Santo Domingo de los Colorados ist eine Stadt in Ecuador. Sie hat offiziell (1. Januar 2005) 238.325 Einwohner und ist damit die viertgrößte Stadt des Landes und die zweitgrößte Stadt der Provinz Pichincha. Sie ist seit 1967 Hauptstadt des Kanton Santo Domingo und seit 1996 Sitz des katholischen Bistums Diocesis Coloratensis.
Geografie und Urbanisierung
Santo Domingo de los Colorados liegt auf 600 m Höhe am Fuß der Westanden. In seiner Umgebung finden sich tropischer Regenwald und zahlreiche Plantagen tropischer Erzeugnisse. Das Klima ist bei Tagesdurchschnittstemperaturen von ca. 25° C von hoher Luftfeuchtigkeit und Niederschlagsmenge geprägt, die Santo Domingo den Beinamen „Stadt des ewigen Nieselregens“ eingebracht haben. In den Regenwäldern und Naturschutzgebieten der Umgebung leben Hunderte von tropischen Vogel- und Schmetterlingsarten.
Santo Domingo liegt 79 km westlich von Quito in der Provinz Pichincha, an deren Grenze zu den Provinzen Cotopaxi (Südosten), Los Ríos (Südwesten), Manabí und Esmeraldas. Seit der Fertigstellung der 130 km langen Straße nach Quito (1947), die einen Höhenunterschied von mehr als 2.200 Metern überwindet, ist Santo Domingo ein Verkehrsknotenpunkt, über den man von der nördlichen Sierra Ecuadors die Küstenprovinzen Esmeraldas, Manabí und Guayas erreichen kann.
Diese Straße ist auch verantwortlich für das enorme Wachstum Santo Domingos seit den 1940er Jahren, da sie einen Zustrom von Siedlern und das Entstehen offizieller, aber auch unkontrollierter und mangelhaft erschlossener Ansiedlungen (invasiones) mit sich brachte und noch immer bringt, worunter mitunter die Natur und die Ureinwohner des Gebietes, die Colorados/Tsáchilas, sehr gelitten haben. Wahrscheinlich mehr als 80 % der Einwohner der Stadt stammen nicht aus der Provinz Pichicha, sondern aus anderen Landesteilen (Provinzen Manabí, Loja, Bolívar, Tungurahua, Chimborazo) und dem Süden Kolumbiens.
Nach Schätzungen liegt die Einwohnerzahl weit über der offiziell angegebenen zwischen 300.000 und 500.000 Menschen.
Geschichte
Stadt und Kanton
Santo Domingo de los Colorados ist ein Melting-Pot, der erst seit den 1930er und 1940er Jahren durch den Bau und den Verkehr von Straßen, die von Quito an die Küste führen und sich in Santo Domingo verzweigen und große Migrantenströme anzogen, zur Stadt geworden ist.
In der Kolonialzeit gehörte die wenige besiedelte Gegend um das heutige Santo Domingo zur Provincia de Yumbos der Real Audiencia de Quito. Die Bezeichnung Santo Domingo für das Gebiet entstand vermutlich um 1660 im Zuge von Missionsbemühungen der Dominikaner. 1861 wurde als Verwaltungseinheit das ländliche Kirchspiel (parroquia rural) Santo Domingo eingerichtet. Unter der Regierung des Diktators Gabriel García Moreno begann 1871 die Anlage eines Transportweges nach Manabí, der über Santo Domingo führte und die erste Einwanderungswelle mit sich brachte, die vor allem aus Tagelöhnern, Gummizapfern und Arbeitern für Straßenbau und Haciendas bestand. Als Gründungsdatum Santo Domingos wird manchmal der 29. Mai 1883 genannt, an dem das Kirchspiel vom Kanton Quito in die Oberherrschaft des neu eingerichteten Kantons Mejía überwechselte.
1899 wurde das Pueblo de Santo Domingo de los Colorados gegründet und damit die erste offizielle Siedlerkolonie. Während der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts hatte diese jedoch nicht mehr als 500 Einwohner.
In den 1930er und 1940er Jahren kam ein seit 1919 betriebenes weiteres Straßenbauprojekt zum Abschluss: 1947 wurde die Straße von Quito über Aloag nach Santo Domingo fertiggestellt, die 1949 in Esmeraldas die Küste erreichte.
Seit den 1950er Jahren wuchs die Stadt darüber hinaus, da die Regierung nach einer Dürreperiode in der südlichen Andenregion die Ansiedlung von dort ihrer Lebensgrundlage beraubten Bauern in der Umgebung von Santo Domingo betrieb. So konnte auch eine umfassendere Landreform in der Sierra umgangen werden.
Santo Domingo entwickelte sich schnell zu einem Zentrum der lokalen Land- und Plantagenwirtschaft, die vor allem von der in den 1960er Jahren weltweit steigenden Nachfrage nach Bananen und Palmöl profitierte.
Am 3. Juni 1967 wurde der Kanton Santo Domingo auf einer Fläche von 3.857 km² als Verwaltungseinheit der Provinz Pichincha eingerichtet.
1987 wurde in Santo Domingo durch die Römisch-Katholische Kirche eine Apostolische Präfektur eingerichtet, die 1996 zum eigenen Bistum aufstieg, das zum Erzbistum Portoviejo gehört. Der erste Bischof war der (heute emeritierte) Deutsche Emil(io) Stehle.
