Finnische Sprache

finno-ugrische Sprache
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Finnisch (Eigenbezeichnung suomi) gehört zum ostseefinnischen Zweig der finno-ugrischen Sprachen. Damit ist es entfernt mit dem Ungarischen und eng mit dem Estnischen verwandt. Finnisch ist eine der beiden Amtssprachen in Finnland mit etwa 4,7 Millionen Sprechern (92 % der Bevölkerung). Daneben ist es eine der Amtssprachen in der EU. In Schweden, wo es von ca. 300.000 Menschen gesprochen wird, ist Finnisch als offizielle Minderheitensprache anerkannt. Außerdem gibt es kleinere finnischsprachige Minderheiten in der nordnorwegischen Region Finnmark, im russischen Teil Kareliens und in Estland.

Finnisch (Suomi)

Gesprochen in

Finnland, Estland, Schweden, Norwegen (Finnmark), Russland (Karelien)
Sprecher 6 Millionen
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache in Finnland, Europäische Union
Sprachcodes
ISO 639-1

fi

ISO 639-2 (B) fin (T)

Das Finnische unterscheidet sich als finno-ugrische Sprache teilweise stark von den indogermanischen Sprachen, zu denen der Großteil der in Europa gesprochenen Sprachen gehört. Zu den Besonderheiten der finnischen Sprache gehören der agglutinierende Sprachbau, die große Anzahl (15) an Kasus, eine komplexe Morphophonologie (Vokalharmonie, Stufenwechsel), das Fehlen des grammatikalischen Geschlechts und ein konsonantenarmer Lautstand. Finnisch hat einen Ruf als schwer erlernbare Sprache, was zu großen Teilen seiner Andersartigkeit gegenüber den indogermanischen Sprachen geschuldet ist.

Sprachverwandtschaft

Während die überwiegende Mehrheit der in Europa gesprochenen Sprachen der indogermanischen Sprachfamilie angehören, gehört die finnische Sprache zusammen mit dem Estnischen, Samischen, Ungarischen und einer Reihe von im europäischen Russland und in Nordsibirien gesprochenen Sprachen zu den finno-ugrischen Sprachen. Diese bilden wiederum zusammen mit der kleinen Gruppe der samojedischen Sprachen die uralische Sprachfamilie. Ein verbreitetes Missverständnis ist, dass Finnisch und Ungarisch nah verwandt seien. Tatsächlich besagt ihre Zugehörigkeit zur selben Sprachfamilie nicht mehr, als die Tatsache, dass Deutsch und Persisch beides indogermanische Sprachen sind. Die Urformen des Finnischen und Ungarischen sind schon seit vielen Jahrtausenden getrennt.

Zusammen mit dem Estnischen, dem in der russichen Republik Karelien gesprochenen Karelischen, dem in Lettland gesprochenen, mittlerweile so gut wie ausgestorbenen Livischen und einigen kleineren Sprachen bildet das Finnische die Gruppe der ostseefinnischen Sprachen.

Geschichte

Frühgeschichte

Das Finnische gehört zur Familie der Finno-ugrischen Sprachen. Die Verwandtschaft zwischen den verschiedenen dieser Familie angehörigen Sprachen lässt sich vielfach vor allem über die Sprachstruktur nachweisen, während der Wortschatz zuweilen nur noch wenige Ähnlichkeiten aufweist. Die Sprachen werden von Sprachwissenschaftlern auf eine gemeinsame uralische Ursprache zurückgeführt, welche zunächst in die samojedische und die finno-ugrische Ursprachen zerfiel. Letztere spaltete sich sodann in die finnopermische und die ugrische Ursprache auf. Die finnopermische Ursprache brachte durch weiteren Zerfall die frühesten Urformen des Ostseefinnischen hervor, von welchen sich wiederum die samische Sprache abspaltete.

Die Zeiträume dieser Entwicklungsvorgänge, deren Rekonstruktion in erster Linie auf der Analyse von Wortschatz und Sprachstruktur der heutigen Sprachen beruht, lassen sich nur mit großer Schwierigkeit bestimmen. Es wird jedoch angenommen, dass die Absonderung der samischen Sprache vom frühen Finnischen spätestens um 1000 v.Chr. abgeschlossen war. Das Finnische stand bereits in prähistorischer Zeit mit germanischen und baltischen Sprachen im Kontakt und übernahm aus ihnen zahlreiche Lehnwörter.

Obwohl die Bewohner des heutigen Finnlands durchweg finno-ugrische Sprachen sprachen, entwickelte sich eine gemeinsame finnische Sprache erst in der Neuzeit. In der vorangegangenen Zeit spalteten sich die Bewohner Finnlands im wesentlichen in drei Hauptstämme auf, die sprachlich wie kulturell erhebliche Unterschiede aufwiesen. Im Südwesten lebte die später als die „eigentlichen Finnen“ (varsinaissuomalaiset) bezeichnete Bevölkerungsgruppe. In dieser Region hatten sich germanischstämmige Zuwanderer aus Skandinavien mit der Bevölkerung vermischt und viele germanische Lehnworte mitgebracht. Im Osten lebten die Karelier und in den Wäldern des Binnenlandes die Hämeer, welche sich anfangs wahrscheinlich noch nicht stark von den Samen unterschieden. Aus einer Vermischung der letztgenannten Bevölkerungsgruppen entstand später, aber noch vor dem Mittelalter der Savo-Dialekt.

Entwicklung der Schriftsprache

 
Abckiria, das älteste Werk in finnischer Sprache

Die Entstehung einer einheitlichen finnischen Sprache, insbesondere der finnischen Schriftsprache wurde begünstigt durch die Reformation. König Gustaf Wasa brach 1524 die Beziehungen zur katholischen Kirche ab und ordnete die Übernahme der lutherischen Lehren an. Zu diesen gehörte, dass das Wort Gottes in der Sprache des Volkes verkündet werden müsse. In der Folge begannen die Pfarrer, die notwendigen liturgischen Texte auch schriftlich aufzuzeichnen.

Die Veröffentlichung der ersten gedruckten Texte in finnischer Sprache geht sodann auf das Werk des späteren Bischofs Mikael Agricola zurück. Der Schüler Martin Luthers begann bereits während seiner Studienzeit mit der Übersetzung religiöser Texte, insbesondere des Neuen Testaments. Zum ersten gedruckten finnischen Buch wurde die spätestens 1543 veröffentlichte „Fibel“ Abckiria, welche sich in erster Linie an Geistliche richtete und einen Katechismus enthielt. Die finnische Übersetzung des neuen Testaments erschien 1548.

