Geschichte Uruguays

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Die Geschichte Uruguay ist geprägt von Kämpfen, zuerst gegen die Spanier, dann gegen die Versuche der Annektierung der beiden grossen Nachbarn Argentinien und Brasilien. Mit der Unabhängigkeit begann eine Zeit der Bürgerkriege zwischen Colorados und den Blancos. Nachdem sich das Land konsolidiert hatte, ist das Land bis heute (mit Ausnahme der Zeit der Militärdiktatur von Juni 1973 bis Februar 1985) eine stabile Demokratie.

Flagge Uruguays

Vor der Ankunft der Europäer

 
Indianer am Río de la Plata von Hendrick Ottsen, 1603.

Es wird geschätzt, dass die fruchtbaren Gebiete des heutigen Uruguay seit etwa 7000 v. Chr. durch Menschen besiedelt wurden, die nomadisch in kleinen Gruppen lebten. Die Besiedelung war jedoch aufgrund von Klimaänderungen sehr dünn. Diese Ureinwohner, die als Fuéguidos, Láguidos und Pámpidos bezeichnet werden, begannen um etwa 2000 v. Chr. mit der Herstellung von einfachen Steinwerkzeugen. Sie errichteten Hügelgräber, die einen Durchmesser von 40 m hatten und zwei bis sieben Meter hoch waren und organisierten sich in Gruppen von etwa 20 Personen um diese Gräber.

Das erste Volk, welches sich als solches herauskristallisierte, waren die Charrúas. Man hat erste Spuren einer fortgeschritteneren Zivilisation, die Fischerei und Landwirtschaft betrieb und Keramik kannte, gefunden. Da die Schrift bei diesem Volk unbekannt war, ist von den Charrúas heute so gut wie nichts bekannt.

Die Kolonialzeit

Wann die Mündung des Río de la Plata (des "Silberflusses") und damit auch Uruguay zum ersten Mal von Europäern entdeckt wurde, ist umstritten. Nach der spanischen Version der Dinge, war Juan Díaz de Solís im Jahr 1516 der erste, der den Río de la Plata erreichte.(Anmerkung) Von portugiesischer Seite wird dem jedoch entgegengehalten, unter Berufung auf Aufzeichnungen des Augsburger Handelshauses Fugger, daß dies zweien ihrer Landsleute -Nuño Manoel und Cristóbal de Haro- bereits zwei Jahre zuvor gelungen sei.

Damals war das alles andere als eine akademische Streitfrage, galt doch das Motto: "Wer zuerst ankommt, dem gehört das Land". Die Banda Oriental, wie das Gebiet damals genannt wurde, gehörte von ihrer geographischen Lage und den natürlichen Grenzverläufen her eigentlich zum (im Vertrag von Tordesillas von 1494 definierten) spanischen Herrschaftsbereich, das (in der Plata-Region, mit Buenos Aires am Südufer des Rio de la Plata als Zentrum) zu dieser Zeit im Norden vom Rió de la Plata begrenzt wurde, als zum portugiesischen Herrschaftsbereich (dem heutigen Brasilien, mit dem 1565 gegründeten Rio de Janeiro als Zentrale).

Die Folge war später eine lange Reihe kriegerischer Auseinandersetzungen um den Besitz der "Banda Oriental" ("Östliche Region" = das heutige Uruguay), wie das Gebiet östlich des Flußes Uruguay, der dem Land später seinen Namen gab, damals genannt wurde.

Die erste ständige Ansiedlung auf dem Gebiet des heutigen Uruguay wurde 1624 von den Spaniern in Soriano (am Río Negro) gegründet. Die erste militärische Festung (Portugals) in der Banda Oriental folgte wenig später: das Fort "Nova Colonia do Sacramento" (erbaut zwischen 1669 und 1671; heute Colonia del Sacramento), das - im Verbund mit anderen Befestigungsanlagen - dazu dienen sollte, den portugiesischen Herrschaftsbereich nach Süden gegen die Spanier abzusichern. Colonia liegt direkt gegenüber von Buenos Aires, dem politischen und militärischen Zentrum der "Großen Provinz de las Indias", die praktisch das ganze spanische Gebiet vom Amazonas bis Feuerland umfaßte.