Die Colorados/Tsáchilas
Der Namensbestandteil de los Colorados leitet sich von der indigenen Gemeinschaft der Colorados her, die sich selbst als Tsáchilas („wahre/echte Menschen“) bezeichnen. Die Tsáchilas sind eine der wenigen präinkaischen Kulturen, die noch existieren. Durch die Ausbreitung Santo Domingos und Anpassung an das Stadtleben durch viele Angehörige ist ihre Kultur aber vom Aussterben bedroht. Derzeit gibt es noch etwa 200 Familien, die auf mehr oder weniger traditionelle Art auf ca. 8.000-10.000 Hektar Regenwald leben. Für das Land erhielten sie 1978 offizielle Besitztitel, die aber bei illegalen Landbesetzungen durch Neusiedler (invasiones) nur schwer durchgesetzt werden können.
Die Bezeichnung Colorados (span. für „Gefärbte“/„Bunte“) rührt daher, dass sich vor allem die Männer traditionell mit Farbstoffen aus Achiotesamen die Haare rot färbten. Diese Tradition hat aber heute stark an Bedeutung verloren und wird fast nur noch von Gemeinden gepflegt, die regelmäßig von Touristen besucht werden. Auch die traditionelle Kleidung mischt sich zunehmend mit „westlicher“ Importware.
Die Tsáchiles sprechen eine eigene Sprache, das Tsafiki, das mit dem cha'palaachi der benachbarten Chachi verwandt ist und von manchen Forschern zur (umstrittenen) Sprachfamilie des Chibcha gerechnet wird. Tsafiki/Colorado hat den Sprachcode sai nach ISO 639-2 und COF nach SIL.
Die meisten Tsáchiles sind heute römisch-katholisch, ihre traditionelle Kosmovision kannte jedoch einen Gott, der die Sonne geschaffen hatte (Pipowa), und eine Göttin, die als Schöpferin der Berge, Felder, Flüsse und Meere über die Landwirtschaft und Fischerei wachte (Mapiyan).
Die Vorfahren der Tsáchilas, die von den Cara/Yumbo/Chibcha abstammen, lebten weiter südlich. Wahrscheinlich als Auswirkung der Kriegszüge der Inka gegen das Shyrireich im 15. und der Spanier gegen die Inka im 16. Jahrhundert sowie aufgrund einer Pockenepidemie zogen sich ihre Vorfahren in die abgelegene Gegend um das heutige Santo Domingo zurück.
In der Kolonialzeit waren sie tributpflichtig und leisteten ihre Abgaben in Naturalien, unter anderem in Wachs, das für die Kirchen Quitos in Form von Kerzen von großer Bedeutung war. 1660 bat ihr Häuptling um Tributaufschub, da sie unter den Folgen eines Ausbruch des Vulkans Pichincha sehr litten.
Heute leben diejenigen Tsáchilas, die sich nicht dem Leben in Santo Domingo angepasst haben, vor allem von der Landwirtschaft (Bananen, Kaffee, Mais und Yuka) und arbeiten in einigen Fällen als Fremdenführer durch die artenreichen Wälder.
In Santo Domingo selbst erinnern heute vor allem die Namen von Hotels, Straßen und Plätzen sowie ein großes Eisendenkmal für die Colorados im Zentrum eines Kreisverkehrs westlich der Innenstadt an die Tsáchilas.
Nach einem Bericht der Journalistin Charlotte Hahner soll Johannes Rau aufgrund der deutschen Finanzierung eines Brückenbauprojekts zum Ehrenhäuptling ernannt worden sein [1].
Wirtschaft und Infrastruktur
Santo Domingo de los Colorados ist vor allem Umschlagplatz der örtlichen Plantagenwirtschaft, bevor deren Produkte in die Großstädte des Landes und ins Ausland transportiert werden. Hauptanbauprodukte derselben sind Bananen, Palmöl, Zuckerrohr, Kaffee, aber auch Früchte wie Ananas, Papaya, Maracuja und tropische Blumen.
Auch die Vieh- und Milchwirtschaft hat in den letzten Jahrzehnten einen deutlichen Aufschwung erfahren und nimmt heute mehr als 50 % der Fläche des Kanton Santo Domingo in Anspruch.
Santo Domingo ist noch immer die am schnellsten wachsende Stadt Ecuadors und zeigt die Ansichten der raschen Urbanisierung von Städten in Entwicklungsländern: die Siedlung erfolgt oft unkontrolliert und illegal, ist mit Naturzerstörung verbunden und führt zu Vierteln ohne oder mit nur sehr grundlegender Infrastruktur. Die Arbeitslosigkeit bzw. Unterbeschäftigung ist hoch, so dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Bevölkerung sich dem Straßen- und Kleinhandel widmet.
In der Stadt befindet sich seit 1986 ein Campus der Universidad Tecnológica Equinoccial (Quito). Dort werden vor allem Agrarökonomie, Landwirtschaftstechnik, Forstwirtschaft, Elektrotechnik und Betriebswirtschaftslehre unterrichtet.
Sehenswürdigkeiten
Santo Domingo selbst bietet eher den Anblick einer unordentlichen, unattraktiven, schnell wachsenden frontier city und ist damit touristisch von geringem Interesse.
Der Tourismus ist vor allem ökologischer Art: Auf dafür eingerichteten Haciendas und in Naturreservaten in der Umgebung sind besonders Vogel- und Schmetterlingsbeobachtung sowie Fischen beliebte Aktivitäten.