattet waren.[11] Damit konnten die Kettfäden in der Webmaschine von der oberhalb aufgebauten Jacquard-Maschine dem Muster entsprechend beliebig ausgehoben werden.
Diese Lochkartenwebstühle waren nicht nur einer der wichtigsten Beiträge zur Industrialisierung, sondern auch der Grundstein zur Entwicklung der Steuerungstechnik bis hin zum modernen Computer[12]. Gewünschte Muster im Gewebe wurden auf einer Lochkarte gespeichert und mechanisch abgetastet. Heute erfolgt die Steuerung der Jaquardmaschinen natürlich vollelektronisch.
Die erste dampfbetriebene Webmaschine wurde im mittelenglischen Bradford gegen Ende des 18. Jahrhunderts eingesetzt.
Nicht zuletzt die Erfindung der Webmaschine löste die Befürchtung von David Ricardo und Karl Marx aus, technischer Fortschritt würde auf Dauer zu Massenarbeitslosigkeit führen.
Es ergaben sich zwei Effekte:
- die Produktivität einer Arbeitskraft erhöhte sich um ein Vielfaches
- die Kosten für das Webprodukt sanken erheblich.
Neben der Spinnmaschine war die Erfindung der Webmaschine einer der wichtigsten Meilensteine der industriellen Revolution. Durch sie veränderten sich die Produktionsbedingungen entscheidend und ehemalige Heimarbeiterinnen mussten sich fortan als Fabrikarbeiterinnen ein Auskommen schaffen.
Die Weiterentwicklung der Einbringung des Schussfadens ging über die Greiferwebmaschine zur aktuellen Luftdüsenwebmaschine.
Webmaschinen veränderten jedoch nicht nur die soziale Realität der Menschen, sondern auch die Produkte selber: Die kunsthandwerkliche Gestaltung wurde durch technisch perfekte Muster ersetzt. Exklusive Luxusartikel wurden zu bürgerlichen Konsumgütern und Massenwaren.
Funktion der Webmaschine
Die Kettfäden werden vom Kettbaum (1) abgewickelt. Sie verlaufen durch die sogenannten Litzenaugen (2), das sind kleine Öffnungen in den Litzen. Die Litzen sind am Schaft (3) aufgehängt. Einzelne Schäfte bewegen sich in senkrechter Richtung und bilden so zwischen den Kettfäden ein Fach (4). Durch das Fach wird der Schussträger (5) durchgeführt, um einen Schussfaden quer zu den Kettfäden einzubringen.
Die Kettfäden werden weiter durch das Webblatt (6) geführt, das die Webkette in der vorgegebenen Breite hält und jeden eingetragenen Schussfaden ans fertige Gewebe presst. Das Gewebe wird auf den Warenbaum (7) aufgewickelt.
Einteilung von Webmaschinen
Nach Fachbildeeinrichtungen
- An Maschinen für einfachere Gewebebindungen kann die Schaftbewegung (maximal 14 Schäfte) durch einen Exzenterantrieb hervorgehoben werden. Die rapport (textil) Schussrapportlänge ist auf 8 Schuss begrenzt.
- Webeinrichtungen mit Schaftmaschinen können mit max. 32 Schäften belegt werden, praktische Grenze für die Rappotlänge wird mit 5000 Schuss angegeben.
- Bei der Fachbildung mit Jacquardmaschinen werden einzelne Kettfäden durch Litzen geführt, dessen Bewegung wird individuell, bei modernen Anlagen elektronisch gesteuert. Die Kettrapportlänge ist unbegrenzt, für den Schuss wird in der Praxis mit maximaler Rapportlänge von 5000 gerechnet.
Einteilung von Webmaschinen[13][14]
Nach Schusseintrags-Einrichtungen
Einphasen-Webmaschinen
Bei Einphasen-Webmaschinen wird ein Schuss in einer einzigen Phase des Arbeitszyklus der Maschine über die volle Breite der Kette eingetragen.[15]
- Schützenwebmaschine: Bei jeder Maschinenumdrehung geht ein Schütze durch das Webfach, im Schützen ist eine Garnspule eingesetzt, von der das Schussgarn abgewickelt wird. Bei diesem System können maximal ca. 400 m Schuss in der Minute verwebt werden.[16][17]
- Projektilwebmaschine: Schussgarn wird mittels Projektil transportiert, das nach dem Durchgang durch das Webfach auf einem Förderband zurück zur Ausgangslage gebracht wird. Diese Maschinen erreichen einen Schusseintrag bis 1570 m/min.[18]
- Greiferwebmaschine: Schussgarn wird entsprechend der Gewebebreite abgeschnitten und ins Webfach durch eine oder zwei Nadeln eingetragen. Maschinen dieser Konstruktion wurden zum ersten Mal 1930 hergestellt, die Maximalleistung beträgt (2016) 1620 Meter Schusseinträge pro Minute.[19]
- Düsenwebmaschinen
- Luftdüsenwebmaschine: Schusseintrag erfolgt durch Luftstrom (ca. 0,7 Mpa). Erste Maschinen dieser Art wurden 1951 hergestellt, im Jahre 2016 erreichen Luftdüsenmaschinen eine Eintragsleistung bis 2500 m /min.[20][21]
- Wasserdüsenwebmaschine: Ein Wasserstrahl gepumpt ins Webfach ermöglicht den Schusseintrag. Maschine ist ausschließlich für Kunstfasergarne verwendbar. Maximaler Schusseintrag ca. 2400 m/min.[22] [23]
Mehrphasen-Webmaschinen
Bei Mehrphasen-Webmaschinen werden mehrere Schussfäden gleichzeitig eingetragen. Mehrere Phasen des Arbeitszyklus der Webmaschine laufen also zur gleichen Zeit ab.[15]
- Wellenfachmaschine enthält mehrere Sektionen von Webschäften, die sich wellenförmig nebeneinander bewegen.[24] In den 1980er und 1990er Jahren wurden einige Prototypen dieser Maschine mit der maximalen Schussleistung bis 3000 m/min. getestet, von einer Serienproduktion ist bis 2016 nichts bekannt.[25]
- Rotierende Mehrphasenwebmaschine besteht im Prinzip aus 12 kompletten Webfächern, die auf dem Umfang einer Trommel so angebracht sind, dass durch 4 Fächer gleichzeitig Schussfäden laufen können.[26] Kleinserien rotierender Maschinen wurden mehrere Jahre in praktischen Betriebsbedingungen getestet, die Maximalleistung erreichte bis 6000 Meter Schusseintrag pro Minute. Da eine rentable Serienproduktion jedoch nicht möglich war, wurde die Weiterentwicklung im Jahr 2005 abgestellt.[27]
- Rundwebmaschinen enthalten mehrere Sektionen von Webschäften, die kreisförmig verteilt sind. In diesem Kreis laufen bis 10 Schussgarnträger herum, die Webschäfte bilden entsprechend der Position einzelner Garnträger ein offenes Fach, durch das der Schussfaden durchgezogen wird. Die Schussgarnträger rotieren bis 120 mal in der Minute, in der Zeit können maximal 1200 m Schussgarn verwebt werden. Maschinen werden mit dem Durchmesser bis ca. 500 cm gebaut, Verwendung: Fast ausschließlich für Verpackungsmaterial aus Polypropylenbändchen.[28][29]
Bandwebmaschinen sind für die Herstellung von ca. 1 bis 30 cm breiten Geweben geeignet. Der Schusseintrag erfolgt entweder mit Hilfe von Schützen oder von Nadeln.[30] Moderne Maschinen können bis zu 16 verschiedene Farben Schussgarn in ein Gewebe eintragen.[31]
Spezialmaschinen
Auf Maschinen mit spezielle Ausstattung werden gefertigt:
Textile Gewebe
Frottiergewebe,[32] Cord,[33] Plüsch,[34] Axminster-Teppiche,[35] 3D Gewebe[36]
Metallgewebe
Einzelnachweise
- ↑ Fabia Denninger (Hrsg.): Lexikon Technische Textilien. Deutscher Fachverlag, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-86641-093-0, S.471.
- ↑ Indische Online-Zeitschrift Fibre2Fashion (2016): http://www.fibre2fashion.com/industry-article/2291/indian-power-loom-industry-an-overview?page=1
- ↑ Staistik der Schweizer Firma Gherzi (2008): http://ipek.hsr.ch/fileadmin/user_upload/ipek.hsr.ch/Newsroom/events/2010/1005_innovationstagung/gherzi_tops_flops_textilmaschinenbau.pdf
- ↑ Indische Online-Zeitschrift Fibre2Fashion (2016): http://www.fibre2fashion.com/industry-article/2291/indian-power-loom-industry-an-overview?page=1und
- ↑ Sortiment von Bandwebmaschinen: http://www.mueller-frick.com/de/produkte-systeme/maschinen-und-software/bandwebsysteme/nf2x/
- ↑ Bedeutender Hersteller von Rundwebmaschinen: http://www.starlinger.com/verpackung/rundwebmaschinen
- ↑ Drahtwebmaschinenhersteller: http://www.schlatter.ch/de/webmaschinen-jaeger/drahtwebmaschinen im Betrieb
- ↑ a b Stefan Mecheels, Herbert Vogler, Josef Kurz: Kultur- & Industriegeschichte der Textilien. Wachter GmbH, Bönnigheim 2009, ISBN 978-3-9812485-3-1, S. 306
- ↑ Bennet Woodcroft: Subject-Matter Index (Made from Titles only) of Patents of Invention, From March 2, 1617 (14. James I.), to October 1, 1852 (16 Victorie), Part II. (N – Z).The Great Seal Patent Office, London 1857, S 913f
- ↑ Paul-August Koch, Günther Satlow: Großes Textil-Lexikon: Fachlexikon für das gesamte Textilwesen. Bd. A-K. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1965, S. 631.
- ↑ Karl Karmasch: Geschichte der Technologie seit der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts. Verlag R. Oldenbourg. München 1872, S. 682.
- ↑ An Illustrated History of Computers Part 2 (Engl. Website, abgerufen am 6. April 2014)
- ↑ Internationaler Standard ISO 5247-1: https://www.iso.org/obp/ui/#iso:std:iso:5247:-1:ed-1:v1:en
- ↑ Online Lernunterlagen – Önder: Classification of Weaving Machinery: http://web.itu.edu.tr/~berkalpo/Weaving_Lecture/WeaveTech_Chapter2_history.pdf
- ↑ a b DIN ISO 5274-1: Textilmaschinen und Zubehör – Webmaschinen – Einteilung und Begriffe. Mai 2005, S. 4 f.
- ↑ Schusseintrag in m/min (2009): https://de.scribd.com/doc/22281223/Comparision-Of-Shutlleless-and-Shuttle-looms
- ↑ Video über Schützenwebmaschinen: https://www.youtube.com/watch?v=d6wdicAWis4
- ↑ Beispiel von Projektilmaschinen 2016: http://www.itemagroup.com/wp-content/uploads/2015/11/P7300HP_DE.pdf
- ↑ Americal Journal of System Science 2012: http://article.sapub.org/10.5923.j.ajss.20120101.02.html
- ↑ Beispiel einer Luftdüsenmaschine (2016): https://www.lindauerdornier.com/global/mediathek/brochures/weaving-machine/dornier-air-jet-type-a1-e.pdf
- ↑ Video über eine Luftdüsenwebmaschine: https://www.youtube.com/watch?v=0SAI1CE7-hg
- ↑ Beispiel einer Wasserdüsenmaschine (2016): http://www.toyota-industries.com/textile/products/weaving_lwt710/
- ↑ Video über Produktionshalle mit Wasserdüsenwebmaschinen https://www.youtube.com/watch?v=ziF0G0iqOGk
- ↑ Video über Wellenfachmaschine: https://vimeo.com/119275951
- ↑ Online Fachwissen scribd:https://de.scribd.com/doc/36359029/Developmemts-in-Weaving
- ↑ Video über rotierende Mehrphasenwebmaschine: https://vimeo.com/119276985
- ↑ Vortrag über die Entwicklung der Mehrphasenwebmaschinen (2010): http://ipek.hsr.ch/fileadmin/user_upload/ipek.hsr.ch/Newsroom/events/2010/1005_innovationstagung/gherzi_tops_flops_textilmaschinenbau.pdf
- ↑ Video: Arbeit der Rundwebmaschine: https://www.youtube.com/watch?v=2ZhEB7KXvt4
- ↑ Video: Produktionshalle mit Rundwebmaschinen: https://www.youtube.com/watch?v=VK5CV-kSUAY
- ↑ Video: Bandwebmaschine mit 3000 Umdrehungen / min.: https://www.youtube.com/watch?v=gbaMBgMP7l8
- ↑ Webmaschine für 16 Schussfarben: https://www.lindauerdornier.com/global/mediathek/prospekte/webmaschine/DORNIER_Greiferwebmaschine_P1.pdf
- ↑ Video: Frottierwebmaschinen im Betrieb: https://www.youtube.com/watch?v=HOFEuoF87s0
- ↑ T. Meyer zur Capellen: Lexikon der Gewebe, Deutscher Fachverlag, Frankfurt/Main 2001, S. 67–71, ISBN 3-87150-725-3
- ↑ Video: Arbeit einer Doppelplüsch-Webmaschine: https://www.youtube.com/watch?v=7RRM8TONMIQ
- ↑ Webmaschinen für Axminster-Teppiche: https://www.google.de/?gws_rd=ssl#q=axminster+carpet+weaving+machine
- ↑ Gandhi: Woven Textiles, Woodhead Publishing 2012, str. 264–313, ISBN 978-1-84569-930-7
- ↑ Prospekt über Gitterwebmashinen: http://www.schlatter.ch/de/webmaschinen-jaeger/downloads/6.102DE_BB_Gitterwebmaschine.pdf
- ↑ Prospekt über Drahtwebmaschinen: http://www.schlatter.ch/de/webmaschinen-jaeger/downloads/6.101DE_BB_Drahtwebmaschine.pdf