 
Historische Karte von Montevideo (um 1888)

Montevideo war die erste spanische Bastion nördlich des Río de la Plata (wie der Río Uruguay nach seiner Vereinigung -wenig oberhalb von Colonia del Sacramento- mit dem aus Brasilien und Argentinien kommenden Río Paraná heißt). Als 1723 die Portugiesen mit Aushebungsarbeiten für die Errichtung einer Festung an der heutigen (strategisch wichtigen) "Bucht von Montevideo" begannen, wurde dieses Vorhaben durch eine aus Buenos Aires übergesetzte spanische Militärexpedition zunichte gemacht. 1724 wurde dann an derselben Stelle eine spanische Festung erbaut. (Bereits seit 1624 befand sich hier eine Faranziskaner-Mission). Zwei Jahre später, 1726, ließ der erste Gouverneur der Ansiedlung, Bruno Mauricio de Zabala, Familien aus Buenos Aires nach Montevideo übersiedeln, um dem Wachstum der jungen Stadt einen Auftrieb zu geben.

Nach fünf Jahrzehnten wechselvoller Kämpfe wurde die Banda Oriental schließlich 1777 im "Frieden von Ildefonso" dem spanischen Vize-Königreich einverleibt.

Die Unabhängigkeitskriege

Doch damit waren die kriegerischen Auseinandersetzungen nur für kurze Zeit beendet. Mit dem Zerfall des spanischen Imperiums und den beginnenden Unabhängigkeitskriegen wurde Uruguay erneut zum Zankapfel - und wieder zwischen Buenos Aires und Río de Janeiro, die dieses Mal jedoch in eigener Regie operierten.

Zu dieser Zeit, um die Jahrhundertwende, zählte Uruguay nur rund 60.000 Einwohner, von denen ein Fünftel in Montevideo lebten. Die übrigen waren Estancieros, im Hinterland umherschweifende Gauchos und Charrúa-Indios, die kriegerischen Ureinwohner der Banda Oriental, die im Verlauf des 19. Jahrhunderts vollständig ausgerottet wurden. (Drei Charrúas haben die Spanier auf die Iberische Halbinsel überführt und mumifiziert. Sie können heute in einem spanischen Museum besichtigt werden.)

Nachdem im Mai 1810 der spanische Vize-König Baltasar de Cisneros aus Buenos Aires vertrieben worden war, wurde Montevideo unter dem neuen Vize-König Elío zum Zentrum der spanischen Royalisten, die 1811 die Stadt besetzten, um von hier aus zu versuchen die Autorität der spanischen Krone in den aufrüherischen La-Plata-Provinzen wieder herzustellen.

Artigas und seine "Revolution der Armseligen"

 
Artigas-Statue in Santiago de Chile

Dagegen organisierte sich im Februar 1811 unter der Führung des heutigen Nationalhelden Uruguays, José Gervasio Artigas (19. Juni 1764 - 23. Juni 1850), im Landesinneren eine breite Aufstandsbewegung, getragen von lokalen Grundbesitzern und - dies vor allem - den Viehhirten, Landarbeitern und auch Indios.

Den ersten militärischen Erfolg errang das lanzenbewaffnete Gaucho-Heer von Artigas am 18. Mai 1811 in der Schlacht von Las Piedras, nur wenige Kilometer von Montevideo entfernt. Die anschließend gemeinsam mit argentinischen Streitkräften unternommene Belagerung von Montevideo mußte jedoch wegen der Intervention portugiesisch-brasilianischer Truppen erfolglos abgebrochen werden.

 
José Gervasio Artigas, Juan Manuel Blanes.

Vor der spanisch-portugiesischen Übermacht wich Artigas in den Nordwesten des Landes aus. Der Rückzug seines Rebellen-Heers, das sich selbst "Los Tupamaros" nannte, kam einem Exodus der gesamten damaligen uruguayischen Landbevölkerung gleich: Zu Fuß, auf Pferden und in Planwagen wälzte sich ein unüberschaubarer Troß quer durch die Banda Oriental.

