Loutrophoros

antike griechische Vasenform
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 30. September 2016 um 19:36 Uhr durch Marcus Cyron (Diskussion | Beiträge) (Loutrophoren in der Seppulkralkultur der Athener). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Loutrophoros, Lutrophoros oder Loutrophore (Vorlage:ELSalt hē loutrophóros) ist eine besondere Form in der griechischen Feinkeramik. Sie zeichnet der charakteristische lange Hals mit den beiden besonders gearteten Henkeln aus.

Loutrophoros des Analatos-Malers, Louvre (CA 1960)

Die Loutrophoros wurde für das Aufbewahren des Wassers während des Heirats- wie auch des Begräbnisrituals genutzt und ist somit ähnlich den Lekythen oder dem Lebes Gamikos im von kultischer Bedeutung. Sie findet sich daher auch sehr zahlreich in den Gräbern unverheirateter Frauen. Die Loutrophoros wurde auch auf dem Grabstein selbst angebracht entweder als in Stein geformte Vase oder als Relief wie zum Beispiel auf einer Stele, die einen Panaitios aus dem Demos Hamaxanteia nennt.[1] Weitere Beispiele wurden auf dem Kerameikos in Athen gefunden.

Formen

Bei Loutrophoren handelt es sich um eine spezielle Form der griechischen Vasen. Sie zeichnen sich durch einen langen, schlanken Hals aus, haben einen voluminösen Gefäßkörper, einen weiten Mündungsteller und einen abgesetzten Fuß. Es lassen sich zwei Hauptformen der Loutrophoren unterscheiden. Dabei handelt es sich einerseits um die Amphoren-Loutrophoren, die wie Amphoren zwei seitliche Henkel besitzen. Die zweite große Formengruppe sind die Hydria-Loutrophoren, die wie Amphoren zwei seitliche Henkel besitzen, zudem aber wie Hydrien auch noch einen dritten Henkel an der Rückseite des Gefäßes.

Außerhalb der attischen Keramik wurden Loutrophen in der Variante der Amphoren-Loutrophoren in größerer Zahl nur noch in Apulien gefertigt. Diese erfuhren noch weitere Unterteilungen, wobei sich die Form dieser Unterteilung bei verschiedenen Forschern unterscheidet. Konsens scheint die Unterteilung in Gefäße mit eiförmigem (Typus I) und in Gefäße mit konkav-zylindrischem Körper (Typus II) zu sein, umstrittener ist die weitere Unterteilung anhand der Henkelformen. Die eiförmigen Loutrophoren treten in Varianten mit volutenartigen Henkeln (Variante I) sowie mit geraden Henkeln (Variante II) auf. Die zylindrische Form weist entweder Volutenhenkel (Variante I) oder gar keine Henkel (Variante II) auf. Die henkellose Form wird auch als Fass-Amphora, international auf englisch barrel-amphora, bezeichnet. Der Typus I erinnert stark an attische Marmorvorbilder in rundplastischer Form wie auch auf Reliefs, die jeweils als Grabschmuck dienten. Der zweite Typus wurde früher als Amphora gedeutet und auch so bezeichnet, später bezeichnete man ihn als Thymaterion-Vase, bis sich schließlich die Deutung als Loutrophore durchsetzte.[2]

Entwicklungsgeschichte und Verwendung

Die antiken Quellen sind zum Teil unklar. Die Bezeichnung Loutrophoros gilt sowohl für das Gefäß zum Holen des Badewassers für das rituelle Hochzeitsbad als auch für deSSen Träger. In den Demosthenes-Reden wird die Loutrophoros als Grabschmuck erwähnt, der darauf hinweise, dass die bestattete Person unverheiratet geblieben sei. Erst spätantike und mittelalterliche Quellen lassen sich darüber aus, dass Loutrophoren im Zusammenhang mit dem Status als Hochzeitsgefäß stehen. Somit stehen sie für den rituellen Vollzug der Hochzeit und des Brautbades der Verstorbenen, die im Leben niemals die Möglichkeit zur Heirat hatten. Der Begriff wird bei Iulius Pollux auch ausdrücklich auf die jugendlichen Träger der Gefäße angewandt.[3]

Die ersten Hydria-Loutrophoren wurden gegen Ende des 8. Jahrhunderts v. Chr. in Athen hergestellt. Etwas später, um 690 v. Chr., wurden die ersten Amphora-Loutrophoren ebenfalls in Athen gefertigt. Es scheint, dass sich beide Formen unabhängig voneinander entwickelten. Die Hydria-Loutrophoren waren wohl eine spezielle, kostbare Form der Hydria, während sich die Amphora-Loutrophore wahrscheinlich aus den für den Grabschmuck verwendeten älteren Amphorenformen entwickelt hatte. Das sollte auch Einfluss auf den Gebrauch der beiden Formen in Athen haben.[4]

