Strategem

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Ein Strategem (auch Strategema oder Stratagem) beschreibt eine List, einen Trick oder einen manipulativen Kunstgriff im politischen, militärischen oder privaten Leben. Bekannt sind insbesondere die Sechsunddreißig Strategeme, die dem chinesischen General Tan Daoji († 436) zugeschrieben werden. Das Wort Strategem kommt aus dem altgriechischen und bezeichnet dort die Feldherrentätigkeit (stratos = Heer, agein = führen).

Strategeme in China

In China wird das Durchschauen und Anwenden von List hoch geachtet und gepflegt. Chinesische Autoren haben unterschiedliche Überlistungstechniken benannt und systematisiert. Dies steht im Gegensatz zur europäischen Tradition, die die Anwendung von Listen und Täuschungen ächtete.

Strategeme spielen bereits in Sunzis Werk Sunzi Bingfa (Sūnzi bīngfǎ) über die Kriegskunst (etwa 500 vor. Chr.) eine wichtige Rolle. Besonders bekannt sind in China die Sechsunddreißig Strategeme, die auf General Tan Daoji († 436) zurück gehen sollen. Schriftlich wurden sie durch das Traktat Sanshiliu Ji. Miben Bingfa (Die 36 Strategeme - Geheimbuch der Kriegskunst, entstanden um 1500) überliefert. Der Verfasser ist namentlich nicht bekannt, wurde jedoch vermutlich von Zhao Benxue einem Militärhistoriker aus der Ming Zeit (1368-1644) oder einem seiner Schüler beeinflusst.

Die 36 Strategeme sind in eine Vielzahl von Geschichten über militärische, diplomatische und private Themen eingeflossen. Hierzu gehören u. a. die Geschichten um Zhuge Liang, Cao Cao und Liu Bei.

Die 36 Strategeme

Die 36 Strategeme lauten:

  1. Den Himmel (d. h. den Kaiser), täuschen und das Meer überqueren. Der Kaiser soll gegen seinen Willen dazu gebracht werden, das Meer zu überqueren, indem man ihn in ein Haus am Meer einlädt, das in Wirklichkeit ein Schiff ist. = Zieltarnung und Kursverschleierung
  2. Wei, die ungeschützte Hauptstadt des Staates, belagern, um Zhao, den durch die Streitmacht des Staates Wei angegriffenen Bündnispartner, zu retten. Angriff auf ein wichtiges bzw. empfindliches Ziel des Gegners, um von dem eigenen abzulenken. Das Strategem beruht auf einem realen Kriegszug des Reiches Qi auf Rat des des Militärstrategen Sun Bin in der Zeit der streitenden Reiche.
  3. Mit dem Messer eines anderen töten. Einen Stellvertreterkrieg führen lassen; einen Strohmann benutzen.
  4. Ausgeruht den erschöpften Feind erwarten.
  5. Eine Feuersbrunst für einen Raub ausnützen. Chaos erzeugen und für den Angriff ausnutzen.
  6. Im Osten lärmen, im Westen angreifen. Scheinangriff
  7. Aus einem Nichts etwas erzeugen.
    1. pausenlose Fehlalarme, die zu nachlassender Aufmerksamkeit führen,
    2. das Vorgaukeln eines Trugbildes für einen Vorteilsgewinn oder Gesinnungswandel nutzen
    3. diffamieren, Gerüchte streuen, aus einer Mücke einen Elefanten machen
  8. Sichtbar die Holzstege instand setzen, insgeheim nach Chencang marschieren.
    1. die Marschrichtung verschleiern,
    2. die ungewöhnliche Absicht, Kritik hinter normalem, unverfänglichen Tun verbergen.
  9. Wie unbeteiligt die Feuersbrunst am gegenüberliegenden Ufer beobachten. Eigene Aktionen unterlassen, bis sich die Lage zum eigenen Vorteil entwickelt hat.
  10. Hinter dem Lächeln den Dolch verbergen.
  11. Den Pflaumenbaum an Stelle des Pfirsichbaums verdorren lassen.
    1. sich selbst opfern, um andere zu retten
    2. den anderen opfern, um sich selbst zu retten
    3. irgendjemanden opfern, um einen Dritten zu retten
    4. ein kleines Opfer bringen, um etwas Wertvolles zu gewinnen
  12. Mit leichter Hand das einem unerwartet über den Weg laufende Schaf geistesgegenwärtig wegführen. Die Gelegenheit beim Schopf packen.
  13. Auf das Gras schlagen, um die Schlangen aufzuscheuchen. Auf den Busch klopfen, einschüchtern, provozieren.
  14. Für die Rückkehr der Seele einen Leichnam ausleihen. Etwas Gefürchtetes, Geliebtes, Traditionelles zwecks Einschüchterung bzw. Ermutigung wieder aufleben lassen.
  15. Den Tiger vom Berg in die Ebene locken. aufs Glatteis führen
    1. den Tiger aus dem vertrauten Terrain weglocken um ihn leichter zu erlegen
    2. den Tiger weglocken um sich seines leichter zu verteidigenden Berges zu bemächtigen
    3. den Tiger schwächen, indem man seine wichtigsten Helfer entfernt
    4. die Kinder des Tigers fangen, wenn der weggelockt ist
  16. Will man etwas fangen, muss man es zunächst loslassen.
  17. Einen Backstein hinwerfen, um einen Jadestein zu erlangen Mit der Wurst nach der Speckseite werfen; ködern
  18. Will man eine Räuberbande unschädlich machen, muss man deren Anführer fangen.
  19. Unter dem Kessel das Brennholz wegziehen. Das Wasser abgraben; dem Gegner die Ressourcen entziehen
  20. Das Wasser trüben, um die ihrer klaren Sicht beraubten Fische zu fangen. Im Trüben fischen; Desorientierung nutzen um Anhänger zu gewinnen.
  21. Die Zikade entschlüpft ihrer goldglänzenden Hülle. Alle falschen, zu strategischen Zwecken ersonnenen Äußerlichkeiten hinter sich lassen. Wie die Haut der Zikade bleibt die Fassade intakt, doch das eigentliche Geschehen spielt sich nun anderenorts ab.
  22. Die Türe schließen und den Dieb fangen.
  23. Sich mit dem fernen Feind verbünden, um den nahen Feind anzugreifen.
  24. Einen Weg durch Yu für einen Angriff auf Guo ausleihen, um danach ebenfalls Yu zu erobern.
  25. Ohne Veränderung der Fassade eines Hauses die Tragbalken stehlen und die Stützpfosten austauschen. anderen die Spitzenkräfte abwerben; eine Mogelpackung präsentieren
  26. Die Akazie scheltend auf den Maulbeerbaum zeigen. Den Sack schlagen und den Esel meinen
  27. Verrücktheit mimen
  28. Auf das Dach locken, um dann die Leiter wegzuziehen.
  29. Dürre Bäume mit Blumen schmücken.
  30. Die Rolle des Gastes in die des Gastgebers umkehren. Die Position des Gegners ursupieren
  31. Das Strategem der schönen Frau
  32. Das Strategem der leeren Stadt. Einen Hinterhalt vortäuschen, der die eigene Schwäche verschleiert
  33. Das Strategem des Zwietracht-Säens
  34. Das Strategem des leidenden Fleisches sich selbst verletzen um Mitgefühl zu erregen
  35. Das Ketten-Strategem. zwei oder mehrere Strategeme verknüpfen
  36. Rechtzeitiges Weglaufen