Ein gutes Jahr später, im Oktober 1812, belagerten argentinische Truppen erneut Montevideo mit dem Ziel, die Banda Oriental der argentinischen Konföderation einzuverleiben. Artigas schloß sich zwar dieser Belagerung an, jedoch formulierte ein von ihm organisierter Kongreß im April 1813, an dem Vertreter aller Regionen der Banda Oriental teilnahmen, seine Vorstellungen einer Konföderation der La-Plata-Provinzen: absolute Unabhängigkeit von Spanien, republikanische Regierung, Gewaltenteilung, Garantie der bürgerlichen Freiheitsrechte, Respektierung der Autonomie der einzelnen Provinzen, Abschaffung aller Handelsprivilegien für Buenos Aires.

Die letzten beiden Punkte waren für die Unitarier aus Buenos Aires inakzeptabel. Daraufhin zogen sich Artigas und seine Anhänger von der Belagerung Montevideos zurück, die im Juni 1814 mit der Eroberung der Stadt durch die argentinischen Truppen endete.

Daraufhin begann ein neues Kapitel der Geschichte: der Kampf uruguayischer Rebellen nicht gegen eine koloniale, sondern gegen eine lokale Macht. Mit Erfolg: Nur wenige Monate später, im Februar 1815, mußten sich die Argentinier aus Montevideo zurückziehen, da sie dem Druck der Artiguisten nicht standhalten konnten.

Artigas kontrollierte nun die gesamte Banda Oriental und begann umgehend, sie nach seinen Vorstellungen umzugestalten: Er vereinigte die argentinischen Provinzen Misiones, Corrientes, Entre Ríos, Santa Fé und Córdoba, die traditionell unter dem Zentralismus von Buenos Aires zu leiden hatten, mit der Banda Oriental zu einer Bundesliga (Liga Federal). Zum Schutz der Binnenproduktion der Liga wurde im selben Jahr (1815) eine Zollverordnung erlassen, die den Import ausländischer Waren, die mit der nationalen Produktion konkurrierten, mit hohen Steuern belegte.

Unter dem Motto "Die Unglücklichsten sollen die Meistbegünstigten sein" wurde in diesem "Revolutionsjahr" 1815 auch eine Agrarreform durchgeführt, in der die Latifundien der spanischen Großgrundbesitzer entschädigungslos enteignet und unter der mittellosen Landbevölkerung aufgeteilt wurden.

Datei:Flag of the Provincia Cisplatina.png
Flagge der Provinz Cisplatina.

Die Banda Oriental, die zuvor immer konservativer als ihre Umgebung gewesen war, war unter Artigas in eine revolutionäre Zelle mutiert, die eine Gefahr für die Region darstellte. 1816 marschierten deshalb brasilianisch-portugiesische Truppen in die Banda Oriental ein. Montevideo selbst fiel 1817, und die Banda Oriental wurde als "Cisplatanische Provinz" Brasilien einverleibt. Die Kämpfe gegen die "Revolution der Armseligen" unter Artigas zogen sich jedoch, trotz der Schützenhilfe aus Buenos Aires für die Brasilianer/Portugiesen, noch einige Jahre hin und konnte erst 1820 vollständig niedergeschlagen werden.

Nach seiner Niederlage floh Artigas 1820 nach Paraguay, wo er bis zu seinem Tode (dreißig Jahre später in Asunción) in völliger Zurückgezogenheit lebte.

Der "Befreier" Lavalleja und die "33 Orientalen"

 
Juan Antonio Lavalleja.

Nach der argentinischen Besatzung war Uruguay also unter brasilianische Herrschaft geraten. Dies blieb so, bis die "33 Orientalen" auf den Plan traten, d.h. der als "Befreier" Uruguays in die Annalen eingegangene Juan Antonio Lavalleja und seine Mitstreiter.

Am 19. April 1825 überquerte diese wackere kleine Schar den Río Uruguay, sich mit den patriotischen Mannen unter der Führung von José Fructuoso Rivera, dem späteren Begründer der "Colorados", vereinigend. Das 100 km nördlich von Montevideo gelegene Florida wurde zum Sitz einer provisorischen Regierung. Am 25. August 1825 wurde schließlich die Unabhängigkeit Uruguays ausgerufen (heute Nationalfeiertag).

 
Der Schwur der Dreiunddreißig Orientalen von Juan Manuel Blanes

Doch eine Proklamation allein schafft noch keine Realität. Die Kämpfe zogen sich entscheidungslos über Jahre hin - bis die Brasilianer den strategischen Fehler begingen eine Seeblockade über die La-Plata-Häfen zu errichten, wodurch britische Handelsinteressen in der Region direkt tangiert wurden.