Paul Wolters ging noch davon aus, dass beide Formen gleichwertig nebeneinander standen und dieselbe Bedeutung hatten und dieselbe Verwendung fanden.[5] Gerit Kokula meinte, Hydria-Loutrophoren seien rituelle Gefäße im Zusammenhang mit der Braut, Amphora-Loutrophoren aber im Zusammenhang mit dem Bräutigam. Ingeborg Scheibler teilt diese Sicht im Neuen Pauly ebenso wie Charikleia Papadopoulou-Kenellopoulou,[6] Rosmarie Mösch-Klingele kam in ihrer Dissertation zum Schluss, dass beide Formen unterschiedliche Verwendung fanden. Die Hydria-Loutrophoren fanden ihrer Ansicht nach praktische Verwendung im Hochzeitsritual der Athener, während die Amphora-Loutrophoren von sepulkraler Bedeutung waren. Sie wurden entweder Verstorbenen als Grabbeigabe mitgegeben, wurden als Grabschmuck verwendet, oder aber fanden etwa ab Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. mit schwarzfiguriger Bemalung Verwendung als Votivgabe im Heiligtum der Nymphe auf der Akropolis von Athen.[7] Amphoren-Loutrophoren finden sich frühestens um 575 v. Chr. im Heiligtum. Aufgrund der Zerstörung der Anlage durch Bauten aus spätrömischer Zeit und des völligen Fehlens schriftlicher Quellen kann allerdings nichts zum Kult und der Verwendung der Vasen im dortigen Kult gesagt werden. Da es sich aber um ein Quellheiligtum handelt, ist der Bezug zur aus der zum Wasser tragen benutzten Hydria entlehnten Variante klar erkennbar, da der Name loutrophoros und damit der Bezug zum Brautbad ohnehin erst später aufkommt. Zudem wurde das Wasser für die Hochzeit traditionell aus heiligen Quellen gewonnen.

Das Heiligtum der Nymphe wurde 1955 entdeckt und anschließend bis 1959 in mehreren Grabungskampagnen erforscht. Vorherrschend sind hier bis etwa 480 v. Chr. schwarzfigurige Hydria-Loutrophoren, doch auch Amphora-Loutrophoren sind nicht selten. Beide Formen waren im Laufe der Zeit nicht gleichmäßig viel in Benutzung, die Menge der einzelnen Formen konnte variieren. Nach 480 v. Chr. bis zum Auslaufen etwa 30 Jahre später herrschen Vasen des rotfigurigen Stils vor. Papadopoulou-Kenellopoulou publizierte 1997 etwa 500 der schwarzfigurigen Vasen. Der Großteil der Loutrophoren wurde im 6. Jahrhunderts v. Chr. produziert und erreichte in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts den Höhepunkt. Ab etwa 500 v. Chr. geht die Produktion solcher Vasen stark zurück.[8]

Loutrophoren als Teil des attischen Hochzeitsbrauches

Die ersten Hydria-Loutrophoren waren in ihrer Form noch nicht ausgereift und wiesen noch große Ähnlichkeit zu Hydrien auf. Demnach ist die Loutrophoros als Vasenform jünger als das Ritual des Wasserholens für die Hochzeit.[9] Spät einsetzende schriftliche Quellen zu Hochzeitsbräuchen, etwa von Thukydides, besagen dass in Athen das Wasser für das Hochzeitsbad aus dem Brunnen Enneakrunos, gespeist aus der Quelle Kallirrhoë, geholt wurde.[10] Nach Analyse der Vasenbilder auf Loutrophoren, die häufig Bilder mit Hochzeitsszenen und dabei auch häufig Loutrophoren zeigen, meint Mösch-Klingle nachweisen zu können, dass im Zusammenhang mit dem Hochzeitritual einzig Hydria-Loutrophoren Verwendung fanden.[11] Sie meint zudem, dass gerade diese Vasen als eines der Symbole der Eheschließung, der Zusammenführung von Mann und Frau anzusehen sei, weshalb es im Rahmen der Hochzeit nur eine dieser Vasen gab, was die Vasenbilder bestätigen würden, und deshalb eine Unterteilung der Loutrophorenformen in eine für Männer und eine für Frauen nicht haltbar sei.[12]