Andere Strategeme

In der Antike kursierten wohl eine Reihe von Schriften mit Strategemsammlungen. Davon sind jedoch alle bis auf zwei verloren gegangen. Die ältere der beiden verfasste der römische Staatsmann und Feldherr Sextus Iulius Frontinus (* um 40, † 103) als Ratgeber für Offiziere. Die zweite stellte der griechische Rhetor (Redner) und Anwalt Polyänus (* um 100) zusammen.

Kunstgriffe aus europäischen Fürstenspiegel lassen sich als Strategeme lesen, wie etwa die Ratschläge aus Machiavellis Der Fürst. Ebenso lassen sich die von Arthur Schopenhauer aufgeführten Kunstgriffe seiner Eristischen Dialektik als Strategeme auffassen.

Im arabischen Raum finden sich ein halbes Dutzend Abhandlungen, die sich mit Listen im (derzeit angewendeten) islamischen Recht beschäftigen. Zudem existiert ein allgemeineres Werk namens Raqa´iq al-hilal fi daqa´iq al-hiyal aus dem 15. Jahrhundert. Ein weiteres stammt von dem Sizilianer Ibn Zafer aus dem 12. Jahrhundert. Ihm steht das indische Lehrbuch Arthacatsra von Kautilya (4. Jahrhundert v. Chr.) gegenüber.

Literatur

  • Frontin(us, Sextus Iulius): Kriegslisten. Lateinisch und Deutsch von Gerhard Bendz. 2. durchges. Aufl. Berlin, 1978.
  • Greene, Robert: Power - Die 48 Gesetze der Macht, dtv, ISBN 3-423-36248-0
  • Polyaenus: Strategems of war. Edited and translated by Peter Krentz and Everett L. Wheeler. 2 Volumes. Chicago, 1994.
  • Senger, Harro von: Strategeme, Die berühmten 36 Strategeme der Chinesen - lange als Geheimwissen gehütet, erstmals im Westen vorgestellt, Scherz, ISBN 3-502-15660-3.
  • Senger, Harro von: Strategeme. Lebens- und Überlebenslisten aus drei Jahrtausenden, 10. Aufl. Bern, München, Wien: Scherz 2000

Siehe auch

Taktik (Militär), Liste militärischer Taktiken, Geschichte der militärischen Taktiken, Überraschung, Verteidigung, Angriff, Manöver, Sicherheit,

Kooperation, Konzentration, Ökonomie, Einfachheit