Seit der Seeschlacht bei Trafalgar, wo die spanische Flotte von den Briten unter der Führung von Admiral Nelson am 21. Oktober 1805 vor ihrer eigenen Küste veresenkt worden war, war England die unumstrittene Weltmacht Nummer 1. Und als solche verteidigte sie ihre Interessen.

Auf britischen Druck hin wurde am 27. August 1828 der "Frieden von Río de Janeiro" unterzeichnet, eine Interessensregelung zwischen Argentinien und Brasilien unter Londoner Regie, in der auch (de facto ohne uruguayische Beteiligung) die Unabhängigkeit Uruguays anerkannt wurde.

Die wahren "Befreier" Uruguays waren also nicht (aus Argentinien) über den Río Uruguay ins Land gekommen, sondern (aus England) über den Atlantik. England wollte einen Puffer zwischen Argentinien und Brasilien - und fand ihn in Uruguay.

Am 18. Juli 1830 wurde die erste Verfassung Uruguays verabschiedet (heute nationaler Feiertag), die jedoch von einer modernen Staatsverfassung noch weit entfernt war.

Die Bürgerkriege

 
José Fructuoso Rivera.
 
Manuel Oribe.

Der erreichte Frieden währte nicht lange. Interessenskonflikte zwischen den beiden oligarchischen Hauptströmungen, dem Handels- und dem Agrarsektor, führten bereits 1837 zum ersten einer Serie von Bürgerkriegen, die bis in die ersten Jahre des letzten Jahrhunderts immer wieder aufflammten.

Objektive Interessensgegensätze - dem Handelssektor war auf Grund seiner Geschäftsinteressen mehr an offenen Grenzen gelegen, der Agrarsektor neigte eher zu Protektionismus - vermengten sich mit dem individuellem Machtstreben einzelner Caudillos zu einem explosiven Amalgam.

Die beiden ersten Kontrahenten waren die beiden ersten Präsidenten des jungen Staatswesens: der bereits erwähnte José Fructuoso Rivera, der die in Montevideo konzentrierten Handelskreise repräsentierte, und sein ehemaliger Mitstreiter in der Truppe der "33 Orientalen", Manuel Oribe, die Speerspitze der Interessen des Agrarsektors.

Der Große Krieg

Als Oribe Rivera der Unterschlagung und anderer schwerer Amtsvertöße bezichtigte, zog dieser gegen jenen zu Felde. Bei dieser Gelegenheit wurden auch die (durchaus offiziellen) Parteinamen dieser beiden Gruppierungen geboren: Zur Kenntlichmachung bestückte Oribe seine Mannen mit weißen Armbinden (daher der Name "Blancos", die "Weißen"), die zudem die Aufschrift "Verteidiger der Gesetze" zierte. Rivera seinerseits versah seine Leute zunächst mit in einem hellen Blau gehaltenen Armbinden (entsprechend der Nationalfarbe Uruguays), die jedoch in der Sonne ausbleichten und von den weißen seines Kontrahenten kaum noch unterscheidbar waren. Pragmatisch wurden die untauglichen Binden gegen rote ausgetauscht - und die "Colorados", die "Roten", waren geboren.

 
Juan Manuel de Rosas

Rivera gewann dieses Kräftemessen. Oribe ging 1838 nach Buenos Aires ins Exil, wo er Verbündete für seinen Kampf suchte und in dem argentinischen Diktator Juan Manuel de Rosas auch fand, der Uruguay nach wie vor der Argentinischen Föderation einverleiben wollte. 1843 kehrte Oribe mit argentinischen Truppen zurück. Es begann die "Guerra Grande", der "Große Krieg", eine neun Jahre dauernde Belagerung Montevideos (1843 - 1852), in die sich auch Brasilien einschaltete (auf Seiten Riveras), das sich gerne die Latifundien von Oribe und seinen Getreuen im Norden des Landes einverleibt hätte.