Agricola schuf eine Rechtschreibung auf Grundlage des Lateinischen, Deutschen und Schwedischen und legte die Grundlagen für eine finnische Schriftsprache. Er benutzte dabei in erster Linie den in der Gegend von Turku gesprochenen Dialekt, welcher damit auch zur Grundlage der sich entwickelnden gemeinsamen finnischen Sprache wurde.

Von der Bauernsprache zur Kultursprache

Auch nach der Schaffung einer Schriftsprache blieb die schriftliche Verwendung des Finnischen über Jahrhunderte rudimentär. Ab dem 16. Jahrhundert wurden auch Gesetze teilweise auf Finnisch geschrieben, ein finnischsprachiges kulturelles Leben gab es jedoch nicht: Im zu Schweden gehörenden Finnland war Schwedisch die Sprache der Verwaltung, der Bildung und der Kultur.

Erst nachdem Finnland 1809 unter russische Herrschaft gekommen war, begann sich ein finnisches Nationalbewusstsein zu entwickeln. Es formierte sich eine als „Fennomanen“ bezeichnete Bewegung, welche die finnische Sprache zur Kultursprache entwickeln wollte. Im frühen 19. Jahrhundert fehlten der Sprache hierfür aber noch alle Voraussetzungen. Die Grammatik war nie systematisch erfasst worden, und der Wortschatz spiegelte das Alltagsleben der bäuerlichen Landbevölkerung wider, entbehrte aber fast aller für Verwaltungs- und Kulturzwecke erforderlichen Vokabeln.

Das 1835 von Elias Lönnrot veröffentlichte Nationalepos Kalevala bestärkte die Rolle der finnischen Sprache. Durch die Aktivitäten der Fennomanen entstand eine finnischsprachige Literatur und Presse. Viele, muttersprachlich meist schwedischsprachige Angehörige der gebildeten Oberschicht arbeiteten an einer Weiterentwicklung der finnischen Sprache. In diesem Zusammenhang wurden zahlreiche Wörter geschaffen, welche in der finnischen Sprache bis dahin nicht existierten. Den Idealen der finnischen Nationalbewegung folgend wurden die neuen Worte dieser Zeit fast ausnahmslos nicht durch Lehnworte, sondern gänzlich neu gebildet, oft durch Abwandlungen alter finnischer Worte.

Der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begonnene Aufbau eines finnischsprachigen Schulwesens führte bis zur Jahrhundertwende dazu, dass sich eine gebildete finnischsprachige Bevölkerungsschicht entwickelte. Bis zum zweiten Jahrzehnt des Jahrhunderts hatte sich Finnisch zu einer vollwertigen Kultursprache entwickelt, die im wesentlichen dem heutigen Finnischen entspricht.

Siehe auch: Finnische Sprachpolitik

Rechtschreibung und Aussprache

Rechtschreibung

Das finnische Alphabet besteht aus 29 Buchstaben:
a, b, c, d, e, f, g, h, i, j, k, l, m, n, o, p, q, r, s, t, u, v, w, x, y, z, å, ä, ö

Die Buchstaben b und f kommen nur in Lehnwörtern vor, die Buchstaben c, q, w, x, z und å („schwedisches“ o) sind sehr selten und treten nur in Fremdwörtern auf. Teilweise verwendet man bei Lehnwörtern für den Laut [ʃ] das Sonderzeichen š. Es kann aber auch durch sh oder einfach s ersetzt werden (z.B. šakki, shakki oder sakki „Schach“). Noch seltener ist die stimmhafte Entsprechung ž, die bei geographischen Bezeichnungen wie Fidži vorkommt. Bei der Suche in Wörterbüchern ist zu beachten, dass ä und ö im Alphabet nach z an letzter Stelle stehen und nicht wie im Deutschen bei a und o. Weiterhin besitzt das w häufig kein eigenes Kapitel, sondern wird unter v eingeordnet.

Lange Laute werden mit doppelten Buchstaben geschrieben (tuli „Feuer“; tulli „Zoll“; tuuli „Wind“).

Das Finnische hat eine fast völlig phonematische Orthographie, d.h. die Zuordnung von Phonemen (Lauten) und Graphemen (Buchstaben) ist eindeutig. Einzige Ausnahmen sind die Buchstabenkombinationen nk und ng, die [ŋk] und [ŋː] gesprochen werden. Lehnwörter werden konsequent an die finnische Orthographie angepasst (z.B. filosofia „Philosophie“). Weil „so geschrieben, wie gesprochen wird“, ist die finnische Rechtschreibung sehr leicht zu erlernen.

Aussprache und Betonung

Bei folgenden Buchstaben unterscheidet sich der Lautwert vom Deutschen:

Vorlage:Highlight1 | Buchstabe Vorlage:Highlight1 | Lautwert Vorlage:Highlight1 | Beschreibung
e [ɛ] stets offen wie in dt. wenn
h [h] wie dt. h; auch vor Konsonanten deutlich ausgesprochen
k [k] wie dt. k, aber unbehaucht
o [ɔ] stets offen wie in dt. toll
p [p] wie dt. p, aber unbehaucht
r [r] gerolltes r (Zungenspitzen-r)
s [s] stets stimmlos wie in dt. Hass
t [t] wie dt. t, aber unbehaucht
v [v] wie dt. w
y [y] wie dt. ü
ä [æ] offener als dt. ä, wie im engl. hat
ö [œ] stets offen wie in dt. Hölle

Sowohl Vokale als Konsonanten können lang oder kurz sein und. Lange Laute werden deutlich länger ausgesprochen als kurze. Es ist zu beachten, dass die Qualität der Vokale unabhängig von ihrer Quantität ist; anders als im Deutschen wird z.B. o stets [ɔ] gesprochen, unabhängig davon, ob es lang oder kurz ist.

Im Finnischen wird stets die erste Silbe eines Wortes betont. Daneben liegt ab der dritten Silbe auf jeder zweiten Silbe eine Nebenbetonung, wobei die letzte Silbe unbetont bleibt. Die Länge der Vokale ist unabhängig von der Betonung.

Phonetik

Phoneme

Das Finnische verfügt über 8 kurze und 8 lange Vokale.