Die Weihung der Loutrophoren im Heiligtum der Nymphe ist dann offenbar nach der Hochzeit vorgenommen worden und war dann zumindest in der Zeit vor Kleisthenes, der weitere Elemente für eine rechtskräftige Ehe einführte, ein elementarer Bestandteil für die Rechtsgültigkeit einer Ehe. Möglich ist aber auch, dass es keine Pflicht zum Erwerb und zur Weihung einer Loutrophore gab und dies einzig privater Absprachen zwischen den Familien der Heiratenden entsprang. Stimmen Mösch-Klingles Annahmen, währe die Weihung ebenso wie die Schaffung einer eigenen Vasenform für das Wasserholen des rituellen Brautbades als ein Teil einer sich verfestigenden Ritualisierung der Hochzeit zu sehen, in einer Gesellschaft die keine offiziellen Formen der Eheschließung, seien sie staatlich oder religiös begründet, besitzt. Die Weihung im Heiligtum der Nymphe dauert etwa 250 Jahre, bis etwa um 400 v. Chr. an. Für die Zeit vor 650 v. Chr. gibt es nur vereinzelte Funde von Loutrophoren in Attika, außerhalb Attikas abgesehen von der unteritalischen Eigenproduktion gibt es über den gesamten Zeitraum kaum Funde dieser Vasengattung. Hydria-Loutrophoren, das Hochzeitsbad und die Weihung im Heiligtum der Nymphe waren somit eng miteinander verbunden, bedingten einander.[13] Unklar ist, ob sich der Kult auf die Stadt Athen beschränkte, ob er das direkte Umland einschloß oder gar die Weihung dieser Vasen den ganzen Kulturkreis der attischen Polis umfasste und somit ein gemeinsames Kultverhalten mit einem zentralen Kultzentrum abzulesen ist.[14]

Für Mösch-Klingles These spricht auch, dass sich unter den etwa 500 durch Papadopoulou-Kenellopoulou publizierten schwarzfigurigen Hydria-Loutrophoren, von denen aufgrund des Erhaltungszustandes nicht alle einer der beiden Formen zugeordnet werden können oder auch nur bei allen die Bilder aussagekräftig genug wären, um alle 500 Vasen dahingehend beurteilen zu können, mindestens 31 befinden, die nicht reine Frauenszenen zeigen, sondern auch Männer. Ein Teil dieser Bilder läßt keine genaue Interpretation zu, der andere Teil zeigt eindeutig Hochzeitsszenen. Auf rotfigurigen Hydria-Loutrophoren kommen Männer nicht vor. Nun, im 5. Jahrhundert v. Chr., wird vor allem der konkrete Raum des oikos, nicht mehr das Ritual der Hochzeit, gezeigt. Gezeigt wird viel mehr die Braut umgeben von anderen Frauen bei der Vorbereitung der Hochzeit, Männer als Bürger kommen generell in der Vasenmalerei dieser Zeit kaum im privaten Umfeld vor. Einzig bei den rotfigurigen Amphora-Loutrophoren steht der Bräutigam im Zentrum der Darstellung. Eine Deutung dieser Szenen steht noch aus.[15]

Loutrophoren in der Seppulkralkultur der Athener

Schwarzfigurige Loutrophoren mit der Darstellung der Prothesis setzen in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts ein, seit etwa 530 v. Chr. erreicht sie eine kanonische Form, die nur wenig variiert wird: auf der Vorderseite ist der Tote auf eine Kline mit den Füßen nach links aufgebahrt. Der Tote wird von klagenden Frauen umgeben, manchmal auch von Kindern, nie aber von Männern. Diese sind auf der anderen Seite der Loutrophore während ihrer zeremoniellen Klage dargestellt. Männer und Frauen trauerten in archaischer Zeit nicht gemeinsam. Es kam vor, dass Inschriften auf der Vase das Verwandtschaftsverhältnis der Klagenden zum Toten zeigte, was allerdings nicht als echte individuelle Porträtierung der Klagenden wie der Toten verstanden werden darf. Oftmals wird unter dem Hauptbild ein Fries thrakischer Reiter gezeigt, die offenbar als würdiges Totengeleit gelten sollen. Loutrophoren mit Prothesisszenen wurden, soweit die Fundorte der einzelnen Vasen bekannt sind, einzig in Attika gefunden. Solche Szenen hatten klare Beziehungen zum realen Leben. Es gibt keine attischen Vasenbilder mit mythischen Prothesisszenen, somit zeigten solche Darstellungen den Stellenwert der Dargestellten in der attischen Gesellschaft. Ihren Höhepunkt erreichen diese Darstellungen auf Amphora-Loutrophoren in den letzten Jahrzehnten des 6. Jahrhunderts v. Chr. mit einer nochmaligen Spitze um die Jahrhundertwende zum 5. Jahrhundert v. Chr. Danach nimmt die Zahl solcher Darstellungen wieder so rapide ab, wie sie zuvor anwuchs. Für ihre Arbeit zu den Grabtafeln des Exekias stellte Heide Mommsen 86 schwarzfigurige Loutrophoren mit Prothesis-Darstellungen zusammen, ging aber davon aus, dass diese Zusammenstellung nicht vollständig ist. Durchweg sind die dargestellten Verstorbenen auf diesen Vasen, so man das Geschlecht feststellen kann, männlich. Da keiner der Verstorbenen als Krieger gezeigt wurde, kann man davon ausgehen dass die Gefäße im Zusammenhang mit dem privaten Grabkult standen, in anderer Form geehrt.[16]