Am Schluß mußte die Belagerung abgebrochen werden. Ausschlaggebend dafür war (einmal mehr) das Verhalten der Großmächte England und (in diesem Fall auch) Frankreich gewesen, die mit ihren Kriegsschiffen, sekundiert von dem italienischen Condottiere Giuseppe Garibaldi, die Zufahrt zum Montevideaner Hafen offenhielten (und somit die Versorgung der Stadt und die Aufrechterhaltung des Handels gewährleisteten), während sie über Argentinien eine Seeblockade verhängten. 1851 mußte deswegen de Rosas, innenpolitisch unter Druck geraten, seine Truppen vor Montevideo zurückrufen. Oribe konnte sich alleine nicht lange halten und mußte aufgeben.

Der Invasionsversuch war zwar abgeschlagen worden, Rivera und mit ihm Montevideo waren siegreich geblieben, doch hatte die Stadt durch die neunjährige Belagerung erheblich gelitten.

In Europa hatte dieser Krieg ziemlich Aufsehen erregt, mit starken Sympathien auf Seiten Montevideos und der Colorados. Die Presse hatte - in romantischer Verklärung - gar das Schlagwort von einem "neuen Troja" geprägt.

Der Dreibundkrieg

Der nächste bewaffnete Schlagabtausch zwischen Colorados und Blancos ließ nicht lange auf sich warten, dieses Mal sogar noch auf größerer Bandbreite: 1863 rüstete der Colorado-General Venancio Flores gegen die nun amtierende Blanco-Regierung unter Bernardo Prudencio Berro. Flores gewann erneut Brasilien und dieses Mal auch Argentinien als Bundesgenossen, die Truppen und vor allem Waffen beisteuerten, während sein Kontrahent Berro Paraguay auf seine Seite ziehen konnte.

Das Ergebnis war der verheerende "Dreibund-Krieg" ("Guerra de la Triple Alianza"), faktisch ein fünf Jahre dauernder uruguayischer Vernichtungsfeldzug gegen Paraguay, den Flores schließlich zwar gewann - vor allem Dank der brasilianischen Waffenlieferungen -, aber zu einem hohen Preis, kamen doch auch sage und schreibe 95% seiner eigenen Truppen bei dem Gemetzel um.

Flores konnte sich seines Pyrrhus-Sieges nicht lange freuen. 1868 wurde er ermordet - am selben Tag wie sein Widersacher Berro.

Beide Parteien waren durch dieses ewige Chaos erschöpft. So kam es 1870 zu einer ersten Befriedung dieser zermürbenden Parteienfehden. Blancos und Colorados schlossen einen Pakt, in dem ihre jeweiligen Einflußsphären definiert wurden: Montevideo und der Küstenstreifen für die Colorados, das Hinterland mit seinen Agrargebieten für die Blancos, die Polizeigewalt über vier Departamentos mit eingeschlossen. Diese Aufteilung entsprach auch den realen Einflußgebieten. Den Blancos wurde außerdem ihr 'Verzicht' auf Montevideo durch die Beigabe von einer halben Million Dollar leichter gemacht.

Jedoch die Caudillo-Mentalität war zu tief in den Köpfen vieler verankert. Die Politik des Interessensausgleichs, den die Regierungen zwischen 1868 und 1875 suchten, wurde immer wieder dadurch torpediert, daß verschiedene lokale Führer ihre Parteien zur Austragung ihrer Privatfehden benutzten.

Die beginnende Konsolidierung

 
Lorenzo Latorre 1875.

Um diesen die Ressourcen des Landes auszehrenden Parteienhader endlich zu stoppen, kam es so zur Errichtung einer für das Land durchaus produktiven Diktatur (1875-1890) fortschrittsorientierter Militärs. Unter dem Colorado Oberst Lorenzo Latorre (1875-1879) wurde mit der Modernisierung der ländlichen Produktionsstruktur begonnen, wodurch die Agrarexporte kräftig gesteigert werden konnten. Mit Hilfe europäischen Kapitals wurde die Infrastruktur des Landes verbessert (Eisenbahn, Banken und Versicherungen etc.).

Nach dieser Konsolidierung kehrte 1890 mit Präsident Julio Herrera y Obes das zivile Element in die Politik zurück. 1897 und 1904 kam es zwar noch einmal zu bewaffneten Putschversuchen, dieses Mal organisiert und getragen von dem Blanco-Caudillo Aparicio Saravia, die jedoch ohne Erfolg blieben.

Uruguays Eintritt in die Moderne

 
José Batlle y Ordóñez 1900.