Vorlage:Highlight1 rowspan="2" |   Vorlage:Highlight1 colspan="2" | vorne Vorlage:Highlight1 rowspan="2" | mitte Vorlage:Highlight1 rowspan="2" | hinten
Vorlage:Highlight1 | ung. Vorlage:Highlight1 | ger.
Vorlage:Highlight1 | geschlossen i y   u
Vorlage:Highlight1 | halboffen ɛ œ   ɔ
Vorlage:Highlight1 | offen æ   ɑ  

Daneben gibt es im Finnischen insgesamt 16 verschiedene Diphthonge, die als Phoneme gewertet werden:
ai [ɑi̯], au [ɑu̯], ei [ɛi̯], eu [ɛu̯], ie [], iu [iu], oi [ɔi̯], ou [ɔu̯], ui [ui̯], uo [], yi [yi̯], yö [], äi [æi̯], äy [æy], öi [œi̯], öy [œy]

Das Finnische verfügt über 14 eigenständige Konsonantenphoneme. Weitere 4 Konsonanten kommen nur in Lehnwörtern vor.

Vorlage:Highlight1 |   Vorlage:Highlight1 | Bilabial Vorlage:Highlight1 | Labiodental Vorlage:Highlight1 | Dental Vorlage:Highlight1 | Alveolar Vorlage:Highlight1 | Postalveolar Vorlage:Highlight1 | Palatal Vorlage:Highlight1 | Velar Vorlage:Highlight1 | Glottal
Vorlage:Highlight1 | Plosive p, (b)1   t, d       k, (g)1) ʔ2
Vorlage:Highlight1 | Nasale m   n       ŋ3  
Vorlage:Highlight1 | Vibranten       r        
Vorlage:Highlight1 | Frikative   (f)1, v   s (ʃ)1     h
Vorlage:Highlight1 | Approximanten           j    
Vorlage:Highlight1 | Laterale       l        

1) Diese Laute kommen nur im Lehnwörtern vor.
2) Der Knacklaut [ʔ] wird in der Schrift nicht wiedergegeben, kommt aber kombinatorisch am Ende bestimmter Wörter (z.B. mit Auslaut -e) und Formen (z.B. dem Imperativ) vor, wenn ein weiterer Vokal folgt. Vgl. ole aina! „sei immer!“ [ˈɔlɛʔ ˈɑi̯nɑ] und en ole aina „ich bin nicht immer“ [ˈɛn ˈɔlɛ ˈɑi̯nɑ].
3) [ŋ] kommt in der Verbindung nk [ŋk] und dessen schwacher Stufe ng [ŋː] vor.

Das Finnische ist mit nur 14 Konsonantenphonemen eine konsonantenarme Sprache. In einem finnischen Text kommen auf 100 Vokale durchschnittlich 96 Konsonanten (zum Vergleich: im Deutschen sind es 177). Es besteht kein Kontrast zwischen stimmhaften und stimmlosen Lauten. Einzig der Laut [d] nimmt als einziger stimmhafter Plosiv eine Sonderrolle im phonologischen System des Finnischen ein. Er kommt bei echt finnischen Wörtern nur im Inlaut als schwache Stufe von [t] vor. Historisch geht er auf den Frikativ [ð] zurück, der mit d geschrieben wurde. Als der Laut [ð] nicht mehr gesprochen wurde, behielt man die Schreibung d bei und sprach sie [d] aus. Der Laut [d] kommt in keinem finnischen Dialekt vor, dort ist der ursprüngliche Laut entweder ausgefallen oder hat sich zu [r], [l] oder [j] entwickelt.

Bei echt finnischen Wörtern können am Wortanfang keine Konsonantenverbindungen stehen. Ältere Lehnwörter wurden angepasst: Bei ihnen ist nur der letzte Konsonant der Verbindung erhalten.

Bei neueren Lehnwörtern bleiben die Konsonantenverbindungen erhalten. Manche Finnen tun sich allerdings mit der Aussprache schwer und sprechen auch hier nur den letzten Konsonanten.

  • stressi (Stress)
  • professori (Professor)

Am Wortende können an Konsonanten nur -n, -t, -l, -r und -s stehen. An neuere Lehnwörter wird meist ein -i angehängt (z.B. presidentti „Präsident“).

Vokalharmonie

 
Mengendiagramm zur Veranschaulichung des Systems der finnischen Vokalharmonie

Die Vokalharmonie ist ein zentrales Lautgesetz des Finnischen. Es besagt, dass die Hintervokale a, o und u nicht innerhalb eines Wortes zusammen mit den Vordervokalen ä, ö und y vorkommen können. Die Vokale e und i sind neutral und können innerhalb eines Wortes mit beiden Gruppen vorkommen. Endungen und andere Suffixe werden an den Wortstamm angepasst:

  • talo (das Haus) - talossa (im Haus)
  • metsä (der Wald) – metsässä (im Wald)

Enthält ein Wort nur neutrale Vokale, werden für die Endungen die vorderen Vokale verwendet:

  • meri (das Meer) - meressä (im Meer)

Zusammengesetzte Wörter sind nicht von der Vokalharmonie betroffen, bei ihnen dürfen die Bestandteile durchaus unterschiedliche Vokalgruppen haben.

Bei Fremdwörtern, die vordere und hintere Vokale enthalten, werden in der nachlässigen Aussprache meist hintere Vokale als die korrespondierenden vorderen ausgesprochen. Beispielsweise wird Olympia von manchen Sprechern wie Olumpia gesprochen.

Stufenwechsel

Der Stufenwechsel betrifft die Konsonanten k, p und t. Diese kommen in einer „starken“ und einer „schwachen“ Stufe vor. Die starke Stufe steht, wenn die letzte Wortsilbe offen ist (z.B. katu „die Straße“). Die schwache Stufe steht, wenn an das Wortende ein Suffix angefügt wird, wodurch die ursprünglich letzte Wortsilbe geschlossen wird (z.B. kadun „der Straße“).

Wegen verschiedener Lautentwicklungen gibt es Unregelmäßigkeiten im Stufenwechsel, z.B. muss vor einem langen Vokal auch in einer geschlossenen Silbe die starke Stufe stehen (z.B. katuun „in die Straße“).

Der Stufenwechsel kommt sowohl bei der Deklination als der Konjugation vor. Bei der Mehrzahl der Wörter steht die Grundform (Nominativ bei Nomina, Infinitiv bei Verben) in der starken Stufe. Manche Wörter unterliegen dem umgekehrten Stufenwechsel, bei dem die Grundform in der schwachen Stufe steht und die flektierten Formen überwiegend die starke Stufe annehmen (z.B. tuote „das Produkt“ - tuotteen „des Produktes“).

Man unterscheidet zwischen quantitativem und qualitativem Stufenwechsel. Beim quantitativen Stufenwechsel werden doppelte Konsonanten in der schwachen Stufe zu einfachen reduziert:

  • kk → k: pankki (die Bank) - pankin (der Bank)
  • pp → p: oppia (lernen) - opin (ich lerne)
  • tt → t: katto (das Dach) - katot (die Dächer)

Vom qualitativen Stufenwechsel sind die Einzelkonsonanten k, p und t sowie zahlreiche Konsonantenverbindungen betroffen. Diese Art des Stufenwechsels ist nicht mehr produktiv, d.h. neuere Wörter sind nicht mehr von ihm betroffen (vgl. katu „die Straße“ - kadun „der Straße“ und auto „das Auto“ - auton „des Autos“).

  • k → ∅: lukea (lesen) - luen (ich lese)
  • p → v: rapu (der Krebs) - ravun (des Krebses)
  • t → d: katu (die Straße) - kadulla (auf der Straße)
  • nk → ng: Helsinki) - Helsingissä (in Helsinki)
  • mp → mm: kampa (der Kamm) - kammat (die Kämme)
  • nt → nn: antaa (geben) - annan (ich gebe)
  • rt → rr: parta (der Bart) - parran (des Bartes)

Sonderfälle:

  • uku → uvu: luku (die Zahl) - luvun (der Zahl)
  • yky → yvy: kyky (die Fähigkeit) - kyvyn (der Fähigkeit)
  • hke → hje: rohkenen (ich wage) - rohjeta (wagen)
  • lke → lje: olki (das Stroh) - oljen (des Strohs)
  • rke → rje: särkeä (zerbrechen) - särjen (ich zerbreche)

Grammatik

Das Finnische ist eine agglutinierende Sprache. Das bedeutet, dass Suffixe (Nachsilben) benutzt werden, um grammatikalische Sachverhalte auszudrücken. Ein einziges Wort kann durch eine Vielzahl von Suffixen erweitert eine große Informationsfülle aufnehmen. Ein Beispiel ist das Wort taloissanikinko, das von der Grundform talo (Haus) abgeleitet ist und soviel wie „auch in meinen Häusern?“ bedeutet. Das Wort lässt sich folgendermaßen auflösen:

talo -i -ssa -ni -kin -ko
Haus (Plural) in mein auch (Frage)

Aus dem Beispiel wird ersichtlich, dass das Finnische für Sachverhalte, die im Deutschen wie in den meisten indogermanischen Sprachen durch Einzelwörter (analytisch) ausgedrückt werden, Suffixe verwendet.

Auch im Bereich der Syntax werden Wörter synthetisch verknüpft, d.h. deutschen Nebensätzen entsprechen oft kompakte Partizipial- oder Infinitivkonstruktionen. Allerdings hat der Einfluss indogermanischer Sprachen den finnischen Satzbau analytischer gemacht.

Im Finnischen existiert keine Genuskategorie. Dies geht so weit, dass es auch bei den Personalpronomina nur ein Wort hän für „er“ und „sie“ gibt.

Nomina

Zu den Nomina gehören Substantive, Adjektive, Pronomina und Zahlwörter. Die Deklinationsendungen sind für alle Nomina gleich. Allerdings werden sie nach den Veränderungen, die der Wortstamm durchmacht, in verschiedene Typen eingeteilt. Das Finnische kennt weder unbestimmte noch bestimmte Artikel. Talo kann je nach Zusammenhang „das Haus“ oder „ein Haus“ bedeuten.

Bei der Deklination kann der Wortstamm durch den Stufenwechsel verändert werden. Aus sprachgeschichtlichen Gründen sind diese Veränderungen nicht immer regelmäßig (vgl. lasi - lasin „Glas“ und vesi - veden „Wasser“). Um ein Nomen deklinieren zu können, muss man seinen Nominativ, Genitiv und Partitiv erlernen.

Kasus

Im Finnischen gibt es 15 Kasus (Fälle). Die meisten von ihnen übernehmen ähnliche Funktionen wie die Präpositionen im Deutschen. Aufgeteilt werden sie in grammatikalische Kasus, die in ihrer Funktion den deutschen Kasus ähneln, Lokalkasus, die konkrete und abstrakte örtliche Relationen bezeichnen und die sogenannten marginalen Kasus, die in der heutigen Sprache nur noch selten benutzt und meist durch Präpositionen ersetzt werden. Neben den 15 Kasus gibt es den kasusähnlichen Prolativ, der den Weg ausdrückt, über den eine Handlung ausgeführt wird (z.B. postitse auf dem Postweg, kirjeitse brieflich).

Die Kasus werden gebildet, indem die Kasusendungen an den Wortstamm angehängt werden. Die Kasusendungen sind unabhängig vom Worttyp einheitlich. Die Endungen im Plural entsprechen prinzipiell denen im Singular, wobei zwischen Wortstamm und Endung das Pluralkennzeichen -i- tritt (z.B. Singular talossa, Plural taloissa). Eine Ausnahme bildet der Nominativ mit der Pluralendung -t (talot).

Übersicht:

Vorlage:Highlight1 | Fall Vorlage:Highlight1 | Suffix Vorlage:Highlight1 | Beispiel Vorlage:Highlight1 | Übersetzung Vorlage:Highlight1 | Erklärung
Vorlage:Highlight4 align="left" colspan="5" | Grammatikalische Kasus
Nominativ - talo das Haus Grundform; Subjektskasus
Genitiv -n talon des Hauses Zugehörigkeit (wessen?)
Akkusativ -, -n 1) talon, talo das Haus Objektskasus
Partitiv -(t)a2) taloa das Haus Teilobjekt, unbestimmte Menge; kann als Objektskasus fungieren
Vorlage:Highlight4 align="left" colspan="5" | Innere Lokalkasus
Inessiv -ssa2) talossa im Haus im Raum (wo?)
Elativ -sta2) talosta aus dem Haus aus dem Raum (woher?)
Illativ -Vn3) taloon ins Haus in den Raum (wohin?)
Vorlage:Highlight4 align="left" colspan="5" | Äußere Lokalkasus
Adessiv -lla2) talolla auf dem Haus auf etwas, mit etwas (worauf?, womit?)
Ablativ -lta2) talolta vom Haus von etwas (von wo?)
Allativ -lle talolle auf das Haus auf/zu etwas (auf/zu wem/was?); entspricht auch oft dem deutschen Dativ
Vorlage:Highlight4 align="left" colspan="5" | Abstrakte Lokalkasus
Essiv -na2) talona als Haus Zustand (als was?)
Translativ -ksi taloksi zum Haus Zustand als Ergebnis einer Veränderung
Vorlage:Highlight4 align="left" colspan="5" | Marginale Kasus
Abessiv -tta2) talotta ohne Haus Mangel, ohne etwas
Instruktiv -(i)n taloin mittelst Häusern Art und Weise (mittelst was?); in der Regel nur im Plural
Komitativ -(i)ne-4) taloineen mitsamt (seiner) Häuser Dazugehörigkeit (mit wem oder was zusammen?); steht stets im Plural

1) Der Akkusativ entspricht im Singular je nach syntaktischer Stellung formal dem Nominativ oder Genitiv, im Plural entspricht er dem Nominativ.
2) Diese Endungen unterliegen der Vokalharmonie, d.h. anstelle des a kann ein ä stehen.
3) Verdopplung des vorangehenden Vokals + n
4) Der Komitativ verlangt ein Possessivsuffix.

Pronomina

Bei den Personalpronomina der 3. Person wird nicht zwischen männlicher (er) und weiblicher (sie) Form unterschieden. Beides heißt hän. Die Personalpronomina haben im Akkusativ eine besondere Endung -t (minut, sinut etc.)

Vorlage:Highlight1 | Person Vorlage:Highlight1 | Finnisch Vorlage:Highlight1 | Deutsch
1. Sg. minä ich
2. Sg. sinä du
3. Sg. hän er/sie
1. Pl. me wir
2. Pl. te ihr
3. Pl. he sie

Für die höfliche Anrede (Siezen) wird die 2. Person Plural Te verwendet. Das Siezen ist in Finnland aber weit weniger verbreitet als im Deutschen. Dagegen gelten verschiedene unpersönliche Redewendungen als höflich.

Die Demonstrativpronomina lauten tämä (dieser) und tuo (jener). Im Plural lauten sie nämä (diese) und nuo (jene). Daneben gibt es das sächliche Pronomen se (Plural ne). Das Fragepronomen lautet kuka (wer) bzw. mikä (was).

Possessivsuffixe

Im Gegensatz zum Deutschen werden Besitzverhältnisse nicht durch Pronomina (mein, dein etc.) sondern durch an das Wortende angehängte Suffixe angezeigt. Zusätzlich zum Possessivsuffix kann der Genitiv des Personalpronomens treten. Die Possessivsuffixe der 3. Person benötigen stets ein Bezugswort.

Vorlage:Highlight1 | Person Vorlage:Highlight1 | Suffix Vorlage:Highlight1 | Beispielwort Vorlage:Highlight1 | Übersetzung
1. Sg. -ni (minun) taloni mein Haus
2. Sg. -si (sinun) talosi dein Haus
3. Sg. -nsa1), -Vn2) hänen talonsa sein/ihr Haus
1. Pl. -mme (meidän) talomme unser Haus
2. Pl. -nne (teidän) talonne euer Haus
3. Pl. -nsa1), -Vn2) heidän talonsa ihr Haus

1) Diese Endung unterliegt der Vokalharmonie, d.h. anstelle des a kann ein ä stehen.
2) Verdopplung des vorangehenden Vokals + n. Diese Variante kommt bei der Deklination vor (z.B. Inessiv hänen talossaan „in seinem/ihrem Haus“).

Die Possessivsuffixe treten auch bei Postpositionen auf, die ein Bezugswort im Genitiv verlangen.

  • (minun) edessäni (vor mir), (sinun) kanssasi (mit dir) etc.

Daneben können die Possessifsuffixe in den sogenannten Satzentsprechungen das Subjekt anzeigen.

  • tultuani (nachdem ich gekommen war), haluamattasi (ohne, dass du es gewollt hättest) etc.

Zahlwörter

Die Grundzahlen von 1 bis 10:

1 2 3 4 5
yksi kaksi kolme neljä viisi
6 7 8 9 10
kuusi seitsemän kahdeksan yhdeksän kymmenen

Die Zahlwörter ab 2 verlangen den Partitiv, falls sie im Nominativ stehen: yksi auto (ein Auto), kaksi autoa (zwei Autos), kahdessa autossa (in zwei Autos). Das Substantiv steht immer im Singular.

Verben


Das finnische Verb hat vier Tempora (Präsens, Imperfekt, Perfekt und Plusquamperfekt), vier Modi (Indikativ, Konditional, Imperativ und Potential), mehrere Infinitive und ein Verbalsubstantiv sowie vier Partizipien. Das finnische Passiv unterscheidet sich vom deutschen Passiv und ist eine unpersönliche Form.

Die finnischen Verben werden in sechs Typen eingeteilt. Die Endungen sind für alle Typen gleich, aber die Wortstämme unterliegen bei der Konjugation unterschiedlichen Veränderungen. Bei der Konjugation kann der Wortstamm durch den Stufenwechsel verändert werden. Aus sprachgeschichtlichen Gründen sind diese Veränderungen nicht immer regelmäßig (vgl. tavata - tapaan „treffen“ und tavata - tavaan „buchstabieren“).

  • Typ 1: sanoa (sagen) – sanon (ich sage)
  • Typ 2: syödä (essen) – syön (ich esse)
  • Typ 3: tulla (kommen) – tulen (ich komme)
  • Typ 4: haluta (wollen) – haluan (ich will)
  • Typ 5: tarvita (benötigen) – tarvitsen (ich benötige)
  • Typ 6: paeta (fliehen) – pakenen (ich fliehe)

Konjugation

Konjugation des Verbs puhua (sprechen) im Präsens:

Vorlage:Highlight1 | Person Vorlage:Highlight1 | Endung Vorlage:Highlight1 | Beispielwort Vorlage:Highlight1 | Übersetzung
1. Sing. -n (minä) puhun ich spreche
2. Sing. -t (sinä) puhut du sprichst
3. Sing. -V1) hän puhuu er/sie spricht
1. Pl. -mme (me) puhumme wir sprechen
2. Pl. -tte (te) puhutte ich sprecht
3. Pl. -vat2) he puhuvat sie sprechen

1) Verdopplung des vorangehenden Vokals
2) Diese Endung unterliegt der Vokalharmonie, d.h. statt des a kann ein ä stehen.

Die Personalpronomina der ersten und zweiten Person können weggelassen werden, da die Person bereits durch die Personalendung eindeutig bestimmt ist.

Tempora

Das Präsens bezeichnet gegenwärtige oder zukünftige Handlungen. Das im Finnischen nicht vorhandene Futur wird durch das Präsens ersetzt (menen huomenna „ich gehe morgen“, „ich werde morgen gehen“). Um den Zukunftsbezug eindeutig kennzuzeichnen, kann eine Umschreibung mit dem Verb tulla (kommen) verwendet werden (tulen menemään huomenna).

Das Imperfekt (auch Präteritum) bezeichnet die abgeschlossene Vergangenheit. Es wird regelmäßig mit dem Tempuszeichen -i- gebildet. Die Endungen sind die selben wie im Präsens.

  • puhun (ich spreche) - puhuin (ich sprach)

Das Perfekt bezeichnet eine Handlung, die in der Vergangenheit stattgefunden oder angefangen hat aber in der Gegenwart relevant ist. Es entspricht dem englischen Present Perfect. Das Plusquamperfekt bezieht sich auf eine Handlung, die vor einem Vergleichszeitpunkt in der Vergangenheit stattfand. Perfekt und Plusquamperfekt werden mit dem Hilfsverb olla (sein) und dem Partizip Perfekt gebildet.

  • olen puhunut (ich habe gesprochen), olet puhunut (du hast gesprochen) etc.
  • olin puhunut (ich hatte gesprochen), olit puhunut (du hattest gesprochen) etc.

Modi

Der Indikativ ist der Grundmodus und wird zur Darstellung der Wirklichkeit benutzt.

  • puhun (ich spreche), puhut (du sprichst) etc.

Der Konditional drückt hypothetische oder bedingte Handlungen aus. Er wird mit dem Moduszeichen -isi- gebildet.

  • puhuisin (ich würde sprechen), puhuisit (du würdest sprechen)

Der Imperativ ist die Befehlsform. Neben den Imperativen der 2. Person Singular und Plural gibt es auch Imperative für die 3. Person Singular und Plural und die 1. Person Plural (veraltet).

  • puhu! (sprich!), puhukoon! (er spreche!), puhukaamme! (lasst uns sprechen!), puhukaa! (sprecht!), puhukoot! (sollen sie sprechen!)

Der Potential bezeichnet eine wahrscheinliche, aber nicht sichere Handlung. In der heutigen Sprache ist er recht selten. Er wird mit dem Moduszeichen -ne- gebildet.

  • puhunen (ich spreche wohl), puhunet (du sprichst wohl) etc.

Passiv

Anders als im Deutschen und den meisten anderen indogermanischen Sprachen ist das finnische Passiv keine Umkehrung des Aktivs, sondern eigentlich ein Impersonal. Es bezeichnet Handlungen, bei denen die ausführende Person ungenannt bleibt. Das Passiv könnte als eine Art „4. Person“ bezeichnet werden.

Das Kennzeichen des Passivs ist -ta/-tä-. Es kommt in allen Tempora und Modi vor.

  • Präsens: puhutaan (es wird gesprochen)
  • Imperfekt: puhuttiin (es wurde gesprochen)
  • Perfekt: ollaan puhuttu (es ist gesprochen worden)
  • Plusquamperfekt: oltiin puhuttu (es war gesprochen worden)
  • Konditional: puhuttaisiin (es würde gesprochen werden)
  • Imperativ: puhuttakoon! (es werde gesprochen!)
  • Potential: puhuttaneen (es wird wohl gesprochen)

Infinitive

Finnische Verben haben je nach Auffassung zwischen drei und fünf Infinitive und ein Verbalsubstantiv (die Anzahl der Infinitive variiert in unterschiedlichen Grammatiken). Der 1. Infinitiv (puhua „sprechen“) entspricht dem deutschen Infinitiv und ist die Grundform des Verbs. Die übrigen Infinitive werden dekliniert und dienen zur Bildung zahlreicher temporaler, modaler, finaler u.ä. Satzkonstruktionen (z.B. puhuessani „während ich spreche“, puhumatta „ohne zu sprechen“, olen puhumaisillani „ich bin nah dabei, zu sprechen“ etc.).

Das Verbalsubstantiv wird mit dem Suffix -minen gebildet und kann in allen Kasus dekliniert werden. Es entspricht dem substantivierten Infinitiv des Deutschen (puhuminen „das Sprechen“, puhumisen „des Sprechens“ etc.).

Partizipien

Im Finnischen gibt es vier Partizipien. Es gibt sie in zwei Zeitebenen (Präsens bzw. gleichzeitig und Perfekt bzw. vorzeitig) jeweils als aktive und passive Form. Daneben existiert ein Agenspartizip, das das Partizip Perfekt Passiv ersetzt, wenn das Agens (die handelnde Person) genannt wird.

  • Partizip Präsens Aktiv: puhuva (sprechend)
  • Partizip Präsens Passiv: puhuttava (zu sprechen)
  • Partizip Perfekt Aktiv: puhunut (gesprochen habend)
  • Partizip Perfekt Passiv: puhuttu (gesprochen)
  • Agenspartizip: puhuma + Genitiv oder Possessivsuffix (von jmd. gesprochen)

Verneinung

Die Verneinung wird mit dem speziellen Verneinungsverb ei und dem nicht konjugierten Verbstamm gebildet.

  • (minä) en puhu (ich spreche nicht)
  • (sinä) et puhu (du sprichst nicht)
  • hän ei puhu (er spricht nicht)
  • (me) emme puhu (wir sprechen nicht)
  • (te) ette puhu (ihr sprecht nicht)
  • he eivät puhu (sie sprechen nicht)

Das verneinte Imperfekt wird anders gebildet als der bejahte, nämlich mit ei und dem Partizip Perfekt des Verbs. Das verneinte Perfekt und Plusquamperfekt werden durch Verneinung des Hilfsverbs olla gebildet.

  • puhuin (ich sprach), puhuit (du sprachst) etc. – minä en puhunut (ich sprach nicht), sinä et puhunut (du sprachst nicht) etc.
  • olen puhunut (ich habe gesprochen), olet puhunut (du hast gesprochen) etc. – en ole puhunut (ich habe nicht gesprochen), et ole puhunut (du hast nicht gesprochen) etc.
  • olin puhunut (ich hatte gesprochen), olit puhunut (du hattest gesprochen) etc. – en ollut puhunut (ich hatte nicht gesprochen), et ollut puhunut (du hattest nicht gesprochen) etc.

Beim verneinten Imperativ steht das Verneinungsverb in einer speziellen Imperativform älä.

  • puhu! (sprich!), puhukaa! (sprecht!) – älä puhu! (sprich nicht!), älkää puhuko! (sprecht nicht!)

Haben

Es gibt im Finnischen kein Wort für „haben“. Stattdessen verwendet man eine Konstruktion mit der 3. Person Singular von olla (sein) und dem Adessiv.

  • minulla on auto (wörtlich „bei mir ist ein Auto“: „ich habe ein Auto“)

Syntax


Wortstellung

Die übliche Wortfolge eines finnischen Satzes ist Subjekt-Prädikat-Objekt. Die Wortstellung ist prinzipiell frei, aber nicht beliebig. Wenn sie verändert wird, verändert sich auch die Satzbetonung. Neue Informationen treten meist ans Satzende. Vergleiche:

  • Koira puri miestä – Der Hund biss den Mann
  • Miestä puri koira – Den Mann biss ein Hund
  • Miestä koira puri – Es war der Mann, den der Hund biss (und nicht etwa jemand anders)
  • Puri koira miestä – Doch, der Hund biss den Mann (als Erwiderung eines Zweifels)

Fragen

Entscheidungsfragen steht das Verb am Satzanfang und wird mit der Fragepartikel -ko/-kö versehen. Wenn die Frage ein anderes Wort fokussiert, steht dieses mit der Fragepartikel am Satzanfang. Die Frage kann auch elliptisch sein.

  • Tuleeko Anna kesällä? – Kommt Anna im Sommer?
  • Annako tulee kesällä? – Ist es Anna, die im Sommer kommt?
  • Kesälläkö Anna tulee? – Kommt Anna im Sommer? (oder irgendwann anders)
  • Kuka tulee kesällä? Annako? – Wer kommt im Sommer? Anna?

Bei der Antwort auf eine Entscheidungsfrage entspricht dem deutschen „ja“ die Wiederholung des Verbs, dem deutschen „nein“ das Verneinungsverb.

Subjekt

Die Kategorien von Subjekt und Objekt sind im Finnischen weniger deutlich ausgeprägt als im Deutschen. Das Subjekt kann im Nominativ, Partitiv, nach manchen Auffassungen auch im Genitiv stehen oder auch völlig fehlen. Der Normalfall als Subjektskasus ist der Nominativ.

  • Tyttö näki linnun – Das Mädchen sah einen Vogel

Ein Partitivsubjekt kommt in den sogenannten Existentialsätzen („es gibt“-Sätze) vor, wenn eine unbestimmte Menge bezeichnet wird.

  • Lasissa on maitoa – Im Glas ist Milch

Bei Sätzen, die eine Notwendigkeit audrücken, steht die finnische Entsprechung des deutschen Subjekts im Genitiv. Ob dieses als Subjekt aufgefasst werden kann, ist Auffassungssache.

  • Sinun täytyy tehdä se – Du musst das machen

Generische Sätze, die im Deutschen meist durch ein unpersönliches „man“ oder das formale Subjekt „es“ ausgedrückt werden, haben kein Subjekt.

  • Ulkona sataa – Draußen regnet es

Objekt

Das Objekt kann im Akkusativ oder Partitiv stehen. Das Objekt steht stets im Partitiv, wenn der Satz verneint ist.

  • Ostin kirjan (Akkusativ) – Ich kaufte das Buch
  • En ostanut kirjaa (Partitiv) – Ich kaufte das Buch nicht

In bejahenden Sätzen hat die Kasuswahl zwei Aufgaben. Der Akkusativ drückt eine quantitative Bestimmtheit aus, während der Partitiv benutzt wird, wenn eine unbestimmte oder unzählbare Menge gemeint ist.

  • Juon kahvia (Partitiv) – Ich trinke Kaffee (unbestimmte Menge)
  • Juon kahvin (Akkusativ) – Ich trinke einen Kaffe (= Ich trinke einen Kaffee aus)

Außerdem kann ein Aspektunterschied ausgedrückt werden. Dabei drückt der Akkusativ eine perfektive oder resultative (abgeschlossene) und der Partitiv eine imperfektive oder irresultative (nicht abgeschlossene) Handlung aus.

  • Mies ampui hirveä (Partitiv) – Der Mann schoss auf den Elch
  • Mies ampui hirven (Akkusativ) – Der Mann erschoss den Elch

Satzentsprechungen

Bei den sogenannten Satzentsprechungen handelt es sich um kompakte Infinitiv- oder Partizipialkonstruktionen, die einen Nebensatz ersetzen. Die Infinitivformen werden dabei dekliniert und drücken eine zeitliche, modale oder finale Bedeutung aus. Das Subjekt des Nebensatzes tritt in den Genitiv oder kann als Possessivsuffix angehängt werden.

  • Hän sanoo, että Pekka on sairas = Hän sanoo Pekan olevan sairas – Er sagt, dass Pekka krank ist
  • Syömme, kun olemme tulleet kotiin = Syömme kotiin tultuamme – Wir essen, wenn wir nach Hause gekommen sind
  • Menin kauppaan, jotta ostaisin maitoa = Menin kauppaan ostaakseni maitoa – Ich ging in den Laden, um Milch zu kaufen
  • Hän lähti, ilman että huomasin = Hän lähti huomaamattani – Er ging, ohne dass ich es bemerkte

Wortschatz

Wortbildung

Die finnische Sprache hat ein komplexes Wortbildungssystem, durch das von einem einzelnen Wortstamm eine Vielzahl von unterschiedlichen Begriffen abgeleitet werden können. Beispielsweise stammen die folgenden Wörter alle vom selben Wortstamm ab:
kirja („Buch“), kirjain („Buchstabe“), kirje („Brief“), kirjasto („Bibliothek“), kirjailija („Schriftsteller“), kirjallisuus („Literatur“), kirjoittaa („schreiben“), kirjallinen („schriftlich“), kirjata („buchen“, „eintragen“), kirjasin („Letter“, „Druckbuchstabe“)

Durch Verbsuffixe können zahlreiche Bedeutungsnuancen ausgedrückt werden, z.B. nauraa („lachen“), naurahtaa („auflachen“), naureskella („vor sich hin lachen“), naurattaa („zum lachen bringen“).

Neologismen

Bei Neologismen werden im Finnischen generell eigenständige Wörter Fremdwörtern vorgezogen. Neue Begriffe werden oft auf Grundlage des vorhandenen Wortschatzes geschaffen (z.B. tietokone, wörtlich „Wissensmaschine“ = „Computer“, puhelin vom Wort für „sprechen“ = „Telefon“).

Lehnwörter

Im finnischen Wortschatz existieren Entlehnungen aus sehr unterschiedlichen Zeitschichten. Die historische Linguistik kann uralte Lehnwörter nachweisen, die aus der Zeit stammen, als die finno-ugrische und die indogermanische Ursprache sich noch nicht in die späteren Einzelsprachen aufgeteilt hatten, also wahrscheinlich dem 3. Jahrtausend v. Chr. So stammt das finnische Zahlwort für 100, sata wahrscheinlich aus einer Urform des Indoiranischen und ist mit dem Sanskrit-Wort śatam verwandt. Ebenfalls in prähistorischer Zeit, seit dem 1. Jahrtausend v. Chr., hatten die Vorfahren der Finnen Kontakte zu den Balten, Germanen und Slawen, aus deren Sprachen sie zahlreiche Wörter übernahmen. Die Lautgestalt dieser alten Lehnwörter hat sich im Finnischen oft besser erhalten als in den Ursprungssprachen. So ist das finnische kuningas noch sehr nah an der germanischen Urform *kuningaz, während das Wort sich in den heutigen germanischen Sprachen weiterentwickelt hat (dt. König, engl. king, schwed. konung etc.).

Der größte Teil der Lehnwörter im Finnischen stammt aber aus der schwedischen Sprache. Das heutige Finnland gehörte ab dem 12. Jahrhundert bis ins Jahr 1809 zum Königreich Schweden. Während dieser Zeit war die Oberschicht schwedischsprachig. In die finnische Sprache wurden sehr viele Lehnwörter aus dem Schwedischen übernommen, z.B. kuppi (schwed. koppen „Tasse“) oder auch die Wochentage maanantai, tiistai, usw. Die kurze Zugehörigkeit Finnlands zu Russland hat in der Sprache weit weniger Spuren hinterlassen, zumal Russisch nie Amtssprache war. In neuerer Zeit sind Lehnwörter aus dem Englischen dazugekommen, wenn auch in geringerem Umfang als zum Beispiel in der deutschen Sprache.

Sprachformen

Umgangssprache

Im Finnischen unterscheiden sich geschriebene und gesprochene Sprache mehr als in den meisten anderen europäischen Sprachen. Die Unterschiede sind sowohl lautlicher als grammatikalischer Natur. Die Schriftsprache wird für fast alle geschriebenen Texte verwendet; eine Ausnahme bilden informelle Nachrichten (E-Mails, SMS-Mitteilungen etc.). In Gesprächssituationen wird dagegen fast ausschließlich die Umgangssprache gesprochen, außer bei besonders formellen Anlässen. Die Umgangssprache variiert je nach dialektalem Hintergrund, Alter und sozialer Stellung des Sprechers, aber auch bei ein und derselben Person je nach Situation.

Die finnische Umgangssprache basiert im Wesentlichen auf dem Dialekt von Helsinki, hat sich aber zu einer überregionalen gesprochenen Standardsprache entwickelt.

Die wichtigsten Merkmale der Umgangssprache sind:

  • Lautliche Verschleifung: mä oon statt minä olen (ich bin), lukee statt lukea (lesen)
  • Gebrauch der sächlichen Pronomina der 3. Person (Singular se, Plural ne) auch für Personen (statt hän, he)
  • In der 1. und 2. Person werden die Personalpronomina meist genannt: mä kuulen statt kuulen (ich höre)
  • Verlust der Possessivsuffixe zugunsten des Genitivs der Personalpronomina: mun auto statt autoni (mein Auto)
  • Unterschiede in der Konjugation: Ersetzung der 1. Person Plural durch die Passivkonstruktion: me mennään statt me menemme (wir gehen); Die 3. Person Plural übernimmt die Form der 3. Person Singular: autot ajaa statt autot ajavat (die Autos fahren)
  • Bevorzugung analytischer Konstruktionen: Satzentsprechungen werden durch Nebensätze ersetzt: kun mä olin tullut statt tultuani (als ich gekommen war); Die selteneren Kasus wie der Abessiv werden durch Präpositionen ersetzt: ilman rahaa statt rahatta (ohne Geld)
  • Vor allem im informellen Bereich Abkürzung von Wörtern: telkkari statt televisio (Fernseher)

Dialekte

Die Unterschiede zwischen den finnischen Dialekten sind recht gering, sie unterscheiden sich fast ausschließlich in der Aussprache. Die finnischen Dialekte teilen sich in eine westliche und eine östliche Hauptgruppe. Die Einordnung des im nordschwedischen Torne-Tal gesprochenen Meänkieli ist umstritten. In Finnland wird es meist als westfinnischer Dialekt angesehen, während es in Schweden als eigenständige Sprache klassifiziert und auch an Schulen als Schriftsprache gelehrt wird.

Westfinnische Dialekte

Ostfinnische Dialekte

Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen westlichen und östlichen Dialekten ist die Entsprechung des schriftsprachlichen d. In den westfinnischen Dialekten ist der Laut meist durch r oder l ersetzt (tehrä statt tehdä), in den ostfinnischen ist er ausgefallen (tehä). In den Südwestdialekten fallen Vokale am Wortende oft aus (z.B. pitk statt pitkä). Die östlichen Dialekte verfügen über palatalisierte Konsonanten (z.B. vesj statt vesi).

Literatur

Grammatiken

  • Karlsson, Fred: Finnische Grammatik. Autorisierte Übersetzung aus dem Finnischen von Karl-Heinz Rabe. Bearbeitet von Cornelius Hasselblatt und Paula Jääsalmi-Krüger. 4. Auflage. Buske, Hamburg 2004
  • Buchholz, Eva: Grammatik der finnischen Sprache, Hempen, Bremen, 2004, ISBN 3-934106-40-4

Lehrbücher

  • Semrau, Richard: Langenscheidts Praktisches Lehrbuch Finnisch, Langenscheidt, Berlin, 1996, ISBN 3-468-26140-3
  • Steiner, Marja-Liisa: Finnisch für Sie. 4. Auflage. Hueber, Ismaning, 1989, ISBN 3-19-005076-7
  • Riekkinen-Gebbert, Senja: Yksi, kaksi, kolme. Finnisch für Deutschsprachige : Lehrbuch, Hempen, Bremen, 2003, ISBN 3-934106-23-4
  • Low, Hillevi: Finnisch für Globetrotter. 2. Auflage. Rump, Bielefeld, 1989, ISBN 3-922376-14-2
Wikibooks: Finnisch – Lern- und Lehrmaterialien

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