Die Prothesis-Darstellungen werden in geringerer Zahl auch im rotfigurigen Stil weiter hergestellt. Daneben treten nun in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. auch Darstellungen von Kriegern, die sich zur größten Gruppe im funeralen Bereich neben den schwarzfigurigen Vasen mit Prothesis-Darstellungen entwickeln. Sie werden zumeist Krieger-Loutrophoren genannt, abgewandelt von John D. Beazleys Begriff der Battle-Loutrophoros. Diese thematische Wandlung folgt einerseits der generellen Wandlung bei den Themen der attischen Vasenmalerei, andererseits spiegelt sie auch die politische Entwicklung in Athen, die Einführung eines Staatsbegräbnisses für Gefallene Bürger, wieder. Die im zweiten Viertel des 5. Jahrhunderts v. Chr. einsetzende Produktion läuft etwa bis zum Ende des Jahrhunderts. Häufig sind die Darstellungen von Hopliten. Somit verschiebt sich die Darstellung und damit wohl auch die Nutzung vom privaten in den öffentlichen Bereich. Wurde der Tote bei der zumeist schwarzfigurigen Prothesis noch als gestandener Bürger am Ende eines erfüllten Lebens gezeigt, zeigen die Vasenmaler nun bei den rotfigurigen Kriegerdarstellungen in heroisierender Überhöhung den Verlust potentieller Bürger für die Polis. So wurden Krieger-Loutrophoren auch in Staatsgräbern gefunden.[17]

Wenn getöpferte Loutrophoren als Grabdenkmale verwendet wurden, war häufig ihr Boden durchschlagen, womit sie einerseits für die praktische Nutzung unbrauchbar wurden, zum Anderen auch Opferspenden aufnehmen und in das Grab leiten konnten. Wenn Loutrophoren Verstorbenen als Grabbeigabe mitgegeben wurden, handelte es sich hier um vor der Hochzeit verstorbene Personen beiderlei Geschlechts, die die Hochzeitsrituale noch nicht vollzogen hatten. Die Beigaben sollten als Ersatz dafür dienen. Auch die marmornen Grabdenkmale spätklassischer Zeit, ob in Relief- oder rundplastischer Form, zeigen zumeist Amphora-Loutrophoren. Zudem sind sie oftmals von Hydria-Loutrophoren kaum zu unterscheiden. Grund für die Übertragung der Form aus dem eher preiswerten Material Keramik zum weitaus teureren Marmor war das gesteigerte Repräsentationsbedürfnis der Zeit. Sie konnten enorme Höhen bis zu zwei Metern herreichen. Häufig wurden sie gemeinsam mit Grabreliefs und Lekythen aufgestellt. Somit waren sie einerseits Zeichen der Erinnerung, andererseits aber auch Zeichen des sozialen Prestiges der Familie des Verstorbenen.[18] Auf dem Kerameikos-Friedhof von Athen haben sich einige bemerkenswerte Beispiele erhalten, so etwa die Loutrophoros des Hegetor oder die Loutrophoros des Olympichos.

Loutrophoren in Apulien

Literatur

Commons: Loutrophoroi – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Ursula Knigge: Der Kerameikos von Athen. Führung durch Ausgrabungen und Geschichte. Krene-Verlag, Athen 1988, S. 154 mit Abb. 151b; Christoph W. Clairmont: Classical Attic Tombstones. Band 2: Catalogue (2.000 – 2.999). Akanthus – Verlag für Archäologie, Kilchberg 1993, S. 652–653, Nr. 2710.
  2. Hildebrandt 96
  3. Iulius Pollux 8,66
  4. Mösch 33
  5. Wolters
  6. Kokula, Scheibler, Papadopoulou
  7. Mösch 1
  8. Mösch 47
  9. Mösch 33
  10. Thukydides 2,15,5
  11. Mösch 33
  12. Mösch 37
  13. Mösch 37-38
  14. Mösch 38
  15. Mösch 70–73
  16. Mösch 49-59
  17. Mösch 56-63
  18. Hildebrandt 96