Zusammenfallend mit der Jahrhundertwende und flankiert von einer das Land begünstigenden internationalen Konjunktur trat Uruguay nun in eine lang andauernde Epoche der Demokratisierung und Prosperität ein, die stark mit dem Namen eines Mannes verbunden ist: José Batlle y Ordóñez, Begründer des sog. "Batllismo", der auch heute noch in Uruguay dominierenden politischen Strömung (und im übrigen Großvater des am 28. November 1999 zum Präsidenten gewählten Jorge Batlle). Er war, nach einer kurzen Interimspräsidentschaft anno 1899, zweimal uruguayischer Präsident (1903-1907 und 1911-1915) und schuf, v.a. in seiner zweiten Amtsperiode, den uruguayischen Sozialstaat.

Der Batllismo reflektierte den grundlegenden demographischen und sozio-ökonomischen Wandel, den Uruguay durchlaufen hatte. Viele neue Einwanderer waren aus Europa ins Land gekommen, die sich vorwiegend in den Städten (an erster Stelle Montevideo) angesiedelt hatten und den traditionellen Parteifehden ablehnend gegenüberstanden. (Uruguay hatte 1908 1.042.688 Einwohner, 30% davon in Montevideo).

Unter Batlles Führung entstand die erste soziale Demokratie des Kontinents (früher noch als in vielen europäischen Ländern), eingebettet in eine expandierende Wirtschaft. Sie brachte Uruguay den bis heute bestehenden (und berechtigten) Ruf der "Schweiz Amerikas" ein. Seine Politik zielte auf eine Stärkung des Agrarsektors, der mit seinen Exporten die Haupteinnahmequelle des Landes darstellte, sowie auf eine Stärkung der Binnennachfrage (durch eine Erhöhung der Kaufkraft breiter Bevölkerungsschichten) und den Ausbau der heimischen Industrialisierung.

Die Einführung des Acht-Stunden-Tages, eines Renten- und Arbeitslosenversicherungssystems, Unfallversicherung, gesetzliche Regelung der Frauenarbeit, Mindestlöhne, bezahlter Urlaub, Gesetze zum Schutz der Familie waren ein Teil des unter Batlle auf den Weg gebrachten und von seinen Nachfolgern fortgeführten sozialen Reformwerks, das auch mit politischen Strukturreformen einherging (neue Verfassung von 1919), zum Beispiel einer Umwandlung der traditionellen Caudillo-Parteien in moderne Volksparteien.

Neuzeit

Im Jahre 1917 wurde eine neue Verfassung angenommen, die die exekutive Macht zwischen dem Präsidenten und einem nationalen Verwaltungsrat aufteilte. Im Jahre 1920 trat Uruguay dem Völkerbund bei. Nach dem Tod von Batlle und der Wirtschaftskrise von 1929 wurde Gabriel Terra Präsident und erklärte sich, nach einem gelungenen Putsch, am 31. März 1933 zum Diktator. Er löste den nationalen Verwaltungsrat und die legislativen Kräfte, die seine Macht beschränkten, auf. Während des Zweiten Weltkrieges stand Uruguay auf Seiten der Alliierten und war nach dem Krieg Gründungsmitglied der Vereinten Nationen.

Die Regierungsperiode von Luis Batlle Berres (1947 bis 1951) brachte wirtschaftlichen Wohlstand, der vor allem durch die uruguayischen Exporte während des Koreakrieges (1950-1953) gestützt wurde. Im Jahr 1952 gab es wiederum eine neue Verfassung. Britische Unternehmen wie die Eisenbahn wurden verstaatlicht (wobei es sich hier effektiv um eine Abzahlung von Schulden aus dem Zweiten Weltkrieg handelte). Wohlstand und eine Analphabetenrate von fast Null trugen Uruguay den Ruf ein, die Schweiz Südamerikas zu sein.

Ab 1959 kam das Land in große wirtschaftliche Probleme. Es kam zu sozialen Unruhen und in Montevideo gründete sich eine Stadtguerilla. Die Verfassung wurde 1967 dahingehend abgeändert, als dass nun Regierungen der Blancos und Colorados einander abwechselten. Am 27. Juni 1973, inmitten einer Wirtschaftskrise mit hoher Inflation, entschloss sich das Militär zur Schließung des Kongresses und zur Übernahme der Macht. Eine Vorlage für eine neue Verfassung wurde allerdings am 30. November 1980 von 57,2 % der Wahlberechtigten abgelehnt. Das Militär bereitete daraufhin ein Programm vor, die Macht an eine Zivilregierung zurückzugeben. 1982 werden die Parteien wieder zugelassen, dies ist der Beginn zur Rückkehr zur Demokratie. Im Februar 1985 fanden Präsidentschaftswahlen statt, der Wahlsieger war Julio María Sanguinetti von der sozialliberalen Colorado-Partei (PC), einer der führenden Widerständler gegen die Militärregierung. Mit ihm folgte nach 12 Jahren wieder ein Zivilist als Präsident. Damit endet die fast zwölfjährige Militärdiktatur in Uruguay. Trotz eines Auslandsschuldenberges von über fünf Milliarden US-Dollar und einer Inflation von mehr als 70 Prozent gelingt es, innerhalb kürzester Zeit für den wirtschaftlichen Aufschwung Uruguays zu sorgen, indem er sich auf die Förderung des Außenhandels konzentrierte. Diese Maßnahmen zeigten Erfolg und stabilisierten die Wirtschaft. Um nationale Versöhnung zu fördern und die Rückkehr zur Demokratie zu erleichtern, sicherte Sanguinetti mit der allgemeine Zustimmung durch Volksabstimmung eine umstrittene allgemeine Amnestie für die ehemaligen militärischen Führer und beschleunigte die Freigabe der ehemaligen Bandenkämpfer.Er war Präsident von 1985 bis 1990.

Zwischen 1990 und 1995, war Luis Alberto Lacalle der Nationalen Partei (Partido Nacional) Präsident. Während seines Mandates führte er sein Land 1991 in den Mercosur, vollzieht ein Währungsreform (1 Peso Uruguay ersetzt nun 1.000 Neue Peso, die bis dahin gültige Währung) und er erließ ein Amnestiegesetz für Folterungen des Militärs während der Diktatur (Ley de Caducidad). Trotz des Wirtschaftswachstums während der Regierungsdauer Lacalles, erregten Privatisierungsbemühungen die politische Opposition, einige Verbesserungen wurden durch Referendum umgeworfen.

Jedoch beschäftigt die Öffentlichkeit immer noch das Verschwinden von Personen in der Zeit der Militärdiktatur. Präsident Batlle setzte am 9. August 2000 eine "Kommission für den Frieden" zur Aufklärung der Verschwundenenschicksale ein, deren Aufklärungsbemühungen durch die Militärs unterstützt werden.

Datei:Jorge Batlle 01.jpg
Jorge Batlle Ibáñez.
 
Tabaré Vázquez und sein Vizepräsident, Rodolfo Nin Novoa

Zwischen 1995 und 2000 war Julio María Sanguinetti erneut Präsident. Die Regierung Sanguinetti setzte Uruguays ökonomische Verbesserungen und Integration in den MERCOSUR fort. Andere wichtige Verbesserungen waren in den Bereichen des Wahlsystems, der Sozialversicherung, der Ausbildung und der allgemeine Sicherheit. Die Wirtschaft wuchs ständig bis niedrige Rohstoffpreise und ökonomische Schwierigkeiten zu einer Rezession führten, die sich in 2002 fortgesetzt hat. Jorge Batlle Ibáñez gewann die Wahlen im Jahr 2000 und regierte bis 2005. Seine Regierungszeit wurde gezeichnet durch ökonomischer Rezession und Ungewissheit. Zuerst durch die Abwertung 1999 vom brasilianischen Real und dann durch den Ausbruch der Maul- und Klauenseuche, die einen der Hauptwirtschaftszweigen Uruguays empfindlich traf, und schließlich durch den politischen und ökonomischen Einsturz von Argentinien 2001. Am 31. Oktober 2004 wurde mit Tabaré Vázquez der erste Kandidat einer linksgerichteten Partei in Uruguay zum Präsidenten gewählt.

Im Jahr 2002 kam es infolge der Argentinien-Krise zu einer Bankenkrise, infolge dessen mehrere Banken umstrukturiert werden mussten und einige auch geschlossen wurden.

Siehe auch