Überlichtgeschwindigkeit

Geschwindigkeit, die größer als die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit ist
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Als Überlichtgeschwindigkeit wird jede Geschwindigkeit bezeichnet, die größer als die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit ist. Ob sich Materie oder Information auch überlichtschnell (superluminar) ausbreiten kann, ist eine von vielen Physikern verneinte, aber noch nicht abschließend geklärte Frage. In Science-Fiction-Büchern und -Filmen werden Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit oft als Realität dargestellt, weil sonst interstellare Reisen viel zu lange dauern würden. Es gibt zwei Beobachtungen, die auf den ersten Blick superluminare Bewegungen zu bestätigen scheinen:

  1. Seit einigen Jahren werden im Universum Jets beobachtet, die sich superluminar von ihrem Ursprungsort zu entfernen entfernen scheinen.
  2. In der Universität Köln, und mittlerweile mehrfach durch andere überprüft, wurde nachgewiesen, dass es beim Tunneln von Photonen zu superluminaren Geschwindigkeiten kommen kann. Die Interpretation dieser Beobachtungen ist sehr kontrovers.

Einstein machte in seiner speziellen Relativitätstheorie die Annahme, dass sich Objekte mit einer von null verschiedenen reellen Ruhemasse nur langsamer als das Licht bewegen können. Superluminare Geschwindigkeiten sind aber nicht kategorisch ausgeschlossen, lediglich das Über- oder Unterschreiten der Lichtgeschwindigkeit ist für Objekte mit einer von null verschiedenen Ruhemasse nicht möglich. Theoretisch existiert ein superluminares Teilchen, das Tachyon, welches sich ausschließlich superluminar bewegt und eine imaginäre Ruhemasse hat. Es kann jedoch nicht mit Objekten unterhalb der Lichtgeschwindigkeit wechselwirken, daher können wir es weder direkt beobachten noch nachweisen, und es kann euch keine sonstigen Auswirkungen haben.

Scheinbar überlichtschnelle Objekte in der Astronomie

Im Weltall hat man einige scheinbar superliminare Jets entdeckt, z.B. in Quasaren. Die Bewegung eines solchen Jets in unsere Richtung erklärt dies als Projektionseffekt. Der Jet in der Galaxie M87 bewegt sich z.B. mit scheinbar sechsfacher Lichtgeschwindigkeit gegen den Hintergrund (also quer zur uns).

 
Erklärung scheinbarer Überlichgeschwindigkeit durch Projektionseffekte


Beispiel (links): Ein leuchtender Knoten im Jet im bewege sich mit fast Lichtgeschwindigkeit. Im linken Beispiel bewegt er sich im 45 Grad Winkel auf uns zu, also nach unten in Richtung Beobachter (rot). D.h. er hat nach einem Jahr 0.7 Lichtjahre vor dem Himmelshintergrund und 0.7 Lichtjahre in unsere Richtung zurückgelegt. Das Licht, das der Knoten am Anfang des Jahres aussendet, ist uns um ein Lichtjahr nähergekommen (blaue Linie). Das Licht das der Knoten am Ende aussendet, startet um 0.7 Lichtjahre näher an der Erde als das zu Beginn des Jahre. Wir messen das Licht aus Punkt zwei also nur 0.3 Jahre nach dem Licht aus Punkt eins (Unterschied beider violetter Linien auf der Hochachse). Gegen den Himmelshintergrund hat der Knoten aber 0.7 Lichtjahre zurückgelegt. Er bewegt sich also scheinbar mit mehr als zweifacher Lichtgeschwindigkeit.

Beispiel (rechts): Hier bewegt der Knoten sich im 60 Grad Winkel auf uns zu. Die Argumentation bleibt dieselbe, aber die Zahlen ändern sich: Der Jet hat nun zwischen zwei im Zeitraum von 0.15 Jahren gemessenen Positionen 0.5 Lichtjahre vor dem Himmelshintergrund zurückgelegt, also scheinbar mehr als dreifache Lichtgeschwindigkeit.

Je genauer der Jet sich auf uns zubewegt, um so höher sind die scheinbaren Quergeschwindigkeiten. Es ist nicht notwendig, in dieser Argumentation relativistische Effekte zu bemühen. In radialer Richtung, also auf uns zu oder von uns weg, sind keine Überlichgeschwindigkeiten beobachtet, da die beschriebenen Projektionseffekte hier natürlich nicht vorkommen.

Überlichtschnelle Effekte in der Quantentheorie

In der Universität zu Köln wurde der Effekt des superluminaren Tunnelns von Mikrowellenphotonen als erstes nachgewiesen und ist mittlerweile durch andere Gruppen nachgeprüft und bestätigt. Experimente mit Photonen anderer Wellenlänge, insbesondere mit sichtbarem Licht, haben stattgefunden und die Beobachtungen wurden auch hier bestätigt. Paradoxerweise wird in allen Experimenten festgestellt, dass sich eine superluminare Geschwindigkeit dann einstellt, wenn sich zwischen der Quelle und dem Detektor eine Barriere befindet welche die Photonen erst überwinden (durchtunneln) müssen. So tunneln Mikrowellen mit mehrfacher Lichtgeschwindigkeit durch viel zu kleine Hohlleiter, die eigentlich ein Widerstand für diese Photonen sein sollten.

Die Interpretation dieser Messungen als Informationsausbreitung mit Überlichtgeschwindigkeit ist aber keineswegs unumstritten. So kann man z.B. zeigen, dass ein Wellenzug beim Tunneln stärker im hinteren Teil gedämpft wird als im vorderen, so dass sich sein Intensitätsmaximum nach vorne verlagert. Definiert man die Lage des Maximums als Position des Wellenzuges, so kann man eine Überlichtgeschwindigkeit errechnen, ohne dass irgendein Teil des Wellenzuges mit Überlichtgeschwindigkeit vorangeschritten wäre.


Können wir damit in der Zeit zurückreisen?

Nach der heute weit verbreiteten Einsteinschen Interpretation der speziellen Relativitätstheorie würde Überlichtgeschwindigkeit Zeitreisen oder zumindest das Versenden von Nachrichten in die Vergangenheit ermöglichen. Der Zusammenhang zwischen Überlichtgeschwindigkeit und Zeitreise läßt sich aus den Eigenschaften der Lorentz-Transformation im Minkowski-Diagramm ableiten.

Da die spezielle Relativitätstheorie in Experimenten ausgezeichnet bestätigt ist, muss zumindest der mathematische Formalismus von Einsteins Arbeit akzeptiert werden. Dennoch sind, wie Hendrik Antoon Lorentz zeigte, auch andere Interpretationen möglich. Die Lorentzianische Interpretation der speziellen Relativitätstheorie macht z. B. für alle messbaren Grössen die gleichen Voraussagen wie Einstein. Lorentz setzt aber einen absoluten Raum voraus, in dem die Lichtgeschwindigkeit konstant c ist. Dadurch ist Überlichtgeschwindigkeit theoretisch erlaubt, wobei Zeitreisen nur in bewegten Systemen und nur bei gleichzeitiger räumlicher Verschiebung gegen die Bewegungsrichtung möglich sind.


  1. http://www.uni-koeln.de/~abb11: Dokumente von der Kölner Gruppe, die superluminares Tunneln von Mikrowellen entdeckt hat bzw. entdeckt haben will
  2. http://theory.gsi.de/~vanhees/faq/nimtz/nimtz.html: Argumente